D enken Sie daran: Damit eine Organisation effektiv sein kann, müssen die Menschen, aus denen sie besteht, auf vielen Ebenen auf einer Linie sein: von der Frage nach ihrer gemeinsamen Mission bis zu der Frage des Umgangs miteinander und weiter zu der praxisnäheren Frage, wer wann was tun soll, um die Ziele zu erreichen. Doch eine solche Übereinstimmung kann nie einfach vorausgesetzt werden, weil Menschen eben unterschiedlich verschaltet sind. Wir alle nehmen die Welt und uns selbst auf unsere eigene einzigartige Weise wahr; daher bedeutet es ständige Arbeit, herauszufinden, was wahr ist und was deswegen zu tun ist.
In einer Ideen-Meritokratie ist Übereinstimmung besonders wichtig, also versuchen wir bei Bridgewater bewusst, kontinuierlich und systematisch, sie herbeizuführen. Wir bezeichnen diesen Prozess als »uns synchronisieren«. Schiefgehen kann er hauptsächlich in zweierlei Fällen: bei schlichten Missverständnissen und bei grundlegenden Meinungsverschiedenheiten. »Uns synchronisieren« bezeichnet den Prozess, beide Arten von Problemen aufgeschlossen und entschlossen zu bereinigen.
Viele Menschen sind der irrigen Ansicht, die einfachste Methode, um Frieden zu bewahren, liege darin, Differenzen zu verschleiern. Nichts könnte falscher sein. Indem man Konflikte vermeidet, vermeidet man das Bereinigen von Differenzen. Menschen, die kleinere Konflikte unterdrücken, neigen dazu, später in viel größere Konflikte zu geraten, was bis zu einer Trennung führen kann. Wer dagegen seine Minikonflikte direkt angeht, hat tendenziell die besten und langlebigsten Beziehungen. Respektvolle Uneinigkeit – der Prozess eines hochwertigen Austauschs auf aufgeschlossene und entschlossene Weise sowie mit dem Ziel, die Dinge durch die Augen des anderen zu betrachten – ist mächtig, denn sie hilft beiden Seiten dabei, Dinge zu sehen, für die sie blind waren. Aber das ist nicht einfach. Wenn es um Aktivitäten geht, bei denen die relativen Fähigkeiten klar sind (weil die Ergebnisse für sich sprechen, wie im Sport, bei dem zum Beispiel der schnellste Läufer das Rennen gewinnt), lässt sich eine Meritokratie verhältnismäßig leicht herstellen. Doch in einem kreativen Umfeld (in dem unterschiedliche Standpunkte zur besten Vorgehensweise miteinander vereint werden müssen) wird es schwieriger. Wenn nicht exakt bekannt ist, wie sich die Fähigkeiten verteilen, kann der Prozess zur Klärung von Meinungsverschiedenheiten einschließlich der Frage, wer die Entscheidungsautorität hat, schnell im Chaos versinken. Manchmal werden die Beteiligten wütend oder beißen sich fest, und Gespräche können schnell darin enden, dass zwei oder mehr Personen unproduktiv um sich selbst kreisen und keine Einigkeit darüber erzielen, was zu tun ist.
Aus diesen Gründen müssen konkrete Prozesse und Verfahren eingehalten werden. Jede Partei in einer Diskussion muss verstehen, wer welche Rechte hat und welche Verfahren gelten, um zu einer Lösung zu kommen (wir haben Werkzeuge als Unterstützung dafür entwickelt; im Anhang dieses Buches erfahren Sie mehr darüber). Außerdem muss jeder das grundlegendste Prinzip für die Synchronisierung verstehen, das darin besteht, dass die Beteiligten aufgeschlossen und entschlossen zugleich sein müssen. Respektvolle Uneinigkeit ist kein Kampf. Das Ziel ist nicht, die andere Seite zu überzeugen, dass sie sich irrt und Sie recht haben, sondern herauszufinden, was wahr ist und was deswegen zu tun ist. Außerdem darf sie nicht hierarchisch sein, denn in einer Ideen-Meritokratie fließt Kommunikation nicht nur unhinterfragt von oben nach unten. Kritik muss sich auch von unten nach oben richten.
Zum Beispiel wurde mir nach einem Meeting mit Kunden die folgende E-Mail von einem Mitarbeiter geschickt; alle hochrangigen Manager bei Bridgewater, einschließlich mir selbst, werden routinemäßig von ihren Mitarbeitern kritisiert und beurteilt.
