Rätsel, Familienthemen und ein Hundebiss
»… bewegt sich keinen Millimeter aus seinem Schloss heraus. Wir observieren ihn jetzt schon seit Stunden. Mein Chef fragt sich sowieso, was diese Aktion bringen soll. Das alles treibt ja die Kosten der Ermittlungen immens in die Höhe.«
Jörg saß frühmorgens bei einer Tasse Kaffee in meiner Küche und redete sich seinen Kummer von der Seele, während ich Hundenapf, Tupperware und Biergläser aus der Spülmaschine räumte – Dinge, die rein auf Onkel Gustavs Konto gingen. Als ich schließlich Teller und Besteck einräumen konnte, fragte ich mich kurzfristig, ob es aus rein erzieherischen Gründen nicht besser gewesen wäre, mein eigenes Geschirr mit der Hand zu waschen und das Blinken der durchgelaufenen Maschine zu ignorieren. Onkel Gustav war darin Meister; vielleicht konnte ich doch noch in seine Spuren treten, wenn ich an mir arbeitete?
»Warum lädst du Hirscheck nicht einfach vor und befragst ihn zu dieser Sabine Erdlinger oder der vermeintlichen Sekte?«
»Weil der mir dann ins Gesicht lügt«, lautete die lakonische Antwort. »Und weil er mit Feichtenböck den besten Strafverteidiger der Stadt hat. Ich muss erst was gegen ihn in der Hand haben. – Na, und dazu noch die Sache mit dem angeblich angefahrenen Mädchen … wir haben den umliegenden Wald und die Felder abgesucht. Es gibt
keinen Hinweis auf Yvonne Kruse.«
»Ich dachte, ihr wolltet Suchhunde einsetzen?«
Ich nahm ihm gegenüber Platz.
»Das haben wir auch, aber ohne Ergebnis. Es war schon schwierig genug, diese absolut bescheuerten – anders kann man es wirklich nicht nennen – Eltern davon zu überzeugen, dass ihr Töchterlein nicht in der Karibik herumschippert. Zumal sie gestern eine Postkarte aus Jamaika erhielten – eindeutig mit Yvonnes Handschrift. Aber immerhin haben sie uns per Expressdienst zwei Haarbänder geschickt, die ihre Tochter vor ihrer Abreise getragen haben soll, damit die Hunde zumindest eine Spur verfolgen konnten. Nichts. – Was die Eltern darin bestätigte, dass wir vollkommen auf dem Holzweg sind. Allerdings hat es ja geregnet, das macht die Sache nicht einfacher.«
»Warum versucht man nicht, die Kreuzschifffahrtsanbieter oder ihr Schiff zu kontaktieren? – Dann hättet ihr Gewissheit!«
Jörg lachte bitter.
»Dazu müssten wir wissen, auf welchem sie sich befindet. Aber die Eltern wissen ja nicht einmal den angeblichen Arbeitgeber! Das Mädchen sei erwachsen. Pure Wohlstandsvernachlässigung ist das in dieser Familie, das sage ich dir!« Er redete sich in Rage. »Die wohnen in einem Einfamilienhaus in Blankenese, berichten mir lang und breit von ihren tollen Fernreisen, die ihre Tochter auf den Geschmack gebracht hätten, auf einem Kreuzfahrtschiff zu arbeiten, und sind emotional komplett unterbelichtet! Ich meine – die geben sich echt damit zufrieden, gelegentlich eine Postkarte ihres einzigen Kindes zu erhalten, während sie selbst schon den nächsten Golfurlaub in Südspanien buchen!«
»Südspanien klingt doch relativ bescheiden.«
»Ja, jetzt ist es mal Südspanien. Aber sonst machen sie Safaris in Kenia, Studienreisen durch Indien und China, Kreuzfahrten sonstwo …« Er holte tief Luft. »Ich hab als Kind in Bibione Sandburgen gebaut und in Kroatien Muscheln gesammelt. Die Kruses haben mit der Kleinen schon den halben Planeten umrundet und prahlen damit, als würde sie das zu höherwertigen Menschen machen!«
Ich schmunzelte. Jörg und die Kruses schienen wirklich nicht
zueinandergefunden zu haben. »Sieh es doch mal anders«, ermunterte ich ihn mit einem Augenzwinkern. »Dafür ruft deine Mama jeden Tag bei dir an!«
Ich erntete einen nahezu tödlichen Blick. Dass die Überbesorgtheit seiner Mutter Jörg ziemlich nervte, war mir durchaus bekannt. Ihn damit aufzuziehen, ließ ich mir gelegentlich allerdings nicht nehmen.
