Austin
Er hatte Gabe schon eine ganze Weile dabei beobachtet, wie er mit dem Kajak über den See zielstrebig auf die Klippen zugepaddelt war, was bedeutete, dass Ethan und Jake ihn verpetzt haben mussten.
Sie waren früher aus ihrem Urlaub zurückgekehrt als er erwartet hatte, und offen gestanden war er auch nicht bereit gewesen für die plötzliche Gesellschaft. Ethan half ihm bei ein paar Dingen, die die einstweiligen Verfügungen betrafen, und Jake stellte für ihn den Kontakt zu einem Bauunternehmer aus Lakeview her, was wirklich nett und hilfreich war.
Aber sie lachten. Und sie neckten sich. Sie waren die perfekte Familie und damit alles, was Austin in diesem Moment auf keinen Fall um sich haben wollte.
Das Ende vom Lied war, dass er sich einen Schlafsack und eine Isomatte gekauft hatte und die vergangene Nacht auf dem Boden im Camp geschlafen hatte, nur um allein in seinem Groll versinken zu können.
Er vernahm Gabes Schritte, der den steilen Pfad die Klippen hinaufkletterte, ehe sein Kopf schließlich in Austins Sichtfeld auftauchte.
»Ich komme in Frieden«, sagte Gabe und schwenkte ein weißes Taschentuch hin und her. Er atmete nicht mal schwer, was seine perfekte körperliche Konstitution bewies. »Hast du noch ein Plätzchen frei?«
Austin sah zu ihm auf und versuchte zu ignorieren, wie stark er auf Gabe reagierte. Sobald der auch nur in seine Nähe kam, schien sein gesamter Körper unter Strom zu stehen, ihm wurde warm und seine Finger kribbelten. Das war doch verrückt.
»Nachdem du schon mal hier bist, musst du auch nicht mehr fragen. Wer hat dich geschickt?«
»Jake und Ethan natürlich. Sie sagen, du bist wütend«, sagte Gabe. »Und sie machen sich Sorgen um dich.« Er setzte sich lächelnd neben ihn, hielt dabei aber einen gebührenden Abstand.
»Ich bin nicht wütend«, erwiderte Austin müde. »Warum bist du hier?«
»Ich dachte, nachdem wir uns jetzt nun lang genug angeschwiegen haben, wäre es an der Zeit, miteinander zu sprechen. Leider ist nur gerade kein Gewitter verfügbar, sonst hättest du deinen Frust rausschreien können.«
Austin konnte sich nicht helfen, er musste lachen, und Gabe lachte mit, und für einen Moment waren seine Schultern leicht und er konnte frei atmen, etwas, was ihm in den vergangenen drei Tagen unglaublich schwergefallen war.
»Willst du springen?«, fragte Gabe schließlich und überraschte Austin damit. Er sah Gabe an, dann auf den still daliegenden See hinunter. Er nickte. Oh ja. Und wie er springen wollte.
Gabe hatte sich schon bis auf die Boxershorts ausgezogen und stand wartend am Rand, bevor Austin sich auch nur erhoben
hatte. Er versuchte wegzusehen, sich nicht auf seinen Körper zu konzentrieren, der so unfassbar perfekt aussah. Stattdessen zog er sich auch aus und stellte sich neben ihn.
»Auf drei?«
Gemeinsam zählten sie – eins – zwei – drei –, dann sprangen sie mit einem Schrei in die Tiefe, durchbrachen die Wasseroberfläche und tauchten unter. Austins Herz raste, als er wieder auftauchte, und plötzlich musste er lachen. »Fuck!«, schrie er und schüttelte den Kopf. Wassertropfen flogen durch die Luft in alle Richtungen, und er bemerkte erst, dass Gabe ihn anstarrte, als er sich zu ihm umdrehte.
»Sieh mich nicht so an, Gabe.« Trotz des kalten Wassers reagierte sein Schwanz augenblicklich auf seinen intensiven Blick. Er konnte nichts dagegen tun, Gabe hatte ihn um den Finger gewickelt, schlimmer, als jemals zuvor irgendein anderer Mensch, und das machte ihm eine Heidenangst.
