Gabe
Sie hatten noch am gleichen Abend einen Neoprenanzug für Austin gekauft, sodass er am nächsten Morgen in voller Montur am Seeufer erschien, und sie zusammen Gabes übliche Trainingsstrecke schwammen.
Gabe war es gewohnt, allein zu schwimmen, weshalb er einen Moment brauchte, bis er realisierte, dass ihm Austins Begleitung mit jedem Mal besser gefiel. Austin schien auch an Tempo zugelegt zu haben, was die Sache wirklich spaßig machte.
Als sie nach einer Stunde wieder aus dem Wasser stiegen wurde Gabe klar, dass er noch nie
mit jemand anderem trainiert hatte. Andrew hatte nur wenig Zeit gehabt, und die hätte er ganz sicher nicht beim Sport mit ihm verbracht.
Im Nachhinein war Gabe klar geworden, das er so viele Dinge früher hätte hinterfragen müssen. Andrew, der sich partout weigerte, mit Gabe zusammenzuziehen und sein eigenes kleines Appartement in der Nähe der Schule, in der er unterrichtete, aufzugeben. Seine tagelange Abwesenheit – über Jahre. Dass sie sich nur selten bei Andrew getroffen hatten, dass Gabe nie
Andrews Familie kennengelernt hatte. Die Feiertage, die sie stets getrennt verbrachten. Es hatte so viele Situationen gegeben, in denen er viel misstrauischer hätte sein müssen. Hätte er nur besser aufgepasst, hätte er viel früher bemerkt, dass Andrew irgendwo noch ein anderes Leben führte.
Stattdessen hatte er all seine Energie in die Planung ihrer gemeinsamen Zukunft gesteckt. Er hatte nach Wohnungen und Häusern für sie gesucht, in denen er sich vorstellen konnte, mit Andrew alt zu werden. Er hatte die Enttäuschung heruntergeschluckt, wenn Andrew mal wieder nicht zu einem Besichtigungstermin erschienen war, oder wenn er Gabe eine Wohnung ausgeredet hatte, für die er Feuer und Flamme gewesen war. Irgendwann hatte er aus Verzweiflung einfach ein Haus gemietet und dafür einen riesigen Streit mit Andrew ausgelöst, weil der sich in die Ecke gedrängt und übergangen gefühlt hatte.
Also hatte weiter gewartet. Geduldig, dumm. Er hatte darauf gewartet, dass Andrew ihm einen Platz in seinem Leben einräumte, dass er sich ihm öffnete und irgendwann dazu bereit wäre, einen Schritt weiterzugehen. Zusammenziehen, eine Hochzeit, Kinder. Er hatte gewartet, und ohne es zu bemerken, waren zehn Jahre vorübergegangen.
Gabe hatte gewartet, gewartet, gewartet, und was war ihm am Ende geblieben? Sein Leben, fragil wie eine Seifenblase, das mit all seinen Träumen einfach so zerplatzt war. Zurück blieb nur der unangenehme, feuchte Film der Seife, ein letzter Rest, der ihn daran erinnerte, was mal gewesen war.
Gabe verabredete sich nach seiner Schicht im Marriotts
mit Austin zum Laufen, und das war es, was sie die nächsten Tage taten. Sie schwammen und sie liefen. Meistens kam Austin einmal am Tag vorbei und holte sich einen Kaffee ab, unterhielt sich eine Weile mit ihm. Es fühlte sich mit jedem Tag mehr wie eine Freundschaft an.
Was sie nicht taten, war reden. Kein einziges Mal erwähnte einer von ihnen noch den Kuss auf der Treppe, auch wenn Gabes Körper jedes Mal anfing zu kribbeln, wenn er daran dachte. Auch wenn er manchmal heimlich Austins Mund betrachtete und sich wünschte, ihn nochmal küssen zu können. Nüchtern. Kein Bier, kein Rausch, nur ihre Lippen und ihre Zungen und sie beide.
Aber dann sah er schnell weg, weil sexuelle Anziehung nichts und Austin und sein Lebensstil all das waren, was er hinter sich lassen wollte. Er war für Andrew nicht mehr als eine Ablenkung gewesen und er würde auch für Austin nichts anderes sein.
Als Austin am Freitagmittag ins Diner kam, vibrierte sein gesamter Körper. Seine Augen leuchteten und seine Haut glühte.
