Hallo, ich bin Christian Solmecke, Rechtsanwalt und Partner bei der Kanzlei WBS.LEGAL in Köln. Wer diesen Satz schon einmal aus meinem Mund gehört hat, der weiß, dass es da draußen allerlei verrückte Rechtsfragen, Klagen, Gerichtsfälle und Gesetze gibt. Denn diese skurrilen Rechtsthemen können kaum verrückt genug sein für die aktuell fast eine Million Abonnenten meines YouTube-Kanals WBS.LEGAL. Wir verlassen mit diesem Werk also den Arbeitsbereich eines Durchschnittsjuristen.
Neben der spannenden Arbeit in der Kanzlei beschäftige ich mich für meinen Kanal mit teilweise ziemlich absurden Themen, die gerade in den Tageszeitungen und sozialen Netzwerken rauf und runter diskutiert werden. Ich beleuchte sie von der rechtlichen Seite: Von #Pimmelgate über »Schachbetrug mit vibrierendem Sexspielzeug« - wir haben die besten Fälle hier gesammelt!
Doch auch weniger bekannte Perlen der deutschen Juristerei haben es in diese Sammlung geschafft: Kennt ihr das berühmte Urteil in Reimform: »Masturbieren im Russenpuff«? Oder die gesammelte Rechtsprechung zum Anfurzen von Polizisten? Neben diesen findet ihr bekannte Fälle und Gesetze aus der ganzen Welt im Buch. Wer kennt nicht den berühmten McDonald’s-Fall vom verschütteten Kaffee oder die EU-Gurkenkrümmungsverordnung? Oder die Geschichte von der Grumpy Cat oder des Affenselfies von Naruto?
Aber nicht nur von den tatsächlichen Absurditäten des juristischen Alltags habe ich zu berichten. Jeder saß schon mal zu Hause auf dem Sofa und dachte sich: Mmh, was wäre eigentlich, wenn ... Was wäre, wenn ein Baby im Weltraum geboren würde, welche Nationalität hätte es? Wenn ich über die Grenze zweier Länder hinweg jemanden erschieße, nach welchem Strafgesetzbuch werde ich verurteilt? Und wer kommt in den Knast, wenn eine künstliche Intelligenz mordet? Apropos Mord - wer erfahren will, welches Recht bei Mord im Weltraum gilt - dem wünsche ich jetzt viel Spaß beim Lesen dieses Buches!
Euer Christian Solmecke
Es war einmal ein kleiner Abiturient. Der wollte in die Fußstapfen seiner Richter-Mama treten und etwas »Anständiges« und »Seriöses« machen. So studierte er Jura. Er lernte dort den juristischen Gutachtenstil. Dabei darf man das Ergebnis nicht zu schnell verraten, auch wenn man es bereits weiß. »Hihi, das ist ja witzig«, dachte er sich. Auch lange Gesetze lernte er zu lesen - und wie man den Wortlaut richtig versteht, das wurde ihm ebenso beigebracht.
Mit seinem großen Gesetzbuch unterm Arm beendete er das Studium und ging mit Vorfreude hinaus in die große, weite Richterwelt. Eine Abänderungsklage, allgemeinverbindliche Tarifverträge, praktische Konkordanz und vielleicht sogar der Erlaubnistatbestandsirrtum? Das kleine Richterlein war gespannt, was ihn im Gerichtssaal so erwartete ...
*Schnitt*
Das mittlerweile alte Richterlein sitzt mit seinen grauen Haaren in einem Schaukelstuhl auf der Veranda, als seine kleine Enkelin rauskommt: »Du, Opa, war der Job als Richter nicht furchtbar langweilig?« Lachend erwidert der Greis: »Setz dich, Kleine!« Er holt eine große Mappe mit der Überschrift »Kuriose Geschichten aus den Gerichten« hervor. »Auf diesen Moment habe ich schon lange gewartet. Du glaubst, du hast gute Ausreden, weil du dein Zimmer wieder nicht aufräumen wolltest? Da sind so manche Übeltäter vor Gericht noch viel kreativer.« Schnell verdeckt er das Inhaltsverzeichnis, in dem man kurz einen Blick auf das Kapitel »Penisse vor Gericht« und den »drogenaufspürenden Richter« erhaschen konnte. »Nur manche Geschichten, die müssen warten, bis du älter bist.«
Viele lügen, dass sich die Balken biegen. Was manche auf sich nehmen, um eine Lüge aufrechtzuerhalten, ist oft bei Weitem anstrengender, als einfach die Wahrheit zu erzählen. Immer eine Karte mehr auf das Kartenhaus, bis irgendwann das Lügenkonstrukt einstürzt. Manchmal aber siegt die Dreistigkeit gerade dann, wenn keiner die Dreistigkeit für möglich hält. Und besonders dreist war der Brite Alan Knight, der für seine waschechte Oscar-Performance wirklich einiges auf sich nahm. Aber war sein Kartenhaus einsturzsicher?
Der Mann aus Wales soll zunächst seinen an Alzheimer erkrankten Nachbarn um 40 000 Pfund Angespartes betrogen haben, nachdem er ihm eine Freundschaft vorgegaukelt hatte. Versuche, dessen Testament zu fälschen und sich Aktien auszahlen zu lassen, hatte er auch auf dem Kerbholz. Von dem Wort Moral hatte er offensichtlich noch nichts gehört, da er obendrein versuchte, seinen unliebsamen Sohn für die Taten verantwortlich zu machen. Das führte so wenig zum Erfolg wie die einfallsreiche Idee, die Polizei zu beschuldigen, dass sie das Geld eingesackt und die Sache danach vertuscht habe. Diese Lügen wurden schnell vom Tisch gefegt.
Als er sich letztendlich vor Gericht wegen Diebstahls und Urkundenfälschung verantworten musste, packte der Lügenbaron jedoch eine sehr viel krassere Geschichte aus, um sich vor den Verhandlungsterminen zu drücken: Beim Schließen des Garagentores habe dieses ihn an seiner Wirbelsäule getroffen. Schmerz, lass nach! Die Folge seien eine Querschnittslähmung sowie Komaanfälle. Er müsse sogar künstlich beatmet werden. Mit dieser Ausrede konnte sich Knight immer wieder den Gerichtsterminen entziehen, indem er vorgaukelte, wegen »Verschlechterung seines Gesundheitszustandes« ins Krankenhaus eingewiesen worden zu sein. Außerdem könne man, wenn er in komatösem Zustand sei, mit ihm nur noch per Augenkontakt kommunizieren.
Seine Frau holte er als Komplizin an Bord. Wie Bonnie und Clyde tischten sie Lüge um Lüge auf, um die Geschichte so glaubwürdig wie möglich erscheinen zu lassen. Gefakte Bilder, die den Briten mit Atemschläuchen zeigten, und Rollstuhlbilder, wenn er gerade nicht im Koma lag - das nahm das Ehepaar über zwei Jahre lang auf sich. Nicht einmal die Nachbarn schöpften Verdacht. Alan soll sich heimlich aus dem Haus geschlichen haben, um Kilometer weit weg einzukaufen. Zu den umgerechnet 50 000 Euro Betrugsgeld bekamen die beiden noch Tausende aus der staatlichen Pflegekasse ausgezahlt. Weil die Ermittlungsbehörde nicht ganz von der Geschichte überzeugt war, versuchten die Beamten, den Mann zu erwischen, aber es gelang lange Zeit nicht. Sogar dem Prime Minister soll der Betrüger geschrieben haben, dass die Polizisten endlich von ihm ablassen sollten, schließlich verfolgten sie einen »Schwerkranken«.
Der Schwindel flog auf, als sich Knight für zehn Wochen selbst ins Krankenhaus einwies. Dort gelang ihm die 24-Stunden-Performance nicht. Die Ärzte erwischten ihn dabei, wie er sich das Gesicht wusch, Sachen aß und Dinge notierte. Weiterhin konnte er nicht erklären, wie das volle Glas auf seinem Nachttisch auf wundersame Weise über Nacht Wasser verloren hatte. Auch die zahlreichen medizinischen Befunde erkannten keine körperlichen Unstimmigkeiten und erst recht keine Querschnittslähmung.
