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Der Wettkampf
Jorat, Quurisches Reich.
Zwei Tage nach dem letzten Tag von Gadrith D’Lorus’ Herrschaft
Kihrin schwieg erst einmal, als Janel ihre Schilderung unterbrach und Bruder Qaun bedeutete, das Erzählen zu übernehmen. Er kaute eine Weile auf der Unterlippe herum. »Ich sage das nur äußerst ungern, aber ich glaube … du hast recht: Xaltorath hat nach dir gesucht, und nur nach dir. Genauso wie ich glaube, dass … sie in der Hauptstadt nach mir
gesucht hat. Es war alles im Voraus geplant.«
»Die Vorstellung ist zwar beunruhigend, aber ich bin der gleichen Meinung«, sagte Bruder Qaun.
Janel schluckte, dann nickte sie. »Ich weiß, und ich hasse es. Ich hasse es von ganzem Herzen, dass Unzählige wegen mir sterben mussten. Es ist so sinnlos, und ich fühle mich schuldig.« Sie hob die Hand. »Mir ist bewusst, dass es nicht meine Schuld war, aber das ändert nichts an meinen Gefühlen.«
Kihrin schaute Janel in die Augen. »Ein guter Freund hat mir gesagt, dass wir uns freiwillig für das hier gemeldet haben. Alle Vier. Im Nachleben haben wir uns dazu bereit erklärt, zurückzukehren und diesen Krieg auszufechten. Ich glaube, du bist eine von diesen Vier.«
»Lass mich raten – mein Name war Elana.«
Kihrin blinzelte sie verdutzt an. »Was? Wie kommst du darauf …?«
»Als wir uns im Nachleben begegnet sind, hast du mich Elana genannt.« Sie hielt kurz inne. »Mehrmals.«
»Hm, seltsam. Ich kenne keine Elana. Das einzige Mal, dass ich diesen Namen gehört habe …« Er runzelte die Stirn. »Oh.«
Janel hob die Augenbrauen und wartete.
»Jemand hat mir mal erzählt, in meinem letzten Leben hätte eine Frau namens Elana mich vor etwas, ähm, Schrecklichem gerettet und dass ich ohne sie jetzt nicht hier wäre.«
»Tatsächlich?« Janel stützte das Kinn in die Hand. »Und wie hast du vor, dich bei ihr dafür zu bedanken?«
Einen Moment lang glaubte Kihrin, sie meinte Atrine, dann bemerkte er seinen Irrtum. Ein Lächeln trat auf seine Lippen. »Ich hätte da so ein paar Ideen.«
»Ich kann es gar nicht erwarten, sie zu hören.«
Bruder Qaun räusperte sich.
Kihrin schrak zusammen. Er hatte schon wieder vergessen, dass der Priester mit ihnen am selben Tisch saß.
Janel wirkte ein klein wenig beschämt. »Gibt es sonst noch etwas, das ich wissen muss?«
Kihrin lächelte säuerlich. »Es gibt da so eine Prophezeiung.«
Janel verdrehte die Augen und warf lachend den Kopf in den Nacken. »Bei den Göttern …«
»So in der Art. Und wegen dieser Prophezeiung glaube ich, dass Xaltorath allen Grund hatte, nach uns zu suchen.«
»Aber warum hat sie uns nicht einfach getötet?«, hakte Janel nach. »Das ist unlogisch.«
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»Ich glaube, um die Logik hinter alledem zu verstehen, müssten wir zuerst Xaltorath verstehen.«
»Viel Glück damit«, erwiderte Janel.
»Dämonen wollen leben«, ergriff Bruder Qaun schließlich das Wort. »Genau wie wir alle. Die Frage, die wir uns stellen müssen, lautet: Können sie nur auf unsere Kosten überleben? Ist das ein Zaibur-Spiel mit lediglich einem Gewinner, oder spielen wir Raben und Tauben?«
Kihrin und Janel schauten einander an. »Was …?«
»Raben und Tauben?«, fragte Kihrin. »Nie von diesem Spiel gehört.«
»Ach so.« Bruder Qaun wirkte peinlich berührt. »Ich bin in Eamithon damit aufgewachsen. Das ist ein Spiel für Kinder, bei dem es mehrere Sieger geben kann. In der Tat ist es sogar so, dass der prestigeträchtigste Sieg darin besteht, dass alle gewinnen.«
Kihrin verzog das Gesicht. »Eamithon klingt gut. Ich wollte dort eine Schenke für meinen Vater aufmachen.« Er seufzte, starrte in sein Glas und winkte die Kellnerin heran, um noch eines zu bestellen.
Schließlich wandte er sich wieder an Qaun. »Du bist dran.«
Qauns Schilderung. Turnierplatz in Mereina, Provinz Barsine, Jorat, Quur.
