Drei Tage später kamen wir zu Hause an.
Wir waren müde und völlig ausgelaugt, doch wir waren daheim. Tatsächlich waren wir rechtzeitig zurück, da Flame uns ganz schön angetrieben hatte, um so bald wie möglich wieder hier zu sein.
Asher hatte die Reise ohne Klagen mitgemacht. Und in der wenigen Zeit, die ich fand, um mit ihm zu plaudern, hatte ich entdeckt, dass er ein netter junger Mann war. Naiv, behütet, aber ein heller Kopf. AK und Viking hatten ihn gemeinsam unter ihre Fittiche genommen. Asher fuhr abwechselnd bei ihnen mit, und wenn wir nachts unser Lager aufschlugen, schlief er neben ihnen. Flames zwei beste Freunde redeten die ganze Zeit mit ihm. Viking erklärte ihm das Leben, das sie führten, und wie Ashers Zukunft aussehen konnte.
Asher hörte aufmerksam zu und sagte nur wenig dazu. Er war ungewöhnlich still, doch ich mochte ihn sofort. Und mein Herz weinte um ihn. Wenn ich Asher anschaute, sah ich automatisch einen jungen Flame in seinen Augen. Es war schon fast bestürzend, wie ähnlich sie sich waren. Doch das Beste von allem war, dass Asher aufgrund seiner Jugend noch eine Zukunft hatte. Da, wo sie für Flame bereits zerstört gewesen war. Und er hatte nicht dieselbe Veranlagung wie Flame. Asher konnte andere Menschen gut deuten. Er konnte Emotionen ausdrücken, und er konnte subtile Hinweise und Gesten verstehen. Er teilte nicht die Einschränkung seines Halbbruders.
Was mich zu Flame führte.
Während der ganzen Fahrt hatte Flame nicht viel gesagt. Er fuhr. Er aß. Und er machte unser Bett abseits von Viking, AK und seinem Bruder. Weit weg, um sie völlig auszuschließen. Jede Nacht, jedes Mal, wenn wir uns schlafen legten, zog er mich an sich, sodass ich neben ihm lag, und hielt mich fest in den Armen. Als habe er Angst, mich loszulassen. Aber er redete nicht. Er sprach nicht über das, was er mit seinem Vater gemacht hatte. Was er bei seiner alten Kirche getan hatte. Er hatte komplett dichtgemacht.
Doch das Schlimmste war, dass er nicht mit Asher redete.
Nicht ein Wort.
Er sah ihn kaum an.
Asher musterte ihn, wenn Flame nicht hinsah. Er beobachtete ihn aufmerksam, und es brach mir das Herz. Denn in Ashers ängstlicher Miene konnte ich so deutlich seine Verzweiflung sehen. In seinen Augen sah ich das Verlangen, dass sein Bruder ihn anerkannte oder überhaupt nur mal ansah.
Aber das tat Flame nicht. Er saß da, schärfte seine Messer und ließ den Kopf hängen.
Schweigend.
Als wir zu Hause bei den drei Hütten ankamen, warf AK bloß einen Blick auf Flames ausdruckslose Miene und fragte: »Wie wär’s, wenn Little Ash bei mir bleibt? Ich habe noch ein Zimmer übrig. Er wird es bei mir gut haben.«
Flame hatte einmal knapp genickt, und AK hatte Asher mit in seine Hütte genommen. Ich sah den beiden den ganzen Weg nach und hatte keine Ahnung, was ich tun sollte. Als die beiden gerade durch die Tür wollten, warf Asher einen Blick zurück zu Flame. Doch der starrte mit angespannten Schultern stur geradeaus. Niedergeschlagen ging Asher in die Hütte, und AK schloss fest die Tür hinter ihnen.
Schon die ganze Zeit war Flame so gewesen. Er war still, konnte mich nicht aus den Augen lassen und schottete sich vom Rest der Welt ab.
Ich merkte, dass das Wasser kalt geworden war, zog den Stöpsel aus der Wanne und saß im ablaufenden Wasser, während ich mir den Kopf zerbrach, was man tun konnte. Denn so war Flame nun einmal. Er brachte nicht zum Ausdruck, was ihm zu schaffen machte. Er hielt es tief in sich verborgen, ohne eine Andeutung, wie man ihm helfen könne.
