A uf dem Weg zu Ihren Zielen werden Sie unweigerlich mit Problemen konfrontiert werden. Wenn Sie Erfolg haben wollen, müssen Sie sie wahrnehmen, und Sie dürfen sie nicht tolerieren. Probleme sind wie die Kohlen, die man in den Kessel einer Dampflok schippt: Sie zu verbrennen, also Lösungen zu finden und umzusetzen, bringt uns nach vorn. Jedes Problem, das Ihnen begegnet, ist eine Gelegenheit, Ihre Maschine zu verbessern. Probleme zu identifizieren und nicht zu tolerieren, gehört zu den schwierigsten und am wenigsten beliebten Dingen.
Viele Menschen tun sich schwer mit der Identifizierung von Problemen. Die meisten würden lieber all die Dinge feiern, die gut laufen, und Probleme unter den Teppich kehren. Bei diesen Menschen sind die Prioritäten genau verkehrt herum gesetzt, und es gibt kaum etwas, das schädlicher für eine Organisation sein könnte. Gefährden Sie nicht Ihren Fortschritt nur für ein Schulterklopfen. Feiern Sie, wenn Sie herausfinden, was nicht gut läuft, damit Sie es verbessern können. Über schwierige Probleme nachzudenken, mag Sie beunruhigen. Aber nicht darüber nachzudenken (und deshalb nichts deswegen zu tun), sollte Sie noch viel mehr beunruhigen.
Diese Art von Unruhe über Dinge, die möglicherweise schiefgehen könnten, ist extrem nützlich. Sie treibt uns an, Systeme und Kennzahlen zur Messung der Ergebnisse zu entwickeln, die Ihre Maschine produziert, und sie motiviert gute Manager dazu, die Produktion des Systems kontinuierlich zu testen und nach Problemen in ihren Ritzen und Winkeln zu suchen. Ständig besorgt zu sein und nachzuprüfen, ist wichtig zur Aufrechterhaltung der Qualitätskontrolle. Dafür zu sorgen, dass es keine kleinen Probleme gibt, ist ebenfalls wichtig, denn wenn man zulässt, dass sie fortbestehen, werden sie zu großen heranwachsen. Zum besseren Verständnis dieses Punktes möchte ich Ihnen einen Fall schildern, bei dem es uns anfangs nicht gelungen ist, exzellent zu bleiben; dann haben wir das Problem wahrgenommen, seine Ursachen geklärt, Änderungen geplant und diese Änderungen so durchgesetzt, dass exzellente Ergebnisse herauskamen.
Als ich Bridgewater gründete, war ich für alles verantwortlich. Ich traf die Anlageentscheidungen des Unternehmens ebenso wie die Managemententscheidungen, und erst später baute ich die Organisation auf, die mich unterstützen und irgendwann ohne mich exzellent weitermachen sollte. Als Bridgewater größer wurde, war der Standard, den ich vorgab, kompromisslos und einfach: Die Analysen, die wir unseren Kunden vorlegten, sollten stets so gut sein, als hätte ich sie selbst angefertigt. Denn wenn Kunden fragen, was »wir« denken, wollen sie nicht wissen, was irgendjemand bei uns denkt – sie wollen wissen, was ich und die anderen CIOs denken, die für unsere Investitionen verantwortlich sind. Um dieses Ziel zu erreichen, bearbeitet das Client Service Department von Bridgewater Anfragen von Kunden entweder selbst oder gibt sie an Personen mit unterschiedlich hohem Kompetenzniveau weiter, denen die Fragen abhängig von ihrem Schwierigkeitsgrad vorgelegt werden. Der Kundenberater (ein kompetenter Experte, der die Schnittstelle zwischen Bridgewater und dem Kunden bildet) muss die Fragen gut genug verstehen, um zu wissen, wer sie beantworten kann. Und bevor er dem Kunden die Antworten übermittelt, muss er sie überprüfen, um sicherzustellen, dass sie exzellent sind. Damit dies stets so abläuft, habe ich ein System von Kontrollen und Gegengewichten entwickelt, in dem einige unserer besten Anlageköpfe sowohl selbst Memos für Kunden verfassen als auch die Qualität der Arbeit ihrer Kollegen kontrollieren: Sie vergeben Noten, um nachverfolgbare Kennzahlen zu bekommen, mit denen analysiert werden kann, wie gut das System funktioniert, und wenn nötig Änderungen daran vorzunehmen.