Von: Jim H.
An: Ray; Lionel K.; Greg J.; Randal S.; David A.
Thema: Feedback zu Treffen mit ABC …
Ray, für Ihre Leistung heute beim Treffen mit ABC haben Sie sich die Note D- [ausreichend] verdient, und jeder, der mit im Raum war und Ihre Ausführungen erlebt hat, stimmt dieser harten Einschätzung zu (plus/minus eine halbe Note). Dies war aus zwei Gründen besonders enttäuschend: 1) In früheren Meetings, bei denen es um dieselben Themen ging, waren Sie hervorragend, und 2) hatten wir gestern eigens ein Vorbereitungstreffen, um Sie zu bitten, dass Sie sich strikt auf Kultur und Portfoliostrukturierung konzentrieren, weil uns insgesamt nur 2 Stunden zur Verfügung standen, damit Sie diese Themen, ich den Anlageprozess, Greg die Beobachtung und Randal die Umsetzung beschreiben konnten. Stattdessen haben Sie allein insgesamt 62 Minuten verbraucht (ich habe es gestoppt), und noch schlimmer, Sie haben 50 Minuten über etwas gesprochen, was ich für Themen der Portfoliostrukturierung halten würde, und sind erst dann zur Kultur gekommen und haben 12 Minuten darüber gesprochen. Es war für uns alle offensichtlich, dass Sie absolut nicht vorbereitet waren, denn wenn Sie sich vorbereitet hätten, wären Sie nicht so schlecht organisiert gewesen.
Ich möchte noch über einen weiteren Fall berichten, bei dem eine unserer hochrangigen Managerinnen Zeugin eines Gesprächs zwischen dem damaligen CEO Greg Jensen und einem jungen Mitarbeiter war und den Eindruck hatte, Greg würde mit ihm auf eine Weise reden, die abweichende Meinungen und unabhängiges Denken verhindert. Sie sprach dieses Thema in einer Rückmeldung an Greg an. Der war anderer Meinung und behauptete, er habe lediglich an relevante Prinzipien und die Verpflichtung erinnert, sie entweder einzuhalten oder offen infrage zu stellen. Die beiden versuchten, sich mit einer Reihe von E-Mails zu synchronisieren, und als das nicht funktionierte, brachten sie ihre Uneinigkeit vor das Management Committee. Eine Falldarstellung auf der Grundlage des fraglichen Gesprächs wurde im gesamten Unternehmen bekannt gemacht, sodass jeder für sich selbst beurteilen konnte, wer im Recht war und wer nicht. Das war eine gute Lernübung, die beide, Greg und die Managerin, zu schätzen wussten. Wir haben sie genutzt, um über unsere festen Prinzipien für den Umgang mit solchen Situationen nachzudenken, und beide Beteiligten bekamen viel nützliches Feedback. Wenn wir unsere Prinzipien nicht festgehalten und nicht genutzt hätten, um Fälle wie diesen zu beurteilen, hätte das dazu geführt, dass Personen mit Macht bei uns Entscheidungen nach Belieben gefällt hätten statt auf eine wechselseitig vereinbarte Weise.
Die folgenden Prinzipien zeigen unsere genaue Vorgehensweise. Werden sie eingehalten, werden Sie sich in guter Abstimmung mit anderen Mitarbeitern befinden und Ihre Ideen-Meritokratie wird vor Produktivität brummen. Wenn nicht, wird sie zum Stillstand kommen.
4.1 Erkennen, dass Konflikte für hervorragende Beziehungen unverzichtbar sind …
… denn an ihnen erkennen Menschen, ob ihre Prinzipien übereinstimmen, und bereinigen ihre Differenzen. Jeder hat seine eigenen Prinzipien und Werte, also erfordern jegliche Beziehungen ein gewisses Maß an Verhandlungen oder Diskussionen darüber, wie Menschen miteinander umgehen sollten. Was Sie übereinander lernen, wird Sie entweder näher zueinander bringen oder voneinander entfernen. Wenn Ihre Prinzipien übereinstimmen und Sie Ihre Differenzen in einem Prozess des Gebens und Nehmens beilegen können, werden Sie einander näherkommen. Wenn nicht, entfernen Sie sich. Offene Diskussionen über Differenzen sorgen dafür, dass es keine Missverständnisse gibt. Wenn sie nicht laufend stattfinden, werden sich die Unterschiede in der Wahrnehmung vergrößern, bis es unweigerlich zu einem großen Knall kommt.
