Leseprobe »Drachenjahr«
Endlich hat Juna die Prüfung zur Pilotin bestanden und darf sich Wächterin von Aibar nennen. Zusammen mit ihrem neuen Team von Turm 3-21 beschützt sie die Stadt Cunda vor den Drachen. Die Anzeichen verdichten sich, dass das nächste Drachenjahr kurz bevorsteht und ein gewaltiger Drachenschwarm über die Millionenstadt herfallen wird. Dann erscheint auch noch ein Raumschiff im Orbit. Die Morgenröte, die vor vierzig Jahren losgeschickt wurde, um einen bewohnbaren Planeten zu suchen, ist zurück und erklärt Cunda den Krieg. Dabei möchte Juna doch nur fliegen und ihre neue Chefin, die schöne Priesterin Riva, besser kennenlernen. Und die Liebe zu Nai vergessen. Eine Liebe, die tragisch endete. Denn Nai war ein Klon ...
Drachen. Raumschiffe. Eine lesbische Heldin. Klone. Telekinese. Mehr Drachen. Eine schöne Priesterin. Die Wüste. Der Mond. Und noch mehr Drachen.
Leseprobe: Kapitel 4 - »Im Sturm«
Nach unserer Schicht begleitete ich Bronan in die Küche. Ich hatte meine Meinung über ihn geändert – er war trotz seines brutalen Äußeren ein witziger Kerl, und er liebte die Draks. Außerdem hatte er uns zwischendurch etwas zu essen besorgt.
»Nun, wie war’s?«, fragte Schann, der dem Duft nach zu urteilen etwas Leckeres gekocht hatte.
»Ist nichts Besonderes passiert«, antwortete Bronan an meiner Stelle.
»Dem möchte ich widersprechen«, sagte Schann. »Der erste Arbeitstag ist immer etwas Besonderes.«
Bronan lugte in einen der Kochtöpfe, die auf dem Herd standen. »Ah, wunderbar, Süße. Du hast dich mal wieder selbst übertroffen.« Er setzte den Deckel wieder auf und ließ seine Hand zu Schanns Rücken wandern. Sanft strich er über seine Wirbelsäule.
Ich wandte den Blick ab. Für Bronan war Schann eine Frau. Und ich hatte keine Ansprüche. Niemand hatte alleinige Ansprüche an einen Zweier. Und er war nicht Nai. Nein, er war nicht Nai. Trotzdem konnte ich es kaum ertragen, als ich aus den Augenwinkeln wahrnahm, wie Bronan Schanns Haar zur Seite schob und ihn auf den Nacken küsste.
»Wolltest du mir nicht die Draks zeigen, Bruder Bronan?«
»Ja, natürlich.« Zu meiner Erleichterung ließ er von Schann ab, griff sich einen Apfel vom Tresen und öffnete die Hintertür, die in den Garten führte. Noch ein letztes ziemlich eindeutiges Zwinkern in Schanns Richtung. »Bis später, Kleines.«
»Bis später«, flötete Schann. Es klang reichlich ironisch, aber Bronan schien das nicht zu stören oder er merkte es nicht.
Oder, was noch wahrscheinlicher war, es war ihm egal.
Die Sonne stach mir ins Gesicht, sobald wir den Schutz des Turms verließen. Die drei Kampfvögel hätten mich geblendet, wenn sie nicht mit matter Tarnfarbe gestrichen gewesen wäre. An einigen Stellen war die Farbe abgeplatzt, und diese Flecken funkelten und glänzten, dass es kaum auszuhalten war.
»Das sind unsere Babys«, sagte Bronan stolz. »Elf, Tausendbiss und Schwarzfeder.«
Schon von Weitem war nicht schwer zu erkennen, woher die Flugmaschinen ihre Namen hatten. Elf war sandgrau und mit dunkleren Flecken bemalt. Die Nummer des Fluggeräts prangte deutlich sichtbar auf seiner linken Flanke. An der Leiter, die in den Bauch des Draks hinaufführte, stand ein Mann, den ich im ersten Moment für einen der zum Strafdienst verurteilten Verbrecher hielt. Er hatte einen Schraubenzieher oder so etwas Ähnliches in der Hand, mit dem er im geöffneten Brustkorb des Vogels herumschraubte.
»Kjanan. Schau mal, wen ich hier habe.«
Der Mann fluchte und drehte sich zu uns um. Er war mittleren Alters, hager und sportlich, sonnengebräunt, einer, der wie ein Abenteurer aussah und hier bestimmt unentbehrlich war, so nahe der Wüste.