»Was ist passiert? Bist du krank?«
»Bin ich nicht.« Austin versuchte, nicht mehr zu grinsen, doch ganz offensichtlich war es ihm unmöglich, damit aufzuhören.
Gabe legte den Kopf schief, er musste lächeln. »Was ist los? Es ist unheimlich, wie du mich ansiehst.«
»Kannst du heute Abend zu mir kommen? Ich will dir etwas zeigen.«
»Zu dir?«
»Zu Jake und Ethans Haus.«
»Was ist dort?«
»Das wirst du dann sehen.« Austin trommelte mit den Fingerspitzen auf das Holz der Theke, er schien nicht stillsitzen zu können, weshalb Gabe schließlich nickte. »Also gut.« Er stellte den fertigen Kaffee vor Austin auf den Tresen. »Du hast keine Drogen genommen, oder?«
»Dopamin, Gabe. Pures Dopamin.« Austin erhob sich und griff nach seinem To-Go-Becher. »Heute Abend. Du bei mir. Ich freue mich.«
Gabe starrte Austin hinterher, der das Diner verließ und kurz darauf aus seinem Sichtfeld verschwand. Er hatte keine Ahnung, was mit ihm los war, aber er würde es wohl später herausfinden.
Austin
Sein Handy vibrierte auf der Anrichte und Austin lauschte der monotonen Stimme der Sprachausgabe.
Dad
ruft an
, sagte der Sprecher.
Austin schluckte, denn er hatte die letzten Anrufe seines Vaters alle komplett ignoriert. Sie telefonierten nicht miteinander. Nicht, wenn nicht gerade ein Feiertag war. Geburtstage oder Weihnachten oder Thanksgiving. Mehr Kontakt pflegten sie nicht mehr miteinander.
Wenn man einen Astrophysiker und eine Literaturprofessorin als Eltern hatte, dann fühlte man sich ziemlich schnell unglaublich dumm. Und wenn man dann auch noch keine ambitionierteren Berufsziele hatte als Footballspieler zu werden, dann konnten Familientreffen oder auch nur schon das gemeinsame Abendessen zu sozialen Minenfeldern werden. Austin und seine Eltern passten einfach nicht zusammen. Byron und Carol Perkins lebten in vollkommen anderen Sphären als er. Sie waren beide hochbegabt, trafen sich mit furchtbar schlauen Menschen, um mit ihnen zu debattieren, sie waren Mitglieder der Mensa-Vereinigung, eine Art Verband, dem nur die klügsten Menschen der Welt beitreten durften. Sie betreuten mehrere Programme für hochbegabte Jugendliche an der gesamten Westküste.
Es war bezeichnend, dass Austin nie ein wirklicher Teil ihres Lebens geworden war. Er hatte viel lieber draußen Football
gespielt, als sich mit seiner Mutter über ein Buch zu unterhalten, das er ohnehin nicht gelesen hatte. Die Ausführungen seines Vaters hatten ihn gelangweilt. Wann auch immer er sich auf der Suche nach einem väterlichen Rat in sein Büro verirrt hatte – sein Vater hatte irgendwann nur noch einen Monolog geführt und nicht mal mitbekommen, wenn Austin enttäuscht gegangen war.
Während seine Eltern das ganze, verdammte Sonnensystem bildeten, war er ein kleiner Asteroid, der sich seinen Weg durch die schwebenden Himmelskörper suchte. Er war nie ein Teil davon geworden, weshalb er es vorzog, so wenig Kontakt wie möglich mit ihnen zu haben.
Er ignorierte auch diesen Anruf und wandte sich dem Risotto zu, das er jetzt noch würzte, als es auch schon an der Tür klopfte.
»Es ist offen«, rief er. Er sah zur Tür und Gabe eintreten, was ihn zum Lächeln brachte. Es war schön, ihn hier zu haben, auch wenn er jetzt gerade irgendwie ein bisschen unsicher wirkte.
Der misslungene Ausflug nach Burlington hatte etwas zwischen ihnen bewegt. Gabe war ihm gegenüber nicht länger abweisend. Sie hatten sich kennengelernt, trieben Sport miteinander, verbrachten Zeit zusammen. Es war … eine riesige Erleichterung. Er war nicht länger allein. Zumindest einige Stunden am Tag hatte er Gesellschaft. Vielleicht waren sie sogar dabei, sowas wie Freunde zu werden.
