Austin
Gabe reiste heute ab. Ethan hatte es ihm gesagt, als sie sich zum Joggen getroffen hatten. Jake hatte es erwähnt, als er zu einem Filmabend zu ihnen gegangen war. Harlow hatte es mit einem seltsamen Blick in den Augen angemerkt, ehe sie ihm einen Kuss auf die Wange gegeben hatte, und Leo hatte es während eines Ausflugs mit dem Kajak angerissen.
Es war, als wäre diese Familie für seinen persönlichen Untergang verantwortlich. Wann immer er mit ihnen zusammen war, unterhielten sie sich über Gabe, das Diner, Mac, Gabe, Gabe, Gabe. Es gab einfach kein Entkommen.
Und er hatte es mit stoischer Gelassenheit zur Kenntnis genommen. Natürlich machte es ihn traurig, dass Gabe nun wirklich ging. Natürlich machte es die Sehnsucht nicht besser oder leichter. Aber sie alle wussten ja auch nicht, was er war. Er hatte alle getäuscht. Absolut alle Menschen in seinem Umfeld, aber bei Gabe war es am schlimmsten.
Austin hämmerte bereits den ganzen Morgen am Steg herum. Er würde sich demnächst ein eigenes Boot kaufen, damit er
auf den See hinausfahren konnte, wann er wollte. Außerdem erinnerte ihn Ethans Boot viel zu sehr an Gabe. Er brauchte etwas Neues, um eigene Erinnerungen zu schaffen, die nicht schmerzten und brannten wie Säure.
Sobald Gabe erstmal weg war, würde es ihm besser gehen. Dann würde er nicht länger an sie beide als Paar denken, an die gemeinsamen Stunden, das Lachen, die Berührungen, die Nähe. Nach und nach würde das alles verblassen und in den Hintergrund treten, bis er den Verlust nicht mehr fühlte.
Regenwolken türmten sich heute am Himmel, die einfach wunderbar zu seiner Stimmung passten. Er schlug immer fester mit dem Hammer zu, bis die Nägel sich mit nur einem einzigen Schlag ins Holz bohrten. Nagel um Nagel schlug er in die Latten, bis er mit einem wütenden Schrei den Hammer in die Ecke warf. Er prallte auf den Steg, rutschte vom Rand und fiel ins Wasser.
»Fuck!«
Wem machte er hier eigentlich etwas vor? Und auf was wartete er? Wollte er sein gesamtes Leben wirklich allein verbringen, wenn er wusste, dass es dort draußen einen Gabe für ihn gab? Wirklich? Das wollte er?
Was spielte es für eine Rolle, wenn Gabe sein Geheimnis kannte? Er musste es ihm sagen, und dann sollte Gabe entscheiden, was er damit anstellte. Wenn er Austin dann nicht wollte, würden sich all seine Ängste und Befürchtungen bestätigen, Austin würde nach Hause zurückkehren, seine Wunden lecken und weitermachen, wie zuvor. Aber dann hätte er es wenigstens probiert.
»Fuck!«, schrie er erneut, und dann lief er los. Er rannte von seinem Grundstück, passierte irgendwann die Klippen und Jakes und Ethans Haus. Er rannte so schnell, dass er vollkommen durchgeschwitzt war, bis er irgendwann merkte, dass es gar kein Schweiß, sondern Regen war, der ihm über den Körper lief.
Aus dem Augenwinkel erblickte er Jake, der in der offenen Tür des Scheunentors stand. Er blieb nicht stehen, sondern lief weiter, schlitterte über Kieselsteinchen und Dreck, bis er endlich die Stadt erreichte. Er eilte auf das Marriotts
zu, in dem die Lichter brannten. Gabes Van stand direkt vor der Tür, der Kofferraum war offen.
»Gabe!«, schrie Austin. Er rannte über die Straße, wurde beinahe von einem Auto umgenietet, ehe er den Van erreichte. »Gabe!«, rief er wieder.
»Himmel, was ist passiert?«, fragte Lionel und trat aus dem Diner. Er blieb unter dem Dachvorsprung stehen und sah Austin stirnrunzelnd an.
