Kapitel 13

Flame

Ich hatte sie angeschrien. Und sie war rausgegangen.

Ich fuhr mit den Fingern über meinen Arm und wollte die Fingernägel in meine Adern krallen, wie ich es immer in der Wanne machte, aber als ich meine Haut betrachtete, konnte ich die Flammen nicht spüren. Stattdessen konnte ich bloß daran denken, wo Maddie war. Stand sie gerade in der Küche? Ich sah nur noch grüne Augen vor mir, die durch lange Wimpern zu mir aufblickten, und errötende Wangen.

Ich mochte es, wenn ihre Wangen rot wurden. Weil es bedeutete, dass ihr gefiel, was ich zu ihr gesagt hatte. Es gab ihr das Gefühl, etwas Besonderes zu sein.

Denn für mich war sie das. Mein Ein und Alles. Ich dachte pausenlos an sie. Ich stand unter ihrem Fenster, weil ich in ihrer Nähe sein wollte. Und nun war sie in meiner Hütte. Meine Maddie war hier drin, bei mir, jetzt. Sie kümmerte sich um mich. Sie hatte gesagt, das würde sie tun. Noch nie hatte das jemand für mich gemacht.

Ich legte die Hände an die Ränder der Wanne und zwang mich, herauszusteigen. Meine Arme zitterten, als ich mich aufstützte, aber ich schaffte es, die Füße auf den Boden zu stellen. Meine Haut brannte von den Schnitten. Und der Kälte.

Ich stand mit gesenktem Kopf da und wartete darauf, dass ich wieder trocken wurde. In der Ecke sah ich ein Handtuch, das Maddie dorthin gelegt haben musste. Doch die rührte ich nie an. Stattdessen zwang mich meine nasse Haut, mich der Kälte zu stellen.

Ich fuhr mir übers Gesicht und schloss die Augen. Ich war so verdammt müde.

Als ich trocken war und zur Tür hinauswollte, sah ich eine Hose auf dem Boden liegen. Ich starrte auf die Hose, und mein Herz hämmerte.

Maddie. Wieder Maddie.

Ich musste mich neben die Wanne setzen, um sie anzuziehen, aber ich schaffte es, sie über die Beine zu ziehen, und biss die Zähne zusammen, als die engen Hosenbeine über meine frischen Schnittwunden rieben. Allerdings erinnerte mich der Schmerz an das, was in mir lebte. Warum Maddie mir nie zu nahe kommen durfte.

Ich hielt mich am Türrahmen fest, ging ins Wohnzimmer und fand Maddie neben einem lodernden Feuer sitzen. Im Zimmer war es warm. Das war er dort sonst nie.

Maddies zierliche Gestalt saß auf dem Boden, mit dem Rücken zu mir. Doch als ich näher kam, drehte sie sich um und öffnete den Mund.

Mir wurde ganz anders. Sie sah so perfekt aus, als sie neben dem Feuer saß. Ihr schwarzes Haar hing herab, aber ihre grünen Augen leuchteten im Feuer.

»Flame …«, flüsterte sie und senkte den Blick, um mich zu betrachten. Meine Beine fühlten sich schwach an und mein Körper zu schwer. Ich musste mich hinsetzen.

An der Wand entlang wankte ich vorwärts, bis ich Maddie gegenüberstand und dort zu Boden sackte.

Maddie setzte sich aufrecht hin und fragte: »Geht es dir besser?«

Meine Haut fühlte sich von der Kälte gespannt und taub an. Und die Flammen hatten sich beruhigt – ich fühlte mich besser. Ich nickte, und Maddie kniff die Augen ein wenig zusammen. »Du siehst aus, als würdest du frieren.« Als ich nicht antwortete, rutschte sie näher, sodass ihr langes Kleid über den Boden schleifte, und fragte: »Ist dir kalt, Flame?«

»Ja.«

»Aber du musst so kalt baden, um die Flammen in deinem Blut aufzuhalten?«

»Ja.«

Maddie seufzte und stand auf. »Ich habe dir Suppe gemacht. Du musst etwas essen, um wieder zu Kräften zu kommen.«

Ich sah zu, wie sie in die Küche ging und Suppe in eine Schale gab. Dann brachte sie die zu mir und stellte sie neben mir hin. Aber meine Arme waren zu schwer, um sie zu bewegen und die Schale aufzuheben, und die Wärme vom Feuer ließ meine eiskalten Muskeln vor Schmerz prickeln. Als würden Glasscherben über meine Haut kratzen.