Tagelang hatte ich mir den Kopf zerbrochen, um etwas zu finden, das ihm helfen würde, seinen inneren Schmerz anzusprechen, und dann, gerade als ich schon das Gefühl hatte, völlig ratlos zu sein, kam mir eine Idee. Eine Erkenntnis, so rein, dass ich überzeugt war, es musste helfen, wenn auch nur ein wenig.
Denn es gab noch eine qualvolle Erinnerung, die Flame überwinden musste. Ein Hindernis, dem er sich noch stellen musste. Ich atmete tief durch und hoffte, dass es funktionierte. Denn wenn nicht, war ich nicht sicher, ob Flame je aus dem Gefängnis in seinem Geist frei sein würde.
Ich stieg aus der Wanne, trocknete mich rasch ab und zog meine Lederhose und einen schwarzen Pulli an, bevor ich mein Haar zu einem festen Zopf flocht. Als ich fertig war, verließ ich das Badezimmer und fand Flame in derselben Position vor wie schon seit Tagen. Er saß zusammengesunken an der Wand neben dem erloschenen Feuer und fuhr mit dem Finger über die lange Klinge in seinen Händen … und seine eindringlichen dunklen Augen waren fixiert auf die andere Seite des Wohnzimmers … auf die Falltür … die Nachbildung der Falltür, die ihm in seinen jüngeren Jahren so viel Schmerz gebracht hatte.
Ich sah, dass seine Muskeln sich anspannten, als ich hereinkam. Und wie er es die letzten paar Tage getan hatte, klopfte er auf den Boden neben sich und bedeutete mir wortlos, neben ihm zu sitzen.
Doch dieses Mal kam ich zu ihm und kauerte mich zu seinen Füßen nieder. Seine Augen erfassten kaum, dass ich meine Ledersachen trug; er rührte sich nicht. Ich nahm seine Hand, und als seine verlorenen Augen blinzelnd zu mir aufsahen, forderte ich sanft: »Da ist ein Ort, an den du mit mir gehen musst.«
Flames Miene veränderte sich nicht, aber das Heben und Senken seines Brustkorbs verriet mir, dass er nicht wegwollte. Ich drückte seine Hand und flüsterte: »Mir zuliebe, Flame. Bitte tu das für mich.«
Er ließ das Messer fallen und stemmte sich auf die Beine. Er wollte meine Hand nicht loslassen, zog mich an sich und fragte: »Wohin gehen wir?«
»Wir müssen in die Innenstadt von Austin.«
Flame nickte wie benommen und fragte dann: »Wohin?«
Ich schloss die Augen und wusste, dass das jetzt ein Kampf wurde. Dann sagte ich ihm den Namen der Straße. Kaum hatte ich die Adresse ausgesprochen, war Flame vollkommen erstarrt und seine harten Muskeln spannten sich zum Zerreißen an.
»Nein«, fauchte er leidenschaftlich und drückte mich noch enger an sich. »Nein«, wiederholte er dann ebenso nachdrücklich.
Ich stemmte mich von seinem harten Brustkorb weg und ging auf Zehenspitzen. Ich legte die Hände an seine Arme und flehte: »Vertrau mir. Du musst mit mir kommen. Ich will nur … bitte, Flame … tu’s für mich.« Ich drückte seine Hand auf mein Herz und fuhr fort: »Ich liebe dich. Ich würde nie etwas tun, das dich verletzt. Deshalb, bitte, vertrau mir. Ich bin deine Maddie. Ich würde dich nie in die Irre führen.«
»Maddie«, flüsterte Flame und blinzelte.
»Vertrau mir«, drängte ich, und Flame ließ widerstrebend den Kopf hängen. Sekunden später war er mit mir draußen an seinem Motorrad. Minuten später waren wir unterwegs.
Er fuhr langsam, und ich wusste, dass er dem, dem er sich meinem Willen nach stellen sollte, aus dem Weg gehen wollte. Ich hielt ihn den ganzen Weg fest. Als wir ankamen, parkte Flame das Motorrad vor dem vertrauten weißen Gebäude.
Sein Körper war stocksteif vor Furcht. Und ich wusste, das würde schwierig werden. Aber ich wollte meinen Flame zurück. Ich wollte, dass er sich durch welchen finsteren Nebel auch immer durchwühlte, der seinen Verstand quälte.