a. Großzügig Zeit und Energie dafür aufwenden, sich zu synchronisieren, denn das ist die beste Investition, die Sie tätigen können. Langfristig spart das Geld, weil es die Effizienz erhöht. Aber es ist wichtig, dass Sie es richtig machen. Aufgrund von Zeitbeschränkungen werden Sie priorisieren müssen, über welche Aspekte Sie sich synchronisieren wollen und mit wem. Ihre oberste Priorität sollte auf den wichtigsten Themen mit den glaubwürdigsten und relevantesten Parteien liegen.
4.2 Wissen, wie man sich richtig synchronisiert und uneinig ist
Eine Ideen-Meritokratie, in der Uneinigkeit gefördert wird, erfordert im laufenden Betrieb mehr Aufwand als eine Top-down-Autokratie, die Uneinigkeit unterdrückt. Doch wenn glaubwürdige Parteien bereit sind, bei Meinungsverschiedenheiten voneinander zu lernen, wird sich ihre Entwicklung beschleunigen und ihre Entscheidungsfindung weitaus verbessern.
Entscheidend ist, zu wissen, wie man von Uneinigkeit zu einer Entscheidung kommt. Dabei ist wichtig, dass die Wege dafür klar sind und dass bekannt ist, wer für was verantwortlich ist (aus diesem Grund habe ich ein Werkzeug namens Dispute Resolver entwickelt, das die Wege definiert und allen zeigt, wenn sie nur an unterschiedlichen Standpunkten festhalten, statt sich in Richtung einer Lösung zu bewegen; mehr darüber können Sie im »Werkzeuge«-Anhang lesen).
Wesentlich ist auch das Wissen darüber, bei wem die letztliche Entscheidungsautorität liegt – also wie weit die Kraft des Arguments relativ zur Kraft der zugewiesenen Autorität reicht. Während einer Diskussion und insbesondere nach einer Entscheidung muss jeder in einer Ideen-Meritokratie ruhig bleiben und Respekt für den Prozess zeigen. Auf keinen Fall ist es akzeptabel, sich aufzuregen, wenn die Ideen-Meritokratie nicht die Entscheidung hervorbringt, die Sie persönlich angestrebt haben.
a. Bereiche möglicher Nichtsynchronisierung aufdecken. Wenn Sie und andere Ihre Standpunkte nicht darlegen, besteht keine Chance zur Beilegung von Disputen. Sie können Bereiche der Uneinigkeit informell ansprechen oder sie auf einer Liste zum Abarbeiten festhalten. Ich persönlich mache gern beides, wobei ich andere ermuntere, ihre Uneinigkeiten nach der Priorität geordnet aufzulisten, damit ich/wir sie leichter zur richtigen Zeit an den richtigen Ansprechpartner verweisen kann/können.
Die heikelsten Fragen (also diejenigen, bei denen die größte Uneinigkeit herrscht) müssen am dringendsten ausdiskutiert werden, weil sie oft Unterschiede in Bezug auf die Werte von Menschen oder ihrer Vorgehensweise bei wichtigen Entscheidungen betreffen. Diese Themen ans Tageslicht zu holen und ihre Ursachen gründlich und emotionslos zu untersuchen, ist deshalb besonders wichtig. Wenn Sie das nicht tun, werden sie vor sich hin gären und zu Fäulnis führen.
b. Unterscheiden zwischen unproduktiven Beschwerden und Beschwerden, die Verbesserungen bringen sollen. Viele Beschwerden übersehen entweder das Gesamtbild oder lassen eine engstirnige Haltung erkennen. Sie sind das, was ich als »Piepsen« bezeichne, und im Allgemeinen sollte man sie am besten ignorieren. Konstruktive Beschwerden aber können zu wichtigen Entdeckungen führen.
c. Daran denken, dass jede Geschichte eine andere Seite hat. Weisheit ist die Fähigkeit, beide Seiten zu sehen und angemessen abzuwägen.
