in den Security-Abteilungen aller Banken.
Durch die Foundry-Software war ein Alarm ausgelöst worden. Die Auswertung der weltweiten Finanzbewegungen hatte Auffälligkeiten festgestellt, die mit den Daten der Gotham-Software in den Rechnern der Geheimdienste und der Polizei korrelierte – deren Untersuchungen von sozialen Medien, Blogs, der Downloads, der Ads und so weiter zeigten eine bedrohliche Einflussnahme durch eine Organisation, die von den Diensten »RCE Files« genannt wurde.
Remote Code Execution – aus der Ferne auf Computer und Endgeräte zugreifen, um dort Änderungen durchzuführen. Änderungen, ein großes Wort. Es wurde weltweit daran gearbeitet, den Ursprung der Bankmanipulationen und der Propaganda zu entschlüsseln. Bisher – ohne Erfolg. Die nationalen Geheimdienste führten unter Leitung
der
Geheimdienstmitarbeiterin in Den Haag
weiter hektische Massenverhaftungen der ihnen bekannten AnarchistInnen, Neonazis und AntifaschistInnen durch.
Strenge Verhöre zeigten –
Keine Resultate.
Nach wie vor spielte die Geheimdienstmitarbeiterin mit dem irrsinnigen Gedanken, noch mehr Plattformen vom Netz zu nehmen. Die größten wurden weiterhin in einzelnen Ländern gesperrt,
doch fiel eine Plattform aus, verlagerten sich die Aktivitäten auf andere Kanäle. Die Geheimdienstmitarbeiterin verfluchte die Langsamkeit der EU . Wäre das Chat-Kontroll-Gesetz schon aktiv gewesen, hätten sie die Verantwortlichen in Sekunden ausfindig gemacht. Irgendwo auf Switch, Mumble, Briar, im RCE -Chat – so aber konnten sie nur auf die ohnehin einsehbaren WhatsApp-Nachrichten, die Chats in Twitter und Instagram zurückgreifen. Es hatte Verhaftungen wegen der Verbreitung von Videos, Furcht und Schrecken gegeben. Verzweifelt versuchten die IT -Abteilungen, durch Deep-Packet-Inspection -Techniken den Zugriff auf Hashtags zu sperren, die Verschlüsselung aufzubrechen oder wenigstens sie zu kapern und nach bewährtem Vorbild mit Cover-up-Storys lächerlich zu machen, all diese Behauptungen zu zerpulvern, die Bewegung als verwirrte Nazis darzustellen, aber es war – zu spät, die Sache war wie ein Myzel. Millionen Menschen benutzten den Peer-to-Peer-Chat. So viele Geheimdienstmitarbeitende sich auch in die Chatverläufe einbrachten, sie konnten keine nützlichen Metadaten abgreifen, keine Rädelsführer in den Massenauswertungen ausmachen, keine besonders bedeutenden IP -Adressen isolieren.
Die Geheimdienstmitarbeiterin hatte das Gefühl, eine Seilbahngondel zu beobachten, die ungebremst auf die Talstation zuraste.
Wer auch immer da aktiv war, in Europa,
sie machten einfach
weiter.
Die Leute in
Spanien sahen zur gleichen Zeit
das neueste Video der Übergangsregierung – oder der eventuellen Übergangsregierung.
In Wett- und Fußball-, Koch- und Ü60-Blogs und Dating-Seiten, auf Facebook und Seniorenblogs und –
Da sieh nur –
Rafael Nadal, David Broncano, Yolanda Ramos, Paco León, Matías Prats, Fernando Simón, Ana Rosa Quintana standen in der Stierkampfarena von Ronda. Ein Monument der guten alten Zeit. Der Song »Morir de amor« von Miguel Bosé brachte die älteren SpanierInnen immer noch in eine sentimentale Stimmung. Sie fühlten ihren Verlust. Dachten an die Zeit, als der Hochfrequenzkapitalismus erst langsam zu rollen begann, als eine Million noch Reichtum bedeutete, als es sich irgendwie leben ließ mit Wurst und einer Liebe. Denn mehr zu wollen, war den meisten damals nicht eingefallen. Es gab halt Reiche, sie waren langweilig.
Sie vergaßen den Vietnamkrieg und das Waldsterben und die Frauenmorde und den Kalten Krieg und träumten von der Zeit, als man noch Nachbarn hatte, die man nicht hasste. Als man noch an eine behäbige, langweilige Verwaltung glaubte. Als man den ganzen Scheiß noch glaubte. An Recht und Ordnung. Und über Politiker schimpfte, wie über ein unsympathisches Familienmitglied.
Sie wurden traurig und dann wütend. Doch jetzt wussten sie endlich, wo ihre Feinde saßen, wer sie waren und wie sie von ihnen betrogen wurden, um die schönen Bilder, die sie irgendwann gehabt hatten.
Das Video ging zu Ende, die Hymne zum Umbruch erklang. Die Menschen sangen sie mit
und spürten,
dass nun bald, bald etwas passieren würde.