11

07 :07 : AUFWACHEN , DU ARSCH . DU LEBST NOCH .

R onan war wach.

Er starrte auf eine in zackig-verkrampfter Handschrift verfasste Liste an der Dachschräge über dem Bett seines alten Kinderzimmers. Nachdem er im Anschluss an das Cambridge-Fiasko vier Tage lang weder auf Nachrichten noch auf Anrufe reagiert hatte, war Declan überraschend an den Schobern aufgetaucht. Er hatte seinen nächstjüngeren Bruder im Bett vorgefunden, wo er in denselben Klamotten wie bei ihrer letzten Begegnung eine abgelaufene Dose Bohnen löffelte.

Du brauchst einen festen Tagesablauf, hatte Declan entschieden.

Hab ich doch.

Hast du nicht mal behauptet, du würdest nie lügen?

07 :15 : ANZIEHEN UND DAS HÜBSCHE KÖPFCHEN RASIEREN .

Es war lange her, dass Declan Ronan eine ernst zu nehmende Standpauke gehalten hatte. Nach Nialls Tod hatte Declan die Vormundschaft für seine jüngeren Brüder bis zu deren Volljährigkeit übernommen. Was sich hauptsächlich darin äußerte, dass er Ronan ständig wegen irgendwas im Nacken saß: Schwänz nicht die Schule, Ronan. Wehe, du wirst noch mal geblitzt, Ronan. Zieh nicht mit Gansey um die Häuser, Ronan. Wechsle die Socken, Ronan. Lass das Fluchen sein, Ronan. Trink nicht so viel, Ronan. Verbring deine Zeit nicht mit diesen Junkies. Nimm dir nicht das Leben, Ronan. Zu dem Kragen passt kein doppelter Windsorknoten, Ronan.

 

Dann schreib deinen Tagesablauf mal auf, Ronan. Jetzt. Während ich zugucke. Das will ich sehen.

07 :45 : WICHTIGSTE MAHLZEIT DES TAGES .

08 :00 : TIERE FÜTTERN .

09 :30 : REPARATURARBEITEN AN HAUS ODER STÄLLEN .

12 :00 : MITTAGESSEN AN DIESER KOMISCHEN TANKE .

13 :30 : REISE IN RONANS WUNDERSAMES REICH DER TRÄUME .

Was soll das hier heißen, Ronan?

Es sollte heißen: Übung macht den Meister. Es sollte heißen: Zehntausend Stunden bis zur Perfektion, tu es oder tu es nicht, es gibt kein Versuchen. Ronan hatte innerhalb des vergangenen Jahres Stunden damit zugebracht, immer komplexere und klarer umrissene Dinge zu träumen, was in einem ausgeklügelten Sicherheitssystem gegipfelt war, das die Schober so gut wie unauffindbar machte, wenn man nicht ganz genau wusste, wonach man suchte. Nach Cambridge jedoch hatte das Ganze irgendwie seinen Reiz verloren.

Ich frage dich auch nicht nach deiner Arbeit, Declan.

18 :00 : BISSCHEN RUMKURVEN .

19 :15 : ABENDESSEN IN DIE MIKROWELLE , BÄM .

19 :30 : MOVIE TIME .

23 :00 : PARRISH SCHREIBEN .

Adams letzte Nachricht lautete schlicht: 4200  $ .

So viel kosteten die Reparaturarbeiten für das verwüstete Wohnheimzimmer.

*23 :30 : SCHLAFENSZEIT .

*SAMSTAG /SONNTAG : KIRCHE /D.C.

*MONTAG : WÄSCHE WASCHEN + EINKAUFEN .

*DIENSTAG : GANSEY SCHREIBEN ODER ANRUFEN .

Die letzten Punkte waren in Declans Handschrift verfasst, eine diskrete Ergänzung um all die kleinen Notwendigkeiten, die ein Erwachsenenleben ausmachten und die Ronan vergessen hatte, in seines zu integrieren. Der Anblick deprimierte Ronan nur noch mehr. Yay, eine Woche wie die andere, schien die Liste zu verkünden. Yay, du kannst bis ins Detail die nächsten achtundvierzig, zweiundsiebzig, sechsundneunzig Stunden vorhersehen. Yay, du kannst den kompletten Rest deines Lebens vorhersehen! Allein das Wort Tagesablauf deprimierte Ronan. Ewig dasselbe runterspulen. Was für eine Scheiße.