4.3 Aufgeschlossen und entschlossen zugleich sein
Respektvolle, bedachte Uneinigkeit erfordert, dass man aufgeschlossen ist (die Dinge durch die Augen von anderen betrachtet) und entschlossen (klar kommuniziert, wie die Dinge in Ihren Augen aussehen) und diese Informationen flexibel verarbeitet, um Lernen und Anpassung zu ermöglichen.
Ich habe festgestellt, dass die meisten Menschen sich schwertun, entschlossen und aufgeschlossen zugleich zu sein. Meistens neigen sie eher dazu, entschlossen zu sein als aufgeschlossen (weil es einfacher ist, zu vermitteln, wie sie selbst die Dinge sehen, als zu verstehen, wie andere sie sehen, und auch weil manche Menschen aus Egogründen zur Rechthaberei neigen); manche wiederum sind zu sehr bereit, die Ansichten von anderen zulasten ihrer eigenen zu akzeptieren. Es ist wichtig, Menschen daran zu erinnern, dass sie beides machen müssen – und daran zu denken, dass Entscheidungsfindung ein zweistufiger Prozess ist, in dem man sowohl Informationen aufnehmen als auch entscheiden muss. Ebenfalls hilfreich ist, daran zu erinnern, dass diejenigen, die ihre Meinung ändern, die größten Gewinner sind, weil sie etwas gelernt haben; wer sich dagegen stur weigert, die Wahrheit zu sehen, ist ein Verlierer. Mit Praxis, Übung und ständiger Verstärkung kann jeder gut darin werden.
a. Zwischen aufgeschlossenen und nicht aufgeschlossenen Menschen unterscheiden. Aufgeschlossene Menschen wollen lernen, indem sie Fragen stellen; sie erkennen, wie wenig sie wissen im Verhältnis zu dem, was es zu wissen gibt, und sie sind sich im Klaren darüber, dass sie sich irren könnten. Sie genießen es, von Menschen umgeben zu sein, die mehr wissen als sie selbst, weil sie dadurch Gelegenheit haben, etwas zu lernen. Nicht aufgeschlossene Menschen dagegen erzählen Ihnen ständig, was sie wissen, selbst wenn das nicht viel ist. Meistens bereitet es ihnen Unbehagen, mit Menschen zusammen zu sein, die deutlich mehr wissen als sie selbst.
b. Mit nicht aufgeschlossenen Menschen nichts zu tun haben. Aufgeschlossenheit ist viel wichtiger als Intelligenz oder Schlauheit. Egal, wie viel sie wissen – nicht aufgeschlossene Menschen werden Ihre Zeit verschwenden. Wenn Sie mit solchen Leuten zu tun haben müssen, seien Sie sich darüber im Klaren, dass Sie ihnen nicht helfen können, bevor sie aufgeschlossener werden.
c. Vorsicht bei Menschen, die es peinlich finden, etwas nicht zu wissen. Sie machen sich wahrscheinlich mehr Gedanken über ihr Erscheinungsbild als darüber, tatsächlich das Ziel zu erreichen. Mit der Zeit kann das zum Untergang führen.
d. Sicherstellen, dass die Verantwortlichen für die Fragen und Kommentare anderer aufgeschlossen sind. Die für eine Entscheidung verantwortliche Person muss in der Lage sein, das dahinterstehende Denken offen und transparent zu erklären, sodass jeder es verstehen und beurteilen kann. Im Falle von Uneinigkeit sollte diese entweder beim Vorgesetzten des Entscheiders vorgetragen werden oder bei einer vereinbarten, kompetenten Gruppe von anderen Personen, die im Allgemeinen kundiger und hochrangiger als der Entscheider sein sollten.
e. Erkennen, dass Synchronisierung eine zweiseitige Verantwortung ist. In jedem Gespräch gibt es eine Verantwortung, sich zu äußern, und eine Verantwortung, zuzuhören. Fehldeutungen und Missverständnisse wird es immer geben. Häufig sind Schwierigkeiten in der Kommunikation darin begründet, dass Menschen unterschiedliche Arten zu denken haben (wenn zum Beispiel mit der linken Hirnhälfte denkende Personen auf Rechtsdenker treffen). Die beteiligten Parteien sollten stets die Möglichkeit berücksichtigen, dass einer oder beide etwas falsch verstanden haben, und sich darüber austauschen, um sich zu synchronisieren. Sehr einfache Tricks – wie das Wiederholen von dem, was Sie gerade gehört haben, um sicherzustellen, dass Sie alles richtig verstehen – können dabei von unschätzbarem Wert sein. Fangen Sie mit der Annahme an, dass Sie entweder nicht gut kommunizieren oder nicht gut zuhören, statt der anderen Seite die Schuld zu geben. Lernen Sie aus Ihren Kommunikationsfehlern, damit sie nicht noch einmal passieren.
