beginnt die Geschichte von
Ben, Maggy, Rachel, Pjotr und Kemal,
die jungen Menschen, die sich früher »Die Freunde« genannt hatten und das im Rahmen ihrer Kontaktstörung auch waren,
in einem Starbucks oder einem anderen Laden irgendeiner Milliarden-Dollar-Umsatz-Kette, der aussah wie ein Starbucks.
Es war kalt. Der hervorragenden Klimaanlage geschuldet –
Seit ein Hersteller für Klimaanlagen einen der Spitzenlobbyisten beschäftigte, standen sie in jeder Filiale der großen Café- und Restaurantketten, verbrauchten Strom und erzeugten die zum Kapitalismus gehörige Eiseskälte.
Willkommen in den Caféketten – der konsumgewordenen Verzweiflung des Anthropozäns. Verzweifelt urban, verzweifelt global, verzweifelt einsam war jeder der KundInnen. »Hey, wir rufen deinen Vornamen laut in den klimaanlageunterkühlten Raum und geben dir einen Moment der Sichtbarkeit, du Lurch« – bezahl diesen schlechten Kaffee, von nichts kommt nichts, und ab mit dir in unsere urbane Klubatmosphäre, die wirkt, als hätten sich verzweifelt designende Unternehmensberater (also Arbeitslose) eine amerikanische Landhaus-Upperclass-Bibliothek vorgestellt.
Die sie nie betreten werden.
Schade.
Diese Läden, die überall auf der Welt gleich aussehen, in der sich gleich aussehende Menschen mit den gleichen Dingen beschäftigen, im Zweifel mit dem Smartphone, könnten einem Halt des Vertrauten sein. War aber nicht.
Es gab nur noch multinationale Ketten, multinationale Konzerne, multinationale Manager mit multinationalen Aktionären und Rechtspersonen, die keine Menschen waren, und so sah der Scheiß dann aus.
Starbucks hatte alle kleinen Cafés ersetzt, die es gegeben hatte – mit handgerösteten Bohnen und Barista-Wettbewerben und sanften, aber doch reizenden Powermännern, die neben der Aufzucht der Kinder noch ein Hobby brauchten und ein kleines Café geführt hatten.
Die waren jetzt alle weg.
Diese von EigentümerInnen geführten Bars und Cafés und Restaurants waren verschwunden. Nach der letzten Krise, der letzten Immobilienblase, der letzten Inflation, dem letzten Finanzskandal, dem letzten Naturereignis hatten die Regierungen wieder einmal Geld gedruckt und großzügige Kredite an Unternehmen und Selbstständige ausgezahlt. Leider erfolgte zu lange keine Verbesserung auf den Finanzmärkten, und außer den großen Konzernen, den Oligarchen, war kaum einer in der Lage, die Kredite zurückzuzahlen. Schade.
Die zu kalte Filiale, multinational, falls noch nicht erwähnt, war jedenfalls fast leer. Die hochgradig verspannten Baristas, die den Verlust ihres geliebten Arbeitsplatzes fürchteten, brüllten verzweifelt die Namen der nicht vorhandenen Kunden in die Leere.
Es waren neben den fünf jungen Menschen nur zwei vermeintliche Junior-Investmentbanker anwesend, die man an den Restless Legs, den Seidenkrawatten, am Mahlen der Kieferknochen und der Geste, mit der sie sich die Nase rieben, um auch das letzte Klischee von koksenden Arschgeigen zu erfüllen,
erkannte.
Es war Frühling oder Herbst, es regnete,
und die fünf jungen Menschen schwiegen. Ihre selbst definierte Zugehörigkeit zu einer pathologischen Minderheit erlaubte es ihnen nur, schwallartig zu monologisieren oder eben – nichts zu sagen.
Es war ihnen unbehaglich, sie pressten ihre mit anarchistischen Stickern beklebten Rechner fest an den Körper. Genug Berührung für heute –
Die Freunde hatten kaum miteinander geredet, seit damals.
Sie hatten sich nicht gesehen, weil die Erinnerung an den misslungenen Hack, an den verunglückten Umsturz, sofort wieder anwesend gewesen wäre.
»Wollen wir darüber sprechen?«, fragte Ben.
Keine wollte darüber sprechen, denn sie erinnerten sich alle an den Tag des Elends.