Etwas anderes kam mir in den Sinn.
»Jörg. Du bezweifelst doch Katharinas Aussage nicht?«
»Nein. Ich glaube, dass sie die Kruse gesehen hat. Dafür war das Phantombild zu genau. Allmählich beginne ich mich mit der Version, die uns diese Chiara aufgetischt hat, anzufreunden: dass Yvonne Kruse mit einem top recherchierten Artikel über die Sekte den journalistischen Durchbruch schaffen und sich eine Festanstellung bei einem großen Magazin sichern wollte. Nachdem ich mit dem Vater telefoniert habe, weiß ich auch, weshalb sie so ein Geheimnis darum gemacht hat: weil sie keinen Druck im Nacken haben und nicht als Versagerin dastehen wollte, falls sie scheitern sollte. Dieser Kruse ist ein erfolgsorientierter Angeber!«
Ich nahm Jörgs leere Tasse und legte eine Kapsel in die Maschine. Er sah aus, als könnte er einen zweiten Kaffee brauchen.
»Was ich aber bezweifle, ist, dass Katharina die Kruse wirklich angefahren hat«, fuhr Jörg fort. »Im verletzten Zustand – und wenn es nur ein angeknackster Knöchel ist – wäre die Frau nicht mehr weit gekommen. Es ist uns sowieso ein Rätsel, wohin sie mitten in der Nacht verschwunden sein kann. Da ist weit und breit nichts außer Wiesen und Felder!«
»Woher kam sie eigentlich? Wisst ihr das nun schon?«
»Bisher noch nicht, aber wir sind dran.«
»Und die drei Frauen und der Mann, die du zuvor erwähnt hast? Die vermutlich die Sekte leiten?«
»Von denen fehlt jede Spur. Die haben sich vor ein paar Jahren in Hessen abgemeldet und nirgendwo mehr angemeldet.«
»Und ihr habt sie zur Fahndung ausgeschrieben?«
»Ich wollte, aber für den Chef gibt es dafür keine Grundlage. Noch können wir denen nichts nachweisen. Zu verschwinden ist kein
Verbrechen.«
»Na hör mal!«, empörte ich mich. »Was ist mit unterlassener Hilfeleistung? – Als ich in Straubing die Treppe hinuntergefallen bin, haben die mich einfach liegen gelassen!«
»Na, du hast es ja überlebt«, warf Jörg mit breitem Grinsen ein. »Aber lass uns das noch mal zusammen durchspielen: Da gibt es irgendwo eine kleine Sekte, deren Anführerin vermutlich diese Brigitte Weiß ist. Und der scheinen ihre Anhängerinnen abhanden zu kommen: Eine junge Frau stirbt im Schlosspark, die andere torkelt krank und benommen über die Felder. Die nächste läuft Katharina fast vors Auto. Gleichzeitig stehlen sie bei Light & Fire
, das von einer ihrer früheren Mitstreiterinnen geleitet wird, einen Computer. Wobei ich immer noch denke, die Erdlinger wollte da einfach selbst etwas verschwinden lassen.«
Ich ließ mir seine Worte durch den Kopf gehen.
»Vielleicht alles, was beweisen könnte, dass Frauen, die jetzt in dieser angeblichen Sekte sind, zuvor bei Light & Fire
Kurse gebucht hatten?«, stellte ich dann in den Raum. »Die wollen einfach jegliche Verbindung vertuschen.«
»Die Erdlinger hat uns die Liste mit Marion Schwaigers und Veleda Mayerhofers Namen ja schließlich doch noch ausgehändigt«, warf Jörg ein.