Aber dann dachte Austin an den Kuss und wusste, dass er nicht Gabes Freundschaft haben wollte. Er wollte ihn in seinem Bett, unter seinen Händen, er wollte ihn erobern, sodass er nur ihm gehörte. Aber da Gabe keine Anstalten in diese Richtung machte, versuchte er, seine Empfindungen zu unterdrücken. Wenn eine Freundschaft alles war, was Gabe ihm geben konnte, dann würde er zumindest das annehmen. Vielleicht tat es ihm ganz gut, etwas Neues kennenzulernen. Wenn man von seinen Teamkollegen absah, hatte er noch nie eine Freundschaft zu
einem anderen Mann gehabt. Vielleicht war es an der Zeit, mal eine echte Männerfreundschaft zu erleben.
Niemand musste davon erfahren, dass er sich nachts mit dem Gedanken an Gabe einen runterholte, allein, in seinem stillen Schlafzimmer.
Gabe stand abwartend im Türrahmen und ließ den Blick über die Küchenablage gleiten. »Wenn ich zu früh bin, dann …«
»Du kommst genau richtig. Es gibt Salat als Vorspeise, anschließend serviere ich dir ein fantastisches Risotto, und zum Nachttisch gibt es …« Austin sah sich suchend in der Küche um, dann zuckte er mit den Schultern. »Ich hatte gehofft, dass plötzlich ein Dessert um die Ecke kommt, aber das ist leider nicht geschehen.« Austin verstummte und sah Gabe an, der seinen Blick schweigend erwiderte. Zu seinem Erstaunen zitterten seine Hände ein wenig. Das taten sie nie. Er war der coolste Mensch auf Erden, aber jetzt gerade war er irgendwie nervös. Er griff nach den Salattellern und hielt sie Gabe hin. »Nimmst du sie mit auf die Veranda? Ist Weißwein in Ordnung?«
Gabe nahm die Teller, blieb aber wie festgewachsen stehen. »Du wolltest mir etwas zeigen. Das hier sieht irgendwie … das ist kein Date, von dem ich nichts weiß, oder?« Er klang furchtbar, in seiner Stimme lag sogar ein Hauch von Entsetzen, das Austin deutlich wahrnahm.
»Gott, ich habe ein bisschen Reis in den Topf geworfen und gehofft, dass etwas daraus wird. Das ist wirklich keine große Kunst. Es ist einfach nur Essen, Gabe. Davon abgesehen hatte ich noch nie in meinem Leben ein Date. Ich wüsste nicht mal, dass ich eins habe, wenn es mir direkt zwischen die Augen treten würde.«
Gabe schnaubte, dann ging er nach draußen, Austin folgte ihm mit den Weingläsern und sie ließen sich auf den bequemen Stühlen nieder. Crystal Lake war zwar ein winziges Städtchen,
bei Touristen jedoch sehr beliebt, weshalb die Gegend um den Hafen herum immer voll war. Hier draußen, in diesem Haus, das ein wenig außerhalb lag, war es ruhig und sie wurden von niemandem gestört.
»Du hättest mir sagen sollen, dass …«
»Wir müssen nachher noch weiter, aber ich hatte Hunger …« Austin zeigte mit der Gabel auf Gabe. »Du magst es nicht, dass ich für dich gekocht habe, oder? Alle deine Alarmglocken schrillen, ich kann sie hören. Sie sind ganz schön laut.« Er konnte ein Lächeln nicht verbergen, Gabe war einfach zu niedlich. Und heiß. Mehr heiß als niedlich, aber in Kombination einfach unwiderstehlich.
»Doch, ich … nein … also …« Gabe seufzte. »Es ist nur nicht, was ich erwartet habe.«
Austin hielt inne, dann nahm er einen Schluck Wein. »Was hast du denn erwartet?«
Gabe verdrehte die Augen. »Du wolltest mir etwas zeigen, und plötzlich habe ich das Gefühl, mitten in einem ersten Date zu sitzen.«
»Ich habe dir vorhin schon gesagt, dass ich noch nie gedatet habe.«
»Die Zeitungen sagen etwas anderes. Ständig hattest du irgendwelche hübschen Frauen oder gutaussehenden Männer an deiner Seite.«
Austin grinste. »Wenn das deine Definition von einem Date ist, dann hatte ich wirklich schon viele Dates.«
Gabe legte den Kopf schief und zog die Nase kraus. »Was ist denn deine Definition eines Dates?«
Austin kaute zu Ende, dann legte er die Gabel zur Seite und faltete die Hände unter dem Kinn. »Kerzenlicht.«
»Kerzenlicht?« Gabe grinste.
