Lügen, lausige Fotos und geheime Sehnsüchte
»Dass Sie sich nicht allmählich nicht selbst lächerlich vorkommen, Herr Kommissar!« Hirscheck saß entspannt in seinem Lehnstuhl in der Schlossbibliothek, ein Glas Rotwein neben sich. Das übliche Lächeln lag auf seinen Lippen. »Erst lassen Sie ohne rechtliche Grundlage Ihre Zivilfahnder auf meinem Grundstück herumstöbern, nun unterstellen Sie mir Unglaubliches und behandeln mich wie einen potenziellen Verbrecher. Dazu besteht keine Notwendigkeit. Ich habe mich bis jetzt sehr kooperativ verhalten.«
»Sie haben uns angelogen, Herr Professor!«, hielt ihm Jörg entgegen. »Wir haben jetzt eine Zeugin, die Ihre Verbindung zu einer sektenmäßigen Vereinigung namens Lumenaria bestätigt, die obendrein in einer alten Ziegelei einquartiert ist, die zu Ihrem Immobilienbesitz gehört! Sie haben diese Organisation für Ihre verrückten Experimente benutzt: Unter deren Deckmantel haben Sie orientierungslose Frauen gefangengehalten, eingesperrt, gequält und heimlich beobachtet – um ihre Schicksale dann als qualitative Fallbeispiele in Sachen Verhaltensforschung zu verkaufen!«
»Völlig haltlose Thesen.« Hirscheck hatte sein Lächeln nicht verloren. »Herr Kommissar, mir ist diese Organisation natürlich namentlich bekannt. Ein Kursanbieter für Frauen auf Sinnsuche. Und ja, sie haben die alte Ziegelei gemietet. Was ist so verwunderlich daran, dass ich interessierte Studentinnen dorthin weiterempfehle?«
»Sie kannten diese Leute schon aus der Zeit, als Sie noch auf einem Hof in Hessen lebten. Es ist eine Sekte. Damals hieß sie nur anders«, konfrontierte ihn Jörg mit den Fakten. »Sie müssen doch von dem Vorfällen wissen, die es da gegeben hat. Ein mysteriöser Selbstmord. Junge Frauen, die den Hof als psychische Wracks verließen. Selbst wenn Sie wirklich nicht daran mitgewirkt haben sollten: So einen Laden kann man doch nicht weiterempfehlen!«
»Von solchen Vorfällen weiß ich nichts. Zudem hat, wie Sie vermutlich längst in Erfahrung gebracht haben, eine ehemalige Studentin, die ich auch dorthin empfohlen hatte, diese Organisation putzmunter verlassen und sogar ihr eigenes Institut gegründet.«
»Ja, Sabine Erdlinger von Light & Fire .« Jörg konnte ihn in diesem Punkt nicht widerlegen. »Und sie führt Ihrer Sekte jetzt auch brav orientierungslose Frauen als neue Mitglieder zu – vorwiegend solche, die sie während ihrer Kurse als besonders instabil klassifiziert.«
»Das ist reine Spekulation«, wiederholte Hirscheck stoisch.
»Es gibt Verträge, in denen die Frauen vor ihrem Eintritt bei Lumenaria unterschreiben mussten, dass sie keinen Widerstand gegen erzieherische Maßnahmen leisten, alle Zustände dort kommentarlos ertragen und sich bedingungslos unterwerfen«, fuhr Jörg unbeirrt fort. »Ein Austritt gilt als Vertragsbruch. Für den Fall wird zudem mit hohen Geldstrafen gedroht, die diese Frauen existenziell dauerhaft ruiniert hätten.«
»Zeigen Sie mir erst einmal so einen Vertrag, dann kann ich vielleicht etwas dazu sagen!«
»Uns liegen sie noch nicht vor«, musste Jörg zugeben. »Aber unsere Zeugin …«
»Ach!«, fuhr Hirscheck triumphierend dazwischen. »Sie haben gar nichts in der Hand? – Das überrascht mich nicht!«
»Unsere Zeugin …«, begann Jörg erneut, doch sein Gegenüber ließ ihn nicht ausreden.
