17. Kapitel
Austin
Kurz nach Einbruch der Dunkelheit erreichte er Gabes Appartement und klopfte an die Tür, die ihm gleich darauf geöffnet wurde. Gabe stand vor ihm, und er sah einfach atemberaubend aus, sodass Austin ihn mehrere Augenblicke einfach nur anstarren konnte.
Mac, der sich an Gabe vorbeidrängelte, brach den Bann. Er leckte über Austins Hand, bis der ihn streichelte. Als er die schwarze Fliege entdeckte, die er um seinen Hals gebunden hatte, lachte er auf.
»Wow. Ihr beide seht hinreißend aus.« Er sah an sich selbst hinab. Während er wie immer in T-Shirt und Shorts gekleidet war, trug Gabe eine dunkle Anzughose und ein weißes Hemd, das sich eng um seinen trainierten Körper schmiegte. Er hatte sich die Haare frisiert und trug heute keine Brille.
Austin sah nach hinten, als erwartete er, dass das Versteckte-Kamera-Team demnächst die Treppen hinaufjagte, um ihm zu sagen, dass er voll reingefallen war, doch da kam niemand. Da waren nur Gabe und er und Mac mit der Fliege.
»Schön, dass du hier bist«, sagte Gabe, lächelte, trat vor, zog Austin sanft an sich und gab ihm einen Kuss auf die Wange. »Du riechst gut«, sagte er dann.
»Ähm … spielen wir heute Rollenspiele?«
Gabe schüttelte den Kopf. »Keine Spiele. Nicht heute.« Er griff nach Austins Hand, zog ihn ins Innere des Appartements und schloss die Tür hinter ihm. »Heute zeige ich dir, worin ich gut bin.«
»Aha.« Austins Kehle war trocken. Wie konnte ein Mann so scharf aussehen, so gut riechen und eine so fantastische Stimme haben? »Ist dabei dein Schwanz involviert?«
»Mein Schwanz ist immer involviert, wenn du in meiner Nähe bist, Austin.« Gabe lächelte und drehte sich um. »Weißt du, was Lionel mir völlig unterschlagen hat, als er mir das Appartement gezeigt hat?«
»Einen Whirlpool?«
»Eine Dachterrasse. Ich musste erst wochenlang hier wohnen, bevor ich sie entdeckt habe.« Sie gingen den Flur hinunter, bis Austin eine Leiter sah, die von der Decke zu kommen schien, nur dass darüber eine Luke offenstand.
»Nach dir«, sagte Gabe und Austin trat vor. Er zuckte zusammen, als Gabe seinen Hintern berührte und zudrückte. »Netter Arsch«, sagte er dann.
Austin lachte leise und stieg die Leiter hoch. Als er oben ankam, stand er vollkommen erstarrt da und verstand jetzt, warum Gabe ihn gebeten hatte, bis zum Einbruch der Dunkelheit zu warten.
Vermutlich hatte Gabe einen ganzen Laden mit Lichterketten leergekauft, anders konnte er sich das Lichtermeer nicht erklären, das auf der Dachterrasse schimmerte. An jedem verfügbaren Platz hatte Gabe Lichterketten befestigt. Große, leuchtende Lampions hatte er an einem Kabel oder einem Seil befestigt, das sich quer über die Terrasse zog. Ein Strauß voller roter Rosen befand sich in einer dickbauchigen Vase, die direkt neben einem kleinen Tisch, der für zwei Personen gedeckt war, stand. Auf einem zweiten Tischchen waren allerlei Speisen auf silbernen Servierplatten angerichtet, außerdem stand dort ein Champagnerkühler mit einer Flasche darin, um deren Hals eine weiße Serviette gewickelt war.
Das war vermutlich der romantischste Anblick, den Austin jemals in seinem Leben gehabt hatte. Er sah über seine Schulter zurück zu Gabe, der inzwischen ebenfalls nach oben gekommen war und ihn jetzt anlächelte. In seinen Augen spiegelten sich die Lichter und machten seine Gesichtszüge weich und seine Lippen küssenswert.
»Willkommen zu deinem ersten Date, Austin.«
»Aber …« Austin entdeckte eine kleine Feuerschale, in der Flammen züngelten.