f. Stärker an die Substanz als an den Stil denken. Das soll nicht heißen, dass manche Stile bei unterschiedlichen Menschen in unterschiedlichen Situationen nicht effektiver wären als andere. Jedoch höre ich häufig, wie Leute über den Stil oder den Ton einer Kritik klagen, um von ihrem Inhalt abzulenken. Wenn Sie finden, dass der Stil von jemandem ein Problem ist, halten Sie das als gesondertes Thema fest, über das Sie sich synchronisieren müssen.
g. Vernünftig sein und von anderen erwarten, dass sie vernünftig sind. Sie haben eine Verantwortung, vernünftig und besonnen zu sein, wenn Sie sich für Ihre Sichtweise einsetzen, und Sie sollten niemals zulassen, dass Ihr »Ich der niedrigeren Ebene« die Kontrolle übernimmt, nicht einmal, wenn Ihr Gegenüber ausfallend wird. Sein schlechtes Verhalten ist keine Rechtfertigung dafür, ebenfalls aus der Rolle zu fallen.
Wenn eine Partei bei einer Meinungsverschiedenheit zu emotional wird, um logisch zu argumentieren, sollte das Gespräch verschoben werden. Ein paar Stunden oder sogar ein paar Tage Pause können in Fällen, in denen nicht sofort Entscheidungen getroffen werden müssen, das beste Vorgehen sein.
h. Vorschläge machen und Fragen stellen ist nicht das Gleiche wie kritisieren, also behandeln Sie es nicht so. Wenn eine Person Vorschläge macht, muss sie nicht unbedingt zu dem Schluss gekommen sein, dass ansonsten Fehler passieren werden – sie könnte sich auch einfach absichern wollen, dass ihr Gesprächspartner wirklich alle Risiken berücksichtigt hat. Fragen zu stellen, um sich zu vergewissern, dass jemand nichts übersehen hat, ist nicht das Gleiche, wie zu sagen, er habe etwas übersehen (»Vorsicht, da ist Eis!« vs. »Du bist unaufmerksam und achtest nicht auf das Eis!«). Trotzdem beobachte ich oft, dass Menschen auf konstruktive Fragen und Vorschläge reagieren, als handele es sich um Vorwürfe. Das ist ein Fehler.
4.4 Als Leiter eines Meetings das Gespräch steuern
Es gibt viele Gründe dafür, dass Meetings schlecht verlaufen. Häufig ist der Grund ein Mangel an Klarheit über das Thema oder die Ebene, auf der Angelegenheiten besprochen werden (also auf Prinzip-/Maschinenebene, auf der Ebene des vorliegendes Falles oder auf der Ebene der konkreten Fakten).
a. Klarmachen, wer das Meeting leitet und welchem Zweck es dienen soll. Jedes Meeting sollte darauf abzielen, die Ziele einer bestimmten Person zu erreichen; diese Person ist für das Meeting verantwortlich und entscheidet, wie das Ergebnis aussehen soll und wie dessen Erreichung vorgegangen wird. Bei Meetings ohne klaren Verantwortlichen besteht große Gefahr, dass sie richtungslos und unproduktiv verlaufen.
b. Präzise sein, um Verwirrung zu vermeiden. Oft ist es am besten, eine konkrete Frage zu wiederholen, um sicherzustellen, dass sowohl der Fragende als auch der Antwortende genau wissen, was gefragt und auf was geantwortet wird. In einer E-Mail muss man dafür oft nichts weiter tun, als die Frage zu kopieren und in die Antwort einzufügen.
