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Bestechung mit Blümchen

Nella und Nick konnten es kaum erwarten, bis der Wirbelwassergeist Coralla endlich das Zeichen zum Aufbruch gab.

Nella überprüfte noch schnell, ob Nicks Seegrasperücke und ihr eigener Korallenturm fest genug auf ihren Köpfen saßen. Sie schnappte sich kurz entschlossen einen vorbeitrudelnden Diademseeigel und setzte den schönen Fisch wie ein Schmuckstück in ihre rote Haarpracht. Ein paar Seefedern gesellten sich freiwillig dazu und knabberten begeistert an den saftigen Korallenenden.

„Jetzt siehst du schon fast wie Frau Pataria aus!“, zog Nick sie auf.

Nella streckte ihm die Zunge raus. „Wohnst du schon lange in der versunkenen Stadt?“, fragte sie den Wirbelwassergeist neugierig.

„Wie man es nimmt“, antwortete Coralla ausweichend.

„Wie bist du überhaupt hierhergeraten?“, bohrte Nella weiter. „Das siebte Meer liegt ja nicht gerade um die nächste Muschelecke.“

Coralla sah zur Seite. „Das ist eine längere Geschichte“, sagte sie wortkarg.

„Erzähl ruhig!“, ermunterte sie Nick. „Dann sind wir schneller da.“

Der Wirbelwassergeist schüttelte so heftig seine grüne Mähne, dass ein paar träumende Wasserflöhe, die es sich zwischen seinen Haarsträhnen gemütlich gemacht hatten, panisch die Flucht ergriffen.

„Müsst ihr mich die ganze Zeit ausquetschen wie ein paar reife Seetrauben?“, rief Coralla aufgebracht. „Ihr seid echt nerviger als ein Rudel hungriger Katzenhaie.“

Nick bremste abrupt ab. „Katzenhaie? Wie kommst du auf die? Wie gut kennst du Haimanus Katz und seine Katzenhai-Bande?“, fragte er stirnrunzelnd.

Der Wirbelwassergeist ballte vor Zorn die Fäuste. „Grrrrrrrrrrr! Grrrrrrrrrrr! Grrrrrrrrrrr!“

Er schlug seine Propellerflossen wütend hin und her, sodass ein paar Spinnenkrabben verstört das Weite suchten. „Ich habe nichts an der Muschel mit einem Haimanus Katz und mit seinem dummen Sohn erst recht nicht.“

Nella schrie empört auf. „Ach nein! Und warum erwähnst du Otis, wenn du beide gar nicht kennst? Du lügst ja schon wieder!“

Der Wirbelwassergeist biss sich vor Ärger in die eigene Faust. „Mist! Mist! Mist! Ihr bringt mich eben total durcheinander. Wenn ich meinen Auftritt verpatze, seid ihr schuld. Dann wirft euch der Tentakelschluckspecht zu eurem Delfin in den finsteren Kerker, darauf setze ich eine Schwarzlippige Perlmuschel.“

Erschrocken stopfte er sich die Faust in seinen großen Mund.

„Ach, sieh an. Aurelia ist also im Kerker. Warum sagst du das nicht gleich? Dann schwimmen wir doch einfach mal dorthin.“ Nick grinste bis über beide Ohren.

„Ich habe es gleich gewusst“, sagte Nella düster. „Haimanus Katz und der Tentakelschluckspecht stecken unter einer Decke.“ Sie sah Coralla streng an. „Erkläre uns den Weg zum Kerker. Während du in der Bar auftrittst, schnüffelt uns der Tentakelschluckspecht bestimmt nicht hinterher.“

Der Wirbelwassergeist schüttelte empört den Kopf. „Nein, nein und noch mal nein. Mit euch ist es gar nicht lustig. Ihr seid die ganze Zeit gemein zu mir. Ich verpetze euch jetzt einfach beim Tentakelschluckspecht. Auf Nimmerwiedersehen.“ Coralla machte einen halben Wirbel und schwamm beleidigt davon.

„Coralla, warte auf uns!“, rief Nick erschrocken.

Der Wirbelwassergeist tat so, als hätte er Nick nicht gehört.

„Mist!“, sagte Nick verzweifelt. „Kannst du nicht einmal deinen Mund halten, Nella? Wenn Coralla jetzt wegschwimmt, finden wir Aurelia nie!“

„Coralla, halt!“ Nella kraulte hinterher. „Wenn du uns zum Kerker bringst und nicht beim Tentakelschluckspecht verrätst, schenke ich dir auch was ganz Schönes.“

Der Wirbelwassergeist bremste so plötzlich ab, dass Nella gegen seinen grätigen Rücken prallte. „Autsch! Pass doch auf!“ Sie rieb sich ihre schmerzende Nase.

„Was kriege ich denn dafür?“, fragte Coralla mit leuchtenden Augen.

„Was wünschst du dir denn?“, fragte Nella, um Zeit zu gewinnen. „Ich kann es bestimmt besorgen!“ Ihr fiel nämlich siedend heiß ein, dass sie bei ihrer überstürzten Abreise gar nichts mitgenommen hatte. Das Einzige, was sie besaß, gehörte ihr gar nicht: das Glöckchen in ihrer Flossentasche!

Coralla strahlte über das ganze Gesicht. „Die lustige Pflanze, die du um deinen Hals gewickelt hast!“, sagte sie und zeigte mit dem Zeigefinger auf Nellas Halskette.

Nella fasste sich an den Hals. Da hing Papas Kette mit den kleinen blauen Blümchen, die Max ihr in die Flaschenpost gesteckt hatte.

„Die Halskette habe ich aber gerade erst von meinem Papa gekriegt“, sagte sie kleinlaut.

„Schöööön“, röhrte Coralla vergnügt. „Haben.“ Sie griff so gierig danach, als ob sie die Kette herunterreißen wollte.

„Nein!“, protestierte Nella. „Du machst sie ja kaputt. Du musst sie ganz vorsichtig am Verschluss öffnen.“

Nur widerwillig entfernte sie die Blumenkette von ihrem Hals und legte sie dem Wirbelwassergeist um den Hals.

Corallas Gesicht leuchtete vor Freude. „Schöööööööön!“

Nella betrachtete die Halskette wehmütig. „Wenn du dein Versprechen nicht hältst, musst du mir die Kette wieder zurückgeben“, sagte sie streng.

Coralla machte ein erschrockenes Gesicht und verbarg die Kette mit ihren Händen. „Nein! Das ist jetzt meine Kette. Wirbelwassergeister halten ihre Versprechen.“

Nick strampelte so ungeduldig mit seiner Flosse wie ein Seepferdchen in den Startlöchern. „Seid ihr fertig? Können wir endlich weiterschwimmen?“, fragte er. „Aurelia wartet sicher schon sehnsüchtig darauf, befreit zu werden.“