»Das ist Wächterin Juna. Bruder Kjanan, Jäger und Aufspürer. Und ab und zu Mechaniker.«
Kjanan nickte mir zu, ohne sich die Mühe zu machen, freundlich zu wirken. Das war das sechste Teammitglied? Ich hatte mit einer weiteren Wächterin gerechnet, nicht mit einem Mann. Offenbar bekam Turm 3-21 den Ausschuss zugewiesen, den sonst niemand wollte.
»Guten Tag, Bruder Kjanan«, sagte ich kühl und verfluchte mich gleichzeitig für meine Vorurteile. Sicher kannte er sich mit den Drachen aus und wusste, wie man sie am besten bekämpfte. Dass er ein Mann war, hieß nicht automatisch, dass er kein guter Jäger sein konnte. Kjanan sah mich herausfordernd mit einem Blick an, der seine Überlegenheit verkündete. Ich zwang mich dazu, diesen Blick ungerührt zu erwidern.
»Alles in Ordnung?«, fragte Bronan. »Ist die liebe Elf wieder startklar?«
»Das ist sie«, knurrte Kjanan.
Er wirkte nicht gerade nett. Etwas an seinen stechend blauen Augen kam mir vage vertraut vor, doch in diesem Moment schob er sich seine Sonnenbrille tiefer ins Gesicht.
»Er ist nicht immer so unhöflich«, versicherte Bronan, der mich zum nächsten Drak führte. »Neue Leute, das ist sein Problem. Er mag keine Leute.«
»Dann sollten wir uns blendend verstehen«, meinte ich.
Bronan zögerte kurz, dann stieß er ein dröhnendes Lachen aus. »Die Dame hat Humor. Ha, der war gut!«
»Und das ist Tausendbiss?« Um das Thema zu wechseln, wies ich auf den nächsten Drak. Tausendbiss war kleiner als Elf, kaum größer als die Vögel, mit denen wir während der Ausbildung geflogen waren. Seine Bauchseite war von einem hellen, verwaschenen Blau und wies zahlreiche Beulen und Schrammen auf. Die Oberseite war wesentlich dunkler, braungrau mit schwarzen Streifen. Die aufgemalten spitzen Zähne an der Schnauze, denen der Drak seinen Namen verdankte, ließen ihn geradezu bissig aussehen.
»Unser kleines Kampfbiest«, verkündete Bronan fröhlich. »Als Himmel getarnt, wenn er sich von oben auf die Drachen herabstürzt. Wenn er von unten kommt, sehen sie ihn auch nicht. Und wenn er von vorne angreift, kriegen sie den Schreck ihres Lebens. Jedenfalls«, setzte er mit einem Grinsen hinzu, »ist es so gedacht.«
Das klang, als gäbe es viele Geschichten zu den Draks. Aber vielleicht wollte er sie lieber nicht erzählen. Ich hatte nicht vergessen, dass dieser Turm einen ungewöhnlich hohen Verschleiß an Fliegerinnen hatte.
»Und das hier ist Schwarzfeder, wie man sieht.«
Dieser Drak war der Größte der drei Flugvögel. Er war beinahe doppelt so groß wie Tausendbiss, seine Flügel hatten eine enorme Spannweite, jeder von ihnen war gewiss vier Meter lang. Er war nicht ganz schwarz; die Tarnfarbe wies nur ungewöhnlich viele schwarze Flecken auf, die durchaus Ähnlichkeit mit Federn hatten.
»Sie ist besonders gut für Einsätze bei Dunkelheit geeignet.«
»Sie?« Die meisten Draks trugen männliche Namen.
Bronan grinste und tätschelte Schwarzfeders Flanke. »Unsere unerschrockene Kriegerin. Leise, tödlich und eindeutig eine Dame.«
Ich sehnte mich danach, in einen dieser Vögel zu steigen und die Kraft seiner Flügel zu spüren. Wenn ich mich mit der Maschine verband, wurde ihre Stärke zu meiner eigenen, ein Gefühl, nach dem ich süchtig war.