»Wo ist Gabe?«, fragte Austin keuchend.
»Oben. Er packt die letzten Kisten.«
»Ich bin hier«, sagte Gabe nun seelenruhig. Er ging an ihnen vorbei und lud eine weitere Kiste in den Kofferraum, dann schloss er ihn und drehte sich um.
»Du bist noch hier. Gott sei Dank«, keuchte Austin. Er stützte die Hände auf die Knie und rang verzweifelt nach Luft, während er nicht damit aufhören konnte, Gabe anzusehen.
»Ich glaube, er will mit dir sprechen«, sagte Lionel mit einem Grinsen.
»Ja.« Austin zeigte auf Lionel. »Er – hat – recht«, brachte er abgehackt hervor. Der Sprint über drei Meilen brachte seinen Körper an seine Grenzen. Er atmete und wartete und verzehrte sich nach Gabe.
»Können wir … reden?« Austin richtete sich langsam auf und trat einen Schritt zurück. »Allein«, fügte er hinzu.
»Ich muss ohnehin wieder rein«, sagte Lionel jetzt, machte kehrt und dann waren sie allein.
»Ich dachte, ich wäre zu spät«, sagte Austin, nachdem er die Tür des Marriotts
geschlossen hatte.
»Zu spät wofür?«
»Um dich nochmal zu sehen.«
»Das hast du jetzt.« Gabe schob die Hände in die Hosentaschen und starrte ihn unschlüssig an. Der Regen prasselte auch auf ihn nieder und durchnässte ihn, doch das schien ihm nichts auszumachen. »Ich fahre heute Abend.«
»Okay. Nein, nicht okay.« Austin schüttelte den Kopf, Regentropfen flogen durch die Luft. »Du darfst nicht fahren!«
»Warum nicht?«
»Weil … weil ich dich nicht gehen lassen kann«, stieß Austin hervor.
»Austin, das ehrt mich, aber …« Gabe atmete tief durch. »Ich brauche mehr. Ich kann nicht nur hier bleiben, weil ich gerade dein Lieblinssspielzeug bin und …«
Austin unterbrach Gabes Worte, indem er vortrat und die Hände an seine Wangen legte. »So ist es nicht. Du bist so viel mehr als nur ein Spielzeug für mich. Und ich verstehe dich, dass du so denkst, tue ich wirklich. Ich …«
Austin atmete langsam durch die Nase ein und den Mund wieder aus, bis sein Herzschlag langsamer geworden war.
»Ich muss dir etwas sagen«, flüsterte er, seine Stimme erstarb zitternd.
»Dann sag es«, erwiderte Gabe ruhig.
»Es besteht die Möglichkeit … nein, es ist sogar sehr wahrscheinlich, dass ich … ich habe Probleme. Und ich denke, dass ich …« Austin schluckte krampfhaft gegen das eine Wort an, das er sagen musste, aber auf keinen Fall aussprechen wollte.
»Was? Was ist es, Austin?«, hakte Gabe nach. In seinem Blick lag jetzt Besorgnis.
»Ich denke, ich bin dumm«, wisperte Austin, und zerbrach. Es auszusprechen war noch viel schlimmer, als es ein Leben lang in seinem Herzen zu verbergen. Die Wahrheit ließ ihn in die Knie gehen. Er hörte jemanden schluchzen, vielleicht sich selbst. Er wollte sich auf dem Boden zusammenkrümmen und sterben.
Wie hatte er nur jemals erwarten können, dass Gabe jemanden wie ihn wollte?
Starke Arme umfingen ihn und wiegten ihn sanft hin und her, ließen nicht zu, dass er in seine Einzelteile zerfiel. Dazu kam Gabes leises Wispern an seinem Ohr, Liebkosungen und kleine Küsse.
»Du bist nicht dumm, Austin«, hörte er Gabe irgendwann sagen. Und dann wiederholte er seine Worte wieder und wieder und wieder, und es wäre so leicht, sich darauf zu betten, wenn es da nicht den größten aller Beweise gäbe.
