31. Der Schild
»Was ist denn jetzt los?«
Der Kriegermönch hatte immer noch beide Arme ausgestreckt. Jetzt ließ er sie fallen und sah sich um. Etwas hatte sich verändert. Die Luft roch anders, dumpfer und schwerer, und das Licht schien durch einen Filter zu fallen. Sie waren nicht mehr unter freiem Himmel, sondern in einem Raum, der sich leicht schimmernd kuppelförmig über ihnen wölbte. Der Boden war aus Stein, aber woraus die Kuppel bestand, erkannte Malia erst, als sie die Hand ausstreckte und auf das zischende Vibrieren von Magie traf. Rasch sprang sie zurück.
»Das ist ein Zauberschild«, sagte sie vorsichtig. »Ich habe noch nie so einen großen gesehen.« Hatte Le-Iva den Zauberer geschickt, um endlich einen Mönch zu fangen? Es wäre ihr lieber gewesen, wenn sie nicht mitgefangen gewesen wäre. Bestimmt würde der Zauberer seinen Irrtum gleich bemerken?
»Ein Zauberschild? Was bedeutet das?« Sein Gesicht lag immer noch im Schatten seiner Kapuze, was sie irritierte, aber sie erkannte seine Stimme, und deshalb hatte sie keine Angst mehr vor ihm. Er war es, ihr Mönch. Er hatte ihr beigestanden gegen ihren ersten Angreifer. Er war seinem eigenen Ordensbruder in den Rücken gefallen, ihretwegen. Doch was war dann passiert?
»Wo sind wir?« Seine Stimme klang jung und verwirrt. Er kniete sich auf den Boden und betastete die Steine. »Das ist äußerst merkwürdig.«
»Was denn?«
»Wir sind nicht mehr im Berriner Gebirge«, stellte er fest. »Wie ist das möglich?«
»Bist du sicher?«, fragte sie. Erst als sie sich neben ihn kniete, fiel ihr wieder ein, dass er eher eine gefährliche Bestie denn ein Mensch war. Herzen aus Eis. Und sie hatte gesehen, wie er den Felsen heruntergeflogen war.
»Ich kenne das Gestein in unseren Bergen, ich kenne seine Farbe und seinen Geruch und seine Musterung. Siehst du diese bläulichen Linien? Dieser Felsen enthält Blausilber. Es gibt keinen einzigen Ort im Berriner Rücken, wo das der Fall ist.«
»Du kennst jeden einzelnen Stein im Gebirge?«, fragte sie skeptisch.
»Nein«, meinte er, eine Spur Ärger in der Stimme. »Aber ich kenne die Berge. Das Tal der Wintersteine – da sind wir nicht mehr. Hier bin ich noch nie gewesen. Und warum ist es so dunkel?«
»Es sieht aus, als wären wir in einer Höhle. Da vorne ist es ein wenig heller, und über uns, das wirkt wie Gestein.« Das alles ergab überhaupt keinen Sinn. »Träumen wir womöglich? Hat irgendein Zauber unsere Sinne verwirrt?«
»Das ist kein Traum.« Der Mönch kratzte am Boden unter ihnen. »Für mich wirkt das alles sehr echt. Warum schimmern die Wände so?«
»Das ist die Kuppel.«
Darüber schien er nachzudenken. »Wie diese Kuppeln, die der Adept mit den braunen Haaren mit dir geübt hat? In der deine Katze gefangen war?«
»Du hast mich beobachtet.«
Er zuckte nur mit den Achseln. »Es war interessant. Ich behalte auch die Zauberer nach Möglichkeit im Auge.«
»Dann weißt du, dass nur derjenige, der eine solche Schildkuppel errichtet hat, sie wieder aufheben kann.«
Er stand wieder auf und bewegte sich mit geschmeidigen Schritten durch ihr Gefängnis. »Wer versetzt eine magische Schildkuppel an einen anderen Ort – noch dazu in ein anderes Gebirge?«
»Gibt es überhaupt Zauberer, die dazu in der Lage sind? Von so etwas habe ich noch nie gehört. Er muss unvorstellbar mächtig sein.«
»Der Blitzzauberer?«
»Meinst du Meister Eridan? Keine Ahnung. Ich weiß nicht, welche Fähigkeiten er besitzt.«
»Wie mächtig ist jemand, der das vermag? Ich schätze, er ist noch stärker als ein Blitzzauberer. Was ist mit dem Jungen, der die Kuppeln macht?«
»Galahar? Nein, das kann ich mir nicht vorstellen. Es muss noch mehr Zauberer geben, die über diese Art Kraft verfügen.«
Es half ein bisschen, sich über den Zauberer Gedanken zu machen statt darüber, was sie tun sollten. Die beklemmende Dunkelheit, die eher noch zunahm, während das schwache Licht vor ihnen immer diffuser wurde.