»Selbst wenn Sie solche Verträge finden sollten, werden Sie meinen Namen darauf nicht entdecken. Ich habe mit Lumenaria nichts weiter zu tun, als dass ich gelegentlich jemanden dorthin empfohlen und eine Immobilie an sie vermietet habe.«
»Konkret vermietet an wen? An Brigitte Weiß?«
»Ja, so heißt die Dame. – Sonst noch was?«
»Sie kooperieren mit Light & Fire , die auch Marion Schwaiger an Lumenaria empfohlen hat. – Musste die junge Frau etwa sterben, weil sie hinter diese Verbindung gekommen ist? Hat sie Sie in jener Nacht hier im Schloss zur Rede gestellt? Wollte sie Sie verpfeifen? Haben Sie sie deshalb unter Drogen gesetzt, sie mit den Hunden durch den Park gejagt und ihren Tod billigend in Kauf genommen, um sie zum Schweigen zu bringen?«
Hirscheck erhob sich.
»Wir hatten schon geklärt, dass ich zur Tatzeit längst nicht mehr in Dipolding war«, sagte er mit ruhiger Stimme. »Außerdem erinnere ich daran, dass ich mich durch die freiwillige – ich betone: freiwillige! – Abgabe meiner Spermaprobe selbst entlastet habe. Und die Tatsache, dass sie dasselbe im Magen hatte wie ich, war nicht einmal für den Untersuchungsrichter ausreichend, um mir irgendetwas anzuhängen. Ableiten könnte man daraus lediglich, dass sie in unser Haus eingedrungen ist und sich an dem Essen bedient hat, dass noch da stand. Unsere Haushälterin hat Ihnen bereits bei meiner ersten Verhaftung bestätigt, dass sie die Platte mit dem Geräucherten und den Wein nicht sofort weggeräumt hat.«
»Und schon damals hat uns gestört, dass es keinerlei Einbruchsspuren gibt. Jemand hat sie hereingelassen.«
»Nun, ich war es nicht.« Hirscheck hob gleichgültig die Schultern. »Es gibt bekanntermaßen zwei Hintereingänge. Es kann nicht mehr klar festgestellt werden, ob sie an diesem Abend verschlossen waren oder nicht. Vermutlich wohl nicht, sonst wäre die Frau nicht hereingekommen und hätte nicht von meinem Teller naschen können. Meine Frau hat geschlafen. Nicht einmal die Hunde …«
»Ein gutes Stichwort: Ihre Hunde. – Wie geht es ihnen denn?«
»Den Hunden?« Erstmals fiel ein Schatten über Hirschecks Gesicht. »Sie sind vor zwei Nächten entlaufen. Unser Hausmeister hatte das Tor nicht richtig geschlossen. Vermutlich haben sie die Fährte von irgendeinem Wild aufgenommen. Wir haben die zuständigen Jäger verständigt mit der Bitte, nicht zu schießen und stattdessen uns zu melden, wenn sie die Tiere in ihrem Revier entdecken. Meine Frau ist außer sich. Es waren ihre Lieblinge.«
»Waren? – Interessant, dass Sie sich so ausdrücken. Klingt, als wüssten Sie bereits, dass die Hunde tot sind.«
Hirscheck zögerte spürbar, rang sich dann aber doch zu einer Antwort durch: »Meine Frau behauptete heute früh, mit Asraels Seele in Verbindung zu stehen. Asrael ließe sie auf diesem Wege wissen, dass er und Amira nicht wiederkehren. Vermutlich hat sie eben doch einer dieser schießwütigen Jäger erlegt und gibt es nur nicht zu.«
»Na, da kann ich Sie aufklären: Ihre Hunde sind vor ein Auto gelaufen – als sie eine Frau verfolgten, die von Lumenaria geflohen war«, ließ Jörg den Professor wissen. »Ein merkwürdiger Zufall, dass ausgerechnet Ihre Hunde die Frau verfolgen, nicht wahr? Übrigens eine, die auch noch Journalistin ist und Ihre Treiben mit Lumenaria ans Licht bringen wollte.«
»Ich kann mir das nicht erklären.« Hirscheck hielt noch immer die Hände vor der Brust verschränkt. Sein Gesicht war zu einer Maske gefroren. »Und was diese Journalistin betrifft: Was soll sie über mich ans Licht bringen können? – Wenn hier jemand angeblich Frauen gefangenhält, foltert oder halb verhungern lässt, dann doch wohl die Leiterinnen von Lumenaria
Hirscheck sah Jörg Berger beschwörend an.
