Sherry musterte misstrauisch das sogenannte Fischhaus, einen Kasten aus Holz und Aluminium, der nicht einmal die Größe eines Pick-ups besaß.
Sie stand mit ihrem Freund Josh hundert Meter vom Ufer entfernt inmitten einer Ansammlung ähnlicher Hütten. Die beiden waren zu Fuß über den See gegangen, aber in der Nähe parkten zahlreiche Autos. Sie traute dem Eis nicht und fürchtete einzubrechen.
»Ist das auch wirklich nicht gefährlich?«, fragte sie.
»Die Eisschicht ist bestimmt einen halben Meter dick«, versicherte Josh ihr.
Sherry sah auf den See hinaus. Hinter den Bäumen verbreiterte sich Hell’s Lake zu einer großen offenen Fläche. »Was bedeuten die Flaggen da draußen?«
»Da ist das Eis dünner«, erklärte Josh. »An vielen Stellen ist das Eis nicht sicher. Manchmal gibt es unter der Oberfläche Strömungen von Bächen, oder von irgendwoher läuft wärmeres Wasser in den See. Oder das Eis taut so oft an und gefriert wieder, dass es rissig wird.«
»Das Ding geht doch hoffentlich nicht unter.«
»Bestimmt nicht. Ich würde nicht gerade mit dem Auto zu Flaggen rausfahren, aber hier ist alles in Ordnung. Ich schwör’s.«
Sherry verdrehte die Augen. »Lass uns reingehen.«
Es war eisig kalt. Sie trug einen weißen Daunenmantel mit Puffärmeln, den sie nicht ausstehen konnte, weil sie darin wie das Michelin-Männchen aussah. Aber es war ihr einziger Wintermantel. Der Reißverschluss stand halb offen, so dass der rosa Rolli zu sehen war, den sie darunter trug. Um den Kopf trug sie ein Fleeceband, das ihre Ohren schützte, aber ihre blonden Locken flatterten im Wind. Auf der hinteren Tasche ihrer Guess-Jeans waren mit Glitzerfaden ihre Initialen eingestickt, und ihre Füße steckten in warmen Lammfellstiefeln.
Sie konnte sich einfach nicht an das Wetter in Minnesota gewöhnen. Sherry stammte aus Kalifornien, in San José geboren und aufgewachsen. Zu ihrem Entsetzen hatte ihr Vater als Finanzvorstand zu einem Flugzeugbauer in Duluth gewechselt. Sie war achtzehn Jahre alt, und anstatt ihr letztes Highschooljahr mit ihren Freunden zu Hause zu verbringen, saß sie nun im Kühlschrank der Nation fest und versuchte, sich mit einer Horde von Hinterwäldlern anzufreunden.
So sah sie auch Josh. Er war Footballspieler, massig und nicht der Schlauste. Dafür war er fast einen Meter neunzig groß und sah aus wie ein skandinavischer Gott. Sie waren ein schönes Paar.
Josh öffnete das Vorhängeschloss am Fischhaus und ließ sie herein. Sherry kam sich in der fensterlosen Dunkelheit vor wie in einer sibirischen Gefängniszelle. Er zündete eine Öllampe an, die ein Sperrmüllsofa und ein paar Holzstühle aus dem Großmarkt beleuchtete. Drinnen war es auch nicht wärmer als draußen. Der Wind fegte durch die Aluminiumwände, als gäbe es sie gar nicht.
»Wird’s hier irgendwann wärmer?«
»Ich schalte den Heizofen ein«, sagte Josh.
Sherry schlüpfte aus ihrem Mantel. »Du willst nur meine Brustwarzen sehen.« Sie folgte seinem Blick auf ihren Rolli. »Hat wohl geklappt. Die Dinger sind steinhart.«
Sie rieb sich energisch die Arme und stampfte mit den Füßen. Der klaustrophobisch kleine Raum stank nach Fisch, und in der Mitte war ein großes kreisrundes Loch ins Eis geschnitten. Dreißig Zentimeter unter ihnen schwappte trübes Matschwasser.
»Wie habt ihr das denn gemacht?«, fragte sie.
»Mit der Benzinbohrmaschine«, sagte Josh und deutete auf ein Gerät, das aussah wie ein Außenbordmotor mit einem sechzig Zentimeter langen schwarzen Bohrer, dessen Gewinde von Rostflecken bedeckt war.