Erst da entdeckte auch die Polizei auf mehreren Überwachungskameras den topfitten Waliser, wie er mit seiner Familie - als wäre nichts gewesen - im Einkaufszentrum herumschlenderte. Selbst einen Urlaub hatte er sich gegönnt - wobei die Urlaubsbilder für ihn nun bestenfalls noch ein Andenken an die schöne Zeit waren, bevor er erwischt wurde. Denn auf diesen war Alan ebenfalls nicht im Rollstuhl zu sehen, sondern grinsend am Strand, wie er seine Frau in den Armen hielt.
Einen letzten Versuch unternahm er noch, als er sich zum Gerichtstermin von seiner Frau die Rampe hochschieben ließ. Doch die Beweise waren erdrückend. Zwar erkannten die Richter Alans Schauspielkünste an, erklärten den »Koma-Mogler« aber zum »unehrlichsten Mann, den man je gesehen hat«. Um Nachahmer zu vermeiden, wurde an dem Ehepaar ein Exempel statuiert. Nachdem der notorische Lügner bereits über vier Jahre eingesessen hatte, musste er noch zusätzlich eine 14-monatige Haftstrafe abbüßen. Seine Frau verbrachte zehn Monate hinter Gittern.
Ob ihm die Haftstrafe eine Lehre war, wird sich zeigen. Genügend Zeit, um sich eine neue Masche auszudenken, hatte er allemal. Eines muss dem Waliser allerdings klar sein: Wer einmal lügt, dem glaubt man nicht, auch wenn er dann die Wahrheit spricht.
Nein, es geht hier nicht um einen Fußfetisch. An den Socken zu schnüffeln gehört auch nicht zur Jobbeschreibung eines Richters. Trotzdem kann es bestimmt - auch als Vorsitzender an einem Amtsgericht - nicht schaden, wenn man mit seinem Riechorgan einem Sternekoch Konkurrenz bereitet. Damit ist nicht die Fähigkeit gemeint, abgetragene Turnschuhe von dem Stinkkäse Pont-l’Évêque zu unterscheiden, sondern Gerüche wahrzunehmen, die für andere verborgen bleiben.
Denn dieses Talent macht einen Drogenspürhund im eigenen Gerichtssaal überflüssig. Das beweist schon folgende Geschichte aus der Zeit, bevor es überhaupt zu dem Socken-Eklat kam: Im Rahmen eines dienstlichen Ausflugs geriet ein Richter und ehemaliger Staatsanwalt in eine Verkehrskontrolle.
Weit hinter ihm nahm er bei einem Passanten den Geruch von Marihuana wahr. Die von ihm informierten Polizisten eilten los, um den Rucksack des Fußgängers zu untersuchen. Und siehe da: Die Supernase hatte recht behalten.
Von dieser Geschichte gehört hatte ein 22-jähriger Angeklagter wohl nicht. Vielleicht wollte er die besondere Gabe des Richters aber auch mit eigenen Augen sehen. Der bereits mehrfach Vorbestrafte war diesmal vor einem Club mit so vielen Päckchen Gras in seinen Socken erwischt worden, dass ein Eigenbedarf wohl nur zu rechtfertigen gewesen wäre, wenn er Snoop Dogg höchstpersönlich gewesen wäre.
Als der mutmaßliche Drogendealer bereits zu einer Geldstrafe von 1800 Euro verurteilt worden war, nahm der Richter erneut Fährte auf. Nachdem er den Angeklagten gefragt hatte, ob er Drogen dabeihabe, und dieser den Besitz von Betäubungsmitteln abstritt, ließ der Amtsrichter ihn prompt durchsuchen. Es kam, wie es kommen musste: Der Wiederholungstäter hatte Drogen in den Socken.
Es bleibt für die Anwesenden und besonders den Entdecker des illegalen Funds nur zu hoffen, dass der Angeklagte seine Socken häufiger wechselt als seine Rauschmittel-Verstecke - oder zumindest eine Waschmaschine besitzt.
Ob der 22-Jährige bei seinem erneut bevorstehenden Prozess wieder die Drogen-Socken auswählt oder es diesmal ganz bleiben lässt, wird er vermutlich vom Vorsitz abhängig machen. Denn eines ist klar: Der Supernase vom Amtsgericht Hannover entgeht nichts.
Creative sentencing, hierzulande nicht denkbar, ist eine Methode, die in den Vereinigten Staaten auf dem Vormarsch ist. Um den überfüllten Gefängnissen entgegenzuwirken, lassen die Richter den Angeklagten meist die Wahl: entweder Knast oder eine kreative Strafe. Dabei hängt es von der Laune des Richters ab, was die Haftstrafe jeweils ersetzen soll.
Der Kreativität sind keine Grenzen gesetzt, nur eines muss beachtet werden: Die Strafe darf nicht gegen die Verfassung verstoßen. So fand ein Richter es wohl ganz amüsant, einer Frau einen 50 Kilometer langen Spaziergang statt schwedischer Gardinen anzubieten. Diese soll nämlich zuvor einen Taxifahrer um die Bezahlung für genau diese Strecke geprellt haben.
Ein weiterer Angeklagter hatte die Chance, seine siebenjährige Haftstrafe wegen Drogenbesitzes auf lediglich sechs Monate zu verringern. Unter einer Bedingung: Er musste sich dazu verpflichten, einen Sarg in seiner Wohnung aufzustellen. Das sollte eine Erinnerung daran sein, was passieren würde, wenn er weiter so unbedacht mit Drogen hantierte.
Eine Erinnerung sollte auch folgende Bestrafung für einen Wilderer aus dem US-Bundesstaat Missouri sein. Jeden Monat muss er mindestens einmal den Disney-Film Bambi schauen. Was für viele wohl kaum eine Bestrafung wäre, soll den Mann Mitgefühl lehren. Er hat über mehrere Jahre gegen zahlreiche Jagdgesetze verstoßen und massenhaft Wild erlegt. Das fand der Richter so grausam, dass er obendrauf noch eine einjährige Gefängnisstrafe vergab.
In dem Disney-Film geht es um ein kleines Rehkitz mit großen dunklen Kulleraugen. Mit seiner Mutter zusammen gerät Bambi in das Kreuzfeuer von Jägern. Das Muttertier zieht die Aufmerksamkeit eines Jägers auf sich und wird erschossen. Sie opfert ihr Leben für ihr Junges. Spätestens als das kleine, unbeholfene Baby-Reh wimmernd seiner Mama nachruft, ist klar, warum sich der Film als Lehre für den Jäger eignet. Wer nicht zu den Taschentüchern greift und trockene Augen behält, wenn der Vater - der große Fürst des Waldes - die Worte spricht: »Du brauchst auf deine Mutter nicht mehr zu warten. Die Jäger haben sie«, für dessen Mitgefühl ist Hopfen und Malz verloren.
Wenn also das monatliche Ableben der mutigen Rehmutter den Jäger keine Vernunft lehrt, dann schafft es keiner. Wie viele Jahre oder Monate Gefängnis dem Wilderer erspart bleiben, indem er den Klassiker schaut, ist nicht bekannt. Falls er rückfällig wird, hat der Vorsitzende noch genug Filmmaterial zur Auswahl. Eltern von Kindern wissen: Jeden Tag Frozen, die Eiskönigin kann auch eine Qual sein. Wenn das dritte Mal am Tag »Let It Go« ertönt, will man nur noch eines loslassen: den Fernseher über dem Sperrmüllhaufen.
Für manche sind sie nervig, für andere eine Belastung und wieder andere haben regelrecht Angst vor ihnen: amtliche Schreiben. Ob Finanzamt, Stadtverwaltung oder Ordnungsamt, es gibt wohl niemanden, der ein Amtsschreiben im Briefkasten mit einem Lächeln quittiert. Nur: Wenn ich tatsächlich eine solche Angst vor ihnen habe, dass ich sie nicht öffnen kann, darf ich dann legal Fristen versäumen? Wäre das nicht zumindest einen Versuch wert?
Diese Frage stellte sich bei einer Frau aus Rheinland-Pfalz, die im September 2007 Einspruch gegen ein Schreiben des Finanzamts einlegte. Dieses hatte sie im Mai aufgefordert, Angaben zum Ausbildungsstand ihrer volljährigen Tochter zu machen, damit das Amt über das Kindergeld entscheiden könnte. Es setzte eine Frist von zwei Wochen, nach deren Verstreichen es die Festsetzung aufhob und das inzwischen angefallene Kindergeld zwischen Mai und September zurückforderte (satte 2926 Euro!).
