22. Kapitel
Austin
Die Zeit mit seinen Freunden verging wie im Flug. Sie unternahmen Ausflüge mit dem Boot, gingen wandern und Kanu fahren. Sie unternahmen die ganzen Sachen, die er noch viel lieber mit Gabe unternommen hätte, wenn sie mehr Zeit zusammen gehabt hätten. Er zeigte ihnen jedoch nicht die Baby-Klippen und auch nicht die gefährliche Höhle. An diesen Orten steckten Erinnerungen, die er für sich behalten wollte. Sie gehörten nur Gabe und ihm.
Das waren Orte, die ihn für immer an Gabe erinnern würden, daran, dass er geliebt worden war und sich selbst verliebt hatte. Dass Gabe da gewesen war, sich einfach so in sein Herz geschlichen und es vollkommen verwüstet zurückgelassen hatte. Er hätte sich von ihm fernhalten müssen. Weit, weit weg, weil er von Anfang an gemerkt hatte, wie nahe Gabe ihm kommen konnte, dass er etwas in ihm anrührte und auf eine Weise berührte, wie noch niemand jemals zuvor.
Tagsüber war er beschäftigt, machte Witze mit seinen Freunden, schaffte es auch, mal eine Stunde lang nicht an Gabe zu denken, doch die Nächte waren einsam und leer und still. Ihm fehlte der Geruch seiner Haut, die Wärme, das stete Pochen seines Herzschlags, die Schönheit seiner Umarmung, wenn er ihn auf sein Haar geküsst hatte, kurz bevor sie eingeschlafen waren.
Er lag allein auf seiner Isomatte und mehr als einmal fragte er sich, was er hier eigentlich tat und wie er es schaffen sollte, noch ein ganzes Leben ohne Gabe zu leben.
Manchmal sah er ihn in Crystal Lake, wenn er mit Mac spazieren ging. Austin hatte dabei zugesehen, wie er Stöckchen warf und am liebsten wäre er zu den beiden gegangen und hätte einfach mitgemacht, als wäre es das Normalste auf der Welt. Aber das war nicht möglich. Gabe hatte ganz recht damit gehabt, ihn aus seinem Leben auszuschließen.
Austin hatte gestern damit begonnen, das Bootshaus zu renovieren, was nicht wirklich auf dem Plan stand. Es gab wichtigere Dinge, um die er sich im Haupthaus kümmern musste, doch das Bootshaus lag direkt am See, wo er sich Gabe am nächsten fühlte. Von seinem Platz aus konnte er das gegenüberliegende Ufer erkennen und stellte sich manchmal vor, dass Gabe dort stand und ebenfalls an ihn dachte. Er war so ein Idiot.
»Willst du allein sein und weiter in die Ferne starren oder darf ich bleiben?«, fragte Eric auf einmal und riss ihn abrupt aus seinen Gedanken.
»Das Holz ist ziemlich verfault, ich werde einiges davon ersetzen müssen.« Der lahme Versuch, in die Realität zurückzukehren.
»Ich bezweifle, dass du gerade an faules Holz gedacht hast.«
»Habe ich aber.« Austin schluckte, denn Eric war einer von zwei Menschen. Er kannte sein Geheimnis, und war trotzdem einer seiner besten Freunde. Doch auch ihm gegenüber fiel es Austin nicht leicht, sich zu öffnen. Wenn Eric nicht zufällig darauf gekommen wäre, hätte er ihn niemals in sein Geheimnis eingeweiht.
»Du hast Scheiße gebaut, oder?«
»Keine Ahnung, was du meinst. Hey, sollen wir in die Stadt fahren und was essen gehen? Ich bin am Verhungern.«
»Oder du fängst an zu reden.«
»Ich habe nichts …«
»Wo ist Gabe?«
»Er arbeitet im Marriotts . Du hast ihn heute morgen gesehen, als du dir deinen Kaffee geholt hast.« Austin sah Eric stirnrunzelnd an, dann wandte er sich ab.
»Ja. Und er sieht aus, als hätte er seit zwei Wochen nicht geschlafen. Also etwa genauso wie du. Habt ihr euch gestritten?«
»Wir haben unser Arrangement beendet«, korrigierte Austin. Sie hatten sich nach dem schrecklichen Barbecue und den ganzen Offenbarungen zuletzt miteinander unterhalten. Es hatte keinen Streit gegeben, keine hässlichen Worte, es war eher ein bittersüßes Abschiednehmen gewesen, von einem Menschen, den man eigentlich gar nicht loslassen wollte.