Nach einer unendlich langen Zeit zog Austin sich etwas zurück. Er holte blinzelnd Luft und betrachtete Gabe, der vor ihm auf dem Gehweg kniete und ihn einfach nur fragend ansah.
»Erzähl mir alles, Austin. Aber nicht hier.«
Hand in Hand stiegen sie die Treppenstufen zu Gabes Wohnung hinauf. Darin stapelten sich ein paar wenige Kisten, das gesamte Appartement wirkte leer und verlassen. Gabe würde gehen. Dessen war Austin sich jetzt noch viel sicherer als zuvor. Er hatte das Gespräch vollkommen falsch begonnen, was ja auch kein Wunder war, immerhin war er … dumm.
Mac lag in einem Korb beim Sofa und sein Schwanz begann jetzt heftig auf und ab zu schlagen. Sein Bein war eingegipst und als er Versuche machte, aufzustehen, ging Austin schnell zu ihm. Er ging in die Hocke und streichelte den Hund.
Gott, er hatte nicht nur Gabe sondern auch Mac furchtbar vermisst.
»Guter Junge«, wisperte er und vergrub sein Gesicht an Macs Hals, weil er so noch für einen Moment die Realität von sich fernhalten konnte.
»Hier«, sagte Gabe irgendwann. Er war neben ihn getreten und reichte ihm nun ein Handtuch.
Austin rieb sich über das nasse Gesicht, während Gabe sich auf dem Sofa niederließ und wartend zu ihm aufsah.
Nachdem Gabe sich fertig abgetrocknet hatte, blieb er unschlüssig stehen, so lange, bis Gabe seine Hand ausstreckte, die seine umfasste und ihn zu sich aufs Sofa zog.
»Ich bin nur ein Highschool-Lehrer und kein Spezialist, aber ganz im Ernst, Austin, du bist vieles, aber ganz sicher nicht dumm.«
»Ich kann nicht lesen.« Dieses Argument würde ausreichen, um Gabe vom Gegenteil zu überzeugen.
Nach einer langen Zeit fragte Gabe: »Fährst du deshalb kein Auto?«
Direkt, einfach so. Sein Herz pochte.
»Ja«, sagte Austin leise. »Ich kann nicht lesen. Konnte ich noch nie. Auto zu fahren … ist gefährlich, wenn man die Schilder nicht entziffern kann, verstehst du? Ich kann nicht schnell reagieren, weil meine Augen sich auf die Schilder und die Buchstaben konzentrieren wollen, aber keine Zeit dafür haben, zu verstehen, was sie bedeuten, und irgendwann … herrscht Chaos. Ich würde dich nie in Gefahr bringen, indem ich Auto fahre.«
»Aber … Austin, wie kannst du … was … wie?« Jetzt verlor Gabe doch ein wenig die Fassung, und Austin konnte es ihm nicht verdenken. Es war zu viel.
Austin zuckte mit den Schultern. »Ich habe es einfach nie gelernt. Es … ich konnte die Buchstaben nicht erkennen. Du glaubst nicht, wie durcheinander ich manchmal war. Alle meine Freunde lernten einfach so lesen. Es sah so leicht bei ihnen aus, und ich saß da und hatte keinen Schimmer, wie es funktionierte. Es klappte einfach nicht.« Austin holte tief Luft.
Gabe schüttelte den Kopf. »Du kannst nicht lesen.« Verwunderung lag in seiner Stimme. Und dann griff er nach Austins Hand und verschränkte ihre Finger miteinander, als hätte sich rein gar nichts zwischen ihnen geändert, obwohl sich doch alles geändert hatte.
»Hallo, ich bin Austin, meine Eltern sind beide hochbegabt und ich kann nicht lesen.« Er grinste. »Ich bin der Witz des Jahrhunderts.«
»Tu das nicht, Austin. Zieh es nicht ins Lächerliche. Erzähl es mir. Richtig. Ohne Witze.«
Wie sollte das funktionieren? Witze machten es leichter.