Im Jahr 2011 habe ich im Rahmen meines Rückzugs aus dem Management die Kontrolle über diesen Prozess an andere übergeben, und einige Monate später fielen Mitarbeitern des Client Service Department Probleme auf. Den Anfang machte ein Memo, das an einen Kunden geschickt wurde, obwohl es Fehler enthielt, wie zwei hochrangige Anlageberater feststellten. Zwar waren es nur kleine Fehler, doch für mich waren sie wichtig. Auf mein Betreiben hin begann das neue Managementteam, andere Memos zu untersuchen, und stellte fest, dass das schlecht vorbereitete Memo kein Einzelfall gewesen war, sondern ein Symptom für eine weiter verbreitete Störung in der Maschine für Qualitätskontrolle. Noch schlimmer war, dass die weitere Untersuchung ergab, dass die verantwortlichen Personen diese Probleme nicht wahrnahmen und diagnostizierten. Und am beunruhigendsten: Es war nicht klar, ob sich überhaupt irgendjemand die Zeit genommen hätte, sich damit zu beschäftigen, wenn ich nicht darauf gedrängt hätte.
Das anfängliche Versagen, dass Probleme nicht wahrgenommen und deshalb toleriert wurden, lag nicht an einem Mangel an Sorgfalt. Es kam dazu, weil die meisten an dem Prozess beteiligten Personen stärker darauf achteten, dass die Aufgaben erledigt wurden, als darauf, ob die Ziele erreicht wurden. Sie agierten eher wie Beamte als wie Kunsthandwerker, und die Spitzenleute, die eigentlich »die Suppe probieren« sollten, um sicherzustellen, dass sie exzellent ist, konzentrierten sich auf andere Dinge.
Dies zu entdecken, war enttäuschend für uns alle, denn es zeigte, dass die hohen Standards, die so lange Zeit über der Grund für unseren Erfolg gewesen waren, ins Rutschen gerieten. Sich dieser Realität zu stellen, war schmerzhaft, aber letztlich gesund. Die Existenz eines derartigen Problems – ob es auf der Konstruktion einer Maschine oder eigener oder fremder Unfähigkeit beruhte – ist keine Schande. Eine Schwäche einzuräumen, ist nicht dasselbe, wie sie hinzunehmen. Es ist ein notwendiger erster Schritt dazu, sie zu überwinden. Der Schmerz, den man verspürt, ob aus Scham oder aus Wut darüber, etwas nicht besser zu können, ist wie der Schmerz, den man spürt, wenn man schwabbelig wird, und der dazu motiviert, ins Fitnessstudio zu gehen. Wie Sie in den nächsten Kapiteln erfahren werden, sind dadurch, dass wir uns dem Problem gestellt haben, wichtige Innovationen und Verbesserungen entstanden.
Die folgenden Prinzipien erklären, wie Sie Probleme, die sich Ihnen präsentieren, wahrnehmen können und nicht tolerieren.
11.1 Wenn Sie nicht besorgt sind, müssen Sie sich Sorgen machen – und wenn Sie sich Sorgen machen, müssen Sie nicht besorgt sein
Der Grund dafür ist: Sich Sorgen darüber zu machen, was schiefgehen könnte, wird Sie schützen. Und wenn Sie sich keine Sorgen darüber machen, was schiefgehen könnte, sind Sie anfällig.