»Weil sie Angst hatte, dass ihr sonst ihr ganzes Büro und die Privatwohnung auseinandernehmt«, vermutete ich. »Wer weiß, worauf ihr bei einer Hausdurchsuchung noch gestoßen wäret. Vielleicht auf ein pharmazeutisches Labor? Vielleicht aber auch irgendwo auf die Namen Irma Pohl und Yvonne Kruse? Könnte doch sein, dass Light & Fire
aus den Kursteilnehmerinnen künftige Sektenmitglieder rekrutiert!«
»Ja, aber was hätten die davon?« Jörg sah mich ratlos an. »Und die Rolle der Hirschecks ist mir auch schleierhaft. Die haben letztendlich doch keine Vorteile davon.«
»Also, die Hunde der Hirschecks liefen da sicher nicht zufällig herum! – Ich könnte mir vorstellen, diese Yvonne ist vor irgendetwas weggelaufen, und die Hunde wurden ihr hinterhergehetzt, um sie zu stellen!«
»Diese Vermutung hatte ich mir ehrlich gesagt schon bei der Schwaiger«, gab Jörg nachdenklich zu. »Ich bin sicher, dass sie durch den Park gehetzt worden ist, dabei in der Dunkelheit und wegen der Drogen und des Alkohols die Orientierung verlor, deswegen zusammenbrach und …«
»… und noch eine Flasche Wodka ausgetrunken hat, als sie schon tot war«, ergänzte ich trocken. Jörg drehte sich seit Tagen im Kreis, und das setzte ihm spürbar zu. Seine Nerven waren inzwischen dünn. Es gab immer mehr Spuren, immer mehr Akteure – leider taten sich dadurch immer mehr Fragen auf. Das musste frustrierend sein. Nichtsdestotrotz konnte ich ihm nicht länger psychologischen Beistand leisten. Meine Nachmittagssprechstunde begann in zehn Minuten.
»Die junge Dame hat keinen Termin und war auch noch nie bei uns, aber wir müssen sie wohl dazwischenschieben.«
Ich stand am Waschbecken und desinfizierte mir gerade die Hände, als Gerlinde mir die Krankenversicherungskarte auf den Schreibtisch legte.
Selbst auf die Entfernung erkannte ich das Logo einer privaten Versicherung. Wenigstens etwas.
»Du hast ihr aber schon gesagt, dass ich nachmittags in der Regel nur auf Terminbasis arbeite?«, warf ich dennoch ein. In den Jahren, die ich mittlerweile selbstständig tätig war, hatte ich gelernt, meine Patienten zu erziehen. Die Zahl der Leute, die plötzlich vor meiner Haustüre standen und mir vorjammerten, sie hätten es nicht mehr in die Sprechstunde geschafft, wollte ich bewusst begrenzen.
»Selbstverständlich. Aber es handelt sich um einen Notfall«, gab mir Gerlinde zur Antwort. »Ein entzündeter Hundebiss.«
Ich griff nach der Versicherungskarte. Der Name ließ bei mir alle Alarmglocken schrillen. Yvonne Kruse!
Sie saß hier im Wartezimmer? Warum ausgerechnet bei mir? Ich gab mir die Antwort selbst: Dass Kommissar Berger mein bester Freund war und es mit der Vertraulichkeit seiner Arbeit wider die
Vorschriften nicht so genau nahm, konnte sie schließlich nicht wissen – falls sie überhaupt ahnte, dass die Polizei nach ihr suchte. Sie musste mittlerweile zwei Nächte da draußen herumgeirrt sein!
»Schick sie gleich rein«, wies ich Gerlinde an. »Ich ziehe sie vor.«
Die junge Frau, die kurze Zeit später mein Behandlungszimmer betrat, trug eine saubere Jeans, einen makellosen schwarzen Pullover und Stiefeletten, mit denen sie sicher nicht über frisch umgepflügte Äcker gerannt war. Ihre blonden Locken wurden von einem Haarband zusammengehalten. Mit ihrer Stupsnase und dem spitzen Kinn war sie eindeutig identifizierbar als die Frau, die Katharina für das Phantombild so treffend beschrieben hatte.