»Hast du ihn gesehen? Es ging alles so schnell. War er groß, klein? Ein Mann, eine Frau?«
»Ich erinnere mich nur an den weißen Mantel.« Er hielt die Hand an die unsichtbare Kuppel und zog sie mit einem Fluch wieder zurück. »Entweder gehört er zu den Zauberern der Königin. Es klingt für mich äußerst beunruhigend, dass sie so mächtige Helfer an ihrer Seite hat.«
»Weil er für den Orden gefährlich werden könnte?«
»Das ist er schon, indem er mich hier eingesperrt und wer weiß wohin gebracht hat.«
»Oder? Du sagtest: Entweder hat die Königin ihn geschickt. Was wäre die Alternative?«
»Die gefällt mir noch weniger. Dass irgendwelche Magier im Berriner Gebirge ihr Unwesen treiben, die aus eigenem Antrieb handeln.«
»Unwahrscheinlich«, sagte Malia.
Er nickte. Vermutlich machte er ein düsteres Gesicht unter seiner Kapuze.
Und ihr ging es genauso. Sie fühlte sich betrogen. Verraten. Was war ihr lieber? Dass die Mönche sich ihre Feinde in die Berge bestellten, ganz unabhängig von der Fehde mit Le-Iva? Dass die Königin mit der ganzen Sache nichts zu tun hatte? Denn andernfalls bedeutete das, sie war benutzt worden. Ihr Auftrag hatte gelautet, den Eiskriegern einen Liebestrank unterzuschieben, doch in Wahrheit war es darum gegangen, sie in die Berge zu locken, um einen von ihnen zu fangen. Sie war der Köder gewesen. Von Anfang an.
Doch wenn dieser Zauberer nicht im Auftrag der Königin gehandelt hatte, wenn er sie aus Gründen, von denen sie nichts wusste, gefangen genommen hatte – dann nützte es ihr nichts, dass sie unter dem Schutz der Königin stand. Rein gar nichts. Dann war sie genauso gefangen wie dieser Mönch.
Sie dachte an den Käfer und seine reglosen Beinchen. An Schneewolkes hilfloses Miauen.
Sie würden hier ersticken. Ausgeliefert einem Feind, den sie nicht kannten.
Der Kriegermönch marschierte auf die Kuppel zu und hob die Hand.
»Halt!«, rief sie ihm zu, doch es war zu spät. Der Kraftstoß prallte ab und der Schlag schleuderte ihn zu Boden. Bevor sie bei ihm war, rappelte er sich stöhnend auf. Die Kapuze war ihm heruntergerutscht und endlich sah sie sein Gesicht. Er war viel jünger, als sie erwartet hatte. Der kahlgeschorene Kopf erschwerte es, sein Alter zu schätzen, doch er konnte kaum älter sein als Mitte zwanzig. Die Art, wie er ärgerlich die Lippen zusammenkniff, wirkte erstaunlich jungenhaft.
»Wie kommen wir hier raus, Frau Zauberin?«, fragte er.
»Gar nicht.«
»Das ist nicht dein Ernst.«
»Ich fürchte, doch. Hatte ich es nicht bereits erwähnt? Nur der Zauberer, der einen Schild geschaffen hat, kann ihn wieder aufheben.«
»Dieser Kerl hat uns hier also eingesperrt? Aus welchem Grund? Entweder ist er auf deiner Seite oder auf meiner – welchen Sinn macht es, uns beide zu fangen, zu entführen und einzusperren?«
Malia sah zum Höhleneingang hin und zuckte zusammen, denn da war etwas, undeutlich im Gegenlicht. Eine weiß gekleidete Gestalt.
