Eine Reise nach Xanadu

Fast ein halbes Jahrhundert lang existierte San Simeon, »La Cuesta Encantada«, im Geiste Kaliforniens als ein seltsames und rührendes Bild: dieser phantasmagorische Landsitz, den sich William Randolph Hearst auf den sonnenverbrannten Hügeln oberhalb der Küste von San Luis Obispo County errichtet hatte. Kalifornische Kinder hörten gewöhnlich schon davon, wenn sie noch sehr klein waren (ich weiß das, weil ich eines dieser Kinder war), und bekamen auf dem Highway 1 gesagt, sie sollten danach Ausschau halten, in ziemlich weiter Ferne, auf dem Gipfel eines Hügels, die großen Türme und Festungsmauern im maurischen Stil, wie sie in der Sonne schimmerten oder auf fantastische Weise knapp über dem Küstennebel schwebten; San Simeon war ein Ort, der, wenn man ihn einmal vom Highway aus sah, für immer im Gedächtnis blieb, eine konkrete Tatsache, die als Beweis für bestimmte abstrakte Prinzipien diente. San Simeon schien das grenzenlose Versprechen der Gegend, in der wir lebten, zu bestätigen. Die Tore vor dieser Straße auf den Hügel hinauf waren immer verschlossen, und doch umgab die Hearsts die Offenheit und Zugänglichkeit der ersten Siedler; das Geld der Hearsts war das des Wilden Westens, Geld, das ursprünglich aus Silberminen in Nevada stammte, Geld, das im Geiste des Glücks, der Fantasie, der Verantwortungslosigkeit und der landläufigen Extravaganz verdient und ausgegeben wurde, einem Geist, der dem des Wilden Westens ganz und gar entsprach. Wenn sich ein Hearst ein Schloss errichten konnte, dann konnte jedermann ein König sein.

San Simeon war außerdem ein Schloss, wie es sich ein Kind errichtet hätte, wenn ein Kind 220 Millionen Dollar besessen und 40 Millionen davon für ein Schloss hätte ausgeben können: ein Schloss aus Sand, eine Unwahrscheinlichkeit, ein Ort, der in warmem goldenen Licht und theatralischem Dunst schwamm, ein Lustschloss, von einem Mann in Auftrag gegeben, der aus einer dunklen Angst heraus, die wir alle kennen, darauf bestand, dass alles Äußere bunt und leuchtend und verspielt sein sollte. San Simeon war mehr als irgendein anderer Ort, der in diesem Land je errichtet wurde, der Behauptung verpflichtet, dass alle Freuden der Unendlichkeit im Hier und Jetzt zu finden waren. Die Bäume verloren in San Simeon nie die Blätter, nichts wurde kahl oder starb. Das ganze Jahr über blühten die Rosen, die Fuchsien, die Bougainvillea, knapp zwei Millionen Liter Wasser glitzerten in den Pools, Zebras und Antilopen durchstreiften die goldenen Hügel. Der Klang ihrer Glocken war dreißig Meilen weit zu hören. Glänzende Siena-Flaggen flatterten über den langen Esstischen im Speisesaal. Die Gäste aßen gepresste Ente und wischten ihre Hände an Papierservietten ab: wieder eine Kinderfantasie, jede Mahlzeit ein Picknick. Der Geist San Simeons wurde nicht getrübt von nervösen Unterscheidungen der Erwachsenen, was korrekt war und was nicht, was gut war und was weniger gut, was »Kunst« war und was nicht: Wenn William Randolph Hearst etwas gefiel, dann kaufte er es und brachte es nach San Simeon. Und ein Kind hätte sein Schloss mit genau demselben Personal ausgestattet: Es gab den omnipotenten König, die verschmähte Königin, die gefangene Prinzessin aus einem anderen Land. Es gab die ambitionierten Untergebenen, die Nachrichten aus den Hauptstädten der Welt brachten. Und natürlich gab es die Höflinge, die dekorativen Höflinge, von denen einige über das Wochenende kamen und monatelang blieben, weil niemand von diesem Hof vertrieben wurde, es sei denn, er trank zu viel oder erwähnte den Tod. In diesem Märchen durfte es keine Schatten geben: San Simeon sollte das Königreich sein, in dem niemand stirbt.

Und das alles gab es dort, schwebte für jedes Kind sichtbar auf dem Hügel. Ich habe es eigentlich nur drei- oder viermal gesehen, aber ich hatte davon gehört und erinnerte mich daran, und San Simeon war eine fantastische Idee, die Eindruck auf mich machte und meine eigene Fantasie auf eine Weise formte, in der alle Kinder von der konkreten und emotionalen Geografie der Gegend, in der sie aufwachsen, geformt werden durch die Geschichten, die man ihnen erzählt, und die Geschichten, die sie erfinden. Und deshalb unternahm ich vor nicht allzu langer Zeit eine Reise nach San Simeon, das seit 1958 ein öffentliches Museum ist (der König starb natürlich doch, 1951, und seine Söhne übergaben das Schloss dem Staat). Ich nahm an einem der täglichen Rundgänge durch einige der 147 Zimmer im Großen Haus und in den Gästehäusern teil.