Pläne wurden gefasst und Aufgaben verteilt – was in Bruder Qauns und Dornas Fall bedeutete, freie Plätze im Publikum zu finden. Das stellte sich als schwieriger heraus, als Qaun gedacht hätte. Während sich bei den Verkaufsständen kaum jemand aufhielt, herrschte um die Arena herum großes Gedränge. Die Zuschauer standen dicht beisammen und besprachen mit gedämpfter Stimme den eigenartigen Turnierverlauf, wer noch ums Leben kommen mochte und wie ungeheuerlich das alles war.
»Wie lange, glaubst du, braucht Sir Baramon, um sein Zelt einzupacken?«, flüsterte Bruder Qaun Dorna zu. Falls, oder besser gesagt, sobald die Dinge hier hässlich wurden, war schnelles Handeln vonnöten. Und dann mussten sie noch Ninavis holen, eine gefährliche Aufgabe. Qaun wollte sichergehen, dass alles andere bis dahin geklärt war.
Dorna betrachtete die geprägte Lederbörse in ihrer Hand. »Was sagst du?« Sie ließ die Börse in ihrem Kleid verschwinden.
»Wie lange, glaubst du, braucht Sir Baramon, um sein Zelt einzupacken?«, wiederholte er.
»Es ist ein Azhock«, korrigierte Dorna.
»Darum geht es jetzt nicht.«
»Wenn du dich bei uns zurechtfinden willst, Priester, solltest du am besten damit anfangen, die wichtigsten Begriffe zu lernen, meinst du nicht?« Sie zwinkerte ihm zu und schaute dann wieder Richtung Arena.
Dorna beugte sich ein Stück zur Seite und zupfte die Frau gleich neben ihr am Ärmel, der mit dem rechteckigen Wappen einer Händlerfamilie bestickt war. Auf dem Schoß der Frau lag ein Stickrahmen. »Guten Tag, Stute«, sagte Dorna. »Wer ist dieser Ritter in Blau und Gelb?« Sie deutete auf einen der beiden Recken, die gerade Richtung Arena gingen.
Statt etwas zu antworten, musterte die Angesprochene Dorna erstaunt, weil sie nicht die Farben eines teilnehmenden Ritters trug. »Gozen. Arbeitet für die Familie Sifen«, erwiderte sie schließlich und schniefte. »Bauern. Züchten Mangos.«
»Aaaah«, machte Dorna. »Taugen die Mangos was?«
Die Frau schnaubte nur und wandte sich wieder ihrer Stickerei zu. »Moment, meine Börse! Wo ist meine Börse hin?«
Dorna ignorierte Bruder Qauns anklagenden Blick. »Vielleicht ist sie dir runtergefallen. Wann hast du sie zum letzten Mal gesehen? Hast du was gekauft? Womöglich ist sie noch
dort.«
Die Frau schaute Dorna erschrocken an, packte ihren Stickrahmen und eilte zu den Verkaufsständen. Dorna nahm den freigewordenen Platz ein und bedeutete dem Vishai-Priester, sich zu ihr zu setzen.
»Dorna!«
Sie fasste ihn am Arm. »Mach nicht so ein Theater. Wir fallen noch auf.«
»Aber du … du …« Er hätte beinahe mit dem Finger auf sie gezeigt. »Dieser Sitz gehört dir nicht. Genauso wenig wie die Geldbörse.«
»Wir halten ihn nur für Ihre Hoheit frei, falls sie zurückkommt. Du hast dich genauso dazu bereit erklärt wie ich.« Dorna nahm einen Schluck von dem dünnen Tee, den sie zuvor an einem der Stände gekauft hatte, verzog das Gesicht und griff sich stattdessen die Flasche mit Apfelwein, die die Frau hatte liegen lassen. »Ah, schon viel besser. Und jetzt Ruhe. Gozen ist an der Reihe. Er ist mein Liebling.«
»Vor einer Minute hast du ihn nicht einmal erkannt!«
»Sei nicht albern, Priester. Gozen vertritt die Sifen-Familie. Sie züchten Mangos.« Sie schaute zur Arena.
»Was für eine verdorbene Person du bist«, murmelte Bruder Qaun.
Dorna strahlte vor Stolz.
Zwei Ritter betraten die Arena. Gozen, der in Gelb und Blau, sah aus, als hätte er sich gerade erst eine Turnier-Grundausstattung gekauft. Entweder war er zu neu in dem Geschäft, oder er hatte zu wenig Erfolg, um sich eine richtige Rüstung und einen Harnisch für sein Pferd zu leisten. Sein Gegner war schon etwas älter und komplett ausgestattet. Die Farbe seiner Rüstung und das Wappen darauf wiesen ihn als Mitglied der Roten Speere aus, eine Söldnertruppe, die ihre Dienste an den Meistbietenden verkaufte.
Die Kontrahenten absolvierten die obligatorische erste Runde um die Arena und schleuderten einander Beschimpfungen an den Kopf. Bruder Qaun sah, wie Graf Janel, oder besser gesagt der Schwarze Ritter, ebenfalls herankam.