»Und ihr seid beide unzufrieden damit?«, fragte Eric. »Er wollte mehr, oder?«
Austin seufzte. »Was denkst du?«
»Sie wollen alle immer mehr von dir. Nur dieses Mal ist es anders, weil du auch mehr willst. Ganz schön schmerzhaft, oder?«
»Klappe, Arschloch«, brummte Austin.
»Vielleicht ist es an der Zeit, etwas zu ändern.« Eric machte eine Handbewegung. »An dem ganzen Konzept, das du Leben nennst, weil das, was du hast, ist kein Leben. Es ist ein nicht endendes Ausweichmanöver. Es war klar, dass du irgendwann mit einem Körper kollidieren musstest, der sich genau auf deiner Laufbahn befindet. Gabe und du, ihr seid kollidiert und miteinander verschmolzen.«
»Es ist wie es ist und ich werde den Teufel tun und es irgendjemandem erzählen.«
»Du hast deshalb sogar deine Karriere aufgegeben, dein verdammtes Leben.« Erics Stimme wurde eindringlicher. »Du bist einer der besten Quarterbacks des Landes und du gibst auf, nur weil du …«
»Weil ich mich entschieden habe. Und nur zur Info, ich setze große Hoffnungen in dieses Camp.«
Das war nicht falsch. Noch immer war er förmlich berauscht von dem Gefühl und Wissen, dass das Camp ihm gehörte, dass er daraus einen Ort machen würde, an dem … Kinder … oh … oh … fuck! Um Himmels willen!
Austin blinzelte und erhob sich abrupt. Er ging ein paar Schritte über die Wiese, und starrte zum Camp hinauf, oder zu der Bruchbude, die irgendwann mal ein Camp sein sollte. Was genau tat er hier eigentlich? Sein zukünftiges Leben würde sich inmitten einer Schar von Kindern abspielen, kleinen Menschen, die nach dem richtigen Weg für ihr Leben suchten. Sie würden zu ihm aufsehen und ihn als ihr Vorbild wählen, und er wäre nichts weiter als … ein Lügner.
Austin blinzelte, fuhr sich mit den Fingern durch die Haare, riss an den Strähnen und stöhnte auf. »Das kann doch einfach nicht wahr sein!«
»Merkst du es auch schon?«
»Ich kann nicht! Ich kann es niemandem erzählen, denn ansonsten …«
»Was? Jemand weiß es und es wird sich rein gar nichts ändern.« Eric lächelte. »Ich glaube, du hast zu hohe Erwartungen an die Menschen, vielleicht wirst du sogar enttäuscht sein, wenn du bemerkst, wie wenig sie sich um dein großes, schreckliches Geheimnis scheren. Es macht dich nicht aus. Es besitzt nur die Macht, die du ihm gibst.«
»Natürlich tut es das«, wisperte Austin. »Es macht alles aus.«
Eric, Marcus und Mouse verabschiedeten sich gegen Abend. Eric hatte ihm davor nochmal sehr eindringlich ins Gewissen geredet, ihm gesagt, dass er nichts verlieren würde, wenn er einfach ehrlich war, doch Austin lebte schon so lange mit seinem Geheimnis, dass er sich gar nicht vorstellen konnte, es nicht mehr mit sich zu tragen wie eine zweite Haut. Konnten Lügen zu einer eigenen Wahrheit werden?
Und wer war er noch, wenn er plötzlich ehrlich war und sich offen und verletzlich zeigte?
Nein, das kam nicht in Frage. Er war sechsunddreißig Jahre auf seine Art durchs Leben gegangen und bestens zurechtgekommen. Das eine oder andere Mal war es anstrengender gewesen, er hatte klug sein müssen, beharrlich, trickreich, aber er hatte es geschafft. Er hatte in der Öffentlichkeit gestanden und absolut niemand hatte auch nur etwas geahnt.
Austin passierte das Marriotts , hielt dabei den Kopf gesenkt, um ja nicht in Versuchung zu kommen, durch die Fenster zu starren und Gabe anzuhimmeln. Vielleicht arbeitete er um die Zeit auch gar nicht mehr. Es war fast acht Uhr abends, einige Touristen waren unterwegs, aber ansonsten war es sehr still in Crystal Lake. Bald würde die nächste Welle anreisen, dann wäre die Luft wieder voller Neugierde und Lachen und Vorfreude auf einen entspannten Urlaub.