c. Klarmachen, welche Art von Kommunikation angesichts der Ziele und Prioritäten stattfinden soll. Wenn Ihr Ziel darin besteht, dass Menschen mit unterschiedlichen Meinungen ihre Differenzen durchgehen, um allmählich herauszufinden, was wahr ist und was deswegen zu tun ist, werden Sie Ihr Meeting anders angehen müssen, als wenn Sie Informationen weitergeben wollen. Diskussionen brauchen Zeit, und dieser Zeitaufwand nimmt mit der Zahl der Diskussionsteilnehmer exponentiell zu. Also müssen Sie sorgfältig die richtigen Personen in der richtigen Anzahl so auswählen, dass es zu der anstehenden Entscheidung passt. Versuchen Sie in jeder Diskussion, den Kreis der Teilnehmer auf diejenigen Personen zu beschränken, die Sie vor dem Hintergrund Ihrer Ziele am stärksten wertschätzen. Die schlechteste Grundlage für diese Auswahl ist die Frage, ob jemand zu denselben Schlussfolgerungen kommt wie Sie. Gruppendenken (wenn Menschen keine unabhängigen Meinungen äußern) und Solodenken (wenn Menschen nicht auf die Gedanken anderer reagieren) sind gleichermaßen gefährlich.
d. Die Diskussion mit Entschlossenheit und Aufgeschlossenheit führen. Unterschiedliche Standpunkte abzugleichen, kann schwierig und zeitaufwendig sein. Es ist Aufgabe des Leiters eines Meetings, einen Ausgleich zwischen widerstreitenden Standpunkten zu finden, Pattsituationen aufzulösen und zu entscheiden, wie Zeit klug investiert ist.
Häufig werde ich gefragt, was passieren sollte, wenn eine unerfahrene Person eine Meinung äußert. Wenn Sie das Gespräch leiten, sollten Sie die potenziellen Kosten in Form des Zeitaufwands für die Beschäftigung mit dieser Meinung abwägen gegen den potenziellen Vorteil, dass Sie Gelegenheit bekommen, die Denkweise der Person kennenzulernen und besser zu verstehen. Sich mit den Ansichten von Menschen zu beschäftigen, die noch keine Erfolgsgeschichte vorzuweisen haben, kann Ihnen wertvolle Erkenntnisse dazu liefern, wie sie unterschiedliche Aufgaben handhaben werden. Wenn genügend Zeit ist, sollten Sie die Argumentation der unerfahrenen Person zusammen mit ihr durcharbeiten, damit sie verstehen kann, wo sie möglicherweise falschliegt. Außerdem ist es Ihre Pflicht, aufgeschlossen zu prüfen, ob sie nicht vielleicht sogar recht hat.
e. Zwischen den verschiedenen Ebenen des Gesprächs navigieren. Wenn Sie sich mit einem Problem oder einer Situation beschäftigen, sollte es zwei Ebenen der Diskussion geben: den vorliegenden Fall und die relevanten Prinzipien, die Ihnen dabei helfen, zu entscheiden, wie die Maschine funktionieren sollte. Sie müssen deutlich zwischen diesen Ebenen wechseln, um richtig mit dem Fall umzugehen, die Effektivität Ihrer Prinzipien zu überprüfen und die Maschine so zu verbessern, dass ähnliche Fälle in Zukunft besser gehandhabt werden.
f. Auf »Themenrutsch« achten. Themenrutsch bedeutet, wahllos von Thema zu Thema zu wechseln, ohne irgendeines davon abzuschließen. Vermeiden lässt sich das zum Beispiel, indem Sie das Gespräch auf einem Whiteboard protokollieren, sodass jeder sehen kann, an welchem Punkt es gerade ist.
g. Die Logik von Gesprächen durchsetzen. Wenn es Uneinigkeit gibt, neigen die Emotionen von Menschen dazu hochzukochen. Bleiben Sie stets ruhig und analytisch – es ist schwieriger, einen logischen Austausch zu beenden als einen emotionalen. Denken Sie auch daran, dass Emotionen die Realitätswahrnehmung beeinträchtigen können. Zum Beispiel werden Menschen manchmal sagen: »Ich habe das Gefühl (, dass etwas so ist)«, und dann weitermachen, als wäre das eine Tatsache, obwohl andere Leute die Situation anders interpretieren könnten. Fragen Sie: »Stimmt das wirklich?«, um das Gespräch in der Realität zu verankern.
h. Darauf achten, dass bei Gruppenentscheidungen nicht die persönliche Verantwortung verloren geht. Zu häufig treffen Gruppen eine Entscheidung, damit etwas geschieht, legen dabei aber keine persönlichen Verantwortlichkeiten fest; dann ist nicht klar, wer anschließend welche Aufgaben erledigen soll. Weisen Sie klare persönliche Verantwortlichkeiten zu.