Mein Begleiter schien die Sehnsucht in meinem Gesicht zu sehen, denn er grinste breit. »So dringend, ja?«
»Wann darf ich denn fliegen?«
»Das wird Riva entscheiden. Ich schätze, du darfst mit ein paar kurzen Übungsflügen beginnen und erst mal zeigen, was du kannst. Deine Berufung war ja nicht unumstritten.«
»Ach?«, fragte ich. »Ich dachte, ich wurde dem Turm zugewiesen?«
»Der Rat in Cunda hat dich vorgeschlagen, aber die Entscheidung liegt natürlich bei der Hohen Wächterin, wer hierher kommen darf und wer nicht. Da wir ein Team sind, spricht Riva mit uns stets die Kandidaten durch, bevor eine Entscheidung fällt.«
»Ihr habt über mich abgestimmt?«
»Riva hat die ausschlaggebende Stimme, aber ja, wir entscheiden gemeinsam. Schließlich müssen wir uns hier aufeinander verlassen können. Jeder von uns muss wissen, wem er sein Leben anvertraue.«
Das warf ein ganz neues Licht auf meine Brüder und Schwestern hier. Sie hatten mich ausgewählt. Sie hatten mich gewollt. Ein kleines Lächeln sprang auf meine Lippen.
»Ja, wir wissen, dass du schwierig bist«, fügte Bronan hinzu. »Rechthaberisch. Aufbrausend. Du kannst dich nicht fügen.«
»Und teamfähig bin ich erst recht nicht.«
Er grinste. »Deine Zeugnisse sind grauenhaft. Du bist nicht die Beste deines Jahrgangs, sondern die Schlechteste.«
»Warum habt ihr mich dann genommen?«
»Die Abstimmung ist sehr knapp zu deinen Gunsten ausgefallen. Wenn ich ehrlich bin, ich war mir nicht sicher, ob du zu uns passt. Aber dein Foto hat mich überzeugt.«
»Mein Foto?«, fragte ich entgeistert. Nicht meine Flugkunst? Meine Kompetenz? Mein Durchhaltevermögen?
»Ja, du bist echt hübsch. Und du hast tolle Haare. Da stirbt es sich doch gleich viel leichter.«
Das ungewöhnliche Kompliment machte mich erst einmal sprachlos. »Ernsthaft?«
Er öffnete den Mund – um seine Äußerung zu einem Witz zu erklären, wie ich hoffte. Doch bevor er etwas sagen konnte, unterbrach uns ein schriller Ton, der vom Turm ausging. Er war so laut, dass es in den Ohren schmerzte.
Verwirrt blickte ich mich um. In Bronans Augen glomm ein irres Funkeln auf.
»Was bedeutet die Sirene?«, schrie ich. »Ein Drachenangriff?«
»Schlimmer«, brüllte er zurück. »Ein Sturm!«
Ich rannte hinter Bronan zum Turm zurück. Was war mit Kjanan, brachte er sich nicht in Sicherheit?
»Was für ein Sturm?«, rief ich, als sich die schwere Tür hinter uns schloss und Bronan die Treppe hinaufeilte, wobei er immer mehrere Stufen auf einmal nahm. »Ein Gewitter?«
»Ein Sandsturm. Du musst so schnell wie möglich die Signale auswendig lernen.« Er stürzte in den Überwachungsraum, wo die anderen sich vor den Monitoren versammelt hatten. Alle waren da und sahen höchst alarmiert aus. Ich konnte die Anspannung spüren, die fieberhafte Aufregung, die jede Wächterin und jeden Jäger erfasst hatte. Mein Blick wanderte zu den Überwachungsbildschirmen, aber ich konnte nichts Beunruhigendes darauf erkennen – höchstens eine winzige Schattierung am Horizont.
Riva erteilte Anweisungen und unterbrach sich, als wir hereinplatzten. »Bronan, ihr kommt von draußen? Sind alle Draks bereit?«
»Kjanan sagt, die Elf ist wieder einsatzbereit.«
»Gut. Dann los. Karya, du fliegst mit Bronan. Megin, du und Kjanan. Ich fliege mit Juna. Belte, dir gehört die Überwachungsanlage.«
»Ich bleibe hier?«, fragte Belte ungläubig.
»Wir brauchen jemanden, der im Turm bleibt. Ende der Diskussion, wir müssen sofort los. Juna, du kommst mit mir.«
Der Schatten auf dem Monitor bewegte sich auf die Grenze zu, die deutlich zu erkennen war. Während die anderen davonstürzten, blieb ich benommen stehen.
»Worauf wartest du?«, blaffte Riva mich an. »Los, wir müssen schneller sein als der Sturm!«
Ich schüttelte die Panik ab, die mich plötzlich überkommen hatte, und rannte hinter ihr her zur Treppe.