»Flame?« Sie setzte sich mir gegenüber hin, vor meinen Füßen, und zeigte auf die Schale. »Hast du Hunger?«

»Ja«, antwortete ich heiser und schaute auf die Schale, aber ich konnte die Arme kaum bewegen. Meine Finger krümmten sich und streckten sich wieder, als ich meine Arme bewegen wollte. Ich starrte auf meine Hände und wollte sie dazu bringen, sich zu rühren, doch ich war zu müde.

Da rutschte Maddie ohne ein Wort an meine Seite und hob die Schale auf. Mit großen Augen schaute sie erst mich und dann die Schale an. Ihre Miene hatte sich verändert, aber ich war mir nicht sicher, was nicht stimmte.

»Was fühlst du gerade?«, fragte ich. Maddie erstarrte.

Sie senkte den Blick, rührte mit dem Löffel in der Schale und sagte: »Es fühlt … es fühlt sich schön an, dir so nahe zu sein.« Ihr Mundwinkel ging hoch, und sie fuhr fort: »Und du bist sauber. Ich kann deine Haut sehen.« Sie blickte durch ihre langen Wimpern zu mir auf und zuckte mit den Schultern. »Du bist wieder du. Du siehst aus … wie mein Flame.«

Mein Körper versteifte sich. »Dein Flame?«, fragte ich und achtete darauf, ihr Gesicht ganz genau zu betrachten. Ich wollte nicht, dass sie je wegsah. Ich wollte sehen, dass sie es wieder sagte.

»Ja«, flüsterte sie. »So wie jetzt, ohne das Blut auf der Haut, bist du wieder mein Flame.« Maddie rührte wieder mit dem Löffel und fragte: »Kann ich dich füttern?«

»Ja«, antwortete ich und machte mich darauf gefasst, dass sie näher kam.

Maddie ging auf die Knie, hielt aber wenige Zentimeter vor meinem Bein an und sagte: »Ich werde dich nicht berühren. Ich würde dir nie einen solchen Anlass geben, mir zu misstrauen.«

Ich entspannte mich, und eine Sekunde später hob Maddie den Löffel an meinen Mund. Die heiße Suppe traf auf meine Zunge, und ich stöhnte auf. Normalerweise machte Viking Essen für mich. Ich konnte absolut nicht kochen. Doch es schmeckte nie so wie das hier.

Maddie sagte nichts, während sie mir die Suppe einlöffelte. Mein leerer Magen fühlte sich plötzlich voll an, als die heiße Flüssigkeit durch meine Kehle lief.

Und ich betrachtete sie. Ich sah, dass sie zuerst ganz ruhig war, doch je länger ich sie musterte, umso mehr fing ihre Hand zu zittern an. Als die Schale ganz leer war, legte sie den Löffel hinein und senkte den Kopf.

Ich runzelte die Stirn.

Maddies schmaler Brustkorb hob sich mit ihren Atemzügen, aber das wurde immer schneller. »Danke«, sagte ich. Maddie hob ruckartig den Kopf.

»Wofür?«

»Die Suppe«, antwortete ich, und sie senkte wieder den Kopf. Ich verstand nicht, warum sie mir nicht in die Augen sah.

»Maddie …«

»Glaubst du, dass ich eine Sünderin bin, Flame? Siehst du mich an und glaubst, der Teufel hätte mich erschaffen, um Männer in Versuchung zu führen?«

Als ich ihre Frage hörte, raste sofort Zorn durch meine Adern. Ich biss die Zähne zusammen und schüttelte den Kopf. »Verdammt, nein«, knurrte ich, und meine Hände erwachten wieder zum Leben, als die Flammen unter meiner Haut langsam aufloderten.

