Mit einem PLOPP hatte die klebrige Transportmöglichkeit Tom aus ihrer thaumaturgischen Umarmung entlassen und er landete unsanft auf dem Hosenboden.
»Ohhh … oh Gooooottt … is mir schlecht … muss mich kurz hinlegn … örks …«, stöhnte er und ließ sich einfach zur Seite fallen.
Mit der linken Gesichtshälfte im Wüstenstand angekommen, öffnete er vorsichtig sein rechtes Auge und sah sich um.
Es war Nacht und trotzdem konnte er dank des hellen Mondlichts alles um sich herum erkennen. Eigentlich hatte er sich eine ›Sahara‹ anders vorgestellt, aber andererseits hatte Dada diesen Ort ja auch als ›die schwarze Wüste‹ bezeichnet.
Tom lag auf gelbem Sand und kleinen, schwarzen Steinchen. Der Berg direkt vor ihnen sah tatsächlich aus wie ein schwarz verbranntes Soufflé, das erst übergelaufen und dann plötzlich erstarrt war. Allerdings war dies nicht die einzige Erhebung – überall um ihn herum fanden sich unterschiedlich große Hügel aus schwarzem Stein und Geröll. Nein, hier wollte man nicht allzu lange verweilen, außer man interessierte sich brennend für puddingförmige Gesteinsformationen.
Neben Tom war Vlarad bereits aufgestanden, straffte nun die Schultern und strich den Gehrock glatt.
»Wunderbar«, sagte er zufrieden. »Direkt vor uns liegt der Gebel el Marsus. Nicht weit von hier muss Dada in dieser ominösen Öffnung verschwunden sein.«
Welf trat hinzu und reckte prüfend die Nase in die Wüstenluft. »Okay, ich schnüffel ihr mal nach.«
Tom stöhnte hingebungsvoll. »Wie könnt ihr direkt nach der Reise mit dem Kotz-O-Bampf so schnell so fit sein?«
»Sind wir nicht, Junge«, antwortete Vlarad würdevoll. »Wir haben nur genügend Disziplin.«
»Ich werd den Teufel tun und euch zeigen, wie beschissen es mir geht«, grummelte Welf und schnüffelte dabei weiter nach Anzeichen von Dada.
»Und du, Hop-Tep? Warum … w… Hop-Tep?« Verwundert rappelte sich Tom auf und drehte sich einmal um seine eigene Achse. Von der Mumie war nichts zu sehen. »Vlarad, wo ist er?«
In diesem Moment bremste Mimi direkt vor ihnen und deutete aufgeregt in Richtung des Bergmassivs: »Hallo, Leute! Ihr werdet es nicht glauben, aber Hop-Tep hat uns angeschwindelt! Als ich hierher geflogen bin, hab ich unter mir Hop-Tep gesehen – aber auf der anderen Seite vom Berg! Ich hatte einen irren Speed drauf, und bis ich abgebremst hatte, war ich auch schon über den Hügel drüber und bei euch auf der Westseite gelandet.«
»Na klar …«, seufzte Tom und schüttelte den Kopf.
»Er will Dada alleine retten, ohne uns der Gefahr auszusetzen.«
»Ganz recht«, stimmte ihm der Vampir zu.
»Also dann, latschen wir mal los, oder?«, grummelte Tom.
»Ist schließlich eine schöne Wanderung von hier bis auf die andere Seite von dem Beaaaaaahhhh…!«
Von einer Sekunde auf die nächste raste die Landschaft an Tom vorbei und sah aus wie ein schwammiger Streifen gelb-schwarzer Kaugummi, den man auf mehrere Kilometer gedehnt hatte. Irgendwo über Tom ertönte ein schriller Schrei und Tom wusste, dass sich der Vampir in Fledermausgestalt über ihnen befand. Er selbst klemmte wie ein Softball in einer Schraubzwinge in den Armen des Werwolfs. Zweifellos war Mimi schon längst auf der anderen Seite des Berges und auch Wombie würde da sein, wenn sie angekommen waren. Wie der Zombie es anstellte, so schnell von einem Ort zum anderen zu gelangen, war sein Geheimnis. Tom hatte noch nie gesehen, dass sich Wombie wirklich einmal schnell bewegt hätte. Das Einzige, was er mitbekam, waren die Ergebnisse: Wombie war plötzlich da. Oder Wombie hatte plötzlich etwas in der Hand, das er eben noch nicht gehabt hatte. Oder es ertönte ein »Rumms« und vor Wombie lag jemand bewusstlos herum. Fakt war: Der Zombie konnte sich sehr schnell bewegen, wenn er wollte. Er wollte nur extrem selten und am liebsten dann, wenn ihm keiner dabei zusah.
»El Marsus, Ostseite – Endstation, alles aussteigen bidde«, ließ sich Welf schließlich vernehmen und bremste so abrupt, dass Tom kurz die Luft wegblieb.
Mimi begrüßte die beiden ungeduldig. »Na hallo, ihr beiden, das hat aber gedauert.«
Welf hob Tom ein paar Zentimeter hoch und schüttelte ihn vorsichtig, damit dieser seine krampfhaft angezogenen Beine ausklappte. »Junge, fahr doch mal dein Laufgestell aus, damit ich dich loslassen kann … soo …«
Kaum hatte der Werwolf ihn losgelassen, war Tom auch schon wieder zusammengeklappt.
»Hm. So schlimm?«, fragte Welf für seine Verhältnisse beinahe besorgt.
»Naja … vorhin war mir schlecht …«, begann Tom.
