KAPITEL 1
MEIN RUF ZUM ABENTEUER:
1949–1967
I ch wurde im Jahr 1949 geboren und bin in einem Mittelschichtviertel auf Long Island als einziger Sohn meiner Eltern aufgewachsen. Mein Vater war professioneller Jazz-Musiker, meine Mutter Hausfrau. Ich war ein durchschnittliches Kind in einem durchschnittlichen Zuhause und ein unterdurchschnittlicher Schüler. Ich spielte liebend gern mit meinen Freunden: Touch-Football auf den Straßen und Baseball im Hinterhof eines Nachbarn, als ich ein Kind war; später, als ich älter war, hieß das Spiel »Jagd nach Mädchen«.
Unsere angeborenen Stärken und Schwächen sind in unserer DNA eingeschrieben. Meine offensichtlichste Schwäche war mein schlechtes Gedächtnis. Ich konnte nie – und kann es nach wie vor nicht – Fakten im Kopf behalten, bei denen es keinen Grund dafür gibt, dass sie sind, wie sie sind (wie Telefonnummern), und ich mag es nicht, Anweisungen zu folgen. Gleichzeitig war ich sehr neugierig und liebte es, Sachen selbst herauszufinden, auch wenn das zu dieser Zeit noch nicht so offensichtlich war.
Ich mochte die Schule nicht – nicht nur weil sie viel Auswendiglernen erforderte, sondern auch, weil ich an den meisten Dingen, die meine Lehrer für wichtig hielten, nicht interessiert war. Ich habe nie verstanden, was mir gute Leistungen in der Schule einbringen sollten außer dem Lob meiner Mutter.
Meine Mutter war vernarrt in mich und machte sich Sorgen wegen meiner schlechten Noten. Bis zur Mittelstufe schickte sie mich in mein Zimmer, damit ich ein paar Stunden lernte, bevor ich raus zum Spielen durfte, aber dazu konnte ich mich nicht überwinden. Sie war immer für mich da. Sie faltete die Zeitungen, die ich austrug, und band sie mit Gummiringen zusammen, und sie backte Kekse für uns zwei, die wir aßen, während wir samstagsabends Horrorfilme schauten. Sie starb, als ich 19 Jahre alt war. Damals konnte ich mir nicht vorstellen, jemals wieder zu lachen. Heute lächle ich, wenn ich an sie denke.
Mein Vater hatte als Musiker späte Arbeitszeiten, ungefähr bis drei Uhr morgens, also schlief er am Wochenende lang. Dadurch hatten wir, als ich klein war, keine große Beziehung, abgesehen davon, dass er mich ständig zu lästigen Arbeiten nötigte, wie den Rasen zu mähen oder die Hecke zu schneiden. Ich hasste es. Er war ein verantwortungsvoller Mann, der es mit einem verantwortungslosen Kind zu tun hatte. Meine Erinnerungen über Interaktionen zwischen uns kommen mir heute komisch vor. Zum Beispiel sagte er einmal zu mir, ich solle den Rasen mähen, und ich beschloss, erst nur den Vorgarten zu machen und den Teil hinter dem Haus für später aufzuheben; dann aber regnete es ein paar Tage lang, und das Gras hinten wurde so hoch, dass ich es mit einer Sichel schneiden musste. Das dauerte so lange, dass, als ich damit fertig war, das Gras im Vorgarten schon wieder so hoch war, dass ich mit dem Rasenmäher nicht mehr durch kam, und so weiter.
Nach dem Tod meiner Mutter kamen mein Vater und ich uns sehr nahe, vor allem, als ich meine eigene Familie gründete. Ich schätzte und liebte ihn. Wie viele Musiker hatte er eine lockere, lustige Art, und ich bewunderte seinen starken Charakter, von dem ich annehme, dass er von seinen Erfahrungen in der Großen Depression und seinem Einsatz als Soldat sowohl im Zweiten Weltkrieg als auch im Koreakrieg geprägt war. Ich habe Erinnerungen an ihn aus der Zeit, als er in seinen Siebzigern war. Er zögerte auch dann nicht, mit dem Auto zu fahren, wenn schwere Schneestürme tobten, und schaufelte sich den Weg frei, wann immer er steckenblieb, als wäre es keine große Sache. Nachdem er den Großteil seines Lebens in Clubs gespielt und Platten aufgenommen hatte, begann er mit Mitte 60 eine zweite Karriere als Musiklehrer an der Highschool und an der lokalen Volkshochschule, die er fortsetzte, bis er mit 81 Jahren einen Herzinfarkt erlitt. Danach lebte er noch weitere zehn Jahre, geistig so rege wie eh und je.
Wenn ich etwas nicht tun wollte, sträubte ich mich energisch dagegen, aber wenn ich mich für etwas begeisterte, konnte mich nichts aufhalten. Zum Beispiel weigerte ich mich, im Haushalt mitzuhelfen, jobbte aber eifrig, um Geld zu verdienen. Ab dem Alter von acht Jahren trug ich Zeitungen aus, schaufelte Schnee von den Einfahrten anderer Leute, machte Botengänge, räumte in einem lokalen Restaurant Tische ab und spülte das dreckige Geschirr und räumte in einem Warenhaus in der Nähe Regale ein. Ich kann mich nicht erinnern, dass meine Eltern mich ermuntert hätten, diese Jobs anzunehmen, also kann ich nicht sagen, wie ich an sie gekommen bin. Sehr gut aber weiß ich noch, dass ich viele wertvolle Lektionen gelernt habe, weil ich diese Jobs und etwas Geld hatte, über das ich selbst bestimmen konnte; in der Schule oder beim Spielen wäre nichts davon möglich gewesen.