Sie roch nach einem leicht blumigen Parfum oder Duschgel. Ihr Händedruck war fest. Auf den ersten Blick wirkte sie frisch und gesund. Auf den zweiten musste ich mein Urteil revidieren: Für ihre Körpergröße war sie zu mager, zu blass, hatte Ringe unter den Augen und Rillen in den überraschend kurzen Fingernägeln. Vom Typ her hätte ich sie mir eher mit rotem Nagellack und einer Portion Make-up im Gesicht vorstellen können.
»Guten Tag«, begrüßte Yvonne Kruse mich mit eindeutig norddeutschem Zungenschlag, während mir ihre Begleiterin ebenfalls die Hand reichte und hinzufügte: »Wir kennen uns ja schon.«
Richtig, der italienische Abend. Chiara Chiavelli, die in Straubing an der Fachhochschule Pädagogik studieren wollte, wie ich von Jörg wusste. Und die bereits fieberhaft nach ihrer besten Freundin gesucht hatte.
Nun, jetzt hatte sie sie offensichtlich gefunden.
»Wie kann ich Ihnen helfen?«, erkundigte ich mich, mein Wissen hinter einem professionell-interessierten Gesichtsausdruck verbergend.
Statt einer Antwort schob Yvonne das linke Hosenbein nach oben. Die Wunde sah tatsächlich nicht besonders gut aus: Sie war oberflächlich mit Schorf bedeckt und hatte einen blauen Rand, als wäre hier auch eine Quetschung mit im Spiel gewesen. Der ganze Unterschenkel war leicht geschwollen.
»Wie ist das denn passiert?«, fragte ich scheinheilig.
»Ich habe mit dem Hund eines Bekannten gespielt, und der ist plötzlich ausgetickt und hat mich gebissen«, ließ mich die Blondine wissen. »Ich dachte erst, es sei nur ein kleiner Biss … aber nun habe ich Zweifel, ob es sich nicht doch um eine Blutvergiftung handeln könnte. Es tut so weh!«
Meine gebrochene Rippe meldete sich zu Wort, als ich mich in die Hocke begeben wollte, um die Verletzung genauer zu betrachten. Ich bat die junge Frau, sich auf die Liege zu legen. Als sie meiner Aufforderung Folge leistete, fielen mir ein paar Kratzer auf, die sie am Hals und seitlich im Gesicht trug. Der Schorf zeigte, dass auch diese Verletzungen relativ frisch waren.
Es sah aus, als wäre sie mit Stacheldraht in Konflikt geraten.
»Ich kann Sie beruhigen: Eine Blutvergiftung ist es nicht«, stellte ich fest, während ich die Wunde vorsichtig desinfizierte. »Bei einer Sepsis wären Sie jetzt schon in einem anderen Zustand. Tetanusgeimpft sind Sie?«
»Ich … ich bin nicht sicher.« Yvonne Kruse wurde noch eine Spur blasser. »Glauben Sie, dass ich …«
»Wie lange ist der Biss denn her?«
»Na ja … zwei Tage.«
»Und warum kommen Sie jetzt erst zu mir?« Die Freude, weitere kleine Lügen aus ihr hervorzulocken, gönnte ich mir.
»Weil … na ja …« Yvonne Kruse warf ihrer Begleiterin einen hilfesuchenden Blick zu.
»Yvonne ist gerade bei mir zu Besuch. Wir wollten die gemeinsame Zeit nicht mit Arztbesuchen blockieren. Wir dachten ja, es wird von selbst wieder.«
Zumindest die Italienerin war um keine Antwort verlegen.
»Sie wohnen noch immer in Aichendorf, bei den Gärtners?«, fragte ich in unschuldigem Tonfall nach, während ich begutachtete, wo genau einer der Hunde seine spitzen Zähne in Yvonne Kruses Haut gebohrt hatte.
»Ähm, nein … ich habe ein eigenes … äh … Wohnung.« Chiara Chiavelli beantwortete diese Frage sichtlich ungern.