Ich stieg ab und blieb neben Flame stehen. Ich streichelte über seinen Arm und legte meine Hand auf seine. Flame seufzte, stieg dann vom Motorrad und ergriff sofort meine Hand.
Wir standen auf dem Gehweg, und Flame hatte die Füße fest in den Boden gestemmt. Langsam drängte ich ihn, weiterzugehen. Er geriet in Panik und gestand: »Ich glaube nicht, dass ich da reingehen kann.«
Mir wurde es schwer ums Herz, als ich seinen verlorenen Gesichtsausdruck sah. Ich zog ihn sachte mit mir und nickte. »Doch, du kannst es. Das hier ist kein böser Ort. Du musst es selbst sehen, Flame. Du musst sehen, dass die Orte und die Gräueltaten, die wir als Heranwachsende erlitten haben, nicht die Norm waren.« Flames Gesicht blieb ausdruckslos. Ich wiederholte mit Nachdruck: »Vertrau mir.«
Darauf gingen Flames Füße langsam vorwärts. Er folgte mir die steilen weißen Stufen hinauf und hielt meine Hand dabei fest wie ein Schraubstock. Dann kamen wir oben an. Die Holztüren standen offen.
Ich betrachtete Flames angespanntes Kinn und fragte: »Bist du bereit?«
Flame biss die Zähne zusammen und schüttelte den Kopf. »Nein«, sagte er heiser, und seine Augen huschten über die Kirche auf der Suche nach – was nur?
»Aber wirst du mir folgen?«, fragte ich.
Dieses Mal blickte er mir in die Augen und antwortete: »Überallhin.«
Ich seufzte und führte Flame in den Hauptteil der Kirche. Als ich aufblickte, sah ich, wie er das große Gebäude prüfend musterte. Wir waren allein in der Kirche. Darüber war ich froh. Flame musste sehen, dass diese Kirche ganz anders war als die, in der man ihn gefesselt und sein einzigartiges Wesen und seine Weltanschauung als böse missverstanden hatte.
Ich führte ihn zu den Kirchenbänken und setzte mich. Mein Blick fiel auf ein Foto von Pastorin James, das am Altar hing, umgeben von Kerzen und Blumen, und Traurigkeit überkam mich. Ich wusste, dass Styx dafür gesorgt hatte, dass ihre Familie von ihrem Tod erfuhr, wenn auch anonym. Ich kannte keine Einzelheiten, doch Mae hatte mir erzählt, dass das Gespräch sich herumgesprochen hatte. Und ich wusste, dass man ihrer Familie Geld geschickt hatte. Aber als ich ihr freundlich lächelndes Gesicht auf dem Foto sah, glaubte ich nicht, dass ich ihren Tod je aus meinem Kopf verbannen konnte. Genauso wenig wie die Tatsache, dass er durch die Hand eines Kindes geschehen war.
Flame saß neben mir, still wie die Nacht. Ich konnte seine schweren Atemzüge hören und seine starren Hände fühlen. Ich war so unglaublich stolz auf ihn, weil er hierhergekommen war. Weil er alles für mich tun würde.