»Er beobachtet uns«, flüsterte sie.
Der Mönch runzelte die Stirn. »Und hören kann er uns auch?«
»Ich glaube nicht. Als meine Katze in der kleinen Kuppel eingesperrt war, konnte ich sie jedenfalls nicht hören. Du musst also etwas lauter rufen, wenn du ihn anflehen willst, uns rauszulassen.«
»Ihn anflehen?« Er knurrte ärgerlich. »Meinst du, das habe ich vor?« Er musterte sie mit diesen überraschend blauen Augen. Seine dichten Brauen wirkten unter dem glänzenden Schädel besonders mächtig. »Also, was können wir tun?«
»Woher soll ich das wissen?«
»Du bist die Zauberin der Königin, oder nicht?«
»Bloß ihre Liebeszauberin«, knurrte sie zurück.
Aus irgendeinem Grund schien ihn das zu erheitern. »Ach.«
»Was, ach? Ich kenne mich mit Kräutern aus. Ich bin nicht dazu ausgebildet, mit einem Zauberer zu kämpfen, der uns an einen anderen Ort versetzen kann.«
»Immerhin hast du mit Torlin gekämpft.«
»Mit wem?«
»Mein Ordensbruder. Du hast ihm ganz schön zugesetzt.«
»Ich habe nur seine Angriffe abgewehrt, mehr nicht. Er hat angefangen, dabei hatte ich ihm gar nichts getan.«
»Wenn ich jemals hier rauskomme, nehme ich ihn mir vor.«
»Das ist sehr ritterlich von dir.«
Er lächelte, und sie lächelte zurück.
Für so etwas hatten sie keine Zeit. »Also, wie kommen wir hier aus?«
Der Mönch sah zu der hellen Gestalt hinüber, von der man kaum etwas anderes sah als das leuchtend weiße Gewand. Ob es dem Zauberer wohl gefiel, sie zu beobachten? Wollte er zusehen, wie sie beide elend erstickten?
Der Mönch rappelte sich auf und nahm ihr Gefängnis erneut in Augenschein. »Also müssen wir warten, bis unser Wärter sich dazu bequemt, uns freizulassen und uns zu sagen, was er will?«
»Warten?« Sie versuchte, die Größe der Kuppel abzuschätzen. »So lange die Luft reicht. Wenn er nicht eingreift, haben wir ein Problem. Wenn wir uns nicht gegenseitig umbringen, wird es die Zeit tun. Er muss sich nur zurücklehnen und zusehen.«
»Wir werden also hier sterben.«
Die Gleichmütigkeit, mit der er diese Tatsache feststellte, brachte sie vollends durcheinander. Es war so unwirklich. Eben noch hatte sie am Berghang mit dem anderen Mönch gekämpft – und jetzt war sie mit diesem hier eingeschlossen, bis ihnen die Luft ausging. In diesem Moment konnte sie nicht glauben, dass Le-Iva ihr das angetan hatte. Die Königin betrachtete sie als Freundin, als Verbündete, als ihre Verbindung zu Deiara, die sie ganz offensichtlich verehrte. Das bedeutete, dass der Zauberer da draußen auch Le-Ivas Feind war.
Vielleicht war der Mönch nur Beifang. Vielleicht ging es um sie, nicht um ihn. Um die kleine Liebeszauberin, die der Königin von Berrin etwas bedeutete. Um das, was Le-Iva sich von ihr erhoffte, was auch immer es war. Dass sie ihre eigene wahre Liebe endlich fand? Baroness Asati wünschte sich so sehr, diese Liebe zu sein, aber das konnte letztendlich nur Le-Ivas Herz beantworten. Die Königin hatte sich geirrt – Malia nützte ihr gar nichts. Immerhin hatte sie ein paar Fürstinnen zu einem besseren Liebesleben verholfen, und sie hatte Graf Felias und Fürst Cario zusammengeführt. Alles in allem vielleicht gar keine so schlechte Bilanz für ein Leben, das nur zwanzig Jahre gedauert hatte.