In dem Einspruch erklärte die Mutter nun, dass sie amtliche Schreiben mit »panischer Angst« erfüllten, sodass sie sie manchmal wochenlang im Briefkasten liegen lasse. Sie könne es einfach nicht über sich bringen, sie zu öffnen. Die Behörde ließ das kalt, sodass die Mutter vor dem Finanzgericht Rheinland-Pfalz klagte.
Wurde die Mutter nun vor Gericht für ihre Phobie ausgelacht? Nein, tatsächlich nicht! Das Gericht war erstaunlich empathisch und fand es nachvollziehbar, dass unangenehme Post bei manchen Menschen Angstzustände auslöst. Die Klägerin sagte auch, dass sie schon mehrfach versucht habe, sich Hilfe zu holen, aber sich doch zu sehr für ihre Überforderung schäme. Also alles gut? Leider nicht, denn abgewiesen wurde die Klage trotzdem!
Krankheiten (und damit auch psychische Zustände) können eine Säumnis durchaus retten - etwa, wenn man sich ein Bein bricht und im Krankenhaus landet. In solchen Fällen muss man laut Gesetz so bald wie möglich den Grund nachreichen und sich bei der Behörde erklären. Der Knackpunkt: Die Angstzustände der überforderten Mutter traten nicht plötzlich auf, sondern waren ihr schon länger bekannt. Daher sagte das Gericht, sie hätte schon vorher einen privaten Vertreter einsetzen müssen, der sich um ihre Angelegenheiten kümmert. Dafür wäre auch ihre inzwischen volljährige Tochter infrage gekommen. Da das jedoch nicht passiert war, war auch die Säumnis nicht entschuldbar und sie musste leider mit der Aufhebung leben.
Merke: Der Drang, die ätzende Amtspost einfach im Briefkasten liegen zu lassen, ist groß. Aber wenn schon eine Phobie nicht hilft, dann wird die eigene Faulheit das auch nicht tun. Ran an den Speck!
Finanzgericht Rheinland-Pfalz, Urteil vom 23.04.2008, Az. 1 K 2525/07
»Let’s Get Drunk Lets Get Fuuuucked Up« ist nicht nur der Name eines Songs des Rappers Terry Peck, sondern wohl auch sein Lebensmotto. Einen gewissen Poseidon-Komplex kann man ihm vielleicht auch noch unterstellen, wobei ein wahrer Meeresgott niemals seinesgleichen verspeisen würde.
In einem der angesagtesten Luxusschuppen für Köstlichkeiten des Meeres waren die Augen des Musikers im Jahr 2017 wohl größer als sein Magen. 21 Austern, ein Baby-Oktopus und zwei ganze Hummer standen auf dem Speiseplan. Dazu gönnte er sich vier große Bier, um das Ganze runterzuspülen. Über 600 Dollar standen anschließend auf der saftigen Rechnung. Und dann auch noch Trinkgeld, puuhh! Anscheinend hatte Terry Peck vorher nicht die Preise der Speisekarte angeschaut, sondern bei der Bestellung einfach alle Meerestiere aufgezählt, die er kannte.
Neben der Zeche prellte er sich bei der folgenden waghalsigen Flucht bestimmt auch ein paar Körperteile: Mit über zwei Litern Bier intus sprintete er zum Strand und anschließend - wahrscheinlich nicht auf der Suche nach Atlantis - ins Meer. Dort tauchte er gekonnt, als hätte er die Schwimmkünste seines Abendessens absorbiert, vor Rettungsschwimmern davon. Erst mit großem Einsatz der Wasserschutzpolizei und der Hinzunahme von Jetskis gelang es, den Rapper einzukreisen. Der dicke Fisch ging nach der Verfolgungsjagd aller Einsatzkräfte schließlich doch ins Netz.
Direkt am nächsten Tag ging es vor die Haftrichterin, die sich sichtlich erstaunt über die Esskünste des Australiers zeigte. Respekt hat er aber auch schon dafür verdient, dass er sich innerhalb nur eines Tages solch verrückte Ausreden ausdenken konnte. Wenn er Umweltaktivist wäre und die Hummer und Austern wenigstens wieder ins Meer bringen wollte, hätte er vielleicht ein müdes Lächeln kassiert. So musste die Richterin sich zusammenreißen, um nicht laut »Bingo« zu rufen. Denn spätestens nach der zweiten Ausrede war die imaginäre »Bullshit-Bingo-Karte« ausgefüllt.
Als Erstes äußerte der Wannabe-Rapper seinen noch glaubwürdigsten Vorwand, das Essen sei maßlos überteuert, der Hummer verkocht und in den Austern seien Teile der Austernschale zu finden gewesen. So weit, so gut, Geschmack ist schließlich subjektiv. Zwar kann man sich streiten, ob man derart über teures Essen schimpfen sollte, wenn man als Einzelperson mit einer Bestellung fast Hauptverantwortlicher der Überfischung an der Küste des Restaurants ist. Dennoch sind die vorgetragenen Einwände zumindest ein nachvollziehbarer Grund, die Rechnung nicht (vollständig) bezahlen zu wollen.
Dann schoss er aber endgültig den Vogel ab. Er sei nur geflüchtet, weil seine Freundin am Strand Wehen gehabt habe. Anstatt sich aber um seine Geliebte zu kümmern, sei er ganz zufällig schwimmen gewesen, als die Polizei eintraf. Die Rechnung habe er natürlich begleichen wollen. Das sei nur leider gerade nicht gegangen, weil er bei dem Strandausflug seinen Geldbeutel verloren habe.
Die unbezahlte Rechnung war dem Restaurantinhaber mittlerweile egal. Verletzt von der Hummerkritik stellte er klar: »Wir sind das am besten bewertete Fischrestaurant an der ganzen Gold Coast, wir kochen perfekten Hummer!«
Von Terrys schwangerer Freundin fehlt immer noch jede Sandspur am Strand. Und Terry Peck alias 2Peck? Er durfte sich fürs Erste dem Restaurant nicht mehr nähern. Deswegen steht wohl jetzt »Beef« auf seiner Speisekarte, und er forderte den Rapper Eminem zu einem Battle auf. War die Hummernummer also nur eine große Promo-Aktion? Na ja, jedenfalls reagierte Eminem nicht auf die Herausforderung. Und das wahrscheinlich nicht, »weil er sich nicht traut, nach Australien zu kommen«, sondern weil Terrys kuriose Ausreden seinen Rap-Künsten vorauseilen.
*Anpfiff*
Die Straße ist frei, kein »rechts vor links«, kein Kreisverkehr. Nein! Ein Vorfahrtsschild! Wird er das Schild sehen und geradeaus fahren? Aber was ist denn das? An der Kreuzung kommt auf einmal ein Fahrradfahrer angefahren. IST DAS DENN DIE MÖGLICHKEIT?! Nein, der Autofahrer schafft es nicht rechtzeitig. Vollkontakt. 1 : 1 Endstand. Was für eine spannende Kreuzungseinfahrt!
*Abpfiff*
In einem Gerichtssaal geht es meist ernst vonstatten. Wenn ihr eine öffentliche Gerichtsverhandlung besucht (was man jedem empfehlen kann), könnt ihr aber auch auf einen Urteilsspruch treffen, der von Humor und Kreativität nur so strotzt. Wer 30 Jahre Verkehrsrecht macht, der muss irgendwann seinem Kreativitätsdrang freien Lauf lassen. Aber darf man das eigentlich? Kann man Urteile in Reimform oder wie in einer Fußballreportage schreiben? Grundsätzlich ja, es müssen nur die gesetzlichen Anforderungen der jeweiligen Prozessordnung eingehalten werden. So hatte der im Folgenden beschriebene Richter an jenem Tag wohl das Spiel seiner Lieblingsmannschaft verpasst, oder er hat das Urteil im Fußballstadion geschrieben.