Als wir bei den Draks ankamen, hob Tausendbiss bereits ab. Megin und Kjanan schlossen gerade die Luke der Elf. Für uns blieb der große Vogel übrig.
»Rein, na los!«, befahl Riva.
Sie fragte mich nicht, ob ich Angst hatte. Oder ob ich mir einen gemächlicheren Einstieg in mein neues Leben gewünscht hatte. Sie ermutigte mich nicht und versuchte auch nicht, mich zu beruhigen. Sie erteilte einfach bloß Befehle.
»Nimm deine Position ein. Irgendein Problem?«
»Nein«, krächzte ich, während ich mich auf der Liege ausstreckte und die Hände in die Halterungen schob. Es gab keinen Helm, der die Verbindung erleichtert hätte, doch den brauchte ich auch nicht. Sobald ich ihn mit meinem Geist erfüllte, erwachte der Drak zum Leben und ich konnte ihn bis in die Flügelspitzen spüren. Die Energie summte in den beiden Motoren, und wenn ich mich noch tiefer hineinversenkte, konnte ich die Hitze spüren, die der Vogel während des langen Sonnentages in sich aufgenommen hatte. Die Beschichtung der dunklen Flügel hatte die Kraft der Sonne getankt; es war wie eine Glut, die nun darauf wartete, zu einem lodernden Feuer zu werden.
Schwarzfeder fühlte sich anders an als jeder Schulungsdrak, den ich während meiner Ausbildung geflogen hatte. Sie vibrierte vor Erwartung. Sie war stark und schnell und angriffslustig. Ich schloss kurz die Augen, um mich noch enger mit der Maschine zu verbinden.
»Wir müssen aufsteigen«, sagte Riva. »Sofort, bevor der Sturm hier ist.«
Ich öffnete die Augen wieder und bewegte die Flügel. Der Vogel gehorchte meinem Willen ohne Schwierigkeiten. Ich riss ihn hoch und stieg steil auf. Am Horizont war eine dunkle Linie zu erkennen, die sich in atemberaubender Geschwindigkeit näherte.
»Wohin?«, fragte ich, denn ich konnte die anderen Draks schon nicht mehr sehen.
»Wir müssen über die Staubwolken und mit ihnen fliegen. In der Wolke können die Instrumente die Drachen nicht orten.«
»Die Drachen fliegen im Sturm? Wie das?«
»Sie haben ein zweites Augenlid, das ihre Augen vor dem Sand schützt, und sie können ihre Nüstern verschließen. Sie fliegen blind, aber irgendwie können sie sich orientieren, und hin und wieder nutzen sie den Sturm, um über die Grenze zu gelangen.« Riva schien zu merken, dass sie in einen dozierenden Ton verfiel. »Aber jetzt los!«
Während wir höherstiegen, erreichten uns die ersten Ausläufer des Sturms. Die Sicht verschlechterte sich, ich konnte hören, wie der Sand gegen die Außenhaut des Draks peitschte. Mit kraftvollen Flügelschlägen brachte ich uns aus der Wolke heraus. Hier oben herrschte strahlender Sonnenschein. Nun konnte ich auch die anderen beiden Draks sehen, die rechts und links von uns ihre Positionen bezogen hatten. Tausendbiss winkte mit den Flügeln, Elf flog ruhig und gleichmäßig.
»Langsam. Wir bleiben ein Stück zurück«, sagte Riva.
Zusammen bildeten wir nun ein großes V, mit Schwarzfeder in der Mitte. Die Staubwolke walzte vorwärts und verhinderte die Sicht nach unten. Immer wieder gerieten wir in rötlichen Staubnebel. Ich war noch nie so hoch geflogen und konnte spüren, wie der Drak die Sonnenhitze trank. So musste es sein, über dem Meer zu fliegen. Das Land unter uns war verschwunden, der Turm nichts als eine Erinnerung. Es schien beinahe unwirklich, dass wir gerade noch selbst da unten gewesen waren, wo alles in rotem Staub verschwand.
Dann spürte ich etwas Großes unter uns, eine Präsenz, die mächtig und tief zugleich war – etwas, das meinen Geist zu verschlingen drohte, wenn ich ihm weiter nachspürte. Der Drak geriet aus dem Takt, verlor an Höhe, wir tauchten in die Schwaden.
»Was machst du denn?«, rief Riva, und da erschien etwas Dunkles vor uns in der Staubwolke. Seine Umrisse waren nur zu erahnen. Es war größer als wir, schwarz, seine Schwingen schienen von einem Ende der Wolke zum anderen zu reichen.