Maddie stellte die Schale auf den Boden. »Ich wurde mein ganzes Leben lang beiseitegeschoben, wie meine Schwestern. Als Kind führte man mich durch die Gemeinde, und die Ältesten erzählten den Leuten, dass ich böse sei. Dass mein Aussehen, mein Haar, meine Haut, meine Augen … mein Körper eine perfekte Schöpfung des Teufels sei, um Männer zu bösen Taten zu verleiten.«

Ich konzentrierte mich darauf, durch die Nase zu atmen, um ruhig zu bleiben. Aber ich verlor langsam die Fassung. Ich bekam das Bild dieser verdammten Gemeinde nicht aus dem Kopf. Das Bild, wie dieser Scheißkerl Moses Maddies Hand hielt, die kleine Hand, die mir gehörte, während die Menschen sie voll Hass ansahen.

Maddies Blick begegnete meinem, und sie fragte leise: »Findest du mich schön, Flame?«

Mein Herz hämmerte. »Ja. Du bist von allen die Schönste«, antwortete ich.

Maddie nickte, wurde rot und fragte dann: »Hältst du mich für böse?«

Unfähig, meinen Zorn zu unterdrücken, ballte ich die Hand zur Faust und schlug nach der leeren Schale, die daraufhin krachend über den Boden schleuderte und zerbrach.

Maddie versteifte sich, doch sie holte tief Luft und redete weiter. »Ich auch nicht … jetzt. Aber jahrelang hielt ich es für wahr, und ich fragte mich die ganze Zeit, warum Gott mich ausgewählt hatte, um mich zu strafen. Denn ich fühlte mich nicht böse. Und meine Schwestern«, Maddies Stimme wurde brüchig, und ihre Augen füllten sich mit Tränen, »meine Schwestern kamen mir auch nicht böse vor. Sie waren perfekt. Und doch verachteten uns alle in der Gemeinde. Sie spuckten uns an, wenn wir vorbeikamen. Und sie sagten uns Passagen der Erlösung vor, um unsere Seelen vom Bösen zu befreien.«

Maddies Hände in ihrem Schoß zitterten. »Dann wurde ich acht Jahre alt, und mein Leben, das bisher voll Angst und Abscheu gewesen war, wurde zu einem Leben voll Schmerz und blankem Selbsthass. An meinem achten Geburtstag kam Bruder Moses früh morgens, um mich wegzubringen.« Sie gab ein freudloses Lachen von sich. »Die Vögel hatten draußen gesungen, und ich weiß noch, dass es unglaublich heiß war. Keine einzige Wolke am strahlend blauen Himmel. Wahrlich einer der schönsten Tage überhaupt … ein Tag, der in Finsternis endete. Damals wusste ich es noch nicht, aber es wurde der Tag, der alles veränderte.«

Hastig wischte Maddie eine Träne weg, die ihr auf die Wange getropft war, und ich fühlte ihren Schmerz so sehr, dass ich Gänsehaut hatte.

»Er nahm mich, Flame. Er nahm mich in einer Art und Weise, die ich, glaube ich, niemals jemandem erzählen kann, denn wenn ich es laut ausspreche, kommen alle Gefühle zurück. Er hat Dinge getan, die ich nicht einmal für möglich gehalten hatte. Und jedes Mal, wenn er es tat, glaubte ich immer mehr, ich sei eine Verfluchte Tochter der Eva. Ich glaubte, ich sei von Geburt an böse.«

Maddies Schultern bebten, und sie atmete tief durch. Ich blieb wie gelähmt sitzen und fixierte den Blick auf ihre schönen Augen. »Und dann lief Mae weg. Ich kam zurück von einer Göttlichen Teilhabe und fand Lilah allein in unserem Quartier. Und sie weinte. Mae war weg. Aber nicht nur das, ich fand auch heraus, dass meine ältere Schwester Bella von Bruder Gabriel getötet worden war, weil sie seine Annäherungsversuche zurückwies. Deshalb war Mae geflohen. Ich erinnere mich, dass ich mit Lilah betete, und wir glaubten beide, Gott würde uns bestrafen. Indem er uns eine nach der anderen fortnahm. Ich lebte tagelang in Angst. Die Jüngerwächter konnten Mae nicht finden, und das machte sie so wütend, dass es mich zu Tode ängstigte.«

Maddies Atemzüge veränderten sich, und ihre Fingerknöchel wurden weiß. Aus ihrem Gesicht war alle Farbe gewichen, und mit leerem Blick erzählte sie: »Und dann kamen sie alle zu mir. Alle vier Ältesten. Sie glaubten, meine Blutlinie sei verdorben. Dass in meinem Blut nichts als Sünde und Böses fließen würde. Die Blutlinie, die ich mit Bella und Mae teile.«

Ich holte Luft. Inzwischen zitterte ich. Aber ich konnte mich nicht rühren, um an mein Messer zu kommen. Ich saß da, wie festgenagelt von Maddies Worten. Ich drehte die Hand, krümmte die Finger und grub die Nägel in meine Haut.