»Glauben Sie mir endlich: Ich habe mit dem Tod dieser Marion Schwaiger nichts zu tun!«
»Wir hätten auch noch ein paar Fragen an Ihre Frau, den Purpurmantel betreffend, der angeblich nicht ihr gehört hat. – Wo ist sie?«
»Nicht hier. Sie ist nach München gefahren, will sich etwas ablenken … die Sache mit den Hunden setzt ihr zu.«
»Sie soll sich bei uns melden, sobald sie wieder hier ist.«
»Dorothee Florence hat mit alledem rein gar nichts zu tun.«
»Unlängst soll eine große Frau um die fünfzig mit langem schwarzem Haar und dominantem Auftreten einer Anbieterin spiritueller Kurse gedroht haben, ihr ein paar böse Geister vorbeizuschicken«, umschrieb Jörg, wie Veleda Mayerhofer mit ihren illegalen Hausgästen erpresst worden war. »Für mich klingt das nach Ihrer Frau.«
»Und für mich nach hausgemachtem Unsinn«, erklärte Hirscheck mit unbewegter Miene. »Meine Frau ist eine renommierte Parapsychologin und würde sich niemals auf solch ein Niveau begeben.«
Die alte Ziegelei lag drei Kilometer – Luftlinie – von Schloss Dipolding entfernt. Das Navigationsgerät versagte beim Auffinden der Adresse. Die Ermittler bogen zweimal falsch ab, ehe sie die richtige Zufahrtsstraße fanden.
Wie von Yvonne Kruse beschrieben, war das Grundstück von einem Stacheldrahtzaun umgeben. Das Einfahrtstor stand offen, erinnerte aber durch die meterhohen Metalltüren, die allem Anschein nach elektronisch steuerbar waren, an einen Gefängnistrakt. Als hier in den Sechzigerjahren noch Ziegel gebrannt wurden, hat es solch ein Tor sicher noch nicht gegeben, davon war Jörg überzeugt.
Vor dem zweistöckigen Hauptgebäude parkten bereits Streifenwagen. Die Kriminalbeamten hatten sie hingeschickt.
Einer der uniformierten Kollegen stand vor einem Nebengebäude und rauchte. Ein anderer kam gerade aus dem Haus, als Jörg und Furtner ausstiegen.
»Da ist nichts. Keine Seele«, gab er sogleich Auskunft. »Tür und Tor standen offen. Der Strom ist abgeschaltet, das Wasser abgedreht. Sieht aus, als wäre vor Kurzem jemand ausgezogen.«
Irgendwo meckerte eine Ziege.
Automatisch wandte Jörg den Kopf zum Stallgebäude gegenüber dem Haupthaus. In einem kleinen, offenen Verschlag erspähte er den gehörnten Kopf des Tieres.
»Es sind insgesamt vier«, informierte ihn der rauchende Polizist. »Wir haben ihnen Wasser und Heu aufgefüllt und das Tierheim verständigt. Die können aber erst morgen jemanden vorbeischicken, der die Viecher holt.«
Gemeinsam mit Furtner sah Jörg sich im Haus um. Außer den modernen Elektrogeräten in der Einbauküche erinnerte nichts daran, dass hier in den letzten Jahren überhaupt Menschen gewohnt hatten. Die restlichen Räume waren völlig ohne Möbel.
Als sie die Treppe zum Keller entdeckten, kamen ihnen von dort zwei weitere Uniformierte entgegen.
»Da ist nichts«, ließ einer der beiden sie wissen. »Ein Drecksloch mit ein paar Türen links und rechts.«
»Wohinter sich was genau befindet?«, erkundigte sich Furtner.
»Eine haben wir aufgebrochen; der Kellerverschlag war leer. Abgesehen von Spinnen und Staub. Das Haus ist verlassen.«
Jörg nickte. Allmählich wurde ihm bewusst, dass sie einer Art Verzögerungstaktik auf den Leim gegangen waren. Sowohl Hirscheck auch als Sabine Erdlinger musste klar gewesen sein, dass früher oder später die Polizei hier aufkreuzen würde. Allerdings hatten sie durch ihre Lügen und Verleugnungen dafür gesorgt, dass sich die Ermittlungen in die Länge zogen. Den zeitlichen Aufschub hatte die Sekte genutzt, um zu verschwinden.
