10 Tage vor dem Ereignis –

der Unternehmer

Abneigung: griechisches Essen, Griechen

Politische Tätigkeit: Parteispenden

Hobbys: Golf

Gesundheitszustand: dank eigener Ärzte noch am Leben

Religion: katholisch

schwitzte. Er hasste sich für seine Entscheidung, im Land zu bleiben. Die meisten seiner Golffreunde waren weg –

die Familien Niarchos, 10,8 Milliarden, Schiffe und Kunsthandel,

die Latsis’, Schiffe, die Livanos’, 6,6 Milliarden,

die Angelopoulos’, Telis Mistakidis, Rohstoffhandel. Alle saßen wegen des guten Wetters in der Schweiz, allein sein Kumpel Chryss Goulandris war auf den Bahamas. Von den Milliardären waren nur Dimitris Melissanidis, Öl, Lotterie, die Familie Vardinogiannis, Öl, Banking, Schiffe, und er übrig geblieben, die anderen Ratten hatten das Land verlassen, nachdem sie es leer gefressen hatten. Latsis, der jetzt am Genfer See residierte – oder lebte er inzwischen in Monaco? –, gehörte die drittgrößte Bank des Landes, die Milliarden an EU -Hilfsgeldern bekommen hatte. Er war eng mit einem EU -Kommissar befreundet. Trockenes Husten. Und war erstarkt aus der letzten und vorletzten Finanz- oder Immobilien- oder Inflations- oder Betrugsskandal-Krise hervorgegangen. Gott sei Dank.

Heute besaßen die diversen Holdings und Firmen und Stiftungen seines Freundes große Teile der Eurobank EFG , des Ölkonzerns Hellenic Petroleum, des Immobilienunternehmens LAMDA Development, der Schweizer Fluggesellschaft PrivatAir. Latsis war ein Philanthrop. Seine Internationale Latsis-Stiftung stellte unbequeme Fragen: Wie können wir langfristiges Wirtschaftswachstum fördern und unsere Wirtschaft retten? Zum Beispiel.

Hoppla, ein Riss in der Infrastruktur, der Wagen machte einen kleinen Satz –

und nun hatte der Unternehmer ein Problem. Die Stimmung in der Stadt wurde immer – unbehaglicher. Auch jetzt, als er im Fond seines Bentleys durch die bezaubernde Innenstadt fuhr, um an irgendeinem unsinnigen Meeting teilzunehmen, schienen ihm die Blicke der PassantInnen hasserfüllt, ein paar Kinder warfen Steine. Oder Kot. Immer öfter kam es zu Plünderungen in Supermärkten. Der Unternehmer war nervös. Als sie an einer Ampel zum Stehen kamen, sah er in einem Tesla-SUV neben ihm einen Mann, der sich gerade in Panik die Stirn tupfte. Der Pöbel war nicht mehr unter Kontrolle.

Nach langen Jahren, in denen die sogenannten Menschen sich scheinbar in ihrer Bestimmung gefügt hatten: Ruhe bewahren und irgendwann sterben.

War da eine vollkommen unbekannte Wut über sie gekommen, die sich diesmal nicht gegen die Flüchtigen vom afrikanischen Kontinent oder gegen freiwillige HelferInnen, die ihnen, falls sie die Überfahrt lebend bewältigt hatten, an Land Wasser zu trinken und Wärmedecken reichten, richtete –

Oder gegen Juden, die immer noch weit oben auf der Hassliste der GriechInnen standen. Diesmal wendete sich die Wut der Proletarier gegen ihre Macher. Die Arbeitgeber. Die Vorreiter.

Auch das noch, neben den wirklichen Problemen, mit denen der Unternehmer in letzter Zeit zu tun hatte.

In den vergangenen Wochen hatten sie beunruhigende Informationen von den Verwaltern ihrer Stiftungen und Family-Offices erhalten. Der Wert ihres Hauptanlageverwalters an der Börse war so dramatisch eingebrochen, dass sich die ersten Gruppen von Leerkäufern an der Börse um das sterbende Unternehmen stritten. Bei dem Versuch, das zu verwaltende Vermögen von der Firma abzuziehen, stellte sich heraus, dass das Unternehmen zum einen lange Unregelmäßigkeiten auf den diversen Konten übersehen hatte. Und dass die Besitzereinträge der Immobilienanlagen nicht mehr in den digitalen Grundbüchern zu finden waren.