Austin holte tief Luft, und dann erzählte er Gabe all das, was seit so langer Zeit in seinem Innern lag, voll Spinnweben und Staubschichten. Seine ältesten, schmerzhaftesten, geheimsten Geheimnisse.
»Ich habe es ziemlich schnell gemerkt, dass irgendetwas nicht stimmt. Meine Freunde konnten bereits das ganze Alphabet und ich hing immer noch bei p
und b
fest. Es ergab keinen Sinn für mich. Ich konnte weder Wörter lesen und verstehen, noch Buchstaben auseinanderhalten. Und ich konnte immer nur daran denken, wie enttäuscht meine Eltern wären, wenn sie erst mal herausfinden würden, was für ein dummes Kind sie hatten.«
»Austin …« Gabe drückte seine Hand, sagte aber nichts weiter.
»Irgendwann wurden die Lehrer dann misstrauisch, es folgten Gespräche mit meinen Eltern, doch keiner von ihnen checkte, was wirklich los war. Ich war in dieser Zeit ziemlich wild und … verzweifelt. Auf jeden Fall habe ich viel Unsinn im Unterricht gemacht und mitbekommen, wie oft meine Lehrerin sich bei meinen Eltern beschwert hat.« Austin lächelte. »Da wurde mir klar, dass niemand hinter mein Geheimnis kommt, wenn ihr Fokus gar nicht auf meinen schulischen Leistungen liegt. Ich wurde also noch wilder und noch frecher. Bei keinem Gespräch waren jemals meine schulischen Leistungen das Thema, sondern immer mein Verhalten.«
»Du warst schon damals ein Genie, Austin. Wie konntest du jemals etwas anderes denken?«
»Ich habe es trotzdem nie gelernt. Als ich älter wurde, habe ich mir Geld nebenbei verdient und meine Klassenkameraden dafür bezahlt, dass sie meine Hausaufgaben machen, irgendwann habe ich auch die Schule geschwänzt. Ich wollte nach der Highschool abgehen, aber dann war ich so gut im Football, dass mir ein Stipendium angeboten wurde. Das war meine Chance, verstehst du?«
»Also bist du aufs College«, sagte Gabe nickend.
»Dort wurde es sogar noch leichter, denn dort gab es massenweise Leute, die sich um mein Geld gerissen haben und mir jede Hausarbeit geschrieben haben.«
»Aber … das Wissen wurde doch sicher auch mündlich überprüft.«
Austin nickte. »Sicher. Ich hatte in der Zwischenzeit längst verschiedene Tools gekauft, die mir geholfen haben. Handys mit Sprachausgabe, Übersetzungshilfen, Marsha hat mir in dieser Zeit viel geholfen. Sie war die einzige, die Bescheid wusste.«
»Marsha, deine Assistentin?«
»Ohne sie wäre ich nie in die NFL gegangen. Sie hat mir dort extrem viel geholfen, gerade am Anfang, als noch alles neu war. Wir haben gemeinsam das Playbook durchgeackert, ich habe mir jeden einzelnen Spielzug eingeprägt.«
Gabe lachte plötzlich los. Er fiel nach hinten und lachte schallend. »Du hattest einen Spitznamen …«
Austin lächelte, denn er wusste, auf welchen Namen Gabe anspielte. »The Brain
. Meine Mitspieler nannten mich so, weil ich innerhalb einer Woche alle Spielzüge auswendig gelernt hatte und damit grundsätzlich der Liebling der Trainer war.«
Gabe wischte sich die Tränen aus dem Augenwinkel. »Brain, Austin. Verstehst du nicht? Dieser Spitzname erzählt davon, wie klug du bist.«
»Hör auf«, wiegelte Austin ab. »Ich habe einfach nur ein gutes Gedächtnis.«
»Die Bestellungen. Damals, als du mir im Diner geholfen hast …«
»Ich hätte sie nicht lesen können«, sagte Austin leise. »Ich fahre kein Auto, ich gehe nicht ins Kino, um mit Filme mit Untertiteln anzusehen, ich besitze ein spezielles Handy, das eigentlich auf Menschen mit Sehstörungen ausgerichtet ist.«
»Woran liegt es, was denkst du?«, fragte Gabe, nachdem Austin in Schweigen verfallen war. Er wartete noch immer auf den großen Paukenschlag, sobald Gabe wirklich verstand, was Austin ihm gerade mitgeteilt hatte. Dann würde er aufstehen und weggehen, weil er als intelligenter Mann seine Zeit nicht mit einem dummen Menschen wie ihm verbringen wollte.