Gansey schrieb: Declan will, dass ich dir sage, du sollst aufstehen.

Ronan schrieb zurück: wozu

Er beobachtete, wie das Morgenlicht über die verschiedenen schwarz-grauen Silhouetten in seinem Zimmer wanderte. Regale voller Modellautos, der aufgeklappte Koffer eines irischen Dudelsacks, ein alter vermackter Schreibtisch mit einem Plüschwal darauf, ein Metallbaum mit wundersam verschlungenen Zweigen, Wäschehaufen zwischen rote-bete-roten Holzspänen.

Gansey schrieb: zwing mich nicht ins nächste Flugzeug zu steigen bin gerade an einen der größten Schwarznussbäume von ganz Oregon gekettet

Seufzend schoss Ronan ein Foto von seinem angewinkelten Ellbogen, sodass er aussah wie ein nackter Hintern, tippte auf »Senden« und stand auf. So spät im Jahr blieb es morgens ewig dunkel, aber er machte sich nicht die Mühe, das Licht einzuschalten, während er frühstückte und seine Arbeitsutensilien zusammensuchte. In den Schobern fand er sich auch im Stockdunkeln zurecht. Seine Finger kannten den Verlauf der Wände, seine Füße das Knarren jeder einzelnen Bodendiele und seine Nase den Holzrauch- oder verblassten Zitrusgeruch jedes Zimmers. Das alles war in ihm gespeichert wie die Fingerfolge einer Melodie, die man in- und auswendig spielen konnte. Die Schober bargen einen Großteil seiner Kindheitserinnerungen, was sie für andere möglicherweise zu einem Ort des Jammers gemacht hätte. Für Ronan dagegen war die Farm schon immer ein Familienmitglied gewesen; mittlerweile eins der wenigen, die noch am Leben waren.

Wenn er schon irgendwo festsitzen musste, dachte er, dann gab es zumindest schlimmere Orte als die Schober.

Draußen hing dicker, schwerer Nebel über den gelben Feldern. Die zahlreichen Außengebäude warfen lange, violettstichige Schatten, während die Sonnenseiten so grell erleuchtet waren, dass Ronan blinzeln musste. Seine Laune hob sich, je weiter er über die sanft hügelige Wiese spazierte und der Tau seine Hosenbeine durchnässte. Schon verrückt, dachte er, wie trist einem ein verlassenes Haus erscheinen konnte und wie tröstlich dagegen eine menschenleere Landschaft.

Hinter ihm krochen die unwahrscheinlichsten Kreaturen durchs hohe Gras, einige von ihnen beunruhigender als andere. Ronan liebte seine kleine Menagerie der Merkwürdigkeiten: die Hirsche und Glühwürmchen, die Morgenmonster und Schattenvögel, die weißen Mäuse und kleinen flauschigen Drachen. Bei manchen fragte er sich, ob ihre Existenz eigentlich ethisch vertretbar war. Nur weil man sich ein Leben aus dem Nichts erträumen konnte, hieß das, dass man auch das Recht dazu hatte? An Wochentagen gab er dem Drang, seine sonderbaren Herden zu vergrößern, hemmungslos nach. An den Wochenenden saß er in der Kirche und bat Gott demütig um Vergebung für seine Vermessenheit.

An diesem Morgen jedoch war er auf dem Weg zu den Traumkreaturen eines anderen. Die Rinder seines Vaters waren fester Bestandteil der Schober und zierten die Weiden als tauglitzernde schokobraune, graue, schwarze, goldene, fuchsrote, elfenbein- und granitfarbene Tupfen. Wie alle Traumwesen hatten sie ohne ihren Träumer nicht wach bleiben können und waren daher am Tag von Nialls Tod in tiefen Schlummer gefallen. Ein Schicksal, das, wie Ronan klar war, eines Tages auch seinen eigenen Geschöpfen bevorstand.