Niemand nahm Notiz von ihr. Der Schwarze Ritter trug immer noch seine dunkle Rüstung und ritt nach wie vor auf einem flammengeküssten Feuerblüter. Bruder Qaun bemerkte als Einziger den Unterschied: Da Talaras sich geweigert hatte, Janel auf ihm reiten zu lassen, war es nicht mehr derselbe flammengeküsste Feuerblüter. Die Tigerstreifen
an seinen Beinen verrieten es sofort. Außerdem wirkte die Rüstung des Schwarzen Ritters plötzlich zu groß, als wäre sie um einen zu schlanken Körper geschnallt.
Trotzdem nahm niemand Notiz.
Alle waren voll und ganz auf die beiden Männer konzentriert, die inzwischen vor dem Verweser und einem Tisch mit acht Statuetten darauf standen.
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Gozen beugte sich von seinem Reittier herunter und griff nach dem Abbild einer schwangeren Frau, die im Schneidersitz auf dem Rücken einer Schildkröte saß: Galava, die Mutter. Dann hielt er sie hoch, damit alle sehen konnten, welche Wahl er getroffen hatte.
»Ah«, sagte Dorna und biss in eine Lauchstange – auch die hatte Qaun sie nicht kaufen sehen. »Der Vierte Wettbewerb. Eine interessante Wahl.«
»Was ist der Vierte Wettbewerb?«
»Pst! Sie fangen schon an.«
Der Priester biss die Zähne zusammen und wartete, wie der Wettkampf sich entwickeln würde. Der Rote Speer ritt zu dem Tisch, während ein paar Knappen mit Seilen herbeigelaufen kamen. Es waren zwei verschiedene Sorten Seile: mehrere dünne, kurze, wie man sie benutzte, um Bündel zu verschnüren, und dann noch ein langes, das beinahe so dick wie ein Unterarm war. Da Gozen die Art des Wettbewerbs ausgesucht hatte, durfte der Rote Speer nun bestimmen, mit welcher »Waffe« er ausgetragen wurde.
Er streckte die Hand aus, nahm eines der dünnen Seile und hielt inne. Schließlich überlegte er es sich anders und entschied sich für das dicke.
Die Zuschauer jubelten oder buhten, je nachdem, welchen Wettbewerb sie lieber mochten und worauf sie ihr Geld gesetzt hatten.
Gerade als Gozen nach dem anderen Ende des Seils griff, kam der Graf an seine Seite geritten. Ein Raunen ging durch die Menge, die Zuschauer standen auf. Bruder Qaun bekam ein schlechtes Gewissen und war gleichzeitig dankbar dafür, dass Dorna einen so guten Platz für sie beide gefunden hatte.
Der Schwarze Ritter nahm Gozen das Seil aus der Hand und bedeutete ihm, Platz zu machen. Nicht er würde diese Runde ausfechten, sondern Janel.
»Darf sie das?«, flüsterte Bruder Qaun.
»Aber ja«, antwortete Dorna. »Um ehrlich zu sein, gibt es nicht viel, was ein Schwarzer Ritter nicht darf. An einem der Wettkämpfe teilzunehmen, ist noch das Wenigste. Wenn sie gewinnt, gehört der Sieg ihr, aber zählen würde er für die Sifens.«
»Und wenn sie verliert?«
Stute Dorna schlug ihm auf die Brust. »Halt den Mund, Priester. Mein Graf verliert nicht.«
Janel ritt in die Mitte der Arena. Der Rote Speer folgte ihr mit dem anderen Seilende in der Hand. Noch hielten sie nur wenige Pferdelängen Abstand zueinander, und das Seil war nicht gespannt.
»Soll das …?« Bruder Qaun beugte sich ungläubig nach vorn. »Das ist ein Spiel für Kinder.«
»Einfach genug sind die Regeln jedenfalls«, bestätigte Dorna. »Beide halten das Seil, wer loslässt, hat verloren. Und wer aus dem Sattel fällt ebenfalls.«
»Aber mit diesem einen Wettbewerb ist es noch nicht entschieden, oder?«
Dorna warf ihm einen kurzen Blick zu. »Ich denke, danach ist zumindest entschieden, wie viel die Sifens in Zukunft für ihre Mangos verlangen werden.«
»Wie bitte? Aber …« Bruder Qaun deutete mit dem Kinn auf die Käfige mit den Gefangenen. »Ich meinte das Schicksal von Ninavis’ Leuten.«
Dorna musterte die Käfige mürrisch und versicherte sich, dass niemand zuhörte. »Das Problem ist …«
Die Menge brüllte ohrenbetäubend.
Dorna hielt mitten im Satz inne und sprang auf. Bruder Qaun reckte den Hals und versuchte zu erkennen, was inzwischen in der Arena passiert war.
Der Wettkampf war vorbei.
Der Rote Speer war aus dem Sattel gefallen und versuchte gerade, wieder aufzustehen, während sein Pferd daneben stand und überrascht mit den Hufen scharrte. Ein Punktrichter eilte zum Verweser, oder besser gesagt zu dessen Dienerin, doch das Ergebnis schien eindeutig. Alle Punktrichter hoben die Fahne der Sifens, ein gelb-blaues Rechteck mit einem Quadrat in der Mitte, das sie als Händler auswies.