»Wir sind von Lügnern umgeben«, stellte auch Frank Furtner rund eine Stunde später fest, ehe er sich das nächste Stück Salamipizza in den Mund schob.
Jörg, der ihm kauend gegenübersaß, konnte dieser Aussage nur mit einem Nicken zustimmen. Hirscheck, der sich seiner Meinung nach wie ein Aal wand, war ihm schon gehörig auf die Nerven gegangen. Aber auch Yvonne Kruse strapazierte seine Geduld. Zwar hatte sie mit dem zuständigen Kollegen Phantombilder der sogenannten Erleuchteten erstellt, allerdings wurde er den Verdacht, dass ihnen die Frau irgendetwas verschwieg, einfach nicht los.
»Also, die Fotos von der Kruse bringen uns eigentlich nicht weiter, richtig? Die Qualität ist zu schlecht.« Furtner hatte den Mund schon wieder leer. Jörg, mit dem nächsten Bissen beschäftigt, konnte nur wieder nicken. Abgesehen von einer trockenen Brezel zum Frühstück, war die Pizza sein erstes richtiges Essen an diesem Tag – um halb acht Uhr abends. »Und diese Fotos hat sie mit dem Handy aufgenommen, das sie bei Lumenaria eingeschmuggelt und versteckt hat, genauso wie ihre Aufzeichnungen über Gespräche mit anderen Frauen und all das obskure Zeug, das dort gepredigt wurde?«
»So ist es.« Jörg wischte sich die Hände an der mitgelieferten Serviette ab und ärgerte sich über das dünne Papier, von dem mehr an seiner Hand kleben blieb, als dass es Fett und Tomatensoße wegnahm. »Marion Schwaiger konnten wir jedenfalls auf keinem der Fotos identifizieren. Aber zumindest haben wir nun die Namen der anderen Lumenaria- Angehörigen, die uns die Kruse genannt hat.«
»Vornamen, wenn ich mich recht erinnere.«
»Ja, die Nachnamen kennt sie nicht. Und weißt du, das glaube ich ihr sogar!« Jörg gab den Kampf mit der zerfledderten Papierserviette auf. Ohne Wasser und Seife wurde das hier nichts. »Ich nehme ihr den Ablauf ihrer Flucht nur nicht ganz ab. Mir kommt es so vor, als verschweige sie uns etwas Entscheidendes. Als ich in Gesines Praxis mit ihr sprach, hatte ich stark den Eindruck, dass sie glaubt, mit einer Pobacke schon auf der Anklagebank zu sitzen. Die war am Anfang hysterisch und auch kratzbürstig. Erst als ich ihr zum wiederholten Male sagte, sie sei eine wichtige Zeugin, wurde sie etwas entspannter.«
Furtner schleckte sich die letzten Käsereste von den Fingern und klappte die leere Pappschachtel zu.