11.2 Eine Maschine entwerfen und kontrollieren, die erkennt, ob Dinge gut genug sind oder nicht, oder das selbst tun
Meistens braucht man dazu die richtigen Mitarbeiter: Menschen, die nachbohren, schlechte Arbeit oder Produkte nicht ertragen und gut synthetisieren können. Ebenfalls benötigt werden die richtigen Kennzahlen.
a. Das Wahrnehmen von Problemen als Aufgabe definieren, den Zuständigen Zeit für Nachforschungen geben und für unabhängige Berichtslinien sorgen, damit sie Probleme ohne Angst vor Gegenanschuldigungen ansprechen können. Wenn das nicht gewährleistet ist, können Sie sich nicht darauf verlassen, dass alle Probleme, von denen Sie erfahren müssen, auf den Tisch kommen.
b. Auf das »Frosch im kochenden Wasser«-Syndrom aufpassen. Angeblich wird ein Frosch sofort herausspringen, den man in kochendes Wasser wirft; wenn man ihn jedoch in Wasser mit Zimmertemperatur setzt und es dann langsam zum Kochen bringt, bleibt er im Topf, bis er schließlich stirbt. Ob das bei Fröschen stimmt oder nicht: Ähnliches beobachte ich bei Managern andauernd. Menschen haben eine starke Tendenz dazu, sich allmählich an inakzeptable Dinge zu gewöhnen, die sie schockieren würden, wenn sie ohne Vorbereitung damit konfrontiert wären.
c. Vorsicht vor Gruppendenken: Dass niemand besorgt zu sein scheint, heißt nicht, dass alles in Ordnung ist. Wenn Sie etwas wahrnehmen, das Ihnen inakzeptabel erscheint, gehen Sie nicht davon aus, dass es kein Problem darstellt, nur weil andere auch davon wissen, aber keinen Alarm deswegen schlagen. Dies ist eine Falle, in die man leicht tappen kann – und eine tödliche. Wenn Sie mitbekommen, dass etwas im Argen liegt, weisen Sie die verantwortliche Person darauf hin und ziehen Sie sie zur Verantwortung, etwas dagegen zu unternehmen. Hören Sie nie damit auf, zu sagen: »Hier stinkt etwas!«
d. Ergebnisse mit den Zielen vergleichen, um Probleme zu erkennen. Vergleichen Sie die von der Maschine produzierten Ergebnisse mit Ihrer Visualisierung der von Ihnen erwarteten Ergebnisse, damit Sie mögliche Abweichungen erkennen. Wenn Sie Verbesserungen innerhalb einer bestimmten Bandbreite erwarten …
… die Entwicklung aber in Wirklichkeit so aussieht …
… wissen Sie, dass Sie sich mit den Ursachen beschäftigen müssen, um etwas zu ändern. Wenn Sie das nicht tun, wird sich die Entwicklung wahrscheinlich so fortsetzen.
e. »Die Suppe probieren.« Verstehen Sie sich selbst als Küchenchef und probieren Sie die Suppe, bevor sie den Kunden serviert wird. Ist sie zu salzig oder zu fad? Auch Manager müssen das tun oder jemanden in ihrer Maschine haben, der es für sie tut – bei jedem Ergebnis, für das sie verantwortlich sind. Menschen, die diese Aufgabe übertragen bekommen, sind »Geschmackstester«.
f. So viele Augen nach Problemen suchen lassen wie möglich. Ermutigen Sie Mitarbeiter, mit Problemen auf Sie zuzukommen. Wenn sich jeder in Ihrem Bereich für das Wohlergehen dieses Bereichs verantwortlich fühlt und keiner Angst davor hat, seine Meinung zu äußern, werden Sie von Problemen erfahren, wenn sie noch relativ leicht zu lösen sind und keinen schweren Schaden verursacht haben. Bleiben Sie synchronisiert mit den Menschen, die am nächsten an den wichtigsten Funktionen sind.
g. »Den Korken herausziehen.« Es liegt in Ihrer Verantwortung, dafür zu sorgen, dass die Kommunikation Ihrer Mitarbeiter frei fließen kann. Also fördern Sie sie, indem Sie reichlich Gelegenheiten zum Sprechen geben. Erwarten Sie nicht einfach, regelmäßiges und ehrliches Feedback zu bekommen – bitten Sie explizit darum.
h. Anerkennen, dass die Personen, die am nächsten an bestimmten Aufgaben sind, sie wahrscheinlich am besten verstehen. Zumindest haben sie Sichtweisen, die Sie verstehen müssen, also sorgen Sie dafür, dass Sie die Dinge durch ihre Augen sehen.