Sie hatten gewonnen.
Dorna schlug Qaun auf die Schulter. »Hab ich doch gesagt.«
Graf Janel, beziehungsweise der Schwarze Ritter, hatte nun die ungeteilte Aufmerksamkeit aller.
Arasgon stolzierte in die Mitte der Arena und wandte sich in die Richtung des Barons. Hauptmann Dedreugh saß nicht weit von der Tribüne entfernt in seinem Stuhl. Er ließ sich ein Getränk schmecken und wartete ab, ob jemand töricht genug war, ihn herauszufordern.
Der Baron hob gerade den Arm, um etwas zu sagen, da ging ein erneuter Aufschrei durch die Menge. Einige Zuschauer gestikulierten.
Qaun sah sich nach dem Grund für die Aufregung um. Rufe der Überraschung und der Bestürzung wurden laut.
Da entdeckte der Priester, dass die Zuschauer auf das Schloss und den dicken schwarzen Rauch deuteten, der innerhalb der Mauern aufstieg.
Irgendwo im Schloss von Mereina brannte es.
Dorna und Bruder Qaun blinzelten einander an.
»Glaubst du …?« Dorna biss sich auf die Lippe.
»Ninavis«, sagte Qaun.
Er konnte sich nicht erklären, wie es passiert war. Ninavis hatte ein gebrochenes und geschientes Bein. Viel Schaden konnte sie in ihrer Verfassung nicht anrichten …
Trotzdem. Sie hatte das getan. Vielleicht mit Kalazans Hilfe, aber irgendetwas hatte
sie getan.
Der Baron schickte den Großteil seiner Soldaten zum Schloss. An den wilden Gesten konnte Bruder Qaun den Zorn des Barons so deutlich ablesen, als stünde er direkt neben ihm.
Er mochte es sich nur einbilden, doch er glaubte zu hören, wie der Wind den Namen Kalazan
an sein Ohr trug.
Tamin selbst begleitete seine Soldaten nicht. Er setzte sich und warf immer wieder finstere Blicke in Richtung des Schlosses.
Während der Baron von dem neuerlichen Problem abgelenkt war, zog Janel ihr Schwert und deutete auf Dedreugh. Arasgon untermalte die Herausforderung mit einem Schrei.
Dorna stieß einen Pfiff aus. »Ah, ich habe mich schon gefragt, wie sie an ihn herankommen will, ohne zuerst gegen ein Dutzend andere kämpfen zu müssen. So ist es viel besser.«
Tamin trat an den Rand seiner Loge. Bruder Qaun konnte zwar nicht hören, was er sagte, doch die Verwirrung und Bestürzung des Barons waren überdeutlich. Er schien gemerkt
zu haben, dass dies nicht sein
Schwarzer Ritter war, nicht Sir Baramon. Vielleicht erkannte er sogar den Feuerblüter wieder – und damit auch Janel.
Die Menge tobte. Das Turnier hatte sich in eine vollkommen unerwartete Richtung entwickelt, die alle in Aufregung versetzte. Tamin sorgte mit einer Geste für Ruhe und bedeutete dem Schwarzen Ritter, die Arena zu verlassen.
Arasgon blähte die Brust und blieb, wo er war. Graf Janel deutete erneut auf Dedreugh.
Bruder Qaun sah, wie der Baron sich zu der Dienerin seines Verwesers hinabbeugte. Sie sagte etwas, und er schüttelte den Kopf. Dann befahl er seinen verbliebenen Soldaten, den Schwarzen Ritter wegzuführen. Die Zuschauer begannen mit den Füßen zu trampeln und zu rufen:
»Schwarzer Ritter! Schwarzer Ritter! Schwarzer Ritter!«
Alle machten mit und schrien wie mit einer Stimme.
Bruder Qaun wurde bewusst, dass er die Rolle des Schwarzen Ritters in den Turnieren und in der joratischen Gesellschaft bisher nicht zur Gänze verstanden hatte.
Ja, er war ein Spaßmacher, ein Narr zu Pferde, der das Publikum während der Pausen unterhielt. Doch wer in dieser Figur nur einen Scharlatan sah, begriff ihre Funktion nicht.
Der Schwarze Ritter mochte ein Spaßmacher sein, allerdings einer, der im Dienste der Götter stand. Er war ein heiliger Narr, die scherzende Hand des Schicksals, der schelmische Bote der göttlichen Vorsehung.
Die Bürger von Barsine hassten Dedreugh, und nun forderte der Schwarze Ritter ihn heraus. Bestimmt versuchte der Baron mit dieser Posse lediglich, seine Untertanen von den Gräueln des Vormittags abzulenken. Nie und nimmer war das der Wille der Acht. Es war ein Jux, ein Streich, nichts weiter.
Aber was, wenn …?
Was, wenn doch nicht?