Er war ein Einzelgänger, er blieb allein, für sich, war zufrieden damit. Er trauerte niemandem hinterher, und trotzdem hatte er die vergangenen drei Tage damit verbracht, an Gabe zu denken, ihn zu vermissen, ihn nicht aus dem Kopf zu bekommen.
»Wie denn?«
»Als ob du mehr willst.«
»Will ich nicht.«
Die Antwort gefiel Austin nicht, obwohl sie das sollte. Himmel, er war ein einziges Durcheinander, seine Gedanken undurchdringlich wie ein verknotetes Knäuel Wolle, Chaos pur.
Er wollte ans Seeufer schwimmen, hatte jedoch nicht mit Gabe gerechnet, der ihn aufhielt. Ihre Beine streiften sich beim Wassertreten, und auf seinen dichten Wimpern hingen Wassertropfen wie glitzernde Kristalle. Austin konnte sich nicht entscheiden, ob er Gabe mit oder ohne Brille attraktiver fand. So
oder so, dieser Mann entzündete ein Feuer in ihm, das zu einem Flächenbrand werden würde, wenn er nicht aufpasste.
Und er musste aufpassen. So sehr.
»Ich mache das nicht«, sagte er, seine Stimme heiser, sein Herz ein Feuerwerk.
»Was denn?«
»Ich bleibe nicht.«
»Das sagst du. Aber du bist hier. Mit mir. Und ich weiß, dass du mich willst.« Gabe schwamm noch näher, und ihre Körper berührten sich, sodass Austin alles spüren konnte, was an Gabe hart war. Alles.
Gabe legte seine Arme um Austins Nacken.
»Sie werden uns sehen«, murmelte Austin. Ein letzter Versuch, Abstand zu Gabe und seinem einnehmenden Wesen zu gewinnen.
»Ist mir vollkommen egal. Quentin hat sie fast alle weggejagt.«
Austin verzog das Gesicht. »Wer bitte ist Quentin?«
Gabe lächelte. »Officer Simmons.«
»Oh. Du nennst ihn bereits beim Vornamen? Dein verdammter Ernst? Seid ihr etwa Freunde?«
Gabe lächelte weiter, und dieses Mal beugte er sich vor und gab Austin einen Kuss auf die Nasenspitze. »Bist du eifersüchtig?«
»Ich finde es nur merkwürdig, dass du auf einmal mit dem Cop befreundet bist, der uns in eine Gefängniszelle geworfen hat. Das ist echt fragwürdig, Gabe.«
»Er ist ganz okay. Er macht nur seinen Job.«
»Und nebenbei sieht er auch noch gut aus.«
»Er ist verheiratet und hat einen Sohn, also entspann dich, Austin. Außerdem bin ich hier und versuche mich gerade an dich ranzumachen, während du die ganze Zeit über diesen Polizisten sprichst, das ist echt unsexy.«
Austin verdrehte die Augen. »Nenn ihn einfach nicht Quentin.«
»Soll ich dich
Quentin nennen?«
Austin beugte sich vor und biss Gabe in die Unterlippe. Sie traten Wasser, gingen aber trotzdem unter und schnappten nach Luft, als sie wieder an die Wasseroberfläche kamen, dann küssten sie sich und ertranken fast und lachten und küssten sich wieder.
Mit jeder Berührung von Gabe verrauchten Austins Wut, seine Sorgen, die Zweifel. Er spürte seine schmerzenden Muskeln, die seit drei Tagen unter schrecklicher Spannung gestanden hatten, als er mit Gabe das Wasser verließ. Sie kletterten den Pfad wieder nach oben und legten sich auf die von der Sonne erwärmten Felsplatten.
»Ich war ein Arschloch, oder?« Austin seufzte. »Natürlich war ich ein Arschloch. Es tut mir leid, Gabe. Ich hätte all die Sachen nicht sagen dürfen, ich war nur …«
Gabe erwiderte nichts. Er lag einfach nur auf der Seite und musterte ihn und das war ein merkwürdig schönes Gefühl.
»… ich war von mir selbst irritiert. Weil ich geblieben bin, obwohl ich immer verschwinde, und weil …«
»Weil es sich gut angefühlt hat, nicht wahr?«
»Und ein bisschen unheimlich«, ergänzte Austin.