Austin hatte sich die Erlaubnis von Ethan geholt, sein Boot benutzen zu dürfen, in der Hoffnung, ein bisschen abschalten zu können. Und vielleicht würde er der Höhle einen Besuch abstatten, nur um ein bisschen in Erinnerungen zu schwelgen.
Er bog gerade um die Ecke und ging den schmalen Pfad zum Hafen hinunter, als er Gabe auf sich zukommen sah. Mac trottete neben ihm her, als er Austin jedoch erblickte, rannte er schwanzwedelnd auf ihn zu und kläffte aufgeregt, bis Austin sich zu ihm herunterbeugte und ihn streichelte. Gabe folgte Mac etwas langsamer, und Austins Herz klopfte schneller, als es sollte.
Ihn einfach nur anzusehen war ein unglaublich schönes Gefühl. Ihn berühren zu dürfen wäre noch besser gewesen, aber er würde auch die paar Augenblicke nehmen, die sie einander in die Augen sehen konnten.
»Hi«, sagte er jetzt zurückhaltend, als würde er Gabe gar nicht kennen, obwohl der ihn besser kannte als jeder andere Mensch.
»Hi«, erwiderte Gabe, nicht weniger zurückhaltend. Sein Herz wurde schwer, weil sie so nicht waren. Sie waren so verdammt viel mehr und sollten nicht so dämlich miteinander sprechen, als hätten sie sich nicht wirklich etwas zu sagen. »Deine Freunde sind heute wieder nach Hause gefahren?«
»Ja, die Saison beginnt wieder. Die nächsten Monate wird ihr Leben nur aus Football bestehen.«
Gabe nickte, dann legte er den Kopf schief. Seine Augen schienen tief in Austins Innerstes zu sehen. »Wie geht es dir damit? Es ist die erste Saison, in der du nicht spielen wirst.«
Austin hatte nicht mit der Frage gerechnet und sie überrumpelte ihn etwas. Er dachte darüber nach, dann zuckte er mit der Schulter. »Ich werde mich daran gewöhnen.«
»Da bin ich mir sicher«, sagte Gabe. Er lächelte kurz, dann blickte er an Austin vorbei. »Also … ich denke, ich muss weiter …«
Austin schluckte. »Willst du mit mir rausfahren? Es ist schönes Wetter und der See ist ruhig und …« Was redete er hier eigentlich für einen himmelschreienden Blödsinn?
»Ich glaube, das ist keine gute Idee«, sagte Gabe leise. »Ich kann das nicht. Dieses Freunde-Ding funktioniert nicht. Nicht mit dir.«
Austin nickte. Gabe war konsequent, es war fair, aber das bedeutete nicht, dass es weniger wehtat.
»Okay. Dann bis … bald?«
»Ich werde nächste Woche abreisen, wenn Lionel zurückkommt.«
»Oh.« Dieser Tag wurde mit jedem Wort, das Gabe sagte, immer schlimmer. »Ich hatte nicht damit gerechnet, dass es schon so bald soweit sein wird.«
»Wenn Lionel wieder da ist, dann …« Gabe sah zu Boden und verlagerte das Gewicht von einem Bein auf das andere. »Es gibt keinen Grund für mich, hier zu bleiben.«
»Ja«, sagte Austin. Dämlich, dämlich, dämlich. Es gäbe so viel, was er noch sagen könnte, stattdessen trat er um Gabe herum. »Vielleicht sehen wir uns ja nochmal, bevor du abreist.«
»Es gibt jeden Tag Kaffee im Marriotts «, sagte Gabe, das Lächeln so wackelig wie Austins Beine.
»Klingt gut.« Er winkte und wandte sich schnell ab, bevor sein Mund oder seine Hände Dinge tun würden, die nicht angemessen waren.
Er hatte den Steg, der zu den Booten führte, beinahe erreicht, als ein schrecklicher, lauter Ton die Luft zerschnitt und alle Umstehenden erschreckt herumfahren ließ. Eigentlich war es eine Kakofonie aus Geräuschen, von denen eins schlimmer war als das andere.