»Oh, Sie bleiben für länger?« Ich hatte nicht vor, sie aus der Zange zu lassen. »Wo denn? In der Westsiedlung? Oder am Bahnhof? – Es ist
ja gar nicht so leicht, Singlewohnungen in Aichendorf zu finden.«
»Hmm, ja … nicht in Aichendorf.« Die junge Frau gab sich einen Ruck. »Ich bin nach Straubing gezogen«, offenbarte sie mir endlich, was ich schon von Jörg wusste.
»Nach Straubing?« Ich hielt bei meiner Tätigkeit inne, tat überrascht. »Und da bringen Sie Ihre Freundin zu mir nach Aichendorf zur Behandlung?«
»Anna Gärtner hat gesagt, Sie sind die beste Ärztin«, behauptete Chiara, und ich nahm ihr diese Aussage auch ab. Es sah Anna ähnlich, solche Äußerungen zu tätigen – aus reiner Berechnung. Sie wollte, dass dieses Kompliment bei mir landete, weil sie sich durch ihre allzu durchsichtige Schmeichelei Vorteile erhoffte für den Fall, dass sie mich einmal brauchen sollte. »Außerdem sind Sie vertrauenswürdig, hat sie gesagt.«
»Vertrauenswürdig?« Ich sah auf, diesmal ehrlich überrascht. Kam jetzt die große Beichte, was sich wirklich zugetragen hatte?
»Na ja, wir wollen diesen Bekannten nicht anzeigen«, antwortete nun Yvonne. »Wissen Sie, er hat einen Pitbull. Wir wollen ihm keinen Ärger machen, sonst kommt Archie womöglich noch ins Tierheim.«
Wie rührend. Aber unsere Märchenstunde war leider begrenzt, denn in meinem Wartezimmer gab es noch weitere Patienten – Leute, die einen Termin hatten.
»Die Wunde ist zum Glück nicht tief, aber Sie hätten wirklich besser gleich kommen sollen«, ließ ich die Patientin wissen. »Denn auch wenn Sie zum Glück keine Sepsis haben: Ein Hundemaul ist voller Bakterien, und die Gefahr einer Infektion ist immer gegeben – zumal, wenn die Wunde unmittelbar nach dem Biss nicht richtig desinfiziert wird. Ich werde Sie jetzt verbinden, Ihnen ein Breitbandantibiotikum mitgeben, vorsorglich Ihre Tetanus-Impfung auffrischen, und in zwei Tagen machen wir einen Termin zum Nachschauen. Okay?«
Yvonne Kruse nickte, während ich den Verband anzulegen begann. Ihre Beine waren ziemlich mager. Sollte an Jörgs Theorie von der Sekte tatsächlich etwas dran sein, ging diese wirklich nicht gut mit ihrer Anhängerschaft um. Kein Wunder, dass die Frauen nach und nach flüchteten!
Ich verließ das Zimmer, um den Impfstoff zu holen, und nutzte die Gelegenheit, Jörg am Handy zu kontaktieren. Er hob wieder einmal nicht ab. Als ich es in seinem Büro versuchte, hatte ich nur die Sekretärin am Apparat.
»Kommissar Berger ist in einer Besprechung.«
»Und Kommissar Furtner?«
»Der telefoniert gerade.« Einen Moment lang war ich versucht, ihr zu erklären, wer hier bei mir saß – dass irgendjemand vorbeikam, der die Gesuchte von Katharinas Phantombild hier abholte und aufs Kommissariat brachte, würde sie ja wohl auch in die Wege leiten können. Aber dann schob sie hinterher: »Das wird keine fünf Minuten mehr dauern. Am besten, Sie melden sich dann noch einmal!«
So lange würde es wohl auch dauern, bis ich ihr die Umstände erklärt hatte. Ich gab mich geschlagen und stand vor einer neuen Herausforderung: meine Überraschungspatientin so lange in der Praxis zu halten, damit genug Zeit für Jörgs Rückruf und seine anschließende Fahrt nach Aichendorf blieb.
Denn zum Nachschauen käme Yvonne in zwei Tagen gewiss nicht noch einmal zu mir …