Zugegebenermaßen hat der Richter - anders als oben - den Sachverhalt noch normal dargestellt. Bereits bei seinem ersten Leitsatz merkt man aber, was seine liebste Freizeitbeschäftigung ist:
»Ein Verkehrsunfallprozess wird nach denselben Regeln gespielt wie ein Fußballspiel. Sein Ausgang hängt nicht von der zufälligen Anzahl der Zeugen ab, die eine Partei zu Unfallzwecken mit sich fahren lässt, sondern von der Anzahl der Frei- wie Eigentore, die die Unfallbeteiligten schießen. Ob ein Tor gefallen ist oder nicht, entscheidet der Schiedsrichter, der im Zweifel die maßgebende Flensburger Punktetabelle anzuwenden hat.« Auch aus dem Nähkästchen plauderte der Richter gern:
»Insoweit ist dieser Prozess auch für mich ein Novum. In meiner nunmehr 30-jährigen Sitzbahn als Verkehrsrichter habe ich nämlich bislang immer nur mit Unfällen zu tun gehabt, zu deren Herbeiführung beide Unfallbeteiligte bei Grün in die Kreuzung eingefahren sind und das meist auch durch Beifahrer justitiabel beweisen konnten. So werde ich nie die entzückende ältere Dame vergessen, die in der Beweisaufnahme bekundete, ihr Mann sei bei Grün in die Kreuzung eingefahren. Auf meine vollkommen unüberlegte Frage, wo sie denn eigentlich in dem Auto gesessen habe, antwortete sie offen und ehrlich: ›Hinten links.‹ Auf meine ebenso überflüssige wie dumme Frage, ob sie denn von da aus überhaupt die rechts stehende Ampel habe sehen können, gab sie die kluge und überzeugende Antwort: ›Nein, Herr Richter, aber das ist auch gar nicht nötig. Denn ich weiß ganz genau, mein Mann fährt nur bei Grün in die Kreuzung ein.‹«
Weil streng genommen bei korrekter Einhaltung der Rechtslage beide Verkehrsteilnehmer bis heute an der Kreuzung stehen müssten, meinte der Richter, dass beide Parteien gleichsam verantwortlich seien. 4 : 4 ging daher die Schadensverteilung aus - ein klassisches Unentschieden.
Aber am Ende muss das Runde ins Eckige und die Vierräder dürfen nicht auf die Zweiräder treffen, auch wenn beide ein Vorfahrtsschild haben wie in diesem Fall. Das zu bestimmen gilt für Schiedsrichter und normale Richter gleich. In diesem Sinne: Gut Kick!
Zum Mitfiebern: Amtsgericht Köln, Urteil vom 30.07.1993,Az. 266 C 162/93
»Dumme Kuh!« - Beschimpfungen wie diese gehören im Straßenverkehr leider zur Tagesordnung und zählen sicherlich noch zu den harmlosen Varianten dessen, was Autofahrer täglich von sich geben beziehungsweise ertragen müssen. Hand aufs Herz, schleichende oder plötzlich bremsende Vorausfahrende, abbiegende Autos, die nicht blinken - so ziemlich jeder von uns hat sich schon zu der einen oder anderen Beleidigung hinreißen lassen. So verwundert es vermutlich niemanden, wenn er eine solche von einem anderen Autofahrer hört.
Vermutlich nicht überrascht, wohl aber verärgert war 2018 eine deutsche Ärztin, die sich durch diese Worte von einem Wiener Journalisten beleidigt fühlte. Was war passiert? Der Österreicher war der Ärztin - welche sich lediglich an das vorgegebene Tempo 30 hielt - mit dem Auto zu dicht aufgefahren, woraufhin sie bremste und ausstieg, um ihn zur Rede zu stellen. Als sich die zwei gegenüberstanden, um die Situation auszudiskutieren, kam es zu einem hitzigen Wortgefecht. Erst nannte der 69-Jährige sie »übervorsichtig«, dann »Oberlehrerin« und schließlich kulminierte das Ganze - so jedenfalls die Auffassung der Dame - in der Bezeichnung »dumme Kuh!«. Zu viel für die Ärztin, die Anzeige wegen Beleidigung erstattete.
Direkt zu Beginn der Verhandlung sorgte der Wiener Angeklagte dann unfreiwillig für einen Lacher im Gerichtssaal, als sein Telefon plötzlich laut losklingelte und - wie sollte es für einen Wiener anders sein - der Eröffnungsreigen des Wiener Opernballs mit dem »Donauwalzer« im Dreivierteltakt ertönte. Wie sich später herausstellen sollte, gab dieses Schmankerl schon eine Vorahnung davon, wie das Verfahren ausgehen sollte ...
Doch erst einmal ging es zur Sache: Ob so eine Bezeichnung wirklich eine Beleidigung ist, darüber können sich Juristen nämlich vor Gericht trefflich streiten, denn es kommt - wie so häufig - auf den Einzelfall an. Ist das jetzt schon eine Ehrverletzung oder nur eine Unhöflichkeit? Ist es im Straßenverkehr nicht normal, dass es mal etwas gröber zugeht? Schließlich spielt der Kontext, in dem eine solche Äußerung gefallen ist, immer eine Rolle. »Dumme Kuh« konnte in Anbetracht der Tatumstände wohl durchaus als beleidigend gewertet werden, zumindest befand dies das Kölner Gericht. Es wurde also eng für den Wiener Journalisten, der sich für seinen Aufenthalt in Deutschland womöglich etwas anderes vorgestellt hatte, als die deutschen Gerichte einmal von innen zu sehen und mit einer saftigen Geldstrafe zurückzukehren.
Doch dann die überraschende Wendung! Denn als er dazu befragt wurde, wie es zur vermeintlichen Beleidigung gekommen war, gab der Journalist zwar zu, vom »Ausbremsen« der Ärztin etwas genervt gewesen zu sein - gleichzeitig stellte er aber auch klar, dass Ausdrücke wie »dumme Kuh« überhaupt nicht zu seinem Sprachgebrauch gehörten. Dann gab er preis, was er wirklich - im Dialekt - gerufen haben wollte: »Geben’s endlich a Ruah!« - was sich wohl angehört haben müsse wie »dumme Kuh«.
Nun könnte der eine oder andere denken, dass das nur eine billige Ausrede war. Doch anscheinend hat der Mann die alternative Deutungsmöglichkeit überzeugend vorgetragen. Denn die Ärztin selbst räumte danach ein, den Dialekt des Mannes womöglich missverstanden zu haben. Schließlich gaben sich beide friedlich die Hand, und der Fall konnte zu den Akten gelegt werden, ohne dass jemand zur Kasse gebeten wurde.
Anscheinend bestehen doch Sprachbarrieren zwischen Deutschen und Österreichern, die fast teure Folgen für eine der Parteien gehabt hätten. Umso schöner, dass sich alle am Ende vertragen haben. Vielleicht haben sich die zwei ja auf einen deutschen Versöhnungsfilterkaffee (in Köln gibt es leider keine Wiener Melange) an einem neutralen Ort verabredet, um Frieden zu schließen. Aber hoffentlich nicht in der Schweiz! Nicht, dass es dort noch einmal zu einem Vorfall dieser Art kommt, weil Dialekte missverstanden werden.
Das Fazit dieser Geschichte? Nicht alles, was böse klingt, ist auch böse gemeint.
In diesem Sinne: Gute Fahrt!
Reinkarnation, Wiedergeburt, Auferstehen - nicht nur Religionen, sondern auch Zombieserien und - filme machen sich das Prinzip zu eigen, dass es nach dem Tod in irgendeiner Form weitergehen soll. Die Auferstehung folgenden Mannes hat aber weder mit Karma noch mit Zombies zu tun, sondern eher mit seiner Ex-Frau. Seht selbst:
Constantin Reliu staunte nicht schlecht, als er aus der Türkei zurück in sein Heimatland Rumänien einreisen wollte und feststellen musste: Er war schon tot! Zumindest offiziell. Und nicht nur das: Ein Gericht setzte noch einen obendrauf und erklärte: »Sorry, wir können Sie nicht mehr für lebendig erklären, dafür ist zu viel Zeit vergangen - Sie bleiben leider offiziell tot.« Musste er sich jetzt also eine ewige Ruhestätte suchen, oder fand der Mann noch einen Weg zurück ins Leben? Wir werden es sehen - aber der Reihe nach.
Als der Rumäne erfuhr, dass seine Frau ihm fremdgegangen war, beschloss er im Jahr 1999 auszuwandern. In die Türkei sollte die Reise führen, denn dort hatte er bereits zuvor einige Jahre gearbeitet. Und so machte er sich auf den Weg und baute sich ein Leben in der Türkei und eine Karriere als Koch auf. Über 20 Jahre lebte er so, bis ihn allmählich das Heimweh plagte. Nach langen Jahren der harten Arbeit sehnte er sich nach seiner Heimat und beschloss, für seinen Ruhestand dorthin zurückzukehren.