Zuerst vernahm er einen Laut, der nicht von einem Menschen stammen konnte. Es war eine Art Jaulen, qualvoll und hoch, dann folgte ein Schrei, der so schmerzerfüllt und markerschütternd klang, wie Austin es noch nie gehört hatte, ehe Blech schepperte. Bleierne Stille legte sich über sie alle, bevor die ersten Menschen zur Quelle des Lärms rannten.
Austin folgte ihnen blind, aus einem inneren Instinkt heraus wusste er, dass er dort hoch musste, auf die Straße, um zu sehen, was passiert war.
Er erblickte die eingedellte Motorhaube des Sportwagens schon von Weitem. Weißer Rauch stieg daraus empor, der Autofahrerin schien es aber gut zu gehen, denn sie kletterte gerade aus ihrem zerstörten Auto, und wurde sofort von Passanten umringt. Sie hatte eine blutende Wunde an der Stirn, war ansonsten aber wohl mit dem Schrecken davongekommen.
Mit einem unguten Gefühl im Innern ließ Austin seinen Blick weiter schweifen, etwas stimmte nicht. Das Auto knisterte leise, die Leute redeten aufgeregt durcheinander, er vernahm das Aufheulen der Sirene des Polizeiwagens, aber etwas … etwas stimmte nicht. Er hatte vorhin zwei Schreie gehört und … Austin drehte sich im Kreis, versuchte den Grund für das komische Gefühl in ihm zu eruieren, und dann entdeckte er Gabe, der am Boden lag. Austin starb. Einfach so, weil er Gabe dort liegen sah, reglos, klein, es gab keinen Grund mehr für ihn zu leben.
Nein! Nein! Nicht Gabe!
»Gabe!«, schrie Austin und rannte auf seinen stillen Körper zu, nur um zu bemerken, dass er nicht still war. Gabes Körper bebte, und das bedeutete, dass er nicht tot war! Fuck, er lebte!
»Gabe!«, schrie er wieder, rannte um Schaulustige herum, stieß irgendjemanden zur Seite, schlitterte zu Gabe, und erst jetzt entdeckte er, was wirklich passiert war. Es war nicht Gabe, der verletzt war, sondern Mac. Der Dalmatiner lag jaulend und schweratmend auf der Seite. Blut bedeckte sein Fell und Gabes Hände, während eines seiner Vorderbeine in einem seltsamen Winkel verdreht war und kraftlos herabhing. Voller Schmerz drehte er seinen Kopf hin und her und hatte die Zähne gebleckt, die Augen weit aufgerissen, Panik in ihnen.
»Fuck!« Völlig außer Atem kniete Austin sich zu den beiden runter. Macs Anblick schnürte ihm den Hals zu. So hilflos und überfordert wie in diesem Moment hatte er sich noch nie gefühlt. Er warf Gabe einen kurzen Blick zu. »Bist du okay?«
»Das Auto war plötzlich da, wir konnten nicht ausweichen, oder zur Seite …« Gabe schluckte schwer. »Er muss zum Tierarzt!« Gabes zitternde Hände glitten über Macs ruhelosen Körper, Tränen tropften auf sein Fell hinunter, Macs Winseln war nur schwer aushaltbar.
Austin nickte hektisch. »Okay, wir bringen ihn dorthin«, sagte er. »Ich nehme ihn, du fährst.«
»Nein! Ich kann nicht … ich nehme ihn. Hol den Van, dort habe ich genug Platz, um mich mit ihm hinzusetzen.« Gabe schluchzte, sein Gesicht war tränenüberströmt, er schüttelte wieder und wieder den Kopf, als könne er nicht glauben, was hier gerade passiert.
»Der Van«, sagte Austin tonlos.
»Hol den fucking Van!«, schrie Gabe nun. Unwirsch wischte er sich eine Träne von der Wange. »Bitte«, fügte er hinzu.
Austin nickte und rappelte sich auf. »Okay, ich hole ihn. Schlüssel. Ich brauche die Schlüssel.« Sein ganzer Körper begann zu zittern, als Gabe ihm den Schlüsselbund reichte.
Mac begann plötzlich zu zappeln, was ganz sicher nicht gut war mit seinen Verletzungen.
»Mach schnell«, sagte Gabe, seine Stimme verzweifelt.