»Du weißt, woran es liegt«, sagte Austin nun tonlos.
Du bist dumm.
Sieh nur, wie dumm du bist, du kannst nicht mal lesen.
Jedes Kind kann lesen, nur du nicht. Weil du dumm bist.
All diese Glaubenssätze hatten sich mit der Zeit tief in ihm verankert. Dummheit war Teil seiner Persönlichkeit, so einfach war das. Es gab kluge Menschen und es gab dumme Menschen. Solche wie er.
»Ich habe es dir vorhin schon gesagt, Austin, du magst vieles sein, aber deine Leseschwäche kommt ganz sicher nicht von niederer Intelligenz, und es bricht mir das Herz, dass du offenbar dein gesamtes Leben mit diesen Gedanken gelebt hast«, murmelte Gabe. »Ich bin kein Experte, aber ich weiß beispielsweise, dass eine Genmutation für Leseschwächen verantwortlich gemacht wird. Das für das Lesen zuständige Hirnareal Informationen anders verarbeitet.«
Austin runzelte die Stirn. Davon hatte er noch nie gehört. Weil er sich niemals damit beschäftigt hatte, weil er eine andere Wahrheit kannte.
»Was ist mit deinen Eltern, Austin? Was sagen die dazu?«
»Sie haben es bis heute nicht herausgefunden«, wisperte Austin. Er verstärkte den Druck seiner Hand so lange, bis Gabe sich vorbeugte und ihn küsste. Augenblicklich wich ein großer Teil der Anspannung aus seinem Körper und er schloss flatternd die Augen. Bleib bei mir.
»Wie konnten sie es nicht bemerken?« Gabe sah ihn plötzlich ganz aufgeregt an. »Deshalb, oder?«
Austin runzelte die Stirn. »Was?«
»Deshalb hast du dich zurückgezogen. Von allem und jedem. Deshalb gehst du keine … Himmel, Austin, was hast du getan?«, fragte Gabe fassungslos. Er lehnte sich etwas zurück und sah Austin kopfschüttelnd an, ehe er sich wieder vorbeugte und ihn küsste. Einmal, zweimal, dann strich er mit der Nase über seine Wange. »Deshalb bindest du dich nicht und gehst niemals eine Beziehung ein. Damit niemand hinter dein Geheimnis kommt.« Gabe klang vollkommen erschüttert. Als hätte sich seine Welt gerade einmal auf den Kopf gedreht.
Austin lachte leise auf, und dann spürte er eine Träne über seine Wange laufen. Noch mehr folgten. Sie kullerten einfach so über sein Gesicht, da half das ganze Blinzeln nichts. Gabe küsste ihn, zog ihn an sich und streichelte ihm beruhigend über den Rücken.
Austin weinte wie ein kleines Kind, doch mit jeder Träne fühlte er sich leichter.
»Hat deine Leseschwäche auch etwas mit deinem Rücktritt aus der NFL zu tun?«
»Nachdem Marsha schwanger war, wusste ich, dass meine Zeit abgelaufen war. Ohne sie hätte ich nicht … Außer ihr weiß nur noch Eric Bescheid. Er hat es mal zufällig mitbekommen.«
»Austin, das ist nichts … du musst dich dafür nicht schämen«, flüsterte Gabe.