Maddies Blick ging ruckartig nach unten, um zuzusehen, als ich flüsternd zu zählen begann. Aber sie sprach weiter.

»Ich wollte sterben, Flame. Ich wollte nicht mehr leben. Ich erinnere mich noch daran, dass ich dachte, ich hätte eher ewige Verdammnis akzeptiert, statt so leben zu müssen. Ich konnte es nicht mehr ertragen, angefasst zu werden. Ich hasste Männer. Alles, was sie je getan hatten, war, mir wehzutun.« Maddie hielt inne und beugte sich dann vor.

Ich erstarrte.

»Dann kam Mae zurück, und kurz darauf kam ihr Liebster. Ihr Liebster und seine Freunde. Als ich die Männer dastehen sah, alle in einer Reihe, als Mae Lilah und mich aus der Zelle holte, hatte ich mehr Angst als je zuvor im Leben. Die Männer sahen alle ganz anders aus, als ich es gewohnt war. Dann schaute ich auf den Boden und sah erschlagene Älteste. Die Männer, die die letzten Monate damit verbracht hatten, mit Sex das Böse aus meinem Blut zu exorzieren. Doch der Mann, der mir das meiste Grauen bereitet hatte, war nicht dabei. Von Styx erfuhr ich, dass einer unter den Bäumen erschlagen worden war. Und zum ersten Mal in meinem Leben ging mir ein sündiger Gedanke durch den Kopf. Denn ich hoffte inständig, dass es Bruder Moses war. Ich betete zu Gott, er hätte mit seinem Leben für die Jahre bezahlt, die er mir Schmerz zugefügt hatte.

Ich rannte in den Wald, und dann sah ich ihn. Ich sah ihn an den Baum gespießt. Ich sah die vier langen Klingen, die ihn an den Baum nagelten. Ich sah das Blut, das ihm aus dem Mund lief. Ich sah seine dunklen leblosen Augen ins Leere starren … und ich erinnere mich, dass ich Luft holte. Ich erinnere mich, dagestanden und meinen Peiniger angestarrt zu haben, meinen persönlichen lebendigen Dämon, und ich atmete. Ich roch die frische Luft. Ich konnte die Blumen riechen. Ich hörte die Vögel in den Bäumen singen. Und in diesem Moment wurde mir klar, dass ich am Leben war. Denn all die Jahre zuvor hatte ich nicht wirklich gelebt.«

Ich hörte Maddie zu und sah wieder Röte auf ihren Wangen. Ich fragte mich wieso, aber dann erzählte sie weiter, und es wurde mir klar.

»Ich ging zurück zur Lichtung, wo ich Mae und Lilah zurückgelassen hatte. Ich spürte, dass die Männer mich alle ansahen, doch ich hatte eine Aufgabe. Eine brennende Frage: »Wer war mein Befreier? Welcher Mann hatte mich befreit?« Mir fiel auf, dass Maddies Hände nicht mehr zitterten. Und als ich wieder aufblickte, sah sie mich mit einem neuen Ausdruck an. Ich verstand nicht wieso, aber ich fühlte mich gut dabei.

»Und es war ein Mann am Ende der Reihe. Ein Mann, bedeckt von farbigen Bildern und durchbohrt von Metallstücken. Und er hatte Messer an seine Lederhose geschnallt. Ich erinnere mich, vor ihm gestanden zu haben. Er war so groß, dass ich den Kopf nach hinten legen musste, um ihm in die Augen zu sehen – die Augen, die so dunkel waren, dass sie ganz schwarz aussahen. Und ich fragte ihn, ob er den Mann in den Bäumen getötet hatte. Er sagte Ja, er gab mir eine direkte, ehrliche Antwort ohne Schamgefühl, und ich wusste sofort, dass er mein Erlöser war. Er hatte den Mann getötet, der mein Leben zerstört hatte.«

Ich sah es vor mir. Alles, was sie sagte, sah ich in meinem Kopf. Denn ich erlebte es jeden Tag wieder. Ich sah das alles in meinem Kopf, jeden Tag. Maddie, die vor mir stand. Ihre grünen Augen, die mich anstarrten. Der erste Mensch, der je die Flammen aufgehalten hatte.

