Kapitel 8

Flame

Ich konnte die Flammen nicht aufhalten.

Irgendwer hatte mich gefesselt.

Ich kam nicht an meine Messer.

Und er war hier drin bei mir. Sogar mit offenen Augen konnte ich ihn sehen. Ich sah ihn vor meinem geistigen Auge. Ich hörte seine Stimme im Kopf. Ich konnte seine Stimme nicht zum Schweigen bringen. Er schimpfte mich Sünder und verfluchte das Böse in meinem Blut. Aber ich wusste nicht, was er von mir wollte. Ich wollte mich nicht an das Gesicht erinnern, wenn er mich anbrüllte. Ich wollte mich nicht an diesen kalten und finsteren Ort erinnern. An seinen Gürtel, der mir die Haut aufriss. Aber ich kam nicht an meine Messer, um die Erinnerungen aufzuhalten … um sie davon abzuhalten, mich komplett zu verwirren …

»Er ist ein verdammter Idiot, Mary. Sitzt den ganzen Tag in seinem Zimmer und spielt mit diesem Scheiß-Legoset. Baut immer irgendwas und zeigt nie so was wie Glück oder Freude oder überhaupt irgendwas! Er redet nicht, reagiert auf gar nichts, was ich sage. Er weint nicht und lacht nicht. Wo sind seine Scheißemotionen?«

Ich kauerte mich in die Zimmerecke und sah zu, wie er meine Mama anbrüllte. Der Blick, mit dem sie mich ansah, war traurig. Aber sie weinte nicht. Meine Mama lachte, schrie oder weinte schon lange nicht mehr.

»Michael«, flehte sie, »bitte lass ihn doch einfach. Er ist eben nicht wie andere Kinder. Aber er ist unser … er ist mein Kind. Ich weiß, dass er etwas Besonderes ist. Ich sehe es darin, wie er denkt und sich verhält, aber …«

»Was Besonderes? Er ist ein Scheißidiot!«

Er redete von mir. Er war wütend auf mich, wieder mal. Doch ich begriff nicht, was ich getan hatte, dass er so wütend war. Ich versuchte es ja. Ich versuchte immer, ihm Freude zu machen. Aber es klappte nie. Er wurde nur immer wütender und tat mir einfach noch mehr weh. Und ich spürte tief in mir seine Enttäuschung. Ich konnte nicht schlafen, und die ganze Angst ließ meine Hände zittern. Ich … ich war so durcheinander. Ich wollte ihn nicht wütend machen. Ich versuchte es … ich gab mir wirklich, wirklich Mühe.

Er ging zum Tisch, wo meine Mutter das Essen vorbereitete. Sein Arm schnellte vor, und alle Teller fielen klirrend zu Boden. Ich hielt mir die Ohren zu, als mein kleiner Bruder zu weinen begann. Ich wiegte mich auf dem Boden und summte vor mich hin, um den Krach auszusperren. Ich hasste Geschrei. Es tat in meinen Ohren weh. Es tat mir in der Brust weh und verursachte mir ein schlechtes Gefühl im Bauch.

Aber meine Hände auf den Ohren konnten die Geräusche nicht ausblenden – das Krachen, das Geschrei meines kleinen Bruders, das Dröhnen seiner Stimme.

»Ich habe mit Pater Hughes gesprochen. Er glaubt, der Junge könnte das Böse in sich tragen. Vielleicht fließen die Flammen der Hölle durch seine Adern. Deshalb ist er so. Deshalb benimmt er sich wie ein Idiot.«

Ich hörte auf, hin und her zu schaukeln, und streckte die Arme aus. Ich drehte sie um, um meine Adern anzuschauen. Aber ich konnte keine Flammen sehen. Meine Gedanken begannen zu rasen. Das Böse? Ich hatte das Böse in mir? Flammen, die durch meine Adern flossen?

Die wollte ich nicht in mir haben, also kratzte ich an den Adern an meinem Handgelenk. Ich wollte keine Flammen in mir haben. Vielleicht würde er mich mögen, wenn ich sie aus meinem Blut vertrieb? Vielleicht würde ich dann begreifen, was er von mir wollte?

Ich hörte den Holzboden knacken und blickte auf. Er war auf mich zu getreten. Ich starrte ihm ins Gesicht.

Er war blasser geworden. Er und Mama starrten mich an. Ihre Augen waren groß geworden. Mama hob die Hand an den Mund. Doch sein Gesicht war rot und sein Mund fest zugepresst. Etwas war nicht in Ordnung, aber ich wusste nicht was.

