Kapitel 18

Flame

Ich hielt sie in den Armen.

Ich hatte sie geküsst.

Sie lag in meinen Armen.

Und ich konnte es nicht glauben. Ich konnte nicht glauben, dass die Flammen ihr nichts getan hatten. Ich hatte bis elf gezählt, als meine Hand in ihrer lag, als ihr Finger meine Wange berührte und ich sie an meine Lippen führte.

Aber nichts passierte. Sie war am Leben. Sie lag in meinen Armen und war am Leben.

Ich holte tief Luft, und Maddies Hand wanderte über die Haut an meiner Taille. Mein Stöhnen war eine Mischung aus dem Versuch meines Körpers, ihre Berührung abzuschütteln, und zugleich dem Wunsch, sie noch intensiver zu fühlen.

Dem Bedürfnis nach mehr.

Mein Schwanz presste sich gegen die Hose, als ich Maddie auf mir spürte. Ihre kleinen Finger strichen über meine Haut, und ich musste die Zähne zusammenbeißen, um gegen den Drang anzukämpfen, mich herumzurollen und sie mir zu nehmen.

Doch ich wusste nicht, wie ich das machen sollte. Sie berühren und küssen war eine Sache, aber tatsächlich mit ihr schlafen?

Ich war nicht sicher, ob das einer von uns beiden konnte.

Maddie seufzte, rieb mit der Wange über meine Brust und sagte: »Ich hätte nie … nie gedacht, dass das passieren könnte. Für uns … mit uns …« Maddie hob den Kopf und blickte mir direkt in die Augen. Ich nahm die Hand von ihrem Rücken und führte sie langsam an ihre Wange. Maddies grüne Augen gingen flatternd zu, als ich schließlich die Handfläche an ihre Wange legte.

Und dann lächelte sie, kühlte die Flammen in meinem Blut und anstelle von Hitze war da – nichts. Ich wollte nichts. Ich wollte nichts unter meiner Haut spüren.

Maddies Wange schmiegte sich in meine Handfläche, und ich konnte nicht aufhören, zu betrachten, wie sie auf mir aussah. Wie weich sich ihre kleine Wange in meiner großen Hand anfühlte.

»Magst du das?«, fragte ich und wusste, dass es so war, weil ihre Wange rot war.

»Ja«, antwortete sie flüsternd und wurde ganz reglos. Mir blieb vor Panik das Herz stehen. Ich dachte, dass etwas nicht stimmte, doch schließlich senkte Maddie langsam den Kopf und streifte mit den Lippen über meine. Dann wich sie schnell zurück und hielt den Kopf gesenkt. »Aber das mochte ich noch mehr.«

Mein Schwanz in der Hose zuckte, und ich wusste, sie konnte es am Bein spüren. Maddie schüttelte den Kopf. »Ich … ich denke nicht … ich w-weiß n-nicht … ob …«, stotterte sie und fuhr fort: »ob ich so weit gehen kann.«

Ich entspannte mich und antwortete: »Ich auch nicht.«

Maddie sah mir in die Augen und nickte. »Aber es gefällt mir, wenn du mich berührst. Bei dir fühle ich mich sicher.«

»Du kühlst mein Blut«, entgegnete ich.

Sie legte die Hand an meine Wange und fuhr mit den Fingern durch meinen Bart. »Dein Bart ist weicher, als ich mir vorgestellt hatte. Und deine Haut ist glatter.« Sie legte den Kopf schief. »Wenn ich zeichne, versuche ich mir vorzustellen, wie es sich unter meiner Berührung anfühlt. Ich sitze stundenlang am Fenster, schaue hinaus und versuche nur, mir das Gefühl vorzustellen und wie es aus der Nähe aussehen würde. Nicht einmal in meinen kühnsten Träumen hätte ich mir vorgestellt, dass ich das hier je tun könnte. Ich habe immer Dinge gezeichnet, von denen ich träume, dass ich sie tue, die ich aber immer für unmöglich gehalten hatte. Und jetzt … jetzt bin ich ganz aufgeregt, dass das alles Wirklichkeit geworden ist.«