i. Die »Zwei-Minuten-Regel« nutzen, um ständige Unterbrechungen zu verhindern. Die Zwei-Minuten-Regel sieht vor, dass Sie Ihrem Gegenüber zwei Minuten ohne Unterbrechung lassen müssen, um seine Überlegungen zu erklären, bevor Sie Ihre Meinung dazu äußern. Dies stellt sicher, dass jeder Zeit hat, um seine Gedanken vollständig zu formulieren und zu kommunizieren, ohne fürchten zu müssen, dass er falsch verstanden oder von einer lauteren Stimme übertönt wird.
j. Auf entschlossene »Schnellredner« aufpassen. Schnellredner sind Menschen, die gut formulierte und entschlossene Aussagen schneller äußern, als sich diese bewerten lassen. Damit versuchen sie, ohne Beurteilung oder Widerstand durch andere ihre Agenda durchzudrücken. Schnelles Sprechen kann besonders effektiv sein, wenn es gegen Personen eingesetzt wird, die befürchten, dass sie dumm erscheinen könnten. Fallen Sie nicht darauf herein. Erkennen Sie, dass es Ihre Pflicht ist, alle Wortbeiträge zu verstehen, und machen Sie nicht weiter, bis das so ist. Wenn Sie sich unter Druck gesetzt fühlen, sagen Sie etwa: »Tut mir leid, dass ich so dumm bin, aber Sie müssten bitte etwas langsamer reden, damit ich verstehen kann, was Sie sagen.« Dann stellen Sie Ihre Fragen. Alle.
k. Bei Gesprächen für Vollständigkeit sorgen. Der Hauptzweck einer Diskussion besteht darin, sie abzuschließen und eine Synchronisierung zu erreichen, sodass anschließend Entscheidungen und/oder Maßnahmen folgen können. Diskussionen, die nicht zu Ende geführt werden, sind Zeitverschwendung. Wenn es einen Austausch von Ideen gibt, ist es wichtig, ihn mit einer Aussage über die Schlussfolgerungen zu beenden. Wenn Einigkeit besteht, sagen Sie das; wenn nicht, ebenfalls. Wenn weitere Maßnahmen beschlossen wurden, notieren Sie diese Aufgaben auf einer To-do-Liste, weisen Sie die Aufgaben konkreten Personen zu und legen Sie Schlusstermine dafür fest. Schreiben Sie Ihre Schlussfolgerungen, Arbeitshypothesen und zu erledigenden Aufgaben dort auf, wo sie zur Grundlage für anhaltenden Fortschritt werden können. Um das sicherzustellen, beauftragen Sie jemanden, dafür zu sorgen, dass Notizen gemacht und beschlossene Maßnahmen umgesetzt werden.
Es gibt keinen Grund dafür, wütend zu werden, wenn Sie immer noch anderer Meinung sind. Menschen können eine wunderbare Beziehung haben und sich trotzdem über manche Punkte uneinig sein; Sie müssen nicht in allen Punkten übereinstimmen.
l. Ihre Kommunikation hebeln. Offene Kommunikation ist zwar sehr wichtig, doch die Herausforderung liegt darin, sie zeiteffizient zu betreiben – Sie können nicht mit jedem Einzelgespräche führen. Hilfreich ist, einfache Möglichkeiten zum Teilen zu identifizieren, etwa E-Mails, die auf FAQ-Seiten veröffentlicht werden, oder das Verschicken von Video- oder Audioaufzeichnungen von wichtigen Meetings (ich bezeichne solche Vorgehensweisen als »hebeln«). Die Herausforderungen werden größer, je weiter oben man in der Unternehmenshierarchie steht, denn dadurch wird auch die Zahl der Personen, die von Ihren Entscheidungen beeinflusst werden und die zudem Meinungen/Fragen dazu haben werden, immer größer. In solchen Fällen werden Sie noch stärker mit Hebelung und Priorisierung arbeiten müssen (indem Sie zum Beispiel manche Fragen von einer gut vorbereiteten Person beantworten lassen, die für Sie arbeitet, oder indem Sie darum bitten, Fragen nach Dringlichkeit oder Bedeutung zu priorisieren).