»Aber eigentlich hast du sie da ziemlich belogen. Wenn sie Zeugin war, wie andere gequält, unter Drogen gesetzt wurden und hungerten mussten, und das alles tatenlos mit angesehen hat, kann man ihr durchaus eine Mitschuld zuweisen, zumal wenn eine von ihnen zu Tode gekommen sein könnte.«
»Klar.« Jörg war bereits an der Tür. »Aber so weit hat sie nicht gedacht. Ergo kam ihre Besorgnis von etwas anderem. Warte mal eben …«
Als er mit frischgewaschenen Händen von der Toilette zurückkam, empfing Furtner ihn mit der Nachricht: »Am Kölner Hauptbahnhof ist eine gewisse Dorothea Neumüller aufgegriffen worden. Die Kollegen haben bei ihr einen abgelaufenen Personalausweis entdeckt. Ansonsten wirkte sie verwirrt.«
»Lass mich raten: Drogentest positiv. Psilocybin.«
»Nein, aber das heißt nichts. Die Substanz kann sich auch schon abgebaut haben.«
»Und was spricht sie?«
»Wenig – außer, dass sie Angst vor irgendeinem Typen namens Marco hat, der sie umbringen will.«
»Oh. Das ist mal was Neues.« Jörg ließ sich wieder an seinem Schreibtisch nieder. »Hat die wirklich mit unserem Fall zu tun?«
»Definitiv. Die Beschreibung der Frau stimmt haargenau mit der einer gewissen Doro überein, die Yvonne Kruse zu Protokoll gegeben hat. Und dass diese Doro vor ihrer Zeit bei Lumenaria Probleme mit einem gewalttätigen Exfreund namens Marco hatte, hat sie auch erwähnt.«
»Vom Regen in die Traufe! Möchte echt mal wissen, was im Kopf dieser Frauen vor sich geht. Was bei Lumenaria ablief, klang ja wirklich nicht so verlockend, dass man gleich zu denen hin muss.«
»Yvonne Kruses Aufzeichnungen nach waren die meisten von ihnen instabil und suchten Halt. So ist das doch immer, wenn sich Leute Sekten anschließen.«
»Hmm.« Jörg fuhr sich nachdenklich durch sein Haar. »Sind die Kölner Kollegen eigentlich über unseren Fall informiert?«
»Sind sie. Nach unserer deutschlandweiten Meldung sind wohl inzwischen alle Polizeidienststellen sensibilisiert, was verwirrte Frauen auf Bahnhöfen und in U-Bahn-Stationen betrifft. Von einer Iris und einer Ruth, den anderen beiden Frauen, die sich der Sekte angeschlossen hatten, fehlt ja noch jede Spur.«
»Wie die Kruse das angestellt hat, über einen so langen Zeitraum nicht aufzufliegen, würde mich auch mal interessieren«, überlegte Furtner laut. »Die muss uns noch viel erzählen.«
»Ja, aber ich musste sie dennoch nach Hause – also zu ihrer Freundin Chiara – schicken. Nach unseren Gesprächen war sie ziemlich erschöpft. Ich habe sie für morgen wieder einbestellt.«
»Ich hoffe mal, die haut uns nicht ab …«
Jörg musste unwillkürlich grinsen.
»Ich wüsste nicht, wohin. Ihrem Vater will sie nicht als Versagerin gegenübertreten, und ihre Aufzeichnungen und ihr Handy mit den Fotos haben wir. Um die mache ich mir keine Sorgen.«
»Um wen dann?«
»Um Hirscheck. Um seine Frau. Und um unsere vier verschwundenen Erleuchteten. Die mir auch dahingehend Rätsel aufgeben, dass Gesine einen Mann gehört haben will, die anderen aber konsequent von vier Frauen sprechen.«
»Die Phantombilder wurden an jede Polizeidienststelle herausgegeben, und nach dem weißen Van wird Ausschau gehalten. Zu blöd, dass wir kein Kennzeichen haben! – Trotzdem, es ist nur eine Frage der Zeit, bis wir sie kriegen.«
»Jedenfalls wird es für uns wohl wieder eine lange Nacht«, schlussfolgerte Jörg. »Ich besorge mir mal einen Kaffee. Willst du auch einen?«
»Wenn du so fragst, würde ich lieber mit dir auf ein Bier gehen, aber da wir im Dienst sind … ja, vielleicht ist Kaffee keine schlechte Idee. Aber dann den Espresso. Der schmeckt noch am erträglichsten!«
Auf dem Weg zum Kaffeeautomaten dachte Jörg über Furtners Vorschlag nach. Mit Frank Furtner auf ein Bier gehen hörte sich prinzipiell gut an. Zu gut. Gemacht hatten sie es noch nie. Warum, wusste Jörg selbst nicht so genau. Vermutlich, weil Furtner nach Feierabend seine eigenen Wege ging – und er selbst noch nie gefragt hatte, welche das waren. Ihr Privatleben klammerten sie trotz der guten Zusammenarbeit stets aus.
Vielleicht sollte ich das irgendwann mal ändern, dachte Jörg, während er zusah, wie die schwarzbraune Flüssigkeit in den Plastikbecher lief. Auf dem Rückweg ins Büro verwarf er den Gedanken jedoch bereits wieder.
Es gab keine Anzeichen, dass Furtner irgendetwas anderes war als heterosexuell. Außerdem: Er selbst hatte immer noch Sascha, auch wenn die Fernbeziehung nicht gerade den Gipfel des Glücks darstellte.