Ich dachte an ihre Schwarz-Weiß-Zeichnungen, dachte an die eine, auf der wir beide dastanden, meine Arme um sie gelegt und ihr Kopf an meiner Brust. »Ich mag deine Zeichnungen«, sagte ich und merkte, dass ich die Stirn runzelte. »Ich weiß nie, was andere Menschen fühlen, bis sie es mir sagen. Ich weiß nie, was es bedeutet, wenn sich bei jemandem das Gesicht verändert, bis Leute mir sagen, was sie denken. Bei dir ist das auch so, aber durch die Zeichnungen wusste ich, was du von mir willst. Ich konnte sehen, was du vom Leben willst. Ich konnte sehen, dass du mich berühren und ohne Angst durch die Welt gehen willst. Dass du neben mir da draußen stehen und meine Hand halten willst.«

Mit der Hand an ihrem Gesicht zog ich sie näher zu mir und sagte: »Ich will dich verstehen, Maddie. Ich will deine Welt verstehen.«

Ihr Blick suchte meinen, und sie sagte: »Es ist ganz einfach, wirklich. Da bin ich. Da ist meine Liebe zum Zeichnen, die Liebe, die ich für meine Schwestern empfinde …«, sie schluckte und senkte den Kopf, »und das, was ich bei dir empfinde.« Den letzten Teil flüsterte sie so leise, dass ich es fast nicht hörte.

Mein Herz hämmerte, und ich fragte: »Was empfindest du denn bei mir?«

Maddies Finger wanderte von meinem Gesicht abwärts, fuhr die Flammentattoos an meinem Hals nach und dann die, die zu meinem Oberkörper führten. Sie fuhr die Tattoos nach und hielt anschließend über meinem Herzen an. »Dass du mein Anker bist. Du bist der Eine, den zu finden mir auf dieser Erde bestimmt war.« Ihr Finger hielt an, und sie blickte mir in die Augen. »Dass du der Eine für mich bist. Nur du kannst mich verstehen, Flame. Niemand sonst. Du hast dein ganzes Leben als Verlorener verbracht, der nicht versteht, was andere Menschen wollen, aber bei mir weißt du immer, wie du mich glücklich machen kannst. Wie du mir ein Gefühl von Sicherheit geben kannst.«

Bei ihren Worten tat mir das Herz weh. Nur du kannst mich verstehen …

Sie lachte mich nicht aus. Sie lächelte mich an, weil sie mich wollte.

Ich konnte es echt nicht glauben.

Und sie war so schön. Ihre großen Augen, die vollen Lippen, ihre geröteten Wangen. Ich wusste, dass ich sie immer hatte anschauen wollen. Aber ihr Haar war hochgesteckt, und ich hatte immer ihr Haar berühren wollen.

Ich hob die Hand über ihren Haarknoten am Hinterkopf und sagte: »Öffne dein Haar.«

Maddie hob die Hand und fing an, Haarnadeln herauszuziehen. Sekunden später fiel ihr langes dichtes schwarzes Haar über ihre Schulter nach unten. Die weichen Spitzen breiteten sich auf meiner Brust aus. Ich wob die Finger in die Strähnen und fühlte ihr Haar zwischen ihnen.

Maddie seufzte. Ich spürte, wie sie mich ansah, den Kopf leicht schief gelegt. Meine Hand führte ihr Haar an meine Nase, und ich atmete den Duft ein. Erdbeeren.

Mehrere Minuten lang herrschte Stille, während ich durch ihr Haar streichelte, und dann sagte Maddie: »Ich möchte gern in deinem Bett liegen.«

Ihre kleine Gestalt auf mir richtete sich auf, und sie führte meine Hand an ihre Lippen.

Als sie sie wieder auf meine Brust sinken ließ, sagte ich: »Ich schlafe nicht in einem Bett. Ich schlafe auf dem Boden.« Ich zog die Luft ein und dachte an den Keller. »Ich muss auf der Falltür schlafen.«

Maddie blickte blinzelnd zu mir auf. »Du musst nicht auf dem kalten Boden schlafen. Du hast Besseres verdient. Du verdienst es, in einem Bett zu schlafen … bei mir …«

Ich schüttelte den Kopf und dachte an die Jahre, in denen ich auf dem schmutzigen Kellerboden gesessen hatte, die Dunkelheit, das Messer, und er, als er sich in mich stieß. Und dann erinnerte ich mich an jene Nacht, an das Schreien … die Nacht, als meine Berührung meinen Bruder verletzte, als das Böse herausbrach.