Bevor er wusste, wie ihm geschah, war er in eine dunkle Moschuswolke gehüllt und ein Berg geballter Muskeln schleuderte ihn von den Füßen.

»Gasoline«, entfuhr es ihm, hauptsächlich verärgert über das lächerliche Bild, das er abgegeben haben musste, »bleib gefälligst näher beim Haus.«

Gasoline war eine Traumkreatur, die er sich wesentlich cooler vorgestellt hatte, als sie jetzt in der Realität war – ein gewaltiges, minivangroßes Wildschwein mit intelligenten kleinen Äuglein und drahtigem, metallisch schimmerndem Fell. Wenn es über harte Oberflächen galoppierte, schlugen seine Hufe Funken. Wenn man es erschreckte, löste es sich in Rauch auf. Wenn es schrie, klang es wie ein Vogel. Und außerdem besaß es keinerlei Geschlechtsorgane. Was im ersten Moment vielleicht nicht zu den erwähnenswertesten Eigenschaften eines solchen in jeglicher Hinsicht außergewöhnlichen Wesens zählte, tatsächlich aber ließ einen der Gedanke, wenn er einem einmal gekommen war, kaum wieder los.

Die übel riechende Wolke stieß ein letztes, eindeutig vogelhaftes Trillern aus und verschwand.

Ronan fächelte die Rauchfetzen beiseite und kniete sich neben eine der schlafenden Kühe seines Vaters ins Gras, ein grau gesprenkeltes Tier mit einem einzigen gekrümmten Horn. Er streichelte ihm über die weiche, warme Flanke. »Ich hab dir einen Flug gebucht. Du sitzt vom Fenster bis zum Gang.«

Dann entfaltete er die Decke, die er aus dem Haus mitgebracht hatte – ein Traumobjekt, aus Herbstlaub gewebt und groß wie eine Zeltplane –, stellte sich auf die Zehenspitzen und breitete sie sorgfältig über die Kuh. Er suchte den Rand nach der verborgenen Zugschnur ab, an die er sich aus seinem Traum erinnerte. Die Art, wie sie an der Decke befestigt war, bereitete ihm Kopfschmerzen, wenn er zu lange darüber nachdachte, also ließ er es bleiben. Stattdessen zog er daran und sah zu, wie das Laubgeflecht sich straffte, bis er nicht länger hingucken konnte, weil der Mechanismus sich einfach nicht mit dem Verstand fassen ließ. Manchen Traumscheiß betrachtete man besser nicht zu genau. Es gab zahllose Legenden über Zauberer und Seher, die von ihrer eigenen Magie in den Wahnsinn getrieben worden waren, und manche Träume verknoteten einem eindeutig mehr das Hirn als andere. Die Decke zählte dazu.

Ronan ruckte dreimal an der Zugschnur und genau wie in seinem Traum erhob sich die Decke mitsamt der Kuh in die Luft. Jetzt hatte er eine Schwebekuh. Einen Rinderballon. Einen Milchviehzeppelin. Er versuchte schon seit geraumer Zeit, etwas zu träumen, womit er die Kreaturen eines verstorbenen Träumers wecken konnte. Und das ließ sich im Winter in einem beheizten Stall nun mal wesentlich angenehmer bewerkstelligen als hier draußen. Daher das Kuhtransportmittel.

Doch so zufrieden er mit der Laubdecke auch war, er hatte seine Zweifel, dass seine Wiederbelebungsmaßnahmen in den kommenden Monaten von mehr Erfolg gekrönt sein würden als bisher.

Mit einem Mal fragte er sich, ob vielleicht dieser andere Träumer, Bryde, wusste, wie man fremder Leute Träume weckte.

Wofür es sich schon fast lohnen würde, bei Brydes seltsamem Spielchen mitzumachen.

»Kerah!«, ertönte es über ihm. Ronan legte den Kopf in den Nacken, als ein nachtschwarzer Vogel auf ihn herabstieß.

Es war Chainsaw, eine seiner ersten Traumkreaturen. Sie war ein Rabe und ähnlich wie bei Ronan selbst erschlossen sich ihre interessantesten Charakterzüge erst auf den zweiten Blick.