In meiner Jugend in den 1960er-Jahren war die Stimmung in den USA aufstrebend und inspirierend – man wollte große und hehre Ziele erreichen. Etwas Ähnliches habe ich später nie mehr erlebt. Eine meiner ersten Erinnerungen ist die an John F. Kennedy, einen intelligenten, charismatischen Mann, der lebhafte Bilder davon zeichnete, wie er die Welt zum Besseren verändern wollte: Er wollte das Weltall erkunden, für gleiche Rechte sorgen und die Armut besiegen. Er und seine Ideen beeinflussten stark mein eigenes Denken.
Damals befanden sich die USA gemessen am Rest der Welt auf ihrem Höhepunkt und trugen 40 Prozent zu der gesamten globalen Wirtschaftsleistung bei; heute sind es noch 20 Prozent. Der Dollar war die Weltwährung, und die USA waren die dominierende Militärmacht. »Liberal« zu sein, bedeutete, sich dafür einzusetzen, schnell und fair vorwärtszukommen, und »konservativ« hieß, an alten und unfairen Methoden festzuhalten – zumindest kam es mir und den meisten Leuten um mich herum so vor. Für uns waren die USA reich, fortschrittlich, gut regiert und auf einer Mission, in jeder Hinsicht rasch besser zu werden. Ich mag naiv gewesen sein, aber ich war nicht allein damit.
In diesen Jahren sprach jeder vom Aktienmarkt, weil er sich hervorragend entwickelte und dort viel Geld zu verdienen war. Das galt auch für die Leute, die auf einem lokalen Golfplatz namens Links spielten, wo ich mit zwölf Jahren anfing, als Caddy zu arbeiten. Also nahm ich das so verdiente Geld und begann, an der Börse mitzuspielen. Meine erste Anlage war Northeast Airlines. Ich kaufte die Aktie, weil ich keine andere kannte, die für weniger als 5 Dollar pro Stück zu haben war. Je mehr Aktien ich kaufte, desto mehr Geld würde ich verdienen, hatte ich mir überlegt. Das war eine dumme Strategie, aber trotzdem habe ich mein Geld damit verdreifacht. Tatsächlich sollte Northeast Airlines später pleitegehen und von einem anderen Unternehmen übernommen werden. Ich hatte Glück, aber das wusste ich damals nicht. Ich dachte schlicht, es sei ganz einfach, an der Börse Geld zu verdienen, und kam nicht mehr von ihr los.
Zu der Zeit gab es im Fortune- Magazin einen kleinen Coupon zum Ausschneiden, mit dem man kostenlose Jahresberichte von Fortune-500-Unternehmen bestellen konnte. Ich habe alle geordert. Ich weiß noch, wie der arme Postbote all diese Berichte an unsere Haustür geschleppt hat, und ich habe jeden von ihnen gelesen. Auf diese Weise begann ich, eine Anlage-Bibliothek aufzubauen. Während der Aktienmarkt weiter anstieg, erschienen der Zweite Weltkrieg und die Große Depression wie ferne Erinnerungen, und bei der Geldanlage schien es um nichts weiter zu gehen, als irgendetwas zu kaufen und zuzusehen, wie dessen Wert steigt. Steigen würde der Wert selbstverständlich, so glaubte man damals, weil die Steuerung der Wirtschaft zu einer Wissenschaft geworden war. Schließlich hatten sich die Aktienkurse in den zehn Jahren zuvor fast vervierfacht, und manche Aktien hatten noch viel höhere Gewinne verzeichnet.
Als Folge davon nutzten die meisten Leute eine Strategie namens Cost-Averaging – sie investierten jeden Monat mehr oder weniger dieselbe Summe in den Aktienmarkt, unabhängig davon, wie wenige oder viele Aktien sie dafür bekamen. Natürlich war es noch besser, sich dabei nur für die besten Aktien zu entscheiden, also versuchten ich und alle anderen genau das. Zur Auswahl standen Tausende von Papieren, alle sauber aufgelistet auf den letzten Seiten der Tageszeitung.
Zwar liebte ich das Spielen am Markt, aber ich war auch liebend gern mit meinen Freunden zusammen, ob als Kinder, die im Viertel miteinander spielten, als Teenager, die versuchten, mit gefälschten Ausweisen in Clubs zu kommen, oder heute bei Musik-Festivals oder gemeinsamen Tauchreisen. Ich war schon immer ein unabhängiger Denker und neigte dazu, um der Belohnungen willen Risiken einzugehen – nicht nur an den Märkten, sondern bei fast allem. Außerdem fürchtete ich Langeweile und Mittelmäßigkeit viel mehr als Misserfolge. Für mich ist hervorragend besser als schrecklich, und schrecklich ist besser als mittelmäßig, denn schrecklich gibt dem Leben zumindest Würze. Das Zitat im Highschool-Jahrbuch, das meine Freunde für mich auswählten, war von Henry David Thoreau: »Wenn ein Mann nicht mit seinen Gefährten Schritt hält, kann der Grund dafür sein, dass er einen anderen Rhythmus hört. Lasst ihn zu der Musik gehen, die er hört, was auch immer ihr Takt oder wie weit weg sie ist.«
1966 war mein Abschlussjahr an der Highschool. Die Börse boomte immer noch, und ich verdiente Geld und hatte eine tolle Zeit. Mit meinem besten Freund Phil schwänzte ich die Schule, um surfen zu gehen, und tat das, was vergnügungssüchtige Highschool- Jungs eben tun. Natürlich wusste ich es damals noch nicht, aber in diesem Jahr erreichte der Aktienmarkt seinen Höhepunkt. Anschließend wurde fast alles, was ich über die Märkte zu wissen glaubte, als falsch widerlegt.