11.3 Äußerst spezifisch in Bezug auf Probleme sein – nicht mit Verallgemeinerungen beginnen
Sagen Sie zum Beispiel nicht: »Die Kundenberater kommunizieren nicht gut mit den Analysten.« Seien Sie konkret: Nennen Sie die Namen der Kundenberater, die nicht gut kommunizieren, und führen Sie aus, inwiefern. Beginnen Sie mit dem Konkreten und beobachten Sie dann Muster.
a. Das anonyme »wir« und »sie« vermeiden, weil es persönliche Verantwortung verdeckt. Dinge passieren nicht einfach von selbst – sie passieren, weil konkrete Menschen konkrete Dinge getan oder nicht getan haben. Untergraben Sie nicht persönliche Verantwortung mit Vagheit. Statt der passiven Verallgemeinerung oder des majestätischen »wir« sollten Sie konkrete Handlungen konkreten Personen zuordnen: »Harry hat das nicht gut gemacht.« Vermeiden Sie auch »Wir sollten …« oder »Wir sind …« und ähnliche Formulierungen. Weil Einzelpersonen die wichtigsten Bausteine jeder Organisation sind und weil sie dafür verantwortlich sind, wie Dinge erledigt werden, müssen Fehler diesen Einzelpersonen namentlich zugeschrieben werden. Jemand hat das Verfahren entwickelt, das schiefgelaufen ist, oder die falsche Entscheidung getroffen. Darüber hinwegzugehen, kann den Fortschritt in Richtung Verbesserung nur verlangsamen.
11.4 Keine Angst vor schwierigen Reparaturen
In manchen Fällen akzeptieren Menschen inakzeptable Probleme, weil sie glauben, sie seien zu schwierig zu korrigieren. Dabei ist es viel einfacher, inakzeptable Probleme zu beheben, als das zu unterlassen, denn die zweite Variante wird zu mehr Stress, mehr Arbeit und chronisch schlechten Ergebnissen führen, die dafür sorgen können, dass Sie entlassen werden. Denken Sie also an eines der ersten Prinzipien für Management: Sie müssen sich das Feedback über Ihre Maschine ansehen, das Sie bekommen, und Ihre Probleme entweder selbst lösen oder sie nach oben weiterreichen, und zwar wenn nötig immer wieder. Es gibt keine einfachere Möglichkeit, als Probleme ans Tageslicht zu holen und sie in die Hände von guten Problemlösern zu legen.
a. Verstehen, dass Probleme mit guten, geplanten Lösungen etwas vollkommen anderes sind als Probleme ohne Lösungen. Nicht identifizierte Probleme sind die schlimmsten, identifizierte Probleme ohne geplante Lösungen schon besser, aber schlechter für die Moral, identifizierte Probleme mit einem guten Plan für die Lösung sind noch besser, und gelöste Probleme sind am besten. Es ist wirklich wichtig, zu wissen, in welcher Kategorie ein Problem gehört. Die Kennzahlen, die Sie verwenden, um den Fortschritt Ihrer Lösung nachzuverfolgen, sollten so klar und intuitiv sein, dass sie offensichtliche Konsequenzen des Plans darstellen.
b. Wahrgenommene Probleme in Maschinenkategorien betrachten. Es gibt drei Schritte, um das richtig zu machen: Erstens das Problem registrieren, dann herausfinden, wer die verantwortlichen Personen sind, die darauf angesprochen werden sollten, und zuletzt entscheiden, wann die richtige Zeit für ein Gespräch darüber ist. Mit anderen Worten: was, wer, wann. Dann muss man es umsetzen.