Ohne mich aus den Augen zu lassen, sagte er: »Siehst du, Mary? Siehst du, wie er das Feuer unter seiner Haut spürt? Siehst du, wie er sich kratzt, um die Flammen loszuwerden? Der Pastor hat uns alle in der Kirche davor gewarnt. Er hat uns von den Zeichen des Bösen in Unseresgleichen erzählt.«

Meine Finger auf der Haut erstarrten. Ich schaute nach unten, und aus der Ader tropfte Blut. Ich spürte, wie mir leichter ums Herz wurde in dem Wissen, dass ich ein paar von den Flammen vertrieben hatte. Ich hob das Handgelenk, um es ihm zu zeigen. Um ihm zu zeigen, dass die bösen Flammen meinen Körper verließen, genau wie er es wollte.

Doch er wich zurück. Sein Mund war nicht mehr zusammengepresst, sondern stand offen. Er drehte sich zu meiner Mama um. »Ich rufe Pastor Hughes an. Ich bringe ihn schnurstracks zur Kirche.«

Meine Hände erstarrten in der Bewegung, als er von der Kirche sprach. Ich mochte den Ort nicht. Und ich mochte den Pastor nicht. Ich mochte die Schlangen nicht, die sie in den Händen hielten. Und ich mochte das Getränk nicht, das machte, dass sie sich auf dem Boden hin und her warfen.

Mama machte einen Satz und griff seinen Arm. »Bitte, Michael. Lass ihn doch. Oder«, meine Mama holte tief Luft, »oder vielleicht sollten wir ihn zu einem Arzt bringen? Vielleicht ist das hier mehr, als wir begreifen können? Vielleicht sollten wir dieses Mal einen richtigen Arzt holen, um uns zu helfen … um ihm zu helfen.«

Er blieb abrupt stehen und blickte mit schmalen Augen auf Mamas Arm. »Ein Arzt? Du kennst unseren Glauben, Mary. Du weißt, dass wir medizinische Behandlung ablehnen. Wenn wir nur innig genug beten und rein und demütig sind, wird Gott heilen … und falls nicht …« Er stieß meine Mama zurück, bis sie an den Tisch prallte. Mama schrie vor Schmerz auf, und mir drehte sich der Magen um. Er zeigte mit dem Finger auf mein Gesicht. »Dann endest du genau so. Befleckt von Sünde und Bösem und geistiger Zurückgebliebenheit!«

Ich zuckte zusammen und rollte mich auf dem Boden zusammen. Er machte mir Angst.

Ich sah, wie er nach den Autoschlüsseln griff. Dann kam er zu mir.

Aber ich wollte nicht mit. Ich kroch so weit rückwärts in die Ecke, wie ich nur konnte, und hielt die ganze Zeit die Arme vor mich.

Er packte meine Handgelenke und fing an, mich aus der Ecke zu zerren, doch ich wehrte mich. Ich schlug und trat mit Armen und Beinen um mich. Er packte meine Arme noch fester. Es tat weh, ich kämpfte allerdings weiter, um mich zu befreien.

»Nein! Bitte!«, rief Mama neben mir. »Er ist nicht böse. Er ist nicht …«

Aber er schlug mit der Hand nach hinten und erwischte meine Mama direkt im Gesicht. »Zurück! Zurück, und kümmere dich um deinen anderen Sohn, der schreit. Der Sohn, der, so Gott will, ganz anders sein wird als der hier!«

Mama stolperte rückwärts, und dann plötzlich schlug er mir ins Gesicht. Es tat so weh, dass ich zu Boden fiel. Er zerrte mich am Kragen hoch und kam ganz nah an mein Gesicht.

»In dir lebt etwas Böses, Junge. Und ich werde verdammt dafür sorgen, dass dieses Böse exorziert wird. Dass du normal wirst. Dass du richtig wirst. Kein Durch-mich-Durchschauen mehr, wenn ich mit dir rede. Kein Verstören anderer Leute mehr, wenn du hereinkommst, sodass wir uns schämen müssen, dich als Sohn zu haben.«

Er schleifte mich aus dem Haus. Ich schaute nach Mama, doch sie war hinten in der Küche und kümmerte sich um meinen kleinen Bruder. Sie sah mich an, als ich an ihr vorbeikam, und Tränen liefen ihr über die Wangen.

Sie weinte doch sonst nie. Wieso weinte sie jetzt?

»Mama!«, rief ich, aber sie drehte sich schluchzend weg.