Der Baron bedachte das Publikum mit einem säuerlichen Blick und nickte Dedreugh zu. Der Hauptmann leerte seinen Becher und erhob sich. Dann rief er sein Pferd herbei, sprang in den Sattel und dirigierte seinen Hengst in die Arena.
»Wer glaubt, er könnte es mit mir aufnehmen?«, polterte er. »Denkst du, ich habe Angst vor dem Unbekannten? Dass ich vor der Dunkelheit erzittere?
Ich bin die Dunkelheit! Ich bin das Unbekannte, das alle fürchten!
Ich werde dich in Stücke hauen, du Hochstapler.« Er zog sein Schwert und fuchtelte wild damit herum. Dann drehte er mehrere Runden durch die Arena, auf denen er ausführlich beschrieb, wie er den Narren, der ihn herausgefordert hatte, im Staub zertreten würde.
Dedreughs Prahlerei schien nichts Außergewöhnliches zu sein. Aus Gründen, die sich Bruder Qauns Verständnis entzogen, machte jeder Turnierteilnehmer bei diesem Beleidigungswettstreit mit. Möglicherweise wollten sie ihre Gegner einschüchtern, den Zuschauern Gelegenheit geben, ihr Geld zu setzen, oder einfach nur ihre Anhänger beeindrucken. Manche Traditionen entstanden, ohne dass jemand wusste, warum.
Der Schwarze Ritter wartete ab und erwiderte kein Wort.
Als Dedreugh zu dem Tisch mit den Statuen ritt, folgte Arasgon ihm mit hocherhobenem Haupt und Schweif.
Keiner der beiden Kontrahenten rührte sich.
Natürlich nicht. Der mit dem weniger ausgeprägten Idorrá wählte die Art des Wettkampfs, und keiner der beiden wollte sich diese Blöße geben.
»Mein Dienstherr ist der Baron dieser Provinz«, knurrte Dedreugh schließlich. »Du wählst zuerst.«
Im ersten Moment reagierte Janel nicht. Schließlich nickte sie, so gut es mit dem Helm eben ging, und griff nach der Statue eines stehenden Mannes mit Adlerkopf und Schwingen: Khored der Zerstörer. Bruder Qaun wusste nicht genau, für welchen Wettkampf sie stand, doch der Gottheit nach zu urteilen, musste er ziemlich gewalttätig sein.
Der Graf hob die Statue hoch und zeigte sie der Menge. Alle jubelten begeistert.
Statt eine Waffe auszusuchen, griff Dedreugh sofort an.
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Er stürzte sich direkt vom Sattel aus auf den Grafen und packte Janel um die Hüfte, was Bruder Qaun niemals für möglich gehalten hätte, wäre es nicht vor seinen Augen geschehen. Der Hauptmann bewegte sich so schnell, dass selbst Arasgon nicht rechtzeitig reagierte. Bevor der Feuerblüter ausweichen konnte, fiel Janel schon mit einem dumpfen Knall zu Boden.
Das Publikum drängte nach vorn. Alle schienen zu spüren, dass sie gerade Zeuge von etwas Einzigartigem wurden, das sie vielleicht nie wieder zu Gesicht bekommen würden.
Der Schwarze Ritter war kein richtiger Ritter, eher ein Pappkamerad – bestenfalls ein Symbol, im schlimmsten Fall eine Witzfigur. So wie jetzt gerade benahm sich ein Schwarzer Ritter einfach nicht.
Andererseits verkörperte er das Göttlich-Geheimnisvolle. Vielleicht war das der Grund für die plötzliche Wandlung.
Baron Tamin stand reglos am Geländer seiner Loge. Die blasse Dienerin des Verwesers gesellte sich zu ihm und hielt sich mit den Händen an der Absperrung fest. Keiner der beiden wirkte erfreut.
Die Kämpfer rollten über den Boden der Arena und sprangen sofort wieder auf. Eigentlich hätte das Gewicht der Rüstung sie behindern müssen, doch das schien ihnen niemand gesagt zu haben. Beide bewegten sich mit der Eleganz von Raubtieren.
Dorna grub die Finger in den Saum von Bruder Qauns Agolé. Ihm selbst war genauso mulmig zumute.
Dedreugh zog sein Schwert, während Arasgon, an dessen Sattel die Waffe des Grafen hing, an Janels Seite preschte. Sie konnte ihre Klinge gerade noch rechtzeitig ziehen, um Dedreughs wüsten Schlaghagel abzuwehren. Trotz der Gefahr, von ihrem Gegner an der Absperrung in ihrem Rücken festgenagelt zu werden, wich sie zurück.
Dedreugh schlug erneut zu, und Janel sprang zur Seite. Der Schlag war so kräftig, dass das Schwert des Hauptmanns sich tief in die hölzerne Absperrung grub. Während er versuchte, die Klinge wieder herauszuziehen, hob er seinen Schild ein Stück höher, um seine Schulter zu schützen. Janel ergriff die Gelegenheit und stieß ihre Schwertspitze in die nun ungeschützte Stelle an seiner Hüfte. Blut quoll aus der Wunde hervor.