Austin lachte auf. »Ich bin ein erwachsener Mann und kann nicht lesen und kaum schreiben. Nenn mir einen Grund, warum ich mich nicht dafür schämen sollte?«
»Weil du nichts dafür kannst? Weil es viele andere Menschen gibt, die genau das gleiche Problem haben. Gott, du hättest damit zu einem Arzt gehen müssen.«
Gabe klang aufgewühlt und vollkommen fassungslos, schüttelte immer wieder den Kopf und hauchte Küsse auf Austins Lippen. »Es tut mir so leid, Austin.«
»Was denn? Es ist nicht deine Schuld.«
»Es tut mir leid, dass du dein Leben damit verbracht hast, dich zu verstecken. Sogar, als du mitten im Scheinwerferlicht gestanden hast. Und es tut mir leid, dass absolut niemand jemals richtig hingesehen hat.«
Austin schluckte schwer, und dieses Mal war er es, der Gabe an sich zog und ihn küsste. Voller Leidenschaft und Inbrunst, weil Gabe all die richtigen Worte sagte, die er in diesem Moment hören musste. Keine Schuldzuweisungen, keine Beurteilungen, keine Lösungen. Nur, dass es ihm leidtat.
Und das Beste war: Er war noch hier. Er saß noch immer hier neben ihm, hielt ihn und küsste ihn. Gabe war nicht gegangen, und kurz dachte er an Erics Worte. Vielleicht hatte er ja doch recht. Die Welt wurde nicht plötzlich viereckig und stand still. Sie drehte sich weiter. Ob Austin nun lesen konnte oder nicht.
Aber der mikroskopisch kleine Teil, der seine eigene Welt darstellte, hatte sich verändert, war plötzlich groß und weit und sehr beängstigend, dennoch war Gabe noch immer ein Teil seines Kosmos’, und dafür liebte er ihn.
Austin stürzte sich auf Gabe, brachte ihn dazu, nach hinten zu sinken, und so lagen sie aufeinander, sahen sich an und verloren sich ineinander.
Austin küsste Gabe, er streichelte ihn, fuhr mit den Händen unter sein T-Shirt. »Geh nicht«, murmelte er zwischen zwei
Küssen. Er schob Gabes T-Shirt in die Höhe und liebkoste seinen Brustkorb, der sich heftig hob und senkte.
»Ich …« Gabe stöhnte auf, als Austin eine Brustwarze zwischen seine Zähne zog und hineinbiss.
»Bleib bei mir. Ich will nicht, dass du gehst.«
»Aber du kannst nicht …«
»Ich liebe dich, Gabe.« Austin richtete sich auf und sah ihm ernst in die Augen. »Ich liebe dich so sehr. Ich kann dir nicht versprechen, dass ich gut bin in diesen Beziehungsdingen, oder dass ich alles richtig machen werde, aber ich will dich glücklich machen.«
»Ich bin glücklich«, wisperte Gabe. Er hob seinen Kopf und küsste ihn sanft. »Wenn du bei mir bist, bin ich glücklich. Aber … ich kann nicht auf Kinder verzichten. Ich habe darüber in den letzten Tagen nachgedacht und ich will tun, was du mir geraten hast und es allein versuchen.«
Austin legte den Kopf schief. »Denkst du, es wird Probleme geben, wenn die herausfinden, dass ich d…, dass ich nicht lesen kann?«
Gabe starrte ihn an, dann grub er die Hände in Austins Hüften. »Was soll das heißen?«
»Dass ich dabei bin. Wir gründen unsere Familie. Es gibt nur eine Bedingung.«
»Und die wäre?«
»Du wirst auch für meine fünfzig Kinder ein Vater sein.«
Gabe runzelte die Stirn. »Austin, bist du verrückt geworden?«
»Doch, ernsthaft. Wenn das Camp voll ist, dann werden dort fünfzig Kinder herumspringen, und die brauchen Vaterfiguren. Ich kann das nicht allein.«
Gabe lächelte breit, dann zog er Austin an sich, und küsste ihn. »Fünfzig Kinder im Camp, mindestens fünf eigene Kinder und ein Hund.«
»Können wir mit einem Kind anfangen und erstmal testen, ob es funktioniert? Ich will es richtig machen, Gabe«, bat Austin.
»Du wirst ein ganz großartiger Vater sein, und ja, wir gehen einen Schritt nach dem anderen, ich will nämlich nicht stolpern.«
»Das will ich auch nicht.«