Sein Kopf zuckte, als er das Innere der Kirche in sich aufnahm. Dann seufzte er, sah mich an und fragte: »Es gibt keine Schlangen hier? Keine Leute, die sich auf dem Boden winden?«
»Nein«, antwortete ich so unaufgeregt wie möglich und legte ihm die Hand auf die Schulter. »Es ist nicht der Ort, für den du ihn hältst.« Ich schaute zu der Statue von Jesus hinüber, hinter der ich mich immer versteckt hatte, und sagte: »Vor all diesen Wochen, als du hierhergekommen bist und Angst hattest, dass ich verletzt worden sei. Aber ich war unversehrt.«
Ich zeigte mit unseren verschränkten Händen auf die hohe weiße Marmorstatue von Jesus und bekannte: »Ich kam immer hierher, als du wegen deiner Halswunde behandelt wurdest. Ich versteckte mich hinter dieser Statue und sah zu, wie die Welt an mir vorüberzog. Ich blieb ungesehen in den Schatten und hörte dem Chor zu, der oben auf der Galerie seine Lieder sang und die Worte ausdrückte, die auszusprechen ich zu viel Angst hatte. Ich hatte zu viel Angst, um zu singen, denn man hatte mir mein Leben lang gesagt, dass es falsch sei. Und obwohl das nicht länger mein Leben war, konnte ich diese Gedanken immer noch nicht loslassen. Tief in mir hatte ich Angst, sie aufzugeben.«
Flame atmete aus und fragte: »Warum hast du sie nicht aufgegeben?«
Ich schloss die Augen und spürte den Kloß im Hals wegen des Mädchens, das ich damals gewesen war – am Leben, doch nicht lebendig. »Ich denke … ich denke, ich klammerte mich an die alten Glaubensvorstellungen, weil … weil ich nicht wusste, wer ich ohne sie bin. Mein Leben lang hatte ich den Jüngern gedient. Ich war eine Sklavin meiner Ängste. Dann, als ich frei war, saß ich in der Dunkelheit und sah zu, wie andere das Licht umarmten … und sah ihnen beim Singen zu. Und ich sang lautlos die Worte mit und wollte so gern die Freiheit fühlen, die ich in der Luft hören konnte. Aber ich schaffte es einfach nicht. Ich konnte mich nicht dazu bringen, loszulassen. Ich hatte Angst vor der Person, die ich war.«
Flames Finger spielte über meinen Handrücken, und er fragte leise flüsternd: »Und wer bist du?«
Tränen füllten meine Augen, und ein Lächeln spielte um meine Lippen. »Dein«, gestand ich aus tiefstem Herzen. »Ich bin dein. Es brauchte deinen Sturz in die Finsternis, um mich die Wahrheit und das Licht sehen zu lassen.«
Flame erstarrte, und dann hob er meinen Kopf mit seinem Finger an meinem Kinn, stöhnte: »Maddie …«, und schloss kurz die Augen.
Ich hielt seine Hand und fuhr fort: »Es ist wahr. Dein, das bin ich. Du hast mir ein Ziel gegeben, Flame. Du hast mir einen Grund gegeben zu leben … du hast mir deine Liebe gegeben … du hast mir dich gegeben.«
Flame legte seine Stirn an meine, und seine Hände strichen durch mein Haar. »Maddie«, flüsterte er heiser. »Ich … ich glaube nicht an den ganzen Mist. Kirche, Gott, nichts davon. Ich hasse das alles. Ich hasse es, wenn Leute sich so total davon einwickeln lassen und zulassen, dass es sie verändert und beherrscht. Ich kann das nicht mehr um mich haben.«
Ich fühlte Leichtigkeit in meiner Seele und antwortete: »Ich auch nicht, Flame. Dies ist nicht länger mein Leben. Ich glaube auch nicht mehr daran.«
»Woran glaubst du dann?«, fragte er vorsichtig.
Ich lächelte unter Tränen und sagte: »Dich. Ich glaube an dich.« Ich hob den Kopf, streifte mit der Nase über seine und gestand: »Und an mich. An uns. Wir sind alles, was ich brauche. Alles, was ich ab jetzt brauchen werde.«
»Fuck, Maddie.« Flame seufzte und drückte seine bebenden Lippen auf meinen Mund. Und da, als unsere Lippen sich vereinten, erklang der himmlisch süße Klang des Chors … und es war mein Lieblingslied. Das, das ich für Flame sang.
Flame löste sich mit einem Aufkeuchen von mir und rief aus: »Maddie … das Lied, das du für mich gesungen hast.« Danach runzelte er die Stirn und dachte angestrengt nach, bevor er fragte: »Du hast doch für mich gesungen? Als ich …« Er tippte sich an die Schläfe. »Als ich da drin gefangen war. Du hast gesungen … und ich habe dich gehört.«
Ich nickte. »Ich weiß.«
»Aber du hast dich zuvor nicht getraut zu singen. Du sagtest, dass du die Worte nie zuvor laut gesungen hast.«
»Ich weiß«, wiederholte ich.
»Wieso dann …?«
»Weil der Gedanke, dich zu retten, mir meine Stimme schenkte. Du hast mir die Kraft gegeben, aus den Fesseln auszubrechen, die mich an meine Vergangenheit ketteten. Die Fesseln, die nur in meinem Kopf existierten. Du … du hast mich befreit.«
Ich sah Flames Blick hin und her gehen und wusste, das bedeutete, dass er wieder nachdachte.