Er streckte die Hand aus, doch Chainsaw ließ bloß ein heiseres Bellen vernehmen und kackte knapp an seiner Schulter vorbei auf den Boden, während sie weiter die schwebende Kuh umkreiste.

»Mistvieh!«

»Krek!«, konterte Chainsaw. Ihre erfundene Sprache hatte einen Hang zum Extremen. Es gab ein Wort für Dinge, die sie liebte (Kerah, ihre Bezeichnung für Ronan), und Dinge, die sie hasste (Krek-Krek  – die Steigerung von Krek, ihrem Wort für Traumding  – bezog sich in erster Linie auf ein bestimmtes, ihr abgrundtief verhasstes Traumwesen namens Opal, Ronans zweiten Seelengeleiter). Auch Snack war ein beliebtes Wort und klang sogar schon von sich aus nach Rabensprache. Genau wie Atem, was mit ein bisschen Fantasie klang wie Adam .

»Von mir aus«, brummte Ronan. »Komm mit oder lass es bleiben.«

Mit seiner Kuh machte er sich auf den Weg Richtung Stall und achtete darauf, das Schnurende gut festzuhalten. Er war sich relativ sicher, dass die Laubdecke, einmal losgelassen, unaufhörlich weitersteigen würde, und wollte das arme Tier nicht in den Weltraum schicken.

Gerade als er den Stall erreichte, vibrierte sein Handy. Er ignorierte es und stieß einen leisen Pfiff aus, woraufhin sich gehorsam die kleine Seitentür entriegelte. Leider würde die Kuh, wie er feststellte, niemals hindurchpassen, also knotete er sie notgedrungen an die Klinke und ging allein vor, um das Scheunentor zu öffnen.

Sein Handy vibrierte. Ronan ignorierte es.

Im Stall türmten sich seine Traumschöpfungen – Krallenmaschinen und Zahnradbestien, übernatürliche Wetterphänomene, in wasserfeste Planen verpackt, Herzschläge, in Präparategläsern konserviert –, ein Chaos, dem kein System zugrunde lag außer seinem eigenen. Rasch räumte er eine kuhgroße Fläche direkt hinter dem Scheunentor frei.

Sein Handy vibrierte. Ronan ignorierte es.

Schließlich fing er an, die schwebende Kuh einzuholen, ganz vorsichtig, damit sie sich nicht den Kopf am Türrahmen stieß. Er rümpfte die Nase. Irgendwas müffelte hier.

Sein Handy vibrierte, vibrierte, vibrierte.

»Maaaann«, beschwerte er sich bei Chainsaw, die geschickt an ihm vorbei in den Stall segelte, ohne mit einer einzigen Feder Ronans gesammelte Wunder zu streifen. Eine Hand fest um das Ende der Kuhschnur geklammert, ging er ans Telefon. »Declan, was ist? Ich versuche hier gerade, ’ne Kuh abzuschleppen.«

»Ich war eben bei einem sehr verstörenden Elternsprechtag in der Schule. Komm bitte so bald wie möglich her.«

Was für Ronan, in dessen Leben weder Eltern noch Schule eine Rolle spielten, zunächst einmal keinerlei Sinn ergab. Doch dann, während er einen weiteren behutsamen Schritt rückwärts in den Stall machte und die Kuh ihm hinterherschaukelte – fast geschafft –, dämmerte es ihm. »Matthew?«

»Natürlich Matthew«, entgegnete Declan. »Oder hast du sonst noch irgendwelche erträumten Brüder, die gerade durchknallen?«

Ein Traum. Ein Träumer. Und Declan. Das waren die Brüder Lynch.

Chainsaw war eins von Ronans ältesten Traumgeschöpfen, aber Matthew war noch älter. Ein Unfall. Ronan war damals selbst noch ein Kleinkind gewesen und hatte gar nicht begriffen, was passiert war, sondern den Neuankömmling einfach akzeptiert – diesen wie aus dem Nichts aufgetauchten kleinen Bruder, der, im Gegensatz zu Declan, fast immer gut gelaunt war. Ronan hatte ihn sofort ins Herz geschlossen. Jeder schloss Matthew sofort ins Herz. Ronan gestand es sich zwar nicht gern ein, aber es war durchaus möglich, dass er selbst ihm diesen liebenswerten Charakter angeträumt hatte.