»Mit geblieben
meinst du, dass du die Nacht bei mir verbracht hast?«
»Ja.«
»Bist du bei all deinen anderen Dates immer verschwunden?«
Austin lächelte und fuhr mit der Fingerspitze Gabes dunkle Augenbraue nach. »Keine Dates.«
»Deinen Bettgefährten?«
»Wir haben uns getroffen, miteinander geschlafen und dann sind wir getrennte Wege gegangen.«
Gabe lachte auf. Er musste so sehr lachen, dass er auf den Rücken rollte und sich den Bauch hielt. Austin legte den Kopf schief und betrachtete ihn halb amüsiert, halb irritiert. »Was ist so witzig?«
»Du«, röchelte Gabe. »Ich meine … du bist mit mir ins Bett gegangen. Was hast du denn gedacht, was danach passiert? Dass wir uns nie wieder über den Weg laufen, obwohl wir beide in der gleichen Stadt leben?«
»Ich gebe zu, dass ich nicht gut genug darüber nachgedacht habe.«
»Vermutlich hat in diesem Moment ein anderes Körperteil von dir die Denkarbeit übernommen«, gluckste Gabe.
»Du findest das witzig, aber … wenn du jahrelang so gelebt hast wie ich, dann kann es beängstigend sein, wenn sich plötzlich alles ändert.«
Gabe drehte sich auf die Seite und fuhr mit den Fingerspitzen Austins definierte Brustmuskeln nach, strich über seine harten Nippel bis er bei seinem Sixpack anlangte, deren Rand er langsam nachfuhr. »Okay. Für’s Protokoll: Ich habe gerade eine Beziehung voller Lügen und Betrug hinter mir. Ich habe jedes Vertrauen in das Konzept Beziehung verloren, also musst du vor mir keine Angst haben.«
»Habe ich auch nicht.«
»Doch. Du erwartest, dass ich dir in den nächsten zehn Minuten einen Heiratsantrag mache, aber ich kann dir sagen: Das wird nicht passieren. Ich bin durch damit. Ich werde mir diesen Truck kaufen und ich werde ins Bett gehen, mit wem auch immer ich will.«
Austin hob seine Hand und brachte Gabe damit zum Schweigen. »Dieser Plan ist super-mies.«
»Was? Warum?«
»Weil du nicht einer dieser Kerle bist. Du wärst gern so jemand, der unverbindlichen Sex mit wildfremden Personen
hat, aber ich schwöre dir, dein planungssüchtiges Gehirn würde dich in den Wahnsinn treiben.«
»Aber …«
»Du willst Sex? Hier bin ich.«
Gabe runzelte die Stirn. »Du bietest mir an, mein Experimentierobjekt zu werden?«
»Japp. Ich stehe zu deiner vollen Verfügung. Unter einer Bedingung.«
»Keine Versprechungen?«, riet Gabe.
»Keine Versprechungen«, sagte Austin nickend. »Keine Erwartungen, keine Bindung.«
»Und wirst du über Nacht bleiben?«
»Wenn du mich nochmals so um den Verstand fickst, werde ich es in Erwägung ziehen«, sagte Austin grinsend. Er streckte seine Hand aus und streichelte über Gabes Taille hinauf zu seinem Rippenbogen. Ihm gefiel, wie Gabe den Atem anhielt und sich auf die Lippe biss. Das machte er oft und es war heiß.
»Warum?«, fragte Gabe in das entstandene Schweigen hinein. »Warum machst du da mit?«
»Weil ich nicht aufhören kann, an dich zu denken«, erwiderte Austin simpel.
»Dann tu es nicht«, erwiderte Gabe. »Fuck, ich will mit dir allein sein«, murmelte er dann. »Wird es immer so sein? Dass du verfolgt wirst und damit jeder andere Mensch in deiner Nähe ebenso?«
»Erstmal ja. Damit musst du klarkommen, denn ich kann es nur bedingt ändern.«
»Warum zur Hölle bin ich mit dem Kajak hergekommen, und warum hast du kein Auto, in das wir jetzt steigen könnten, um uns einen abgelegenen Ort zu suchen und es miteinander zu treiben?«
Austin grinste. »Ich mag es, wie scharf du bist. Und wir brauchen kein Auto. Ich kenne einen besseren Ort.«