Am Flughafen in Bukarest dann der große Schock: Die Behörden eröffneten ihm, dass er in Rumänien 2016 offiziell für tot erklärt worden sei. Wie hatte es nur dazu kommen können, er war doch gesund und munter? Nach über sechs Stunden Verhör, Messungen des Augenabstands und Überprüfung der Fingerabdrücke waren sich die Beamten dann sicher: Er war es. Reliu, der für tot erklärte Mann, stand ihnen quietschlebendig gegenüber.
Es war anscheinend seine Frau gewesen, die ihn zu Unrecht hatte für tot erklären lassen. Ihre Motivation hinter der Aktion? Sie wollte wohl an das Vermögen ihres Ehemanns kommen. Denn dadurch, dass sie den Rumänen für tot erklärte, konnte sie zum Beispiel Eigentum an einem Grundstück erlangen, das eigentlich Reliu gehörte. Ziemlich hinterhältig das Ganze, oder? Das fand zumindest Reliu selbst, weshalb er seiner Frau, die mittlerweile in Italien wohnte, Rache schwor.
Aber das alles half ihm vor Gericht nicht weiter. Denn obwohl der 63-Jährige persönlich, und vor allem lebendig, dort erschien, wies das Gericht Vaslui (Westmoldau) seine Klage, die Sterbeurkunde zu annullieren, zurück. Er habe die Klage zu spät erhoben. Damit blieb die Sterbeurkunde gültig und der Rentner weiterhin offiziell tot. Das Gericht betonte, die Entscheidung sei endgültig. Geht’s noch absurder? Wohl kaum!
»Ich bin ein lebender Geist«, klagte Reliu. »Ich bin offiziell tot, obwohl ich noch lebe. Ich habe kein Einkommen und kann keine rechtlich wirksamen Handlungen vornehmen.« Während der Mann dies in einem Interview der Presse erzählte, brach er fast in Tränen aus. Er war verzweifelt.
Aber Reliu wollte nicht aufgeben und wortwörtlich um sein Leben kämpfen. Er startete einen neuen Versuch in seiner Heimatstadt Barlad im Osten Rumäniens. Und dieses Mal sollte der Rumäne mehr Glück mit seiner Klage haben: Das Gericht erklärte die Sterbeurkunde von Constantin Reliu im Juli 2018 für ungültig. So kam es, dass der Rentner von den Toten auferstand und nun wieder unter den Lebenden verweilt. Und wenn er nicht noch mal gestorben ist, dann lebt er noch heute ... Denn wie man so schön sagt: Totgesagte leben länger.
Und nun ein absoluter Favorit unter den kuriosesten deutschen Gerichtsverhandlungen: Die Penislänge eines Paketboten aus Ostfriesland sollte ihm entweder zum Verhängnis werden oder ihm zum Freispruch verhelfen. Deswegen wollte die Richterin das gute Stück einmal sehen - und messen. Wieso das?
Der diesem Vorgang zugrunde liegende Fall war eine ernste Angelegenheit: Das beste Stück des Mannes soll während seiner Arbeit als Postzusteller aus dem Hosenstall gehangen haben, als er einer 16-Jährigen ein Paket auslieferte. Das Teenagermädchen war laut Mutter angesichts des ungewollten Anblicks »aufgelöst« und »völlig angeekelt«. Kurzerhand stellten die beiden Strafantrag gegen den Mann, sodass er sich wegen »exhibitionistischer Handlungen« nach § 183 StGB vor Gericht verantworten musste. Sodann kam es zur Gerichtsverhandlung, die nicht ausgedacht ist, versprochen!
Dort stand es Aussage gegen Aussage, weswegen die Frau des Angeklagten meinte, ihren Geliebten nur noch mit der bitteren Wahrheit retten zu können: »Schatz, tut mir leid«, begann sie ihre Aussage, »dein Penis ist zu kurz, um aus der Hose zu hängen.« Als endlich der Elefant - oder hier die Maus - im Raum angesprochen wurde, kam es zu einem weiteren Problem. Wie sollte man die Aussage der Ehefrau überprüfen? Für den pragmatischen Verteidiger kam nur eines infrage: Die Richterin sollte das Glied selbst begutachten. Nicht angetan von der Idee, bei der Verhandlung einen Zollstock anzulegen, entgegnete sie: »Das widerstrebt mir, ehrlich!« Ein Geheimnis sollte die Zentimeter-Anzahl aber auch nicht bleiben, sodass sich nun die Rechtsmedizin des Problems annehmen sollte. Praktisch, dann konnte dort auch gleich geklärt werden, ob die 16-Jährige, wie behauptet, auch die Eichel des Mannes gesehen hatte. Dagegen wandte der Verteidiger nämlich ein: »Das ginge nur, wenn mein Mandant beschnitten wäre.«
Auch wenn die dortigen Mediziner bestimmt neugierig waren, wer nun recht hatte, wurde aus der Vermessung nichts, denn das Verfahren wurde eingestellt. An alle Scherzkekse: nein, nicht wegen Geringfügigkeit, sondern aufgrund einer anderweitigen Verurteilung des Mannes nach § 154 Abs. 1 Nr. 1 Strafprozessordnung. Ob der Paketzusteller damit glücklich ist, bleibt fraglich. Schließlich sei schon in der Verhandlung über eine Einstellung gesprochen worden, die der Beklagte mit der Befürchtung ablehnte, »dass doch immer was hängen bliebe«.
Und andere Länder setzen dem sogar noch eins drauf. So war folgender Strafprozess in Amerika ein Vorreiter der »Penis-Verhandlung«: Ein 17-Jähriger soll seiner 15-jährigen Freundin ein Video geschickt haben, auf dem sein erigierter Penis zu sehen war. Auch wenn die 15-Jährige zuvor selbst freizügige Bilder von sich geschickt haben soll, sah die Mutter den Austausch nicht als bloßes Sexting beziehungsweise als Entdeckung der Sexualität zwischen Jugendlichen an. Sie stellte Strafantrag, und zwar wegen Besitzes und Herstellung von Kinderpornografie. Richtig gehört!
Im daraufhin eingeleiteten Strafverfahren lagen zwar die Bilder des Geschlechtsorgans vor, diese mussten seinem Inhaber aber erst mal zugeordnet werden. Wie das geschehen sollte, ist an Unsinn wohl kaum zu übertreffen. Wenn sich der Junge nicht schuldig bekenne, so die Staatsanwaltschaft, dann sollten Fotos von seinem steifen Penis zum Abgleich geschossen werden. Auf die Frage, wie die Polizei das denn anstellen wolle, soll der Staatsanwalt geantwortet haben, dass man den 17-Jährigen ins Krankenhaus eskortieren und ihm dort eine Dosis Viagra verabreichen werde.
»Feuer mit Feuer bekämpfen« oder zur Bekämpfung der Herstellung von Kinderpornografie selbst welche anfertigen, aber diesmal gegen seinen Willen. Das muss man der amerikanischen Ermittlungsbehörde in diesem Fall wohl unterstellen.
Zu dieser mehr als fraglichen Aktion kam es zum Glück nicht, da die Anwälte schließlich die Ermittler überzeugen konnten, dass ihr Vorgehen unangemessen war.
Wir können wohl ganz froh sein, dass unsere verrückte deutsche Gerichtsverhandlung an Absurdität noch übertroffen wurde ...
»DIE WAHRHEIT - So gewinnt ihr einen Kampfjet mit Payback-Punkten«, »UNFASSBAR - Millionensumme für verschütteten Kaffee«, »Nirvana-Baby klagt wegen Kinderpornografie - doch was als Nächstes geschah, glaubt keiner!« - jeder kennt sie: die Clickbaits. Wer in den Medien präsent ist, kommt heutzutage nicht mehr ohne sie aus - zumindest in einer abgewandelten Form. Man nutzt sie, um die berüchtigte Neugierlücke zu schaffen. Gerade so viel Information muss drin sein, um Neugier zu wecken, aber nicht genug, um sie zu befriedigen. Sie sind meist verpönt, denn oft birgt der Clickbait nur die halbe Wahrheit. Und genau darum geht es in diesem Kapitel - na ja, teilweise. So wirken manche Klagen, wenn man im Internet danach sucht, kurioser, als sie sind. Manche sind jedoch noch verrückter, als es eine Überschrift jemals darstellen könnte. Ihr seid gefragt! Sind die Klagen wirklich kurios oder nur die Überschrift? Bei dem berühmten McDonald’s-Fall wohl eher Letzteres, aber wie sieht’s aus mit dem Fußballfan, der Manchester United wegen Haarausfall verklagen will, oder dem Anwalt, der zu wenig Call of Duty gespielt hat? Und verleiht Red Bull wirklich Flügel?