Austin sah sich um, entdeckte Gabes Van auf der anderen Straßenseite und bewegte sich darauf zu. Er stolperte über die Straße, direkt auf das Auto zu. Mit bebenden Fingern schloss er auf und setzte sich hinters Lenkrad. Er umfasste es, krallte seine Finger hinein und starrte blicklos vor sich hin. Er konnte das nicht! In seiner Brust breitete sich ein Druck aus, den er so schlimm noch nie gespürt hatte. Er presste seine Lunge zusammen und hinderte ihn am Atmen. Es war Jahre her, seit er zuletzt ein Auto gefahren hatte, und er konnte nicht … Austin schüttelte den Kopf. Er sah zu Gabe und Mac, die beinahe von nutzlos herumstehenden Gaffern verdeckt waren. Gabe vertraute auf seine Hilfe. Er durfte ihn jetzt nicht enttäuschen.
Austin startete den Motor und gab bedächtig Gas, wendete und fuhr so nahe zu Gabe heran, wie es die Leute zuließen, dann sprang er aus dem Wagen, öffnete die Hintertür und eilte zu Gabe. Der hatte sich inzwischen das T-Shirt ausgezogen und Macs Kopf damit umwickelt.
»Ich nehme ihn«, sagte Austin erneut, er wollte Mac hochheben, doch Gabe schob ihn zur Seite. Austin taumelte, das Adrenalin floss wild wie ein Gebirgsbach durch seinen Körper. Er versuchte sich auf den Beinen zu halten, sich nicht anmerken zu lassen, wie groß die Panik in ihm war. Leise schnappte er nach Luft, die er langsam ausatmete.
»Austin! Komm jetzt!«, rief Gabe. Er war aufgestanden und schon fast beim Van angelangt. Austin fuhr zu ihm herum, sah ihn an, bemerkte, dass Gabe am Bein blutete, doch er konnte keinen einzigen klaren Gedanken fassen. Sein Kopf war im Leerlauf, tausende von Gedanken sammelten sich ungedacht zu einem Berg an Befürchtungen.
Er folgte Gabe langsam, sah wie in Trance dabei zu, wie er den Hund auf die Rückbank legte. Er konnte es nicht. Er durfte es nicht. Von all den Momenten, in denen er sich vor der Wahrheit gedrückt hatte, war dieser hier der entscheidende.
»Gabe …«, murmelte Austin, und alles in ihm zog sich vor Angst zusammen.
»Austin, mach endlich!«, rief Gabe über seine Schulter hinweg. Er war schon dabei, in den hinteren Teil des Vans zu klettern.
»Ich kann nicht …« Der erste und einzige Gedanke, den er artikulieren konnte. Die Wahrheit, die Gabe kennen musste. Er konnte nicht und würde es auch nie können. Austin rang nach Atem und streckte seine Hand aus, während er sich hilflos umsah. Er brauchte Hilfe! Er musste …
»Austin!« Wieder Gabe. Er brauchte ihn und Austin war nicht in der Lage, ihm zu helfen, weil er nicht …
»Austin, schwing deinen verdammten Arsch hinter das Lenkrad.« Gabes Stimme war wacklig und trotzdem wütend, während Macs Körper neben ihm bebte. »Austin, bitte«, flehte Gabe. »Ich brauche dich.«
Sein Blickfeld wurde durch einen schwarzen Rand eingeschränkt, es war, als würde von irgendwoher schwarzer Rauch strömen und seine Sicht trüben.
»Hey! Sie! Können Sie Autofahren?«, rief Austin und richtete seine Frage an einen der umstehenden Männer. Gabe brauchte ihn jetzt
»Austin …«
»Gabe! Austin! Was ist passiert?« Leo kam auf ihn zugejoggt. Er sah sich um, nahm die Situation in sich auf, entdeckte Mac und Gabe im Van sitzend.
»Oh, Gott sei Dank«, sagte Austin schwach.
»Was ist passiert?«, fragte Leo erneut.
»Wir müssen zum Tierarzt«, sagte Gabe jetzt. Er sah Austin nur kurz an, dann konzentrierte er sich auf Leo. »Kannst du uns fahren?«
»Aber …«
»Fahr«, sagte Austin nun, erleichtert, dass er der Situation entkommen war. Leo fragte nicht weiter nach, sondern stieg zu seiner grenzenlosen Erleichterung ein. Austin wich Gabes anklagendem Blick aus, schloss die Tür des Vans und stieg auf der Beifahrerseite ein. Erschöpft legte er den Kopf zurück, und Leo fuhr los.