»Lach nicht. Bei einem Date gibt es Kerzenlicht und diese süße Musik, die dich in Stimmung bringt.«
»Süße Musik. Das wird ja immer besser.«
Austin verdrehte die Augen. »Rosenblütenblätter auf dem Boden, ein heißblütiger Italiener, der für dich singt, Händchenhalten, Champagner, verliebte Blicke, verstohlene Berührungen, der Abschiedskuss.«
»Klingt für mich ein wenig kitschig, aber lass es mich so sagen: Wenn das deine Definition von einem Date ist, dann solltest du es unbedingt mal ausprobieren.«
Austin winkte ab. »Dates sind nichts für mich.«
»Warum nicht?«
»Zu viele Verpflichtungen. Erwartungen, die enttäuscht werden können, unangenehme Situationen, wenn man wieder getrennte Wege gehen will … sieh dich an, Gabe. Zehn Jahre lang hat dich ein Mann nach Strich und Faden belogen. Du hast alles für ihn gegeben und am Ende stehst du mit gebrochenem Herzen da. Und ich bin mir sicher, dass alles mit einem ersten Date begann.«
Gabe schnaubte. »Das ist sowas von zynisch. Dates dienen dazu, dass man sich in geschützter Atmosphäre besser kennenlernt. Ein Date ist nicht die Vorstufe eines Heiratsantrags.«
»Hah! Könnte es aber sein.«
Gabe lachte auf. »Andrew hat mir vielleicht das Herz gebrochen, aber ich hatte jede Menge wundervoller Dates mit ihm, und ich sag dir: Du verpasst etwas.«
»Davon wirst du mich nicht überzeugen können«, erwiderte Austin vergnügt. »Hat dir mein Salat geschmeckt?«
»Er war vorzüglich.«
»Das freut mich. Ich hoffe, dass auch mein Risotto deinen Gaumen erfreuen wird.«
Gabes Lachen begleitete ihn in die Küche, als er die Teller hineintrug und sich um die Fertigstellung des Risottos kümmerte. Als er wieder nach draußen kam, stand Gabe an
der Brüstung, hielt sein Weinglas in der Hand und nippte daran. Hinter ihm verwandelte sich die Sonne in einen goldgelben, flimmernden Ball, und es sah aus, als würde seine Silhouette brennen. Austin nahm sich einen Moment, um Gabe zu betrachten. Er war verdammt sexy. Heute trug er ein dunkelblaues Poloshirt und schwarze Shorts, die einen Blick auf seine muskulösen Unterschenkel gewährte. Austin schluckte still und leise. Er würde viel dafür geben, diese Unterschenkel mal berühren zu können, sie zu küssen, in ihr festes Fleisch zu beißen. Er wollte von Gabe kosten und dabei sein Stöhnen hören.
Himmel, er musste dringend auf andere Gedanken kommen, dachte er, als er spürte, wie sein Schwanz sich regte.
»Das Essen ist fertig«, sagte er und setzte sich. Er schenkte ihnen beiden Wein nach, dann aßen sie. Es dauerte eine Weile, bis er Gabes Blick auf sich spürte. Fragend sah er ihn an. »Was ist?«
»Wie läuft das bei dir? Wenn du keine Dates hast und keine Beziehungen führst, wie …« Gabe verstummte. Er schob sich einen halben Löffel Risotto in den Mund und kaute langsam.
Austin lehnte sich zurück. »Absprache, Gabe. Wenn ich einen Menschen treffe, der mich interessiert …«
»… der dich auf sexueller Ebene interessiert?«
»Ja. Auf sexueller Ebene.« Austin gluckste. »Wenn ich jemanden treffe, dann teile ich demjenigen mit, was ich gerne hätte. Entweder, mein Gegenüber geht darauf ein, oder aber er lässt es bleiben.«
»Ganz schön abgeklärt.«
»Sobald Emotionen ins Spiel kommen, wird es kompliziert«, sagte Austin schulterzuckend. Über die Jahre war er zu einem Profi in abgeklärter Kommunikation geworden. Mit seiner steigenden Bekanntheit wurden auch seine Sexpartner immer kompromissbereiter, was die Sache sehr einfach für ihn machte.
Er war bereit, die nächste Kerbe im Bettpfosten seiner Sexpartner zu spielen, und er bekam dafür unverbindlichen Sex ohne Verpflichtungen.