Bruder Qaun redete sich ein, dass der Kampf nicht auf Leben und Tod ausgefochten werden musste. Janel brauchte Dedreugh nur zu demütigen, ihn dazu zu zwingen, ihre Überlegenheit anzuerkennen und sich ihrem Idorrá zu unterwerfen.
Dedreugh brüllte vor Wut, und da merkte Qaun, wie naiv er gewesen war. Der Hauptmann bekam sein Schwert frei und stürzte sich sofort wieder auf seinen Gegner. Janel wehrte seinen Angriff mit ihrem Schild ab und stach erneut zu.
Bruder Qaun hatte den Eindruck, dass Janel die sich bietenden Gelegenheiten besser nutzte als Dedreugh und außerdem viel schneller auf den Beinen war als er. Der Hauptmann kämpfte wie
ein Berserker, pure Wut ohne jegliche Kontrolle. Aber bei einem Gegner, der ihm an Kraft ebenbürtig war, genügte das nicht.
Dedreugh griff mit einem weiteren wuchtigen Schlag an. Janel tanzte zur Seite, schlug Dedreughs Schild mit dem ihren weg und ließ ihr Schwert auf die Schulter des Hauptmanns niederfahren. Ein Stück seines Kettenhemds löste sich und fiel klimpernd herab wie Münzen aus einer Geldbörse in die Hände eines Bettlers.
Der Graf von Tolamer lachte.
Dedreugh preschte wütend vor, und Janel tänzelte zurück. Bruder Qaun merkte, dass sie Ninavis’ Taktik übernommen hatte: Sie lud ihren Gegner zu einem Angriff nach dem anderen ein und konterte, während der Hauptmann immer schwächer wurde. Da stolperte sie plötzlich, und Dedreugh schrie vor Freude.
Doch es war eine Falle.
Die Spitze von Janels Schwert fand erneut die schwache Stelle an Dedreughs Schulter. Sie bohrte sich tief hinein, schnitt durch Stahl und Leder, Funken sprühten auf den Sand herab, der Geruch von heißem Metall breitete sich aus. Dann fuhr die Klinge durch Haut, Muskeln und Knochen.
Dedreughs Schwert fiel in den aufgewühlten Sand, gefolgt von seinem Arm.
Das gesamte Publikum brach in ohrenbetäubendes Gebrüll aus.
Bruder Qaun spürte, wie seine Instinkte übernahmen, die er weder kontrollieren konnte noch wollte. Er befreite sein Agolé aus Dornas Griff und kletterte über die Absperrung. Wenn er Dedreugh erreichte, bevor der Blutverlust ihn umbrachte, könnte er sein Leben vielleicht retten.
Da verstummte die Menge.
Dedreugh ging nicht zu Boden.
Stattdessen stand er einfach da und bedachte Janel mit einem liebevollen Blick. Dann lachte er – ein Geräusch, das die Härchen an Qauns Armen zu Berge stehen ließ. Kein Mensch könnte so ein Geräusch machen.
Das Blut, das aus Dedreughs Wunde tropfte, war nicht rot, sondern schwarz. Dick und dunkel sickerte es hervor wie das verklumpte Blut einer Leiche.
Einer Leiche, die schon eine ganze Weile tot war.
Dedreugh ging nicht zu Boden, weil er bereits tot war.
Das war er schon die ganze Zeit gewesen, nur am Leben erhalten von dem teuflischen
Geist, der von ihm Besitz ergriffen hatte. Einen solchen Geist kümmerte es nicht, wenn er den Körper, den er bewohnte, über jede normale Belastbarkeit hinaus beanspruchte. Und auch nicht, wie schwer der Körper verletzt wurde. Diese Art von Gleichgültigkeit war leicht mit übernatürlicher Kraft zu verwechseln. Und nicht ohne Weiteres von dem Fluch zu unterscheiden, der dem Grafen seine enorme Kraft verlieh.
Janel hatte einen schrecklichen Fehler gemacht.
~AH
, ICH WUSSTE
, DASS DAS NICHT FÜR IMMER GUT GEHEN WÜRDE
.~
Kein Laut kam aus Dedreughs Kehle. Der Dämon benutzte nichts so Prosaisches wie Dedreughs Stimme.
Jeder im Publikum, Bruder Qaun mit eingeschlossen, spürte das Brüllen des Dämons direkt in seinem Geist.
»Bei Selanol«, sagte Bruder Qaun, und es war ihm egal, ob jemand ihn hörte. »Das ist nicht Dedreugh. Das ist er ganz und gar nicht.« Er drehte sich um und packte Dorna an der Schulter. »Dedreugh wurde nicht von Dämonen verführt, er ist von einem besessen. Verstehst du? Er ist
ein Dämon.«
Dorna schien ihn nicht zu hören. Die alte Frau schüttelte seinen Arm ab und murmelte etwas. Ihre Aufmerksamkeit war voll und ganz von Janel und dem Dämon in Beschlag genommen.