Maddie legte die Hand an meine Wange, und ich zuckte zurück. »Nein, Flame. Lass deine Erinnerungen nicht dorthin gehen. Komm stattdessen mit mir. Vertrau mir.« Sie drückte meine Hand an ihr Herz. »Ich bin nicht verletzt. Deine Berührung hat mich nicht verletzt.«

Ich blickte über ihre Schulter in Richtung Schlafzimmer und nickte dann mit zusammengebissenen Zähnen. Maddie atmete tief aus. Wir standen auf, gingen zur Schlafzimmertür, und sie zog mich hindurch.

Ihre Hände zitterten, als sie sich auf das schmale Bett legte. Maddie rutschte nach hinten, bis ihr Rücken sich an die Wand presste. Ich folgte ihr auf die Matratze und legte mich auf die Seite. Ich erwiderte ihren Blick und verdrängte mein Unwohlsein, weil ich in diesem Bett lag.

»Flame«, bat Maddie, »konzentriere dich auf meine Hand in deiner«, und verschränkte danach ihre Finger mit meinen. Ich starrte auf unsere Hände, und sie fuhr mit einem Finger ihrer freien Hand über die wulstige Narbe an meinem Bauch. »Woher ist die?«, fragte sie.

Ich kniff die Augen zu und fühlte wieder, wie sich die Fangzähne der Klapperschlange in meine Haut bohrten; Pastor Hughes, der verkündete, dass ich ein Sünder war, dass in meinen Adern das Böse floss, weil ich schwerfällig war. Wegen meines Verhaltens.

»Flame?«, beharrte Maddie. Ich schnappte nach Luft und öffnete die Augen.

»Die Schlange«, antwortete ich heiser, »die Schlange, die sie mir in der Kirche auflegten. Die Schlange, die mir sagte, dass ich ein Sünder bin. Dass in meinen Adern das Höllenfeuer brennt.«

»Ich kann mir nicht mal annähernd vorstellen …« Maddie schüttelte den Kopf.

»Und die Leute schrien immer. Sie fielen um mich herum auf die Knie und beteten für meine Seele. Weil ich böse war. Weil das Böse in meinem Blut hauste.«

Maddie schüttelte den Kopf. »Sie haben sich geirrt.«

Dann schob sie sich etwas näher, strich mit den Fingern über meine Wange auf und ab und fragte dabei: »Bist du deshalb an jenem Tag zu meiner Kirche gekommen? Hattest du Angst, sie würden mir wehtun, so wie man dir wehgetan hat?«

Ich zog die Augenbrauen zusammen. Ich verstand nicht. »Macht man das denn nicht in deiner Kirche?« Ich blickte Maddie forschend in die Augen und suchte nach einer Lüge.

»Nein«, antwortete sie leise, »in dieser Kirche fasst mich niemand an. Nur bei …«, sie holte tief Luft, »nur im Orden hat man mir Schmerzen zugefügt. Aber diese Kirche ist besser. Ich sitze neben einer Statue und höre der Musik vom Chor zu. Niemand tut mir etwas. Man lässt mich in Ruhe.«

Ich schüttelte den Kopf, und jeder Muskel in mir spannte sich bei ihren Worten an. »Ich verstehe nicht. Eine Kirche ist doch ein Ort, wo man verletzt wird.«

Maddie schüttelte den Kopf. »Nein, Flame. Ich glaube, dass deine Kirche und die Gemeinde anders waren. Die haben uns wehgetan. Aber die meisten tun das nicht.« Ich runzelte die Stirn, als Maddie freudlos lachte. »Die Wahrheit ist, Flame, dass ich nicht einmal mehr an Gott glaube. Zumindest glaube ich, dass ich es nicht mehr tue. Mir ist zu viel im Leben passiert, um zu glauben, dass ein allmächtiges Wesen existiert, das über mich wacht und mich beschützt. Ich habe meinen Glauben verloren. Aber ich gehe zur Kirche, um eine Atempause zu haben von der erstickenden Einsamkeit meines Zimmers in Maes Haus.« Ihre großen grünen Augen fixierten mich, und sie gestand: »Du warst wochenlang weg. Nicht mehr unter meinem Fenster, und ich kam damit nicht klar. Du warst zum Mittelpunkt meiner Welt geworden. Du warst mein Tag und meine Nacht, als du unter meinem Zimmer Wache gehalten hast. Doch dann wurdest du angeschossen und bist aus meinem Leben verschwunden. Ich wusste nicht, was ich tun sollte. Also schloss ich mich Lilah und Mae in der Kirche an. Ich versuchte um deine Rückkehr zu beten, aber jeden Tag, wenn ich nach Hause kam und sah, dass du nicht über mich wachst, verlor ich meinen Glauben ein wenig mehr. Also ging ich weiter hin. Ich ging hin, um der Musik zuzuhören. Um dazusitzen und zuzusehen, wie die Menschen dort ihr Leben lebten, während ich einfach in den Schatten existierte.«