»Ich habe das noch nie gemacht«, sagte Gabe nachdenklich.
Austin verschluckte sich. Er musste husten wie verrückt, bis er irgendwann wieder Luft bekam. Er wischte sich die Tränen aus den Augenwinkeln und starrte Gabe an. »Du hast was
noch nie gemacht?«
»Unverbindlicher Sex. One-Night-Stands. Du weißt schon.«
»Tu ich nicht. Erklär es mir.«
Gabe verdrehte die Augen. Sein Teller war noch immer halbvoll, doch er schien keinen Hunger mehr zu haben. Er legte den Löffel ab, stand auf und trat wieder an die Brüstung. »Für mich kam es einfach nie in Frage. Ich habe immer in monogamen Beziehungen gelebt, es hat sich gar nie ergeben, dass ich wild …« Gabe verstummte abrupt und biss sich auf die Lippe. Gott, Austin wollte diese Lippe küssen!
Er lachte. »Wild in der Gegend herumvögelst? Du kannst es ruhig aussprechen. Ich denke, ich kann verstehen, was dich an Beziehungen anzieht. Du bist einer dieser Gefühlsmenschen.«
Gabe runzelte die Stirn. »Gefühlsmenschen? Aus deinem Mund klingt es wie ein Schimpfwort.«
»Nein, absolut nicht. Es ist nichts, was ich sein will, aber zu dir passt es. Wie mit Brady. Du kümmerst dich einfach so um ein fremdes Baby, hältst es und entwickelst auf der Stelle Gefühle. Du springst für deinen Kumpel ein, damit er in den Urlaub fahren kann, hast einen Hund, den du mit Liebe überschüttest. Du bist ein Beziehungsmensch, der sich gern um andere kümmert.«
»Und du?«
»Ich bin ein einsamer Wolf.« Austin zwinkerte Gabe zu, woraufhin der den Kopf schüttelte. Sein Mundwinkel zuckte verräterisch.
»Du bist einsam. Du hast es selbst gesagt.«
»Sicher. Ich war praktisch mein gesamtes Leben Teil eines Rudels – eines Footballteams. Und jetzt stehe ich plötzlich allein da. Das bedeutet aber nicht, dass ich auf einmal für monogame Beziehungen offen bin. Ich will nicht daten, ich will mich nicht anstrengen oder mir Gedanken machen, wie ich den anderen beeindrucken könnte.«
»Eine richtige Zumutung«, murmelte Gabe. Er beugte sich vor, stützte die Unterarme auf das Geländer und sah in die Ferne. »Was ist mit Vertrauen, mit Zugehörigkeit, Geduld und Verständnis? Liebe?«
Austin machte ein würgendes Geräusch. Es war lange her, dass er sich über diese Themen Gedanken gemacht hatte. Vor einer Ewigkeit hatte er ein kleines Päckchen gezurrt, damals, als er sich dazu entschlossen hatte, niemals jemandem von seinem Geheimnis zu erzählen. Er hatte dieses Päckchen genommen, es in den reißenden Fluss seines Lebens geworfen und ihm dabei zugesehen, wie es davontrieb. Damals hatte er beschlossen, dass er allein bleiben würde, damit es für immer sein Geheimnis blieb, was er wirklich war.
Gabe schmunzelte. »Du hast Angst, nicht wahr?«
»Habe ich nicht!«, protestierte Austin und schüttelte die Gedanken ab. »Aber wenn ich dich so ansehe, mit deinem gebrochenen Herzen, dann war meine Entscheidung die richtige.«
»Ein gebrochenes Herz kann heilen.«
»Du siehst aus, als hättest du gerade in eine Zitrone gebissen«, spottete Austin. »Ein gebrochenes Herz wird immer Risse behalten, die bei der nächsten Erschütterung wieder aufbrechen. Sowas tut man sich doch nicht freiwillig an.«
»Nein. So war das alles auch nicht gedacht«, gab Gabe schließlich zu. »Ich habe keine Ahnung, ob ich jemals wieder …«, er holte tief Luft, »weißt du, wenn Andrew mir einen Grund
gegeben hätte, ihm zu misstrauen, wenn ich mir nicht so absolut sicher gewesen wäre, dass er es ernst mit mir meint, dann wäre es etwas anderes gewesen. Aber Andrew war mein für immer
. Ich wollte mit ihm alt werden, und jetzt ist er weg und hat einen großen Teil meines Lebens einfach mit sich genommen.«
»Wenn ich ein Hotelzimmer verlasse, dann bleibt nichts von mir zurück, außer vielleicht das benutzte Kondom«, sagte Austin. Er trat zu Gabe und reichte ihm sein Weinglas.