Er schnallte mich auf dem Rücksitz im Auto fest. Ich wehrte mich gegen den Sicherheitsgurt. Ich wollte nicht zur Kirche.

In meinem Kopf pochte es. Schließlich hörte ich auf zu zappeln. Ich kam da nicht raus, und er würde mich nicht losmachen. Weil ich das Böse in mir hatte. Weil Flammen in meinem Blut loderten.

Ich hob die Finger an die Arme und fing an, die Nägel in die Haut zu bohren. Ich dachte an Feuer, an Flammen. Ich dachte an ihre Farben – orange und gelb. Ich dachte an die Hitze. Doch ich konnte in den Adern am Handgelenk keine Flammen sehen. Sie sahen ganz normal aus. Aber sie waren nicht normal. Er sagte, das sei der Grund, warum ich nicht begriff, was andere Leute von mir wollten. Weil das Böse Feuer in mein Blut brachte.

Ich wusste, dass ich anders war. Ich wusste, dass ich nicht begriff, was andere von mir wollten, dass ich nicht richtig auf einige Dinge reagierte, die andere Leute sagten. Deshalb redete ich auch mit keinem mehr. Deshalb hatte ich keine Freunde. Deshalb antwortete ich nicht auf Fragen. Weil ich wusste, dass ich es immer falsch machte. Ich wusste nie, welche Antwort ich geben musste. Und die Leute wurden wütend auf mich. Sie weinten. Sie gingen weg. Sie ließen mich stehen, und ich begriff nie, was ich falsch gemacht hatte.

Und manche Leute lachten mich aus – die waren am schlimmsten. Sie zeigten mit Fingern auf mich, lachten und nannten mich »Idiot«.

Und dann war ich wieder traurig. Ihre Worte machten mich traurig. Und dann konnte ich nicht schlafen. Dann lag ich immer wach und dachte an ihre Gesichter, wenn sie lachten.

Je mehr ich daran dachte, wie andere auf mich reagierten, umso tiefer grub ich die Fingernägel in meine Haut. Ich senkte den Blick und sah, wie Blut aus der Ader tröpfelte. Ich zischte bei dem stechenden Schmerz durch meine Fingernägel, doch dann breitete sich ein Gefühl von Wärme in mir aus. Wegen der unsichtbaren Flammen. Das Höllenfeuer, das in mir lebte, konnte raus.

Und er hatte gesagt, wenn das Feuer weg war, wäre ich vielleicht normal. Dann wäre ich vielleicht richtig.

Das Auto blieb stehen, und ich schaute aus dem Fenster. Wir standen auf einer ruhigen Landstraße. Und neben der Straße stand ein kleines weißes Gebäude – unsere Kirche.

Ich schnappte nach Luft, und mir schnürte sich die Kehle zu, als ich zur Kirche starrte. Dann ging die Tür auf, und Pastor Hughes kam mit dem Ältesten Paul heraus. Große Männer, die mir Angst machten. Sie gingen in der Kirche mit den Schlangen um. Sie gaben den Leuten das Gift zu trinken, um ihren Glauben auf die Probe zu stellen.

Er stieg aus, und ich sah, wie er zu den Männern ging. Er fuhr sich über den Kopf, warf dann einen Blick zurück zu mir und schüttelte den Kopf. Ich konnte nicht hören, was gesprochen wurde. Aber er musste ihnen von den Flammen in meinem Blut erzählt haben. Er würde ihnen sagen, dass ich das Böse in mir hatte. Ich bekam Panik und starrte auf mein Handgelenk. Ich kratzte an den Adern und grub die Fingernägel hinein. Doch die waren nicht scharf genug und brachten nicht mehr Blut heraus.

Dann sah ich aus den Augenwinkeln, wie er zum Auto kam. Der Pastor und der Älteste gingen wieder ins Gebäude. Er öffnete die Tür neben mir, löste meinen Sicherheitsgurt und packte mich am Arm. Ohne ein Wort zerrte er mich aus dem Auto. Ich hielt das Handgelenk hoch, um ihm zu zeigen, dass ich ja versuchte, die Flammen zu vertreiben. Dass ich die Kirche nicht brauchte, sondern es selbst tun konnte. Ich konnte die Flammen selbst vertreiben, wenn er es mich nur versuchen ließ. Aber er schlug bloß mein Handgelenk nach unten und verpasste mir dann einen Schlag an den Hinterkopf. Meine Augen brannten vor Schmerz.

Ich schluckte schwer, als wir die Holztür erreichten. Drinnen konnte ich den Pastor reden hören, und dann zerrte er mich in die Kirche.