Maddie führte meine Hand an ihr Gesicht und schob sie unter ihre warme Wange. »Bis zu dem Tag, als ich dich draußen meinen Namen rufen hörte. Du warst wieder da. Meine Sonne, mein Licht. Du warst zurück.« Maddies Mundwinkel ging nach oben. »Und jetzt sind wir hier. Berühren uns. Zusammen.«

Mein Herz fühlte sich an, als würde es meinen Brustkorb ausfüllen. Dann sagte sie: »Aber ich muss morgen zur Kirche gehen, für Sarai«, und das schlug total ein.

»Nein«, stieß ich hervor, und Eis rann durch meine Adern, »du gehst nicht mehr dahin. An diese verdammten Orte kann ich nicht mitgehen. Ich kann dich da nicht beschützen.«

»Dort gibt es nichts, wovor du mich beschützen musst, Flame. Ich begleite Mae und Lilah, um Sarai zu zeigen, dass es mehr am Glauben gibt, als wir im Orden kannten. Ich verstehe, was sie empfindet. Sie ist so jung und voll Angst. Und sie ist mir im Charakter sehr ähnlich – still und zurückhaltend. Ich habe das Gefühl, dass ich gehen muss.«

Maddie hob den Finger, um die Flammentattoos auf meinem Oberkörper zu umkreisen, und sagte: »Ich verspreche dir, dass ich keinen Schmerz erleiden werde. Ich bleibe nur ein paar Stunden dort, und dann komme ich wieder nach Hause.« Sie zögerte kurz und flüsterte schließlich: »Ich komme wieder nach Hause zu … dir … zu dieser Hütte … und dann werde ich nie wieder dorthin zurückgehen. Denn du bist zurückgekehrt. Du bist mein erweckter Glaube.«

Mir ging das Herz auf. »Maddie«, rief ich aus und lehnte mich nach vorn zu ihrem Mund. Ihr Atem ging so schnell wie meiner, und daraufhin lehnte ich mich noch weiter vor und drückte meine Lippen auf ihre.

Sie war so weich.

Ich wollte mich nie wieder von ihr lösen.

Als ich wieder zurückwich, fragte Maddie: »Wie ist dein Name?«

Alles in mir erstarrte, und ich fragte: »Mein Name?« Schmerz jagte durch meinen Schädel.

»Ja«, antwortete sie leise. »Wie war dein Name, bevor du Flame wurdest?«

Ich presste die Augen zu, zog die Hand zurück und krallte die Finger in meinen Arm. Ich atmete zischend aus, als die Flammen aufloderten … ich hasste den Scheißnamen. Ich HASSTE diesen Scheißnamen!

»Sch … Flame, ganz ruhig«, tröstete Maddie mich. Ich blickte auf und sah, dass sie die Hand ausgestreckt hatte. »Vergiss, dass ich gefragt habe. Es ist unwichtig, so wie auch mein früherer Name nichts mehr für mich bedeutet.«

Ich wollte in meine Haut krallen, als ich seine Stimme in meinem Kopf diesen Namen knurren hörte, aber Maddie kam noch näher, und dann schluckte sie ihre Nervosität hinunter und legte langsam die Arme um mich. Ich wurde stocksteif, als ihre Hände meinen Rücken berührten, doch dann, als seine Stimme unter Maddies Berührung verschwand, legte ich auch die Arme um sie. Ich atmete schnell an ihrem Hals und entspannte mich, als ihre Finger über meinen Rücken auf und ab wanderten.

Ich kniff die Augen zu und hielt mich fest, und schließlich flüsterte Maddie: »Ich bin Maddie, und du bist Flame. Wir sind nicht mehr, wer wir vorher waren.« Ich zog sie enger an mich, als sie diese Worte aussprach. Innerhalb von Minuten hatte ich mich entspannt, auf dem Bett, in dem ich nie schlief, hielt meine Maddie fest …

… und schlief ein, während ich sie so hielt wie in ihrer Zeichnung.