~ICH KANN MICH NICHT MEHR GENAU ERINNERN
. WAS HAST DU GESAGT
, WÜRDEST DU MIT MIR MACHEN
, KLEINES MÄDCHEN
?~
Dedreugh grinste. Er ließ seinen Schild fallen und fasste sich mit der verbliebenen Hand in den Mund.
Er zog. Knochen und Muskeln gaben mit einem widerlichen Knacken nach.
Dedreugh riss sich den Unterkiefer ab.
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Leute schrien, fielen in Ohnmacht, flohen.
~DEN BRAUCHE ICH NICHT MEHR
.~
Ploppende Geräusche erfüllten die Luft, als die Lederriemen, die seine Rüstung zusammenhielten, zerrissen, weil der Körper darunter sich ausdehnte. Dickes schwarzes Blut sickerte aus den Rissen in Dedreughs Haut. Der abgetrennte Arm begann nachzuwachsen, tumorartig wucherte das Fleisch aus seiner Schulter, oben noch schwarz, zu den Händen hin dunkelblau, und mit entsetzlichen schwarzen Klauen an den Fingern.
»Kasmodeus, nehme ich an. Glaubst du, du machst mir Angst? Als Nächstes werde ich
dir den Kopf von den Schultern reißen und dann …«
~DU KENNST MICH
?~
»Ich kenne deinen Namen. Wir sind uns noch nicht begegnet, aber du weißt ja, wie gerne Dämonen tratschen.«
Er leckte sich mit der Zunge über die Wangenknochen. ~DEINE SEELE WIRD MIR GANZ HERVORRAGEND SCHMECKEN
.~
»Du alter Schmeichler.« Janel lachte und hob ihren Schild. »Wenn du mich beeindrucken willst, wirst du mehr brauchen als honigsüße Worte.«
Mit einem Brüllen stürzte der Dämon sich auf sie. Gemeinsam rollten sie über den Boden. Ein grässliches Knurren erfüllte die Luft.
Die Menge geriet in Panik. Ein Teil der Zuschauer schien nicht zu wissen, ob sie weglaufen oder näher herangehen sollten, um besser sehen zu können. Niemand tat etwas Hilfreiches.
Bruder Qaun suchte im Geist nach einer Möglichkeit, dem Grafen irgendwie zu helfen.
Immerhin wusste er, wie der Dämon hieß. In seinen Erinnerungen wühlte er nach den Namen und den ihnen zugewiesenen Eigenschaften, die Vater Zajhera ihn hatte auswendig lernen lassen.
Kasmodeus. Ein Dämon mittlerer Stärke, assoziiert mit Brutalität und der Verzweiflung von Menschen, die im Winter so sehr hungern, dass sie dem Kannibalismus verfallen. Er trat vorzugsweise in männlicher Gestalt auf und mochte es, wenn ihm Brandopfer dargebracht wurden. Geschwächt wurde er vom ersten Schneefall im Jahr und sauberem, gesegnetem Wasser.
Sauberes Wasser …
Niemand in Bruder Qauns Nähe hatte Wasser. Pflaumenwein, grünen Tee oder Pfefferbier, aber kein Wasser. Er schnappte sich die Flasche, die Dorna gestohlen hatte, und rannte damit zu den Pferdetrögen neben der Tribüne.
Bruder Qaun hörte Schreie in seinem Rücken. Leute rannten davon und versuchten, dem entsetzlichen Lachen des Dämons zu entkommen. Im Laufen schüttete Qaun den Apfelwein aus.
Baron Tamin gestikulierte vor seinen Soldaten, als wären sie taub geworden. Der alte Verweser beugte sich nach vorn und blinzelte in stummem Entsetzen. Seine Aufmerksamkeit war nun endlich auf das Turnier gerichtet. Seine – laut Janel – yorisch aussehende Dienerin grub die Finger in das Holz der Brüstung, voll und ganz auf Dedreugh und
Janel konzentriert. Als Bruder Qaun sie erblickte, wusste er, dass der Graf sich in der Abstammung der Dienerin geirrt hatte.
Sie kam nicht aus Yor, ja nicht einmal aus Quur. Sondern aus Doltar, einem Land weit südlich der Reichsgrenzen, dessen Bewohner man in Quur meist nur als Sklaven sah.
Ein erschrockener Aufschrei der Menge ließ Qaun beinahe stolpern. Er drehte sich noch einmal nach der Arena um und sah Janels Familienschwert in hohem Bogen durch die Luft fliegen. Es landete mit der Spitze voraus nur wenige Schritte neben den abgedeckten Käfigen am Fuß der Scheiterhaufen.
Der Graf war unbewaffnet.
Dedreugh-Kasmodeus holte grinsend aus, um es zu Ende zu bringen. Arasgon trabte heran, doch Janel rief ihm zu, er solle auf Abstand bleiben.
Sie duckte sich unter Dedreughs Schlag hindurch und rannte auf die Scheiterhaufen zu.