Dann drang ein ersticktes Stöhnen aus seiner Kehle. Eine Träne lief ihm über die Wange, und er sagte: »Ich habe jeden verloren. Er hat mir jeden Menschen weggenommen. Meine Mama, Isaiah. Er hat mir mich genommen. Mich zu einem Psychofreak gemacht. Mein Leben lang hatte ich nichts. Er hat mir alles genommen. Ich … ich hatte nie eine Chance.«
Mir wurde es schwer ums Herz, denn ich fühlte seinen ganzen Schmerz. Plötzlich erstarrte Flame und sah mich an, als sei ich ein lebendes Wunder. »Und dann bekam ich dich. Ich habe dich, und ich darf dich nicht verlieren, Maddie. Ich darf dich nie verlieren, denn dann drehe ich auf jeden Fall durch.«
»Du wirst mich nie verlieren«, beteuerte ich.
Er ließ den Kopf hängen und brachte mühsam heraus: »Und dann fand ich Asher.« Er hob den Kopf, und in seinen Augen stand Angst. »Ich habe wieder einen Bruder. Ich habe dich, und ich habe einen Bruder … aber was, wenn … was, wenn …«
Ich legte die Hand an seinen Hinterkopf und sagte: »Niemand wird dir uns nehmen. Ich gehe nirgendwohin. Und Asher … Asher will nur seinen großen Bruder, Flame. Er will, dass du zu ihm gehst. Rede mit ihm. Er braucht deine Liebe. Auch er hat alles und jeden verloren. Und das durch euren Vater. Genau wie du.«
Flame streckte die Arme aus. »Aber Isaiah ist gestorben. Er ist in diesen Scheißarmen gestorben. Mit dem elften Atemzug war er tot. Er hat mich verlassen … meinetwegen.« In seinen Augen standen ungeweinte Tränen. »Ich habe ihn getötet.« Er tippte sich an den Kopf. »Das ist immer hier drin. Ich sehe es die ganze verdammte Zeit. Immer elf, wegen Paps’ Messer und Isaiahs letzten Atemzügen.«
»Nein«, rief ich und senkte den Kopf, um Küsse auf die tiefen Narben an seinen Handgelenken zu drücken. Flame erstarrte und wollte die Hände wegziehen, aber ich hielt sie fest. Ich drückte Kuss um Kuss auf seine Narben, und als ich sie alle mit Küssen bedeckt hatte, sagte ich: »Es gibt keine Flammen, kein Gift, nichts Böses in deinen Adern. Darin fließt nur Blut, wie bei jedem anderen auch. Dein Vater hatte unrecht, Flame. Gott, Flame, er hätte nicht mehr unrecht haben können. Er hat den falschen Schriften und Predigten dieses Pastors geglaubt, doch die waren falsch. Er hat das Falsche geglaubt. Vor allem, was dich betrifft.«
Ich kämpfte den Zorn nieder, der in mir aufstieg, und beteuerte: »Du wirst geliebt, und das so sehr. Und dein Herz hat so viel Liebe zu geben.« Ich hielt die drohenden Tränen zurück und zählte auf: »Du hast mich gerettet. Du hast mich beschützt. Du hast Tag und Nacht vor meiner Tür gesessen, um dafür zu sorgen, dass ich in Sicherheit bin. Du bist jede Nacht vor meinem Fenster Wache gelaufen.« Ich strich über die Narbe an seinem Hals. »Und du hast eine Kugel für mich abgefangen. In deinem Blut fließen Licht und Güte, nicht Feuer und Sünde.«
Dann fuhr ich die Tränenspuren auf seinen Wangen nach und fuhr fort: »Wir sind Flame und Maddie. Und wir haben überlebt.« Ich drückte einen Kuss auf seine Finger und sagte mit Nachdruck: »Wir haben uns gefunden und werden einander nie loslassen, okay?«
Flame stöhnte auf, und im selben Moment erreichte der Chor den Höhepunkt des Liedes. Er schloss mich in seine großen, starken Arme.
Geborgen.