Gabe verzog das Gesicht. »Danke für die bildhafte Veranschaulichung.«
»Immer gerne.« Austin lachte. Sie standen nebeneinander, tranken und diskutierten über ihre absolut gegensätzlichen Auffassungen von Beziehungen. Das fühlte sich viel besser an als es sollte, angesichts des Themas, das sie gewählt hatten.
Gabe räusperte sich und klang, als hätte er einen riesigen Frosch im Hals. Er legte das Glas an seine Lippen und leerte es in einem Zug.
»Oh, fangen wir wieder mit dem exzessiven Trinken an?«, neckte Austin ihn.
Gabe hielt ihm wortlos sein Glas hin und Austin füllte es schweigend. »Drei«, sagte Gabe plötzlich unvermittelt.
Austin legte verständnislos den Kopf schief. »Drei … drei Musketiere?«
Gabe schnaubte. »Drei Männer, Austin. In meinem Leben und in meinem Bett gab es drei Männer. Ich kannte sie alle drei schon länger, bis ich mit ihnen geschlafen habe. Ich habe Beziehungen mit ihnen geführt.«
»Das sind drei mehr als ich habe. Hattest du mit ihnen auch Dates?«
Gabe grinste. »Ich hatte jede Menge Dates. Du bist vielleicht der Spezialist, wenn es um zwanglosen Sex geht, aber was die Date-Sache angeht, würdest du haushoch gegen mich verlieren.«
»Das ist kein Kampf den ich gewinnen will«, murmelte Austin.
»Ich glaube, ich brauche eine Pause von ernsthaften Beziehungen. Vielleicht sollte ich diese One-Night-Stand-Sache auch ausprobieren. Du könntest mir deine Geheimtipps verraten.«
Austin legte den Kopf schief. Er hatte vermutlich noch nie einen Menschen kennengelernt, den er sich weniger beim wahllosen Aufreißen von Sexpartnern vorstellen konnte. Gabe war … in seinem Kopf war Gabe ein verlässlicher Mann, der sich für einen Partner entschied und dann mit ihm in den Sonnenuntergang ritt. Außerdem war es komisch, mit Gabe über diese Sachen zu sprechen, während er selbst ihn sexy fand. Es war verdammt schwer, ihm zu widerstehen, sich nicht einfach an ihn zu schmiegen und von seinen Lippen zu kosten, nicht einfach seine Finger über sein enganliegendes Poloshirt gleiten zu lassen, um seine Konturen zu erspüren. Gabe war für ihn eine einzige Versuchung und gleichzeitig der erste Typ in seinem Leben, mit dem ihn eine Freundschaft verband, die über die NFL hinausging. Der Erste! Himmel, was zum Teufel sagte das wohl über ihn aus?
»Du willst dich mit anderen Kerlen treffen?«
»Klar.« Gabe nippte an seinem Wein. »Das könnte Spaß machen. Keine Verantwortung, keine Verpflichtungen. Die perfekte Lösung nach meinem letzten Reinfall. Wie mache ich das? Soll ich mir eine Dating-App installieren?«
Austin wollte kotzen. Natürlich sollte Gabe keine
Dating-App installieren, um fremde Kerle aufzureißen, die ihn mit wer weiß was für Krankheiten ansteckten.
»Dating-Apps sind scheiße. Die Kerle, die sich dort anmelden, gehören wirklich zu den größten Losern.«
»Oh«, sagte Gabe. Nachdenklich biss er sich auf die Lippe. Diese wundervoll geschwungene Lippe, die Austin küssen wollte.
Frustriert stürzte er seinen Wein hinunter und stellte ihn auf den Tisch. Er schnappte sich ihre Teller und trug sie nach drinnen. Gabe folgte ihm, und gemeinsam räumten sie die Küche auf, obwohl Austin ihm am liebsten gesagt hätte, dass er rausgehen sollte. Weg von ihm. Weit weg, um das Kribbeln in seinem Körper nicht noch zu verstärken, um sein Blut nicht noch weiter zum Kochen zu bringen, um … »Können wir los?«, fragte Austin unwillkürlich. Er musste hier raus, denn er hielt es keinen Moment länger in Gabes Nähe aus.