»Und jetzt?«
»Jetzt ist mir kotz-spei-graus-würg-mega-übel-hoch-Tausend-Millionen … blärch.« Tom unterdrückte ein weiteres Stöhnen und schloss die Augen, nur um festzustellen, dass ihm dadurch noch schwindeliger wurde. »Wo ist denn Vlarad?«, erkundigte er sich matt.
»Der hat es vorgezogen, sich hinter dem Felsen da drüben zurückzuverwandeln«, antwortete Mimi grinsend und schwebte auf Tom zu. »Ich denke, er wird jeden Moment wie aus dem Osterei gepellt rauskommen und sich dabei betont überflüssig das perfekt sitzende Halstuch richten.«
»Ja, vermutlich hast du recht.« Tom hätte Mimi nicht beim Heranschweben beobachten sollen. Nun baute sich eine erneute Kotz-spei-graus-würg-mega-Welle in ihm auf und drohte, tosend über ihm zusammenzuschlagen. Er bemühte sich um einen betont beiläufigen Tonfall, als er fragte: »Stört euch das, wenn ich hier solange noch herumliege und ein bisschen vor mich hinstöhne?«
»Nö, mach nur«, antwortete Welf ungerührt.
»Danke … ohhh … mein Magen … mein Hirn … oder was davon übrig iiiissst … ohhhh … Leid, Jammer, Würg … ohhh …«
»Guten Abend zusammen«, übertönte ihn die sonore Stimme des Vampirs.
»Nabend.«, stieß Tom zwischen zwei Stöhnern hervor. »Dein Halstuch ist verrutscht.«
Vlarad blinzelte nicht einmal. »Nein, ist es nicht.«
»Nein, ist es natürlich nicht«, seufzte Tom. Dann stemmte er seinen Oberkörper mühsam hoch. »Haha, seht her, ich sitze aufrecht.«
»Applaus«, kommentierte Welf trocken.
Tom setzte ein schiefes Grinsen auf. »Danke. Manchmal frag ich mich, warum ihr mich bei solchen Missionen überhaupt dabeihaben wollt. Entweder mir ist schlecht oder ich geh kaputt oder man muss mich retten oder …«
»… oder du rettest einen von uns«, unterbrach ihn Vlarad mit undurchdringlicher Miene.
»Oder uns alle«, ergänzte Welf. »Gehn wir jetzt?«
Tom lachte trocken auf. »Gehen? Du meinst so wie ›stehen und dann ein Bein vors andere setzen‹? Ich … weiß nicht, ob ich das schon hinkriege …«
Mimi schwebte besorgt an Toms Seite. »Welf, warum schnüffelst du jetzt nicht erst einmal alleine hinter Dadas Lederschweißnote her und Tom kann hier solange noch ein bisschen auf dem Boden rumjammern.«
»Hm. Okay«, knurrte Welf. Schnüffelnd bewegte sich der Werwolf vorwärts, tat einmal einen Schritt in die eine, dann in die andere Richtung, bis er eine Witterung aufgenommen zu haben schien.
Mimi betrachtete Tom besorgt. »Hast du denn was zu trinken dabei, Tom?«
»Ja … in meinem Rucksack … ich …«, presste Tom hervor und versuchte erneut aufzustehen. Doch Mimi war schneller. »Ich mach schon.« Das Geistermädchen sauste zum Rucksack, suchte kurz darin herum, nahm die Trinkflasche heraus und hielt sie Tom dann bereits geöffnet entgegen. »Hier. Ups!« In diesem Moment entglitt Mimi die Flasche, rutschte durch ihre grünschimmernden Finger hindurch und wäre beinahe zu Boden gefallen, doch Tom schnappte sie sich im letzten Moment. »Hab sie. Danke.«
»Manchmal geht das am Anfang so gut, dass ich dann vergesse, mich zu konzentrieren«, seufzte Mimi.
Tom lächelte schwach. »Ich find immer noch unglaublich, dass es überhaupt geht.«
Mimi lächelte dankbar zurück. »Jetzt trink«, bat sie ihn sanft.
Tom hob die Flasche an die Lippen und nahm einen tiefen Schluck, dann noch einen und noch einen weiteren zur Sicherheit, bis es ihm tatsächlich besser ging. Schließlich stellte er die Flasche neben sich in den Sand.
Da wedelte Mimi mit einem Mal hektisch mit beiden Händen vor seinem Gesicht herum und rief: »Hey, nicht neben das Steuerpult!«
Erschrocken riss Tom die Flasche sofort wieder hoch. »WAS!? Ah!«
Mimi prustete los und Tom begriff, dass er dem Geistermädchen auf den Leim gegangen war. »Oh Mann … echt jetzt?« Mimi kicherte haltlos. Mit gespielter Empörung sah Tom seine Freundin an. »Wie gemein!« Mimi zuckte mit den durchsichtigen Achseln: »Tja, Gespenster – so sind’se. Aber leider kann ich die Flasche nicht mehr zurück in den Rucksack packen, das dauert ja immer ein bisschen, bis ich wieder was festhalten kann.«
Tom winkte heroisch ab. »Kein Problem, das krieg ich glatt allein hin. Sieh her!«
»Wow! Dieser Typ ist mein Freund!«, feixte Mimi.
Lachend zog Tom den Rucksack zu sich. »Yeah, macht allein nen Rucksack auf, Bäm! Tut ne Flasche rein! Boom! Steht dann auf, geht einen Schritt und faaaahhhhhh…«