Ich atmete den Duft seiner Ledersachen ein, löste mich wieder von ihm und schlug vor: »Lass uns gehen, Flame. Lass uns nach Hause gehen und nie wieder zurückkehren.«
In Rekordzeit waren wir zu Hause. Als wir ins Wohnzimmer kamen, verschloss Flame die Tür. Ich drehte mich zu dem Mann um, dem ich gerade mein Leben gelobt hatte. Er kam auf mich zu, löste meinen Zopf und flüsterte: »Ich will mit dir zusammen sein.«
Sein Verlangen ließ mein Herz flattern wie Schmetterlingsflügel, und ich führte ihn ins Schlafzimmer. Flame stand da und sah zu, als ich mich auszog. Als ich ihn dastehen sah, die Hände zu Fäusten geballt, wollte ich zu ihm gehen, um seine Sachen auszuziehen. Unvermittelt nahm er mich in die Arme. Ich schnappte nach Luft, als meine Füße den Boden verließen. Ich blickte ihm in die Augen, als er mich sachte auf das Bett niederlegte.
Ich lag reglos da, als Flame seinen Gürtel aufmachte und die Kutte auszog. Seine Klamotten fielen zu Boden. Dann kam er mit funkelnden Augen ins Bett, und sein großer Körper bedeckte meinen.
Er strich mir das Haar aus dem Gesicht, und als seine Lippen meine berührten, flüsterte er: »Ich liebe dich, Maddie.«
Ich stöhnte, als unsere Lippen sich berührten und Flames Hände, stark und vorsichtig zugleich, über meine Taille wanderten. Meine Hüften bewegten sich, als seine Hände weiter aufwärts an meine Brüste glitten. Und als seine Lippen sich von meinen lösten, sahen wir uns weiter furchtlos in die Augen. Spannung knisterte in der Luft, während wir den Blick nicht voneinander abwandten. Schließlich legte sich seine Hand langsam auf meine linke Brust, und ein heißes Brennen flammte zwischen meinen Beinen auf.
»Flame …«, stöhnte ich auf, als seine Finger über meine Brustwarze streiften. Doch in seinen Augen loderte etwas auf, und er senkte den Kopf. Mein Herz hämmerte, als mir klar wurde, dass sein Mund sich meiner Brustwarze näherte.
So hatten wir uns noch nie zuvor geliebt. Wir waren noch nie zuvor so ungehemmt und frei gewesen.
Ich hatte mich noch nie so glücklich und so geborgen gefühlt.
Flames Kopf hielt über meiner Brustwarze inne. Dann, als seine Zunge über die Haut glitt, bäumte ich mich auf und meine Hand tauchte in sein Haar. Seine Zunge machte dasselbe noch mal, und ich presste vor Verlangen die Beine zusammen.
Als ich schon das Gefühl hatte, es nicht mehr aushalten zu können, wich Flame zurück und flüsterte: »Maddie.« Seine Stimme klang kehlig und rau, aber selbstsicher. Und dann bedeckte er mich überall am Körper mit Küssen.
Meine Lider gingen flatternd zu, während ich um Fassung rang. Meine Haut stand in Flammen, für immer gezeichnet mit jeder zarten Berührung seiner Lippen.
Und danach glitt er noch tiefer. Seine gepiercte Zunge strich über meinen Bauch, nach unten zwischen meine Beine. Flame atmete schwer, und ich spürte seinen warmen Atem zwischen den Beinen. Als ich diese neue Berührung wahrnahm, durchlief mich Panik. Ich hob den Oberkörper vom Bett. »Flame … nicht …«
Flame hob den Kopf, und mit grenzenloser Liebe in seinem schönen Gesicht bat er mich: »Vertrau mir.«
Mein Herz schnürte sich zu, als ich in seiner Stimme hörte, wie sehr er mein Vertrauen brauchte, und ich nickte, als seine Hand von meinem Knöchel an meinen Oberschenkel wanderte. Mein Widerstand löste sich auf, als er mit dieser Hand langsam meine Beine öffnete und sein breiter, harter Brustkorb dazwischenglitt.