Gabe trat hinter ihn, schlang die Arme um ihn und legte die Hände auf seinen Bauch. Er zog ihn an seine breite Brust und liebkoste Austins Hals. »Panikanfälle sind nicht erlaubt. Heute sollst du nur genießen.«
»Du hast …«
»Immerhin bekomme ich unverbindlichen Sex mit dir, da ist es nur fair, wenn ich dir beibringe, wie ein perfektes Date aussehen kann. Komm mit, Liebling«, sagte Gabe. Er hielt Austin seine Hand hin und führte ihn galant zum Tisch. »Setz dich«, bat er, zog den Stuhl zurück und rückte ihn zurecht, nachdem Austin Platz genommen hatte. Auf dem Tisch stand eine einzelne Kerze, die in der Nachtluft flackerte.
Austin musterte die Umgebung. Die Terrasse war nur von wenigen Gebäuden einsehbar, da sie höher als die meisten Häuser in der Nähe lag. Sie befanden sich also mitten in der Stadt, genossen aber trotzdem eine gewisse Privatsphäre.
»Champagner?«, fragte Gabe und entkorkte die Flasche.
»Sehr gern«, erwiderte Austin. Ihm fehlten noch immer die Worte. Ja, er hatte sich immer über Dates lustig gemacht, und plötzlich kam ihm der Gedanke, dass das vielleicht falsch gewesen war. Wenn jedes Date so wäre wie dieses, dann konnte es Spaß machen. Gabe war unwiderstehlich, wie er ihn umgarnte und mit Blicken liebkoste.
Jetzt reichte er ihm ein Glas mit Champagner und setzte sich ihm gegenüber. Sie stießen an und konnten sekundenlang die Augen nicht voneinander lassen.
»Ich habe versucht, einen singenden Italiener aufzutreiben, doch es ist mir nicht gelungen. Aber hier habe ich Rosen für dich.«
»Rote Rosen«, murmelte Austin und nahm die einzelne Blume entgegen, die Gabe ihm reichte. Sie roch süß und schwer und voller Versprechen. »Danke«, murmelte er.
»Fehlt noch die Musik.« Gabe zog sein Handy hervor und tippte ein paarmal auf den Touchscreen, ehe aus einem versteckten Lautsprecher gedämpfte Klaviermusik erklang. »Ist das okay?«
»Sehr okay«, erwiderte Austin nickend.
»Dann lass uns essen. Nach was steht dir der Sinn? Sushi? Antipasti? Lachstatar?«
»Von allem etwas«, entschied Austin und sah dabei zu, wie Gabe ihre Teller belud. Sie aßen und unterhielten sich und lachten. Das hatte sie auch vorher schon miteinander getan, doch jetzt hatten sie ein Date miteinander und alles war anders.
Er hatte das Bedürfnis, Gabe an sich zu ziehen und ihm ins Ohr zu flüstern, wie dankbar er war, dass er jetzt wusste, wie sich ein Date anfühlen konnte. Doch er tat es nicht. Stattdessen aßen sie und leerten den Champagner. Gabe öffnete zwei Knöpfe seines Hemdes, weil ihm warm wurde, und Austin kämpfte mit seinem Ständer.
»Tanzt du mit mir?«, fragte Gabe plötzlich. Sie waren fertig mit essen und Gabe erhob sich nun und reichte ihm seine Hand, wie der perfekte Gentleman, der er bereits den ganzen Abend über war.
Austin griff danach und stand auf. Er hatte noch nie in seinem Leben mit einem Mann getanzt oder auch nur das Bedürfnis danach gehabt.
Gabe bediente sein Smartphone erneut, und plötzlich ertönte die leise Melodie von What about us aus den Lautsprechern. Er zog Austin an sich und ihre erhitzten Körper schmiegten sich aneinander. Gabe glühte regelrecht, auf seinem Gesicht lag ein Lächeln, seine Finger glitten langsam über Austins Rücken zu seinem Hintern. Ihre Füße verfielen in Gleichtakt und Austin legte seine Arme um Gabes Hals. Sie bewegten sich nur leicht hin und her, drehten sich in Zeitlupe. Ihre Körper verschmolzen miteinander, ließen sich fallen, und das erste Mal seit Beginn des Abends dachte Austin nicht mehr darüber nach, was das Date bedeuten könnte. Er sah es als das, was es war: Die Möglichkeit, einem anderen Menschen zu zeigen, wie gern man ihn mochte, wie sehr man ihn zu schätzen wusste, wie gern man in seiner Nähe war.
Austin hob seinen Kopf und küsste Gabe, während die letzten Töne des Liedes verklangen.