Wir standen am Anfang der Gangreihe. Pastor Hughes und der Älteste Paul standen am Altar. Ich hörte Rasseln. Ich hörte Zischeln. Und mir rutschte das Herz in die Hose.

Schlangen. Sie hatten die Schlangen da.

Er wollte weitergehen und schubste mich dabei die ganze Zeit am Kragen vorwärts, aber ich stemmte die Füße fest auf den Holzboden und klammerte mich an einer Kirchenbank fest. Er hörte zu schubsen auf, ging dann an mir vorbei, blieb vor mir stehen und schlug mir mit dem Handrücken ins Gesicht. Schmerz explodierte in meinem Kopf. Meine Hand löste sich von der Kirchenbank, und ich schmeckte Blut im Mund. Aber ich hatte Angst; ich hatte Böses und Feuer im Blut. Ich spuckte das Blut auf den Boden der Gangreihe und musste so sehr husten, dass ich mich übergab.

»Bring ihn her, Michael«, rief Pastor Hughes’ Stimme vom Altar, als ich mir Blut und Kotze vom Mund wischen wollte.

Er griff mit den Händen unter meine Arme und schleifte mich zum Altar. Diesmal wehrte ich mich nicht mehr. Ich war müde. Mein Kopf, mein Gesicht taten weh von seinen Schlägen.

»Leg ihn auf den Tisch«, wies Pastor Hughes an. Grob legte er mich auf den Tisch.

»Zieh ihn aus.«

Ich wollte aufschreien. Ich wollte nicht, dass sie mir die Sachen auszogen. Aber er und der Älteste Paul fingen an, mich auszuziehen. Und es war kalt. Es war so kalt.

Ich warf den Kopf hin und her und wollte entkommen, doch ich konnte mich nicht aus ihren kräftigen Händen befreien. Dann rollte mein Kopf nach rechts, und ich erstarrte. Da war eine Schlange. Eine Schlange in einer durchsichtigen Kiste neben mir.

Ich spürte, wie mir die Hose ausgezogen wurde, und dann hielten er und der Älteste Paul mich an Handgelenken und Knöcheln fest. Pastor Hughes ging zu der durchsichtigen Kiste und nahm den Deckel ab.

Das Rasseln wurde lauter, und Pastor Hughes hielt die Schlange hoch. Mit dem Tier in den Händen predigte er: »Die Schlange ist die Verkörperung des Teufels. Wenn dein Junge gläubig und rein ist, wenn er den Heiligen Geist umarmt, wird der Herr ihn schützen. Doch wenn das Böse in seinen Adern fließt, wird die Schlange es sehen und zuschlagen.«

Meine Nasenflügel bebten, während ich zu atmen versuchte. Pastor Hughes würde die Schlange auf mich drauflegen. Ich wollte sie nicht auf mir haben. Ich wollte nicht gebissen werden.

Der Griff um meine Handgelenke und Arme wurde fester. Ich schloss die Augen, als der Pastor die Schlange auf meinen Bauch legte. Das Rasseln am Schwanz der Schlange wurde immer lauter in meinen Ohren. Ich spürte, wie der kühle Körper sich über mich schlängelte. Pater Hughes fing zu beten an, und der Älteste Paul betete mit. Und er auch.

Aber ich hielt die Augen geschlossen. Ich hielt sie geschlossen und hoffte, dass die Schlange nicht zubiss. Ich hoffte, dass ich die Flammen nicht im Blut hatte. Dass in meinen Adern nicht das Böse floss.

Als die Schlange über mein Bein glitt, hörte ich ein lautes Zischeln, und dann jagte ein stechender Schmerz durch meinen Oberschenkel.

Ich schrie vor Schmerz auf und biss die Zähne zusammen. Aber plötzlich wurde die Schlange von mir genommen. Ich konnte spüren, wie seine Hände zitterten, als er meine Handgelenke festhielt.

Ich öffnete die Augen und sah, dass er auf die Wunde an meinem Bein starrte. Dann blickte er mir in die Augen. Ich verstand nicht, was sein Blick bedeutete. Ich war müde. Ich hatte Schmerzen, und mir fielen die Augen zu.

Aber ich konnte immer noch Stimmen hören. Ich konnte hören, wie er, Pastor Hughes und der Älteste Paul redeten. »Etwas lebt in ihm, Michael. Etwas Böses fließt in seinen Adern. Etwas Böses, das wir exorzieren müssen.«

Ich hörte seinen erstickten Aufschrei. Und ich konnte nur noch daran denken, dass Flammen in meinem Blut lebten. Flammen, die ich vertreiben musste. Sie hielten mich allerdings immer noch fest. Ich konnte die Flammen nicht erreichen. Ich musste sie aus meinem Blut vertreiben. Herausschneiden. Doch ich konnte mich nicht befreien.