Sie hatte ihre Liebe nicht gefunden. Und ihre Unschuld nicht verloren. Und ihre letzten Stunden verbrachte sie mit einem Mönch. Oh Deiara, konntest du dir nicht einen schöneren Tod für mich ausdenken? Immerhin habe ich dir treu gedient, selbst als ich deinen Namen noch nicht kannte. Du hättest mir einen Mann schenken können, der mich liebt, und dann, während wir das letzte Mal beieinander sind, in inniger Umarmung, kommt der Tod auf leisen Sohlen und küsst uns auf die Stirn. Und wir sterben so, wie wir gelebt haben, zusammen …
»Was lächelst du so?«, fragte der Mönch.
Das würde sie ihm bestimmt nicht erzählen.
»Nun ja.« Sie seufzte und versuchte, genauso ruhig zu bleiben wie er. »Du wärst ja schon tot, wenn das nicht passiert wäre. Also hast du nicht viel verloren. Weitaus weniger als ich.«
»Ich wäre schon tot?« Ein arrogantes Lächeln spielte um seine Lippen. »Wenn du dich da nur nicht täuschst, kleine Liebeszauberin.«
Kleine Liebeszauberin? Wie frech er war. Wie auch immer sie sich die legendären Kriegermönche vorgestellt hatte, so eigentlich nicht.
»Oh doch. Du bist ja dummerweise deinem Ordensbruder in den Weg gesprungen, gerade als er den Eisadler auf mich hetzen wollte. Dazu die Eisspeere, der Hagel ... Er hätte dich von hinten erwischt, wenn der Zauberer uns nicht weggezaubert hätte.«
»Du hast ihm standgehalten. Das war erstaunlich.« Er stand eine Lanzenlänge von ihr entfernt und musterte sie nachdenklich.
»Ich bin sehr stark, glaub das ruhig.« Er konnte unmöglich wissen, dass sie bluffte. Ihr Kampf mit diesem Torlin musste eindrucksvoll ausgesehen haben, wenn man nicht wusste, dass sie gar keine eigene Kraft benutzte. Aber vielleicht verschaffte ihr diese kleine Lüge ein bisschen Respekt.
»Ach, und ich wäre in der Mitte zwischen euch beiden zu Tode gekommen, wie?« Die Vorstellung schien ihn eher zu erheitern. Dann runzelte er die Stirn, während er überlegte. »Warum hat der Zauberer nicht gewartet, bis es so weit war? Kam Verstärkung für einen von uns? Wollte er uns sofort aus dem Weg haben – haben wir ihn bei irgendetwas gestört?«
»Er dachte vielleicht, wir würden hier weiterkämpfen.« Sie lauschte, aber von jenseits der Kuppel kam nicht das geringste Geräusch. Natürlich nicht. Der Zauberer konnte nicht mit ihnen reden und sie nicht mit ihm. »Ob er da steht und sich ärgert, weil wir das nicht tun? Was mich in der Tat zu der Frage bringt, warum du den Kampf nicht fortsetzt?«
Der junge Mönch hob die Brauen. »Du willst lieber im Kampf sterben, statt zu ersticken? Das kann ich verstehen, mir geht es genauso. Jedoch ... ich spiele ungern meinen Feinden in die Hände. Wenn er will, dass ich dich töte, weil du eine Gefahr darstellst, sei gewiss, dass ich es nicht tun werde. Wenn er so stark ist, sollten wir ihm zu zweit entgegentreten.«
»Ach, Meister Unbesiegbar, meinst du.«
»Nachdem wir ihn davon überzeugt haben, dass wir ungefährlich sind. Was würde ihn dazu bringen, die Kuppel aufzulösen?«
»Ich weiß nicht. Wenn wir tot am Boden liegen?«
Er schritt den Kreis ab, der ihnen zum Leben und Kämpfen geblieben war. »Und wenn wir tun, als wären wir tot? Solange wir noch Luft zum Atmen haben?«
»Er wird uns kaum glauben, wenn wir so tun, als wären wir tot. Oder?«, fügte sie nachdenklich hinzu. »Es sollte glaubhaft wirken. Aber er wird misstrauisch sein. Ich wäre es an seiner Stelle.«
»Wir kämpfen«, murmelte er, »einer fällt, der andere erstickt. Dann hebt er den Schild auf ... Er kann uns nicht hören, sagtest du? Dann würde er nicht mitbekommen, wenn wir uns zu etwas anderem verabreden. Zum Schein zu kämpfen und zum Schein zu sterben.«
Sie beobachtete sein Gesicht. Die Ruhe, die er ausstrahlte, war beinahe ansteckend. Die finstere Entschlossenheit seiner Züge ließ sie daran glauben, dass es Hoffnung gab. Anscheinend gaben Kriegermönche niemals auf.