Ich schloss die Augen, als Flames Daumen sich zwischen meine Schamlippen schob, und seine Fingerspitze ließ meinen Körper vor Verlangen auflodern. »Flame!«, rief ich aus und fiel mit dem Rücken zurück auf die Matratze. Sein Daumen wurde schneller, und ich glaubte nicht, dass sich je etwas so gut anfühlen konnte. Plötzlich hörte sein Daumen auf – und stattdessen spürte ich nun seine Zunge.
Bei der intimen Berührung bäumte ich mich auf. Ich musste die Hände in das Bettlaken krallen, aus Angst auseinanderzubrechen. Ich sah nach unten und fand Flames Blick, der meinen einfing, während sein Mund und seine Zunge mir Lust bereiteten und sein Metallpiercing die Wonne mit jeder Berührung noch steigerte. Ich streckte die Hände aus, um den Mann zu berühren, der mein Herz, meinen Körper und meine Seele erobert hatte, streichelte durch sein Haar, und ein Blitz aus reiner Lust packte mich. »Flame!«, stöhnte ich, und mein Körper spannte sich an und zersprang förmlich.
Ich rang keuchend nach Luft. Flame löste sich von mir, schob sich über mich, und sein großer Oberschenkel öffnete meine Beine weiter. Seine Hand fuhr über meinen Körper, um mein Bein anzuheben, und ohne die wunderschönen Augen von mir abzuwenden, drang er in mich ein – langsam, sanft … liebevoll.
»Maddie … meine Maddie«, flüsterte er immer wieder, während er mich so vollständig ausfüllte und seine kräftigen Hüften sich so sachte an meinen bewegten. Meine Hände wanderten seine Arme hinauf, über seinen Nacken und an die Flammentattoos an seinem Kopf.
Und ich konnte es fühlen.
Ich konnte fühlen, wie die letzten Wälle um seine gebrochene Seele einstürzten und der wahre Mann, der dahinter verborgen war, zum Vorschein kam. Und er war liebevoll, er war rein, und er war … »Mein«, flüsterte ich, und Flames Augen loderten auf und seine Lippen öffneten sich zu einem wilden Knurren, als er mein Bekenntnis hörte.
»Maddie«, flüsterte er, und seine Arme spannten sich an, seine Hüften bewegten sich stärker und kraftvoller. Seine Hand an meinem Oberschenkel hob mein Bein höher, und dieser unersättliche Druck, den nur Flame in mir auslöste, stieg in Sekundenschnelle in mir hoch. Seine Atemzüge wurden schneller, und tiefes Stöhnen drang über seine Lippen. Und dann, als sein harter Brustkorb über meine Brüste streifte und sein Mund sich auf meinen drückte, ergriff mich die reine Wonne, erleuchtete mich und ließ mich schweben.
Mit einem langen Stöhnen erstarrte Flame, sein Mund löste sich und sein Kopf drückte sich an meinen Hals. Und ich hielt ihn so fest, wie er mich hielt. Ich hielt ihn ganz fest, während ich langsam wieder auf den Boden zurückglitt. Flames harte Muskeln wölbten sich und zuckten unter meiner Berührung.
Stille senkte sich langsam über das Zimmer, und ein zufriedenes Lächeln spielte um meine Lippen. Müde und erschöpft rollte Flame sich auf die Seite, und sein Bein und sein Arm legten sich automatisch um mich. Ich drehte mich auf unserem Kissen zu ihm um und streichelte über sein Gesicht – eine schlichte Handlung, die wiedergab, wie vollständig mein Herz ihm gehörte.
Flame fing meine Hand auf, hielt sie neben seine Wange und sagte heiser: »Ich werde die Falltür im Wohnzimmer zunageln.«
Ich schloss die Augen und seufzte erleichtert. Flame hielt meine Hand fester. Ich öffnete die Augen, und er fuhr fort: »Und ich rede mit Asher. Ich … ich rede mit meinem … Bruder … zumindest werde ich es versuchen.«
Und dieses Mal flossen die Tränen. Sie strömten wie ein Wasserfall über meine Wangen. Denn ich wusste, er hatte es überwunden. Mein Flame, mein gequälter Mann, hatte seine letzten Schutzwälle überwunden. Er hatte seine Stimme gefunden. Flame, der Mann meines Lebens, hatte sein Lied gefunden, so wie ich meins gefunden hatte.
Und durch unsere Liebe hatte er endlich den Mut gefunden zu singen.