Findet es heraus.
Ihr wisst genau, wie es nach »Hello, hello, hello, how low« weitergeht? Die Bedeutung von »Come as you are« ist euch trotz mangelnder Englischkenntnisse nicht fremd, und »Lithium« kennt ihr nicht nur aus Batterien? Dann seid ihr wahrscheinlich großer Nirvana-Fan und habt nach Rechtsauffassung zumindest einer bestimmten Person vielleicht sogar kinderpornografisches Material zu Hause: das nackte »Nirvana-Baby« auf dem Album Nevermind. Bevor ihr jetzt panisch zu eurem Schrank rennt, um das Album-Cover in den Kamin zu werfen: Keine Angst, weder nach deutschem noch amerikanischem Recht ist der Tatbestand des Besitzes kinderpornografischer Inhalte erfüllt.
Aber zurück zum Anfang. Manche Kinder werden behutsam mit Weihwasser in der Kirche getauft - andere hingegen werden in einen Pool geschmissen und dabei abgelichtet. Spencer Elden heißt das schwimmende Baby auf dem Cover des bekanntesten Nirvana-Albums Nevermind. Unter Wasser in einem Pool sieht man das Baby splitterfasernackt, wie es nach einer Dollar-Note taucht. Das soll den Kapitalismus insofern kritisieren, als dass sich bereits ab jungem Alter alles ums Geld dreht.
Auch das richtige Baby, heute ein erwachsener Mann, scheint dem Geld nicht sonderlich abgeneigt. Zunächst konnte man lange eher vermuten, dass Spencer ein Nirvana-Fan war und seine ungewollt frühe Prominenz auf diesem Weg zu Geld machen wollte. Nicht nur stellte er das Album-Cover ganze vier Mal zu den Jubiläen - diesmal aber in Badehose - nach, er trägt auch ein großes »Nevermind«-Tattoo auf seiner Brust. Außerdem präsentierte er sich immer wieder medienwirksam als das Nirvana-Baby und verkaufte sogar von ihm unterzeichnete CDs auf eBay. Das Zitat »Ziemlich viele Leute haben meinen Penis gesehen, das ist irgendwie cool, denk ich« sowie Anmachsprüche rund um die Thematik gehen auch auf sein Konto.
Doch von dieser Nummer hatte der mittlerweile 31-Jährige irgendwann wohl genug. In einem Interview von 2016 mit dem Time Magazine ärgerte er sich darüber, dass jeder Beteiligte Millionen mit dem Album gemacht habe und er noch bei seiner Mutter zu Hause wohne und einen Honda Civic fahre. Das Bild, für das seine Eltern einst 200 Dollar erhielten, musste doch inzwischen mehr wert sein, dachte er sich vielleicht.
Im Sommer 2021 legte der US-Amerikaner dann erstmals Klage gegen die lebenden Bandmitglieder und den Nachlassverwalter von Kurt Cobain ein. Ein Vorwurf stand im Raum: Kinderpornografie. Weil man seinen nackten Baby-Pimmel sehen konnte. Durch das Abbild auf dem Album-Cover habe er lebenslange Schäden erlitten, und er sei gezwungen worden, als Minderjähriger an kommerziellen sexuellen Akten teilzunehmen. Was er wollte? Geld. Er forderte 150 000 Dollar von jedem, der daran beteiligt war (außer den Eltern, die dem Foto mündlich zugestimmt hatten).
Dave Grohl, der Schlagzeuger der damaligen Band, der mittlerweile Lead-Sänger bei den Foo Fighters ist, erwiderte zu den Vorwürfen nur trocken: »Er hat ein ›Nevermind‹-Tattoo, ich nicht«, und deutete damit wohl an, dass 30 Jahre vergangen sind und Spencer immer noch hinter dem Geld herschwimmt.
Und was sagte das Gericht zu der Klage? Nevermind!, übersetzt: »Vergiss es!« Wegen einer Verfristung wies der Richter die Klage kurzerhand ab. Das sollte aber noch nicht das Ende der Geschichte sein. In einer abgeänderten Form reichte Spencer Anfang 2022 erneut eine Schadensersatzklage ein.
Doch auch diese Klage ging ins Nirwana. Er habe zehn Jahre, nachdem er vom Cover erfahren hatte, Zeit gehabt zu klagen. Deshalb sei eine Klage 30 Jahre nach Album-Release eindeutig zu spät. Neben seinem widersprüchlichen Verhalten in der Vergangenheit spreche auch die nicht sexualisierte Darstellung des nackten Babys gegen einen kinderpornografischen Inhalt. Dazu komme noch die Verjährung. Nach insgesamt drei gescheiterten Versionen seiner Klage musste er also erneut eine Schlappe hinnehmen.
Man muss Spencer jedoch zugutehalten, dass er als Kind nie einwilligte (und auch nicht einwilligen konnte), das Nirvana-Baby zu sein. Um zu klagen, müsste er also zuerst bei seinen Eltern ansetzen, und er hätte früher aktiv werden können. Hätte er sich dann zusätzlich nicht jahrzehntelang als das berühmte Baby gebrüstet, wäre die Klage vielleicht sogar erfolgreich gewesen.
Ist es mit der Entscheidung vorbei? Nein. Getreu dem Zitat von Kurt Cobain »I’d rather be hated for who I am, than loved for who I am not« hat Spencer Elden mit seiner Anwältin auch gegen die neueste Entscheidung Berufung eingelegt und will dem Geld weiter hinterherschwimmen. Denn beliebt macht sich das Nirvana-Baby bei den Fans damit nicht. Kurt Cobain, wäre er noch unter uns, würde sich bestimmt freuen, dass die Botschaft des Album-Covers sich bewahrheitet hat.
Fußballfans haben es oft nicht leicht. Insbesondere dann nicht, wenn der eigene Verein durch Krisen geht. Zum Haareraufen! Cristiano Ronaldo, Wayne Rooney, Ryan Giggs - Manchester United stand lange Zeit für eines: große Namen und große Erfolge. Jedoch hatten die Anhänger der Red Devils in den letzten Jahren wirklich wenig zu lachen ... Seit Trainer und Vereinslegende Sir Alex Ferguson im Ruhestand ist, läuft es nicht mehr so richtig. Die letzte Meisterschaft ist gut zehn Jahre her, die Champions League gewann man zuletzt 2008. Und als wäre all das nicht genug, wird Stadtrivale Manchester City gefühlt jedes Jahr Meister. Früher war die Stadt rot (die Farbe von Manchester United), jetzt ist sie seit Jahren himmelblau (die Farbe von Manchester City). Nicht mal die Rückkehr vom mehrfachen Weltfußballer Cristiano Ronaldo konnte daran etwas ändern (wenn, dann sorgte er nur für noch mehr Chaos).
Der anhaltende Frust war wohl zu viel für die erfolgsverwöhnten Anhänger. Insbesondere für Andrew Tyran. In diesem Fall sorgte die Vereinsliebe für ein Problem der besonderen Art: Dem Fan des englischen Traditionsvereins Manchester United bereiteten die wenig brillanten Spiele seiner Lieblingsmannschaft nämlich nicht nur metaphorisch graue Haare. Ihm fielen - so seine eigene Darstellung - die Haare sogar aus, weil die Mannschaft ihm so viel Stress bescherte.
Also verkündete er in den sozialen Netzwerken, dass er seinen Lieblingsverein für die ausfallenden Haare verantwortlich machen und verklagen möchte. Das war Ende 2021 - bisher gibt es aber noch keine Anhaltspunkte, dass er sein Vorhaben auch in die Tat umgesetzt hat. Alles nur ein kleiner Gag? Oder hat ihn vielleicht sein Anwalt davon abgehalten, seine letzten Haare noch dadurch zu verlieren, dass er ziemlich sicher auf den Kosten für die Klage sitzen bleiben würde?