»Einer bleibt übrig. Er wird den Schild erst aufheben, wenn er uns beide für tot hält. Also müssen wir uns gegenseitig töten.«
Der Zauberer hatte sie und den ersten Mönch wahrscheinlich beobachtet. Er wusste nicht, dass sie im Kampf nur Torlins eigene Stärke gegen ihn verwandt hatte. Je stärker ihr Gegner war, umso mehr schadete er sich selbst. Je mehr Kraft ihm sein Gott zur Verfügung stellte, umso verwundbarer wurde er.
Das galt auch für diesen Mönch. Der Zauberer glaubte bestimmt, dass sie dazu fähig war, ihn zu töten. Er hielt sie beide für stark, vielleicht für gleich stark. Ich bin eine mächtige Zauberin! Ja, hier komme ich, Malia, die gesegnete Kämpferin!
»Gegenseitig«, wiederholte sie. »Gleichzeitig. Geben wir ihm, was er will. Einen Schaukampf, der es in sich hat.«
Was für eine Ironie, Deiara. Soll so mein Tod aussehen – gebraten in einem Hexenkessel von Kraft?
»Ich bin nicht so leicht umzubringen«, murmelte der Mönch. »Was er vermutlich weiß.«
Mit gerunzelter Stirn betrachtete er die schimmernde Kuppel. Die weiße Gestalt war näher getreten, ein weißer, verschwommener Fleck jenseits ihres Gefängnisses.
Er konnte hier keine Schneemonster erschaffen oder Eisspeere formen. Stattdessen würde er, wie vorhin schon, Kraftwellen aus seinen Händen fließen lassen. Sie musste sich nicht einmal dagegen verteidigen. Die Stöße würden am Schild abprallen und in diesem Blitzgewitter aus Licht und Feuer würden sie sterben. Beide. Auch er. Oder? Was bedeutete es, dass er schwer zu töten war? Vorhin war er von dem Rückstoß zurückgeprallt und auf dem Hintern gelandet, er hatte gestöhnt und das Gesicht vor Schmerz verzogen. Er war verwundbar.
Was konnte ihn umbringen?
Schlimmer noch, selbst wenn es ihm nicht dauerhaft schadete, sie würde sterben.
Ein Schaukampf war unmöglich. Was auch immer sie taten, es würde ein echter Kampf daraus werden. Sie beide gegen die Kuppel. Gegen das Ersticken. Sie konnten ihrem Beobachter höchstens ein spannendes Schauspiel bieten oder ein tödlich langweiliges.
Der Mönch betrachtete die magische Kuppel. »Die Kraft hier einzusetzen ist Selbstmord.« Also hatte er die gleichen Gedankengänge verfolgt wie sie.
Sie lächelte unwillkürlich.
»Was?«
»Ich hätte nicht gedacht, dass man mit einem Kriegermönch vernünftig reden kann«, meinte sie. »Vielleicht kann ich die Königin ja doch davon überzeugen, Verhandlungen zu führen.«
Sein Lächeln verblasste. »Da gibt es nichts zu verhandeln. Wir lassen Le-Iva in Ruhe, wenn ihr Kopf über den Boden rollt.«
Sie schluckte den Zorn hinunter. Kämpfen, richtig und ernsthaft kämpfen, konnten sie später immer noch. Sie brauchte ihn, wenn sie hier raus wollte. So wie er sie brauchte.
»Ich habe eine Idee«, sagte er leise. »Ihr Gelingen hängt davon ab, wie viel er über Keiorons Gesetze weiß. Aber diese Sache ... eigentlich kann er es nicht wissen.«
»Was denn? Du machst mich neugierig.«
Er musterte sie mit einem merkwürdigen Blick. Sie konnte seinen Gesichtsausdruck nicht deuten. Ein ungutes Gefühl beschlich sie.
»Es wird dir nicht gefallen«, meinte er ernst. »Du musst dich mir hingeben.«