Es war so, wie ich es erwartet hatte, und doch auch wieder nicht. Zum großen Teil, dem größten, die konkrete Anlage betreffenden Teil, sieht San Simeon heute ganz genau so aus, wie es zu Lebzeiten von William Randolph Hearst hatte aussehen sollen: Die Farm war von 275 000 Morgen auf 85 000 Morgen geschrumpft, aber es ist noch immer eine bewirtschaftete Rinderfarm, und 85 000 Morgen reichen noch immer weiter als das Auge von der geräumigen gekachelten Terrasse aus. Der private Zoo ist verschwunden, das Gnu und die Faultiere und der Elefant, aber ein paar Zebras grasen immer noch zwischen den Lorbeerbeständen auf dem Hügel. Die Kunsthistoriker und Kunsthistorikerinnen, die jetzt den Ort besuchen, beschweren sich, dass die Wandteppiche verblassen, die Gemälde rissig werden und die bunt lackierten hölzernen Statuen abblättern, die geschnitzten Holzdecken von Insekten zerstört werden; außer diesen Angriffen der Zeit und außer der Abwesenheit von Schnittblumen werden die Häuser jedoch genau so vom Staat erhalten, wie Hearst sie zuletzt gesehen hat. Die Rosen draußen blühen noch immer, und die Sonne glitzert auf den Palmwedeln, und die gelben Hügel, die sich zum Meer hinunter erstrecken, saugen das Licht in genau der Weise auf, die für die ländliche Gegend Kaliforniens so typisch ist. Nichts scheint sich verändert zu haben, und doch hat sich alles verändert, denn in gewisser Hinsicht hat der Staat aus San Simeon etwas gemacht, das es nie zuvor gewesen ist, nur ein weiteres Anwesen eines reichen Mannes. Die Besucher, bis zu vier Millionen pro Jahr, kommen in Slacks und mit Strohhüten und Lockenwicklern, sie zahlen ihre drei Dollar und laufen über Bahnen schützender Nylonteppiche. Sie zeigen einander die besten Ecken für Schnappschüsse und spekulieren darüber, wie viel das Beheizen der Gebäude wohl kostet. In der Hauptsaison stellt die Verwaltung neunundachtzig Aufpasser und Tourguides ein, einige von ihnen leben in den ehemaligen Dienstbotenunterkünften, alle gehen jeden Abend zwischen sechs und acht im Neptunpool schwimmen. Sie grillen auf den Terrassen und veranstalten nach der Arbeit Diskussionsrunden zu Themen wie »Der Generationenkonflikt«. Die Tourguides tragen Kakiuniformen und sind Schatzkammern voller Fakten: 2144 Rosensträucher in Mr Hearsts Gärten, 5400 Bände in Mr Hearsts Privatbibliothek, einst war Mr Hearst dafür bekannt, dass er ein Viertel aller Kunstobjekte dieser Welt in 504 künstlerischen Gattungen gekauft hatte. »Wenn Sie bei Mr Hearst zu Gast gewesen wären …«, sagen sie wieder und wieder. Wenn Sie bei Mr Hearst zu Gast gewesen wären, hätten Sie vor dem Abendessen auf dem Wurlitzer-Baby-Grand-Flügel spielen können. Wenn Sie bei Mr Hearst zu Gast gewesen wären, hätten sie nach dem Abendessen einen Film schauen können und sage und schreibe neben den Schauspielern aus dem Film im Vorführraum sitzen können. Diese Ehrfurcht reicht bis zu den Söhnen von Hearst, die gelegentlich in San Simeon übernachten, in einem Gästehaus mit zwanzig Zimmern, das für sie reserviert ist. »Wenn Sie sie sehen würden, würden Sie sie wahrscheinlich nicht erkennen«, informierte der Guide, »weil sie nicht anders gekleidet wären als Sie.« Ich hörte den Guides lange zu, und es fiel mir schwer, den Ton zu entschlüsseln … Und dann erkannte ich ihn: Es war ein Ton, der die Vergötterung der Reichen widerspiegelte, die so oft Hand in Hand geht mit der Demokratisierung der Dinge, ihrer Verflachung. Ich war mit einem Kind dort gewesen, einer Nichte aus Connecticut, die von San Simeon noch nie gehört hatte, und sie mochte die Blumen und die Pools und die verzierten Decken, aber als wir gingen, vermutete ich, dass das Anwesen einen größeren Eindruck auf sie gemacht hätte, hätte sie vom Highway 1 aus nur einen Blick darauf erhascht, die Tore verschlossen, das Schloss in der Ferne schwebend. Wird ein Ort dem Auge zugänglich, ist er in bestimmten Hinsichten nicht länger der Fantasie zugänglich.


1968