Ich habe mir mal angeschaut, was in Deutschland passieren würde, wenn beispielsweise ein Fan des Hamburger SV den Club dafür verklagte, dass sie seit Jahren den Aufstieg nicht schaffen und er deshalb eine Glatze bekommen hätte ... Nun, mit dieser Klage wäre er ziemlich sicher nicht weit gekommen. Denn es wäre nun wirklich sehr schwer, zu beweisen, dass tatsächlich das schlechte Spielen der Fußballer ursächlich für den Haarverlust eines Mannes in seinen besten Jahren ist. Insbesondere, wenn man bedenkt, dass ein Drittel der Männer bis zum 30. Lebensjahr einen großen Teil der Haare verliert. Zwar kann Haarausfall auch stressbedingt und nicht genetisch sein, hier könnte das aber kaum nachgewiesen werden. Auch an der Frage der Zurechnung würde es scheitern. Haben die Red Devils durch ihre Spiele ein Risiko geschaffen, das sich im Haarausfall realisiert hat? Ganz klar: nein. Frustriert von der eigenen Mannschaft zu sein, ist einfach ein allgemeines Lebensrisiko, dem sich die Anhänger aussetzen. Also kann der Mannschaft der Haarausfall nicht zugerechnet werden. Außerdem haben die Spieler von Manchester United sicherlich kein Interesse daran, dass alle Fans ihre Haare verlieren. Zu verschulden hätten sie es damit sicherlich auch nicht - schließlich spielt niemand absichtlich schlecht, nicht mal Harry Maguire (kleiner Fußballer-Witz). Also, sorry Andrew, deine Haarausfall-Klage stünde juristisch wohl auf sehr wackligen Beinen - bloody hell!
Schwere Zeiten für den Anhänger. Die meisten Fußballfans können wohl nachempfinden, wie sich der dauerhafte Frustzustand anfühlt. Bleibt für den jungen Briten zu hoffen, dass ManU zurück zu alter Stärke findet und bald wieder um die großen Titel mitspielen kann. Wenigstens ist er nicht allein auf der Welt. In beispielsweise Hamburg oder Gelsenkirchen sind wohl auch einige Fans anzutreffen, deren Vereine ganz neue Stresslevel in ihnen hervorrufen ...
»Sammeln Sie Payback-Punkte?« - »Ja, klar! Nur noch sechs Millionen Punkte für mein eigenes Flugzeug!« Man stelle sich folgendes Szenario vor: Anstatt verschiedener Wertsachen wie Toaster oder Topfsets gibt es im Tausch gegen gesammelte Punkte mal etwas völlig anderes: einen waschechten Kampfjet. Was man damit anstellen will, ist wohl eher zweitrangig - haben ist schließlich besser als brauchen. Wer sich jetzt denkt: »Da geht Solmeckes Fantasie gerade mit ihm durch!«, der hat wohl den bekannten Werbespot von Pepsi aus den Neunzigern nicht gesehen.
Damals startete der Softdrink-Hersteller eine Werbeaktion. Für jeden Kauf sammelten die Kunden Treuepunkte, die am Ende der Aktion eingelöst werden konnten. »Kaufe Pepsi, bekomme Sachen«, hieß es im Werbespot aus den USA. Für 75 Punkte gab es ein T-Shirt, für 175 eine Sonnenbrille. Aufmerksam auf die Aktion machte damals ein Videoclip. Am Ende des Videos saß ein junger Mann in Pepsi-Klamotten im vermeintlichen Hauptgewinn: einem Kampfjet. Wert? Schlappe 34 Millionen US-Dollar.
Richtig gelesen, für sieben Millionen Punkte hätte es laut Werbespot einen Kampfjet gegeben. Da hatte wohl dummerweise (aus Sicht des Unternehmens) jemand in der Marketingabteilung seine Hausaufgaben nicht gemacht. Denn Punkte konnte man nicht nur durch den Kauf von Pepsi-Dosen sammeln, man kann sie auch einfach käuflich erwerben. Schließlich sollte es am Ende nicht an fünf mickrigen Pünktchen scheitern, um die tolle Pepsi-Sonnenbrille ergattern zu können. Einen Punkt gab es dabei schon für 10 Cent. Die Marke von sieben Millionen konnte also mithilfe von 700 000 Dollar erreicht werden. Vereinfacht gesagt: Treibe 700 000 Dollar auf, um einen Kampfjet im Wert von 34 Millionen US-Dollar zu gewinnen.
Diese simple Rechnung machte dann eines Tages der 20-jährige John Leonard. Er bat Investoren um Hilfe, trieb das Geld auf und forderte den Jet ein. Pepsis Antwort verwies darauf, dass das Flugzeug eher ein Gag sein sollte, um die Werbung lustiger zu machen (der Jet stand auch nicht im Katalog der Werbeaktion, sondern war nur im Clip zu sehen). Trotzdem bedankte sich das Unternehmen für den netten Versuch und schenkte Leonard drei Kästen Pepsi. Nett!
Ganz schön unbefriedigend, wie der 20-Jährige befand, also klagte er auf Herausgabe des Flugzeugs.
Dann folgte - für die USA untypisch - ein recht kurzer Prozess. Laut Ansicht der Richter war der Clip nur ein Spaß und begründete keinen Vertrag. Darüber hinaus sei es rechtlich unmöglich, einen Kampfjet zu überreichen. Der hätte nur überreicht werden dürfen, wenn er »demilitarisiert« gewesen wäre. Leonard ging also leer aus. Na ja, fast. Er bekam drei Kästen Pepsi-Cola, yay! Und er konnte die sieben Millionen Punkte vielleicht für etwas anderes einreichen. Zum Beispiel für rund 150 000 Töpfe und damit einen Topfhandel aufmachen. Oder sehr viele Toastbrote auf einmal toasten.
Immerhin: Aus der Kampfjet-Geschichte wurde sogar 2022 eine Netflix-Serie namens Pepsi, wo ist mein Jet?. Also kann der erfolglose Kläger Leonard wenigstens stolz behaupten, mitverantwortlich für eine Serie zu sein. Nicht so cool wie ein eigener Kampfjet, aber besser als nichts ...
Trotz des Sieges lernte Pepsi aus seinen Fehlern und baute den Clip so um, dass zukünftig 700 Millionen Punkte nötig wären. Also müssten 70 Millionen US-Dollar für einen Jet in die Hand genommen werden, der gerade einmal halb so viel wert ist.
Übrigens war das nicht die einzige fehlgeschlagene Werbeaktion des Unternehmens: 1992 verursachte Pepsi durch eine Lotterie auf den Philippinen Proteste, die sogar zwei Todesopfer forderten. Damals wurde die Gewinnzahl der Lotterie versehentlich über 800 000 Mal verteilt. Wären alle Gewinne ausbezahlt worden, hätte Pepsi knapp 32 Millionen US-Dollar an die Gewinner verteilen müssen. Pepsi weigerte sich, also protestierten die Menschen. Am Ende zahlte man Abfindungen an die Kunden und musste so »nur« 16 Millionen US-Dollar ausgeben.
Diejenigen, die Sprichwörter und vor allem Werbung zu wörtlich nehmen, haben trotz des fehlenden Kampfjets entweder ein spannendes Leben oder landen im Knast: »Guten Freunden gibt man ein Küsschen« oder »3-2-1-meins« - wer sich nicht wegen sexueller Belästigung oder Diebstahls verantworten will, sollte sich nicht verführen lassen.
Und wer neben dem Gefängnis auch Krankenhausbesuche scheut, der sollte beim Konsum des österreichischen Energydrinks Red Bull nicht zu euphorisch werden und sich die »beflügelnde« Wirkung des Getränks zum Vorbild nehmen. Nein, ganz den Glauben an die Menschheit müsst ihr nicht aufgeben - wörtlich hat hier die Engelsflügel niemand genommen und sich dann mit einem Energydrink statt eines Fallschirms bewaffnet aus dem Flieger gestürzt. »Aber wenn ich schon nicht fliegen kann, dann soll sich die Brause wenigstens so anfühlen«, dachte sich ein Mann aus den USA. Der erfahrene Red-Bull-Trinker erklärte, er habe regelmäßig seit 2002 den Drink konsumiert. Jedoch konnte er tatsächlich keine Leistungssteigerung feststellen.
Und was Amerikaner dem Klischee nach so tun, tat auch er: Er klagte! Seine Klage fand schnell Anhänger, sodass daraus eine Massenklage wurde. Und siehe da: Im Gericht kam heraus, dass die Werbung lügt! Frechheit aber auch! Denn beflügelt wird man wirklich nicht. Sogar weniger Koffein als eine Tasse Kaffee enthält das Trendgetränk. Von einem außerordentlichen Energieschub ist das weit entfernt.