Und da war er, der Hauptgrund, warum Brydes Spielchen die Mühe wert war, sollte er tatsächlich wissen, wie man die Kreaturen eines toten Träumers wieder zum Leben erwecken konnte: Wenn Ronan starb, würde Matthew zusammen mit all seinen anderen Traumwesen in ewigen Schlaf fallen.

So viele Beichtstühle konnte die katholische Kirche gar nicht aufstellen, damit Ronan sich von der Schuld, einen Menschen in die Welt geträumt zu haben, hätte reinwaschen können.

Matthew selbst hatte keine Ahnung, dass er ein Traum war.

»Okay«, sagte Ronan. Der widerliche Geruch wurde stärker; die Intensität war kurz vor besser durch den Mund atmen . »Ich …«

Mit einem Mal nahm der Gestank Gestalt an und Gasoline, das minivangroße Wildschwein, tauchte wieder auf. Um Ronan prompt von den Füßen zu reißen. Sein Handy schlitterte ausgelassen durch Kies und Dreck und die Kuh stieg mit flatternder Schnur wie ein losgerissener Drachen gen Himmel.

Ronan spie jeden Fluch aus, den er kannte, während die Kuh langsam, gemächlich und vollkommen ahnungslos der Sonne entgegendriftete.

»Chainsaw!«, schrie Ronan, obwohl er zugegebenermaßen keine Ahnung hatte, wie er ihr sein Anliegen begreiflich machen sollte. »Die – das – das Krek! «

Mit einem begeisterten »Kerah!« kam Chainsaw aus dem Stall geschossen und umkreiste ihn.

»Nein!« Ronan zeigte auf die Kuh, die schon knapp oberhalb der Dachkante schwebte. »Das Krek! «

Chainsaw schwang sich ein Stück empor, vollführte einen Looping um das im Aufstieg begriffene Rind und beäugte es neugierig. Was für ein tolles Spiel, jubilierte ihre Körpersprache. Was für eine kluge Kuh, die endlich den Reiz des Fliegens erkannt hatte. Unter fröhlichem Gekecker flatterte Chainsaw näher ran und wieder weg.

»Bring mir das Krek! Du kriegst auch ’nen Keks! ’nen Snack! Vom Rind! Kuchen! Käse!«, mobilisierte Ronan sein komplettes Leckerli-Repertoire.

Kuh und Rabe wurden zu immer kleineren Punkten am Himmel.

»Müll!«, versuchte Ronan es in seiner Verzweiflung mit der begehrtesten Delikatesse von allen, der einzigen, die er Chainsaw rigoros vorenthielt.

Chainsaw schloss die Krallen um die Zugschnur.

Kurz befürchtete Ronan, der Auftrieb der Laubdecke wäre zu stark für den Vogel. Doch dann ging Chainsaw in den Sturzflug und nahm, unter kaum energischeren Flügelschlägen als sonst, die Kuh ins Schlepptau. Ronan streckte ihr ermutigend die Hand entgegen. Eine letzte Schrecksekunde später, in der Ronan dachte, Chainsaw – die frustrierend sprunghaft sein konnte – hätte die Schnur verfrüht losgelassen, hielt er das Ende in der Hand und konnte die Kuh sicher in den Stall ziehen.

Dort zückte er sein Taschenmesser und befreite das schlummernde Tier aus der Decke. Sanft plumpste es auf den Boden aus festgestampfter Erde.

Erst dann wagte er es, einen erleichterten Seufzer auszustoßen.

Noch immer leicht außer Atem kickte er den Deckel von der Mülltonne, um sein Versprechen gegenüber Chainsaw einzulösen. Dann bückte er sich nach seinem Handy. Das Display zeigte einen aktiven Anruf von D.UMMBROT LYNCH .

Ronan klemmte sich das Telefon zwischen Kinn und Schulter. »Bist du noch da? Ich musste kurz …«

»Ich will’s gar nicht wissen«, schnitt Declan ihm das Wort ab. »Komm einfach.«