Der Unternehmer rollte an der Bank seines Freundes Latsis vorbei. Hunderte Menschen standen mit ihren mobilen Geräten davor.

WTF .

Der Unternehmer wusste nicht, dass die Gamer-Community in ihrem Spiel gerade Gebäude niederbrannte.

Und das war

in Spanien nicht gerne gesehen.

Sachen niederbrennen oder andere subversive Handlungen, wie zum Beispiel – Sprengungen oder Abtreibungen. Die unterdessen auch hier verboten waren.

Verrückt,

dachte der Sprengmeister, dass fast jeden Tag wieder etwas, das demokratisch und durch jahrzehntelange Kämpfe erreicht worden war, wieder angeschafft wurde.

Die Ehe für alle, die Stadtbegrünung, die kostenlose Kinderbetreuung, das Verbot von Pestiziden, also einiger,

der Ausstieg aus fossilen Brennstoffen, der Mindestlohn,

all diese kleinen Ablenkungsmittel eines gefeierten Fortschritts, damit die Menschen zufrieden waren und sich gerne weiter vermehrten und kleine Kredite aufnahmen, um kleine Wohnungen nie zu besitzen, und sich im Anschluss sehr gerne ausbeuten ließen, um die Zinsen der Kredite zurückzuzahlen, waren

weg.

Wie überall,

wie in

Ungarn. Da standen die Leute

in größeren Gruppen vor Apotheken. Und versuchten sich in Vorratskäufen.

Es gab das Zeug kaum mehr, die Herztabletten, die Blutdruckpillen, die Alzheimerpillen, die Pille danach oder davor.

Die gute alte Medizin mit abgelaufenen Patenten, zu billig, um eine Produktion vor den Aktionären zu rechtfertigen.

Fast achthundert Medikamente waren nicht mehr lieferbar, weil die Wirkstoffe aus Asien kamen, wo im großen Stil pharmazeutische Fabriken wegen des schlechten Wertes in den Umweltbelastungen geschlossen worden waren. Vielleicht.

Immer öfter kam es zur Stürmung von Apotheken.

Besonders von Menschen, die von

Schlaf- und Beruhigungsmitteln, von Ritalin

und Viagra abhängig waren, wurden sehr ungehalten. Denn wozu sollte man an den Kapitalismus glauben, wenn man nicht einmal mehr auf einen akzeptabel aufgerichteten Penis vertrauen konnte.

Da gab es schon mal Stress in den

Großstädten. Den Energiefressern, den Dreckschleudern, in denen sollten in der Zukunft, also gleich, 80 Prozent aller Menschen leben. Aber wo nur, da es doch kaum mehr Sand gab, den man zu Zement formen konnte.

Meine Güte, seht euch nur die Städte an. Gebaut von Männern für Autos, Autobahnzubringer überall und Kreisverkehre und vierspurige Straßen und Parkplätze und ab und zu ein Radweg und Kreuzungen, auf denen die Lastwagen ihrem Hobby nachgehen konnten, Frauen zu töten.

Die waren nicht vorgesehen in diesem Betonelend, dem autofreundlichen Dreck, den Technokraten nach irgendwelchen Kriegen entworfen hatten, in dem Frauen, wie erwähnt, nicht vorkamen, oder Menschen im Rollstuhl, oder Blinde, oder Kinder. Die Frauen saßen zu Hause und gebaren unentwegt blinde Kinder und huschten über die Straßen zum Einkaufen und ließen sich unterwegs ein bisschen vergewaltigen, belästigen, anpöbeln,

oder von Männern in Autos überrollen. Aber hurra, nun waren alle stinkenden lauten Autos durch leise elektrische SUV s ersetzt, mit denen sich noch leichter töten ließ, die noch mehr Platz verbrauchten, mit den Ladestationen überall, mit den Strippen und Stöpseln, und die Unfälle häuften sich.

Und