»Das ist ja wie im Horrorfilm«, sagte sie. »Du schneidest mich doch hoffentlich nicht in kleine Stücke?«
»Nein!«
Sherry lachte. »Das war ein Witz. Außerdem zieht sich das Mädchen in solchen Filmen immer erst aus, bevor es ermordet wird, und das tue ich hier nicht.« Josh wirkte enttäuscht. »Also gut, vielleicht ein bisschen.«
Bei eingeschaltetem Heizofen war die Temperatur im Fischhaus durchaus erträglich. Sherry sah zu, wie Josh einen Haken an einer Angelleine befestigte und die Leine im Eisloch versenkte. Dann lehnte er die Angelrute an einen umgedrehten Stuhl und holte ein Glöckchen aus der Tasche, das er mit einem Faden an der Leine befestigte.
»Wofür ist denn das?«, fragte sie.
»Wenn ein Fisch anbeißt, zieht er an der Leine und bringt das Glöckchen zum Klingeln.« Er tippte mit der Hand dagegen, um es ihr zu demonstrieren.
»Süß.«
Josh holte einen iPod und tragbare Lautsprecher aus seinem Rucksack. Er wählte ein Album von den Black Eyed Peas, und Sherry fing an, zu Fergies fetzigen Rhythmen mitzuwippen.
»Lasst die Party beginnen«, sagte er, wobei er mit verheißungsvollem Lächeln zwei eiskalte Dosen Miller Lite zutage förderte.
Sherry gönnte sich einen kräftigen Schluck, aber das Bier war so kalt, dass es ihr fast im Hals stecken blieb. Sie hielt die Dose mit zwei Fingern, während sie die Hüften kreisen ließ und mit den Armen die Konturen ihres Körpers nachzeichnete. Je mehr sie tanzte und trank, desto wärmer wurde ihr und desto attraktiver erschien ihr Josh.
Sie winkte ihn mit dem Finger zu sich auf das Sofa. Seine Hände wanderten über ihren Rücken. Dann küsste er sie ungeschickt. Seine Zunge klebte an ihrem Gaumen wie eine Nacktschnecke. Sie fühlte, wie er vorsichtig nach einer Brust griff. Als sie nicht protestierte, packte er fester zu. Ein leises Stöhnen entrang sich ihm.
Sie löste sich von ihm und zog ihren Rolli Zentimeter für Zentimeter nach oben, bis ihr flacher Bauch und die birnenförmigen Brüste sichtbar wurden. Josh fielen fast die Augen aus dem Kopf. Nun wandte sie sich seinem Gürtel zu, löste die Schnalle und öffnete den Reißverschluss. Sie griff in die weiße Unterhose und holte sein Ding heraus.
Seine Augen schlossen sich. Er war im siebten Himmel.
Klingeling.
Die Angelleine zuckte. Die Angelrute wackelte und kippte auf das Eis.
»Moment«, sagte Josh und schwang die Beine vom Sofa.
»Das ist doch wohl nicht dein Ernst«, sagte Sherry.
»Hilf mir!« Josh zerrte an der Leine. Die Jeans hingen ihm um die Knöchel, und sein Penis stand immer noch stramm in die Höhe.
Sherry seufzte. »Genau das hatte ich vor. Pass auf, dass du dir nicht dein Ding abschneidest.«
Er kämpfte ein paar Minuten lang mit dem Fisch, bis er ihn dicht unter der Oberfläche hatte.
»Nimm die Rute und halt sie senkrecht«, sagte er.
»Auch das hatte ich ... Ach, vergiss es.« Sie nahm die Angelrute und hielt sie, während Josh Handschuhe anzog und in das Loch fasste.
»Hol die Leine weiter ein«, wies er sie an.
»Ich bin doch nicht Supergirl! Das Ding ist schwer.«
Sie kurbelte, aber die Leine fühlte sich an, als hätte sie einen Anker am anderen Ende hängen.
»Ich hab’s fast«, sagte er.
Plötzlich jaulte er auf, kreischte wie ein Mädchen und purzelte rücklings auf das Eis. Seine Erektion fiel in sich zusammen. Auf allen vieren krabbelte er vom Loch weg.
Etwas Schwarzes tanzte auf dem Wasser wie ein Korken. Sherry kurbelte weiter und schob sich angewidert, aber neugierig an das Ding heran.
Zu ihren Füßen schwamm verklebtes schwarzes Haar auf dem Wasser. Unsichtbare Gase verbreiteten einen ekelhaften Fäulnisgeruch. Sie schlug die Hände vors Gesicht. Durch die gespreizten Finger erkannte sie einen absurd angeschwollenen, schneeweißen menschlichen Kopf, der über das Eis ragte. Der restliche Körper hing noch fest. Die Haut war von Schlamm und Unkraut verklebt, die Augen standen offen, waren aber trüb wie Murmeln. Durch das Plätschern und Gurgeln des Wassers hörte es sich an, als wollte der tote Kopf sprechen. Holt mich raus, holt mich raus, holt mich raus.