»Und als alle Schutzwälle um mein Herz zu Staub zerfielen, hielt ich ihn in den Armen. Zum ersten Mal im Leben hielt ich einen Mann fest, umarmte ihn. Ich fühlte seine heiße Haut an meiner Wange und hörte, wie schnell sein Herz pochte. Und dann geschah ein Wunder – er erwiderte meine Umarmung. Ein Mann. Ein Mann hielt mich in den Armen, und ich hatte nicht den Wunsch, ihn von mir zu stoßen. Denn dieser Mann hatte mich gerettet.« Maddie hielt inne und sah mich entschlossen an. »Der Mann, den sie Flame nannten.«

Ich atmete ein und aus, ein und aus, aber Maddie schaute nicht weg. Sie wollte mich nicht loslassen, und ich konnte mich nicht rühren.

»Ich hielt dich und du mich.« Ihre Hände fuhren an ihrem Körper abwärts. »Und deine Berührung tat mir nicht weh. Die Flammen, die du in deinen Adern glaubst, haben mich nicht umschlossen. Stattdessen hast du mir Leben geschenkt. Du hast mir mein Licht zurückgegeben.« Noch eine Träne lief ihr über die Wange, und sie flüsterte: »Du, Flame. Mein Flame. Mein gequälter Mann. Du hast mir Leben und Licht geschenkt.«

»Maddie«, sagte ich und hörte meine eigene Stimme. Sie klang brüchig und rau, doch in mir – in mir fühlte ich … Ruhe. Ich fühlte nichts.

Ich schaute auf meinen Arm. Meine Fingernägel auf der Haut waren erstarrt. Ich hatte nicht zu Ende gezählt. Ich hatte mich nicht blutig gekratzt. Ich blinzelte, blinzelte noch einmal, und mein Körper sackte vor Müdigkeit und Verwirrung zusammen.

»Ich weiß, du glaubst, Flammen in deinem Blut zu spüren. Ich weiß, du glaubst, dass das Böse in dir lebt. Aber ich bin hier, um gegen diese Überzeugungen anzukämpfen. Denn ich glaube, so wie Bruder Moses es mit mir gemacht hat, so hat jemand dich dazu gebracht, das alles zu glauben. Vielleicht erzählst du mir nie, wer oder warum. Vielleicht erfahre ich nie, warum du dich elfmal in den Arm schneidest, aber ich weiß, dass du nicht böse bist, Flame. Wie kannst du böse sein, wenn du solche Hoffnung in mir weckst?«

»Tue ich das?«, fragte ich heiser.

»Jede Nacht, wenn du unter mein Fenster kommst. Und jeden Tag, wenn ich deine dunklen Augen so eindringlich auf mir ruhen fühle.«

Ich schloss die Augen und ließ die Arme sinken. Die Hitze in den Adern war weg. Mit Maddie an meiner Seite wollte ich mich nicht schneiden. Ich musste kein Blut vergießen.

»Schlaf jetzt, Flame. Du bist müde.«

Das Feuer wärmte meine Haut, und ich wollte schlafen. Ich wollte stärker werden, denn dann konnte ich Maddie näher sein. Dann konnte ich mehr von ihrer Stimme hören, mehr von dem essen, was sie kochte. Und sie singen hören.

Meine Haut war warm und sauber, als ich den Kopf auf den Holzboden legte, und ich blickte zu Maddie neben mir auf und bat: »Sing noch einmal. Sing noch einmal für mich.«

Maddie wurde rot, und meine Lippe zuckte. Ihr gefiel, dass ich gefragt hatte. Während das Feuer knisterte und meine Haut wärmte, hörte ich, wie sie zu singen anfing …

»This little light of mine, I’m gonna let it shine …«

Und die Flammen ließen mich schlafen.