Erst als Riva feuerte, erinnerte ich mich daran, warum wir hier waren. Das Ungetüm brüllte und warf sich herum. Etwas traf den Drak, wir gerieten ins Schlingern. Ich kämpfte darum, die Balance zu halten, während ich einen schrecklichen Moment lang nicht wusste, wo oben und wo unten war. In der Wolke spielten die Instrumente verrückt, die Anzeigen konnten nicht stimmen. Ich wandte den Blick von der Armatur ab, doch hinter der gewölbten Scheibe des Cockpits war nur rötlich angehauchte Dunkelheit.
»Bring uns nach oben«, sagte Riva mit ruhiger Stimme. »Vergiss den Drachen, bring uns nur hier raus.«
Ihr ruhiger Tonfall besänftige die Panik, die mich überkommen hatte, ein wenig, doch es half mir nicht wirklich weiter. Der Sturm hatte uns erfasst, das Prasseln des Sandes auf der Sonnenhaut fühlte sich an wie tausend Nadelstiche. Ich konnte nicht schreien, mein Mund war voller Sand, ich konnte nicht atmen ...
Eine Hand auf meiner Schulter. Gegen alle Vorschriften musste Riva ihren Platz im hinteren Teil des Draks verlassen und nach vorne gekrochen sein. »Löse die Verbindung«, befahl sie. »Du bist zu tief drin. Geh raus, Juna!«
»Dann stürzen wir ab«, krächzte ich, während der Sand tiefer in meinen Mund und meine Nase drang, meine Lunge füllte. Dunkelheit zog an den Rändern meines Bewusstseins auf.
»Wir sind hoch genug. Löse die Verbindung. Sofort. Das ist ein Befehl!«
Ich konnte nicht. Es war unmöglich, sich hier oben, in der Luft, im Sturm, im Sand, in all dem Chaos, das um uns tobte, von dem Vogel zu lösen. Doch da war ihre warme Hand auf meiner Schulter. Eine Empfindung, die stärker und echter war als der Sand, den ich zu spüren glaubte.
»Juna«, sagte sie. »Jetzt.«
Und ich tat es. Ich zog meinen Geist zurück, wie ich es gelernt hatte. Man beendete die Verbindung, bevor man die Hände aus den Halterungen zog. Doch diesmal ließ ich meine Hände, wo sie waren. Ich war wieder bloß ich. Eine Pilotin, die in einem Drak lag, der wild kreiselnd vom Sturm hin und her geweht wurde. Riva hielt sich krampfhaft an den Halterungen an der Wand fest.
»Das hast du gut gemacht. Und jetzt übernimmst du wieder die Kontrolle.«
Erneut tauchte ich in den Drak ein, fand die Verbindung zu seinen Flügeln, zu seinem Wesen. Der Sand toste um mich herum, schmirgelte die Sonnenhaut ab, schliff die Flügel, prasselte gegen die Scheiben. Der Wind schaukelte uns, warf uns hin und her, aber wenigstens fielen wir nicht haltlos. Ich zog die Flügel an, um ihm weniger Angriffsfläche zu bieten, und das Gefühl des Fallens fuhr mir in den Magen. Wir wurden herumgeschleudert, fielen trudelnd, wurden vom Sturm wieder emporgetragen. In meinen Gurten war ich sicher, ich konnte nur hoffen, dass auch Riva sich wieder angeschnallt hatte. Da die Anzeigen immer noch verrücktspielten, hatte ich keine Ahnung, wie nah wir dem Boden waren.
Langsam breitete ich die Flügel aus, um den Aufprall abzudämpfen, und schon ging ein Ruck durch den Drak. Wir drehten uns, prallten erneut auf, wurden vom Sturm über die Erde geschoben und blieben dann liegen. Ganz kam der Vogel nicht zur Ruhe. Der Wind rüttelte an uns, ließ den Drak ein paar Mal hüpfen, wir überschlugen uns, und das Knirschen des Metalls war in diesem Moment lauter als das Brüllen des Sturms. Ich kam nicht dazu, mich nach Riva umzublicken, sondern zog langsam meinen Geist aus den Verästelungen des metallenen Vogelkörpers zurück.
In meinem Kopf pochte ein heftiger Schmerz. Meine Arme zitterten, als ich sie aus den Halterungen löste und mich aufsetzte, und meine Beine ließen sich kaum bewegen. »Riva? Hohe Wächterin?«