Die Finsternis kam und ergriff Besitz von mir.

Als ich aufwachte, lag ich in einem dunklen Raum. Boden und Wände aus Erde. Mein Kopf pochte, meine Beine taten weh, und die Hälfte meines Körpers spürte ich gar nicht.

Dann erinnerte ich mich …

Und ich konnte die Flammen fühlen. Ich spürte sie unter meiner Haut. Ich musste sie vertreiben.

Ich hörte Schritte über mir. Schwere Schritte. Ich konnte Mama weinen hören, während sie ihn anflehte, irgendwas nicht zu tun. Ich konnte meinen kleinen Bruder weinen hören. Sein lautes Geschrei tat meinem Kopf weh.

Die Schritte hielten genau über mir an. Ich fing an zu zittern. Plötzlich ging über mir eine Luke auf, helles Licht schien auf die Stelle, wo ich lag, und ich zuckte zusammen. Und dann sprang er herunter, neben mich. Er hatte einen Gürtel in der Hand.

Ich blickte ihm in die Augen, als er näher kam. Ich erinnere mich an den Schmerz. An den Schmerz, an die Zahl elf … und die Flammen … die unsichtbaren Flammen, die mit meinem Blut herausflossen …

Eine Holzdecke kam in Sicht, und um mich herum war Licht. Aber ich war gefesselt. Meine Hände und Füße waren festgebunden. Männer kamen und gingen durch eine Tür links von mir. Männer, die mir wehtun würden.

Dieselben Männer …

Sie sagten irgendwas zu mir, aber ich konnte sie nicht hören, durch das Geschrei, durch das Geräusch der Flammen in meinem Blut. Ich warf mich hin und her, um die Fesseln zu sprengen, als die Tür links von mir wieder aufging. Es war einer von denen. Einer von denen, die mich gefesselt hatten. Einer der Wichser, die ich umbringen wollte.

Das Geräusch von Geschrei, von Rufen und Hämmern an Türen war zu viel. Dann hörte ich eine Stimme rufen: »Ich lasse nicht zu, dass ihr ihm wehtut. Bitte … lasst mich ihn beruhigen. Lasst mich seine Raserei besänftigen.«

Ich erstarrte, und mein durchgebogener Rücken sank flach auf, wo auch immer ich darauf lag. Das Geräusch von rauschendem Blut raste durch meine Ohren, aber die Person, die jetzt bei mir im Zimmer war, war neu … die Stimme … ihre Stimme hielt das Geschrei in meinem Kopf auf …

Ich atmete schwer und starrte an die Decke. Dann hörte ich einen Aufschrei, und mein Kopf drehte sich zur Seite. Der Boden. Auf dem Boden war eine Frau. Eine zierliche Frau, die die Arme um die Knie geschlungen hatte. Meine trüben Augen blinzelten hastig, und ich mühte mich, klar zu sehen, während ich mich beklommen fragte, wer sie wohl war.

Schwarzes Haar … zierlicher Körper … ihre Hände, kleine Hände …

Dann sah ich die Augen. Grüne Augen. Mein Puls jagte an Handgelenk und Hals, als ich diese grünen Augen sah. Und die Flammen beruhigten sich. Das Feuer war immer noch da und brannte unter meinen Muskeln. Das Böse lebte nach wie vor in mir, aber ich konnte atmen. Ich keuchte. Ich schwitzte. Doch ich konnte atmen. Als ich sie ansah, konnte ich es.

Aber ich war müde. Und ich konnte nicht mehr. Ich konnte nicht mehr kämpfen. Ich wollte nicht mehr so sein.

Ich starrte die Frau an, und sie starrte zurück. Mein Herzschlag in der brennenden, wunden Brust wurde langsamer. Eine Träne lief ihr über die Wange. Ich sah es und fragte mich, warum sie weinte. Dann, kaum dass sich die Flammen beruhigt hatten, kam das Gefühl des Feuers, das wieder aufloderte, zurück – um mich wieder zu quälen. Die Flammen blieben nie lange weg.

Ich konnte das nicht mehr.

Ich kämpfte gegen die drohende Finsternis an und holte tief Luft.

Ich sah, wie die Frau erstarrte, als sie mich musterte, und dann öffnete ich den Mund und flüsterte: »Töte mich …«