Bruder Qaun zwang sich zur Konzentration auf seine Aufgabe. In jedem anderen Herrschaftsgebiet des Reichs wäre er skeptisch gewesen, was die Qualität des Wassers in einem Pferdetrog betraf, doch hier waren Pferde beinahe heilig. Das Wasser, das die Jorater ihnen gaben, war sauberer als ihr eigenes Trinkwasser.
Er zog ein kupfernes Sonnenmedaillon aus seiner Robe und begann über dem Trog zu beten. Während er die Worte sprach, sah er die Doltari-Sklavin einen flachen, glatten Stein aus ihrem Mieder ziehen. Dann nahm sie ein blaugraues Fläschchen aus ihrem Korb und zog schließlich noch eine Nadel aus ihrem weißen Haar.
Nein, dachte Bruder Qaun, das war keine Haarnadel, sondern ein Kalligraphiepinsel mit spitzem Schaft.
Noch ein Brüllen. Bruder Qaun versuchte, das Geräusch zu ignorieren, was sich angesichts der sengenden Hitze allerdings als schwierig erwies.
Er blinzelte. Hitze?
Qaun sprach das Gebet zu Ende und drehte sich um. Graf Janel hatte einen der Holzpfähle aus dem Boden gerissen und schwang ihn wie einen Hammer. Der Dämon …
Kasmodeus brannte.
Dämonen liebten Feuer. Wann immer sie konnten, steckten sie etwas in Brand, genossen das Licht der Flammen und saugten die
Hitze in sich auf. Sie ernährten sich von Feuer.
In der Nähe eines Dämons, der von einem Zauberer herbeigerufen worden war, ein Feuer zu machen, war keine gute Idee, doch das hier war etwas anderes – nämlich ein Dämon, der von einer Leiche Besitz ergriffen hatte. Kasmodeus brauchte
Dedreughs Leichnam. Er brauchte ihn als Verbindung zur physischen Welt. Wenn er diese Verbindung verlor, stürzte er zurück in die Hölle.
Aber wie war er in Brand geraten?
Qaun beschloss, sich mit dieser Frage später zu beschäftigen. Er füllte seine Flasche mit dem frisch gesegneten Wasser und rannte los.
Bruder Qaun drehte sich um. Die Dienerin des Verwesers riss ihre Aufmerksamkeit einen Moment lang von dem Kampfgeschehen los und stach sich die Spitze ihres Pinsels in den Handrücken. Dann drehte sie den Pinsel herum und tunkte die Borsten in ihr eigenes Blut.
Sie malte sich ein Schriftzeichen auf die Stirn. Einen Wimpernschlag später erschien dasselbe Schriftzeichen auf der Stirn von Tamins Soldaten.
Eine schreckliche Vorahnung befiel Bruder Qaun.
Er mochte eine andere Auffassung von Hexerei haben als die Jorater, aber er erkannte einen Zauber, wenn er einen sah.
»Was tust du da?«, schrie er. »Haltet sie auf! Baron! Ihr müsst sie aufhalten!
«
Die Doltari schaute ihn lächelnd an.
Selbst der härteste Winter war wärmer als dieses Lächeln.
Sie stellte ihr Fläschchen auf die Holzbrüstung und stieß es um. Es rollte über die Brüstung, fiel zu Boden und zerbarst mit einem leisen Klirren, das in dem allgemeinen Tumult niemand hörte.
Dichter blauer Rauch erhob sich aus den Scherben. Der Rauch waberte um das Gesicht der Doltari, ohne es zu berühren. Der alte Verweser hingegen hatte weniger Glück. Der Rauch stieg in seine Nasenlöcher und zwängte sich in seinen Mund. Er würgte, schrie und stieß den Hundewelpen von seinem Schoß, der winselnd nach dem sich kräuselnden Rauch schnappte.
Die Doltari hob den Welpen auf, malte auch ihm das Schriftzeichen auf die Stirn und wandte sich zum Gehen.
52
»Senera, was hast du getan?«, fuhr Tamin auf.
»Meine Aufgabe erfüllt«, bellte sie. »Folgt mir, Jungs. Wir sind hier fertig.«
Die Soldaten, die nur noch theoretisch im Dienst des Barons standen, gehorchten.
Tamin wollte protestieren, doch der Rauch breitete sich immer noch weiter aus. Er kroch ihm in die Nase und in den Mund.
Hinter Bruder Qaun ertönte ein weiteres Brüllen. Der Priester fuhr herum und sah Janel vor Dedreughs brennendem Leichnam aufragen. In ihren ausgestreckten Armen hielt sie Dedreughs abgetrennten Kopf, schwarzes Blut tropfte aus dem Halsstumpf. Es sah ganz so aus, als hätte sie ihn mit bloßen Händen abgerissen.
Wahrscheinlich hatte sie genau das getan.
Die Leiche brannte schnell, selbst ohne Öl. Bruder Qaun war sicher, dass nichts mehr übrig bleiben würde, von dem Kasmodeus Besitz ergreifen konnte.
Doch ihnen ging die Zeit aus.
Der blaue Rauch verschlang nun auch Bruder Qaun.