4.5 Hervorragende Kommunikation fühlt sich an wie Jazz
Im Jazz gibt es kein Notenblatt – man muss während des Spielens selbst herausfinden, welche Töne gerade passend sind. Manchmal müssen Sie sich zurücklehnen und andere die Entwicklung vorantreiben lassen, manchmal sind Sie selbst dafür zuständig. Um im richtigen Moment das Richtige zu tun, müssen Sie sehr genau auf die Leute hören, mit denen Sie spielen, um zu verstehen, was sie vorhaben.
Jede hervorragende Zusammenarbeit sollte sich so ähnlich anfühlen. Wenn Sie ihre unterschiedlichen Fähigkeiten kombinieren wie unterschiedliche Instrumente, kreativ improvisieren und sich gleichzeitig den Zielen der Gruppe unterordnen, führt das dazu, dass Sie gemeinsam schöne Musik hervorbringen. Wichtig dabei ist jedoch, nicht zu vergessen, wie viele Personen gut zusammenspielen können: Ein talentiertes Duo kann überzeugend improvisieren, ebenso wie ein Trio oder ein Quartett. Doch wenn zehn Musiker zusammenkommen, spielt es keine Rolle mehr, wie begabt sie sind: Wahrscheinlich sind sie, wenn sie nicht sorgfältig orchestriert werden, zu viele.
a. 1 +1 = 3. Zwei Menschen, die gut zusammenarbeiten, dürften ungefähr dreimal so effektiv sein, wie wenn jeder von ihnen einzeln arbeiten würde, denn beide können wahrnehmen, was dem jeweils anderen entgeht. Außerdem können sie die Stärken des jeweils anderen nutzen und sich gegenseitig zur Einhaltung hoher Standards anhalten.
b. 3 bis 5 ist mehr als 20. Drei bis fünf intelligente, konzeptionell denkende Menschen, die auf aufgeschlossene Weise nach den richtigen Antworten suchen, werden im Allgemeinen die besten Antworten liefern. Es mag verführerisch sein, größere Gruppen zusammenzustellen, aber wenn zu viele Leute zusammenarbeiten, ist das selbst dann kontraproduktiv, wenn alle Mitglieder der Gruppe intelligent und talentiert sind. Die Symbiosevorteile durch die Einbeziehung zusätzlicher Personen nehmen bis zu einem gewissen Punkt inkrementell (2 + 1 = 4,25) zu, ab dann jedoch geht die Aufnahme weiterer Mitglieder auf Kosten der Effektivität. Der Grund dafür ist, dass 1) die marginalen Vorteile bei einer wachsenden Gruppe kleiner werden (zwei oder drei Personen könnten ausreichen, um den Großteil der wichtigen Perspektiven abzudecken, sodass weitere Personen keinen großen Nutzen mehr haben) und dass 2) Interaktionen in größeren Gruppen weniger effizient sind als in kleineren. Was in der Praxis am besten funktioniert, hängt natürlich von der Qualität der Personen und den Unterschieden der von ihnen eingebrachten Perspektiven ab sowie davon, wie gut die Gruppe geleitet wird.
4.6 Einigkeit wertschätzen, wenn Sie erreicht ist
Zwar wird es auf dieser Welt niemanden geben, der in jedem einzelnen Punkt Ihrer Meinung ist. Doch es gibt Menschen, die Ihre wichtigsten Werte sowie die Wege teilen, die Sie gewählt haben, um diese Werte zu leben. Sorgen Sie dafür, dass diese Menschen in Ihrer Nähe sind.
4.7 Wenn sich größere Differenzen – vor allem in Bezug auf Werte – nicht beilegen lassen, darüber nachdenken, ob sich das Festhalten an der Beziehung lohnt
Es gibt alle möglichen unterschiedlichen Menschen auf der Welt, von denen viele unterschiedliche Dinge wertschätzen. Wenn Sie feststellen, dass Sie sich bezüglich gemeinsamer Werte mit jemandem nicht synchronisieren können, sollten Sie darüber nachdenken, ob es sich lohnt, diese Person in Ihrem Leben zu behalten. Ein Mangel an gemeinsamen Werten wird zu vielen Schmerzen und anderen schädlichen Folgen führen und kann Sie letztlich auseinandertreiben. Es könnte besser sein, all das abzuwenden, sobald Sie es kommen sehen.