Was allerdings Flügel bekam, war die Rechtsabteilung von Red Bull - und diese gab schnell klein bei. Vermutlich aus Angst, dass der nächste Sprung aus der Stratosphäre nicht mehr mit Fallschirm, sondern flügellos nach einem Schluck des Energydrinks bestritten würde, stellten sie insgesamt 13 Millionen Dollar für die Kläger zur Verfügung, die ein Getränk des Unternehmens gekauft hatten. Heruntergebrochen waren das bei den vielen Klägern aber gerade einmal 10 Dollar - also nur ein kleiner Trost für jeden, der den Traum vom Fliegen in freier Luft noch nicht aufgegeben hat.
Oft ist Fahrkomfort nicht alles, was ein Sportwagen bieten kann. Prestige, Status und neidische Blicke sind bei so manchem Luxuskarosseriebesitzer ebenso willkommene Erscheinungen. Umso ärgerlicher, wenn dem Baby aus Blech und Lack etwas zustößt. Während der Reparatur des eigenen Wagens kann dann nur ein Mietwagen Trost spenden - aber bitte mit ebenso viel Flair! Doch ziehen die Gerichte da mit?
Ein leidenschaftlicher Ferrari-Fahrer verlangte Ende 2020 vom Schädiger seines Wagens die Erstattung seiner Mietwagenkosten. Das ist grundsätzlich kein Problem, dafür muss man als Unfallverursacher aufkommen. Die Frage war also nicht, ob der nun Ferrari-lose Mann einen Ersatzwagen bekommen sollte, sondern mit welchem Wagen er sich zufriedengeben musste. Denn unser Kläger bestellte nicht irgendeinen Mietwagen - nein, es musste ein anderes italienisches Prachtstück sein: ein Lamborghini. Er trug vor, dass nur ein Wagen von solcher Klasse ein ausreichender Ersatz für seinen verunfallten Ferrari sei. Nur: Dafür fielen Mietpreise von 600 bis 700 Euro pro Tag an. Die Frage war also: Musste der unglückliche Ferrari-Schädiger so etwas bezahlen?
Nein, sagte das Oberlandesgericht Celle. Hier sei nun wirklich eine Grenze überschritten. Klar, Komfort kostet, das sah das Gericht durchaus ein. Es verwies den Kläger nicht auf einen Twingo Baujahr 1995, der schon beim Anfahren am Berg halb auseinanderfällt, sondern auf die höchste Fahrzeugklasse in der Fraunhofer-/Schwacke-Liste (das sind Preisspiegel für die durchschnittlichen Kfz-Mietpreise, sortiert nach Baujahr und Alter). Mit den zugesprochenen 174 Euro/Tag wären damit ein Porsche Carrera oder ein 8er BMW durchaus drin gewesen. Solche Fahrzeuge seien in Sachen Ausstattung, Bequemlichkeit und Fahrkomfort gut mit einem Ferrari vergleichbar. Bei dem gemieteten Lamborghini würde allerdings die Grenze zwischen Komfort und Luxus überschritten. »Ansehen« und »besondere Fahreigenschaften« seien zudem nichts, auf das man nicht für einige Tage verzichten könne. In dem Fall waren das übrigens elf Tage.
Etwas anders lag es bei einem Kläger vor dem Oberlandesgericht Frankfurt, dessen Porsche 911 für geschlagene 112 Tage auf der Hebebühne stand. Er wollte hier keinen Ersatzwagen mieten, sondern einen sogenannten Nutzungsausfallschaden geltend machen. Auch das sieht das Gesetz grundsätzlich vor. Denn ist der Geschädigte besonders sparsam - verzichtet also auf den Ersatzwagen und nimmt inzwischen das Fahrrad -, soll diese Sparsamkeit dem Schädiger nicht zugutekommen.
Das Problem hierbei war aber, dass der Kläger nicht ein, zwei oder drei, sondern gleich vier weitere Wagen in der Garage stehen hatte! Bei einem zumutbaren Ersatzwagen ist der Nutzungsausfall nach den Gerichten nicht mehr »spürbar«, sodass ein Schadensersatz eigentlich entfällt. Nun trug der Autoliebhaber vor, dass er die ersten beiden Fahrzeuge nicht als Ersatzfahrzeuge nutzen könne, weil diese von seinen anderen Familienmitgliedern genutzt würden. »Geschenkt«, sagte das Gericht. In der Tat stehen die Fahrzeuge ihm dann im Rechtssinne nicht mehr »zumutbar zur Verfügung«. Das galt auch für das dritte Fahrzeug, das ausschließlich für Autorennen ausgestattet war. Letztendlich scheiterte er aber an seinem vierten Wagen - einem etwas älteren und zugegeben deutlich unspektakuläreren Ford Mondeo. Dieses schwarze Schaf in der Reihe hochkarätiger Karosserien war laut Kläger höchstens noch für Lastenfahrten oder im Notfall für Urlaubsfahrten zu gebrauchen, außerdem sei es zu sperrig für den Stadtverkehr. Das war dem Oberlandesgericht allerdings nicht genug. Wenn man einen Ersatzwagen hat - auch wenn dieser weniger Fahrkomfort bietet -, ist der Schaden durch den Nutzungsausfall trotzdem nicht spürbar und damit nicht ersatzfähig. Der Kläger musste sich also mit dem Mondeo begnügen, bis sein geliebter Porsche wieder zurück war.
Was lernt der geneigte Luxusauto-Liebhaber daraus: Im Ernstfall sollte man lieber »bescheiden« bleiben und sich mit einem Porsche begnügen. Sonst wird es teuer. Beziehungsweise teurer. Aber wer sich einen Ferrari oder gleich vier Luxusschlitten leisten kann, dem tut’s am Ende eh nicht sonderlich weh.
Oberlandesgericht Frankfurt am Main, Beschluss vom 21.07.2022, Az. 11 U 7/21
Oberlandesgericht Celle, Urteil vom 25.11.2020, Az. 14 U 93/20
Angeben oder neudeutsch »flexen« kann man nicht nur mit einem teuren Sportwagen: Man stelle sich vor, als Name ist nicht Max Mustermann eingetragen, sondern James Bond. Ein Traum für viele Hardcore-Fans des Geheimagenten und tatsächlich in manchen Ländern möglich. Doch darf ich auch in Deutschland meinen Namen in den eines berühmten Charakters ändern lassen und mir damit eine Lizenz zum Töten verschaffen?
Gestatten, mein Name ist Bond, James Bond. Ein Satz, den (in Deutschland) bislang nur der Geheimagent höchstpersönlich sagen durfte. Ein Mann aus dem Westerwald wollte das ändern, versuchte sein Glück und beantragte eine Namensänderung. Die Ursache hinter dieser Idee lag sowohl in familiären Streitigkeiten als auch in psychischen Problemen, die den Mann zu der Zeit plagten. Diese Probleme waren sogar so gravierend, dass Ärzte zu einer Namensänderung rieten, um das Wohl des Mannes weiterhin gewährleisten zu können.
In England hatte er seinen Namen bereits in James Bond ändern lassen, jetzt sollte Deutschland folgen. Als die Verbandsgemeinde diesen Antrag jedoch ablehnte, griff der Mann zu einem Trick, der eigentlich nicht im Stil des Geheimagenten ist: Nachdem auch der Widerspruch abgelehnt wurde, reichte der Mann eine Klage beim Verwaltungsgericht in Koblenz ein.
Die Richter nahmen dann allerdings die Rolle des Bond-Bösewichts Dr. No. ein. Sie wiesen die Klage ab und machten sich so zum Feind für 007. Die Begründung des Gerichts stützte sich darauf, dass der Kläger nicht ausreichend dargelegt habe, wie die familiären Streitigkeiten durch die Namensänderung wirklich überwunden werden könnten.
Außerdem stelle James Bond eine berühmte Bezeichnung aus Film und Literatur dar.
Der Name werde daher immer mit dem fiktiven Charakter in Verbindung gebracht. Folglich sei auch keine Kombination aus James Bond und dem eigentlichen Vornamen des Mannes möglich. Den eigenen Namen in James Bond zu ändern, ist also keine Option.
Ein kleiner Trost: In Deutschland kann natürlich trotzdem jeder den Martini geschüttelt, nicht gerührt, bestellen. Nur aufpassen, dass er beim Schütteln nicht auf dem Smoking landet!
Verwaltungsgericht Koblenz, Urteil vom 09.05.2017, Az. 1 K 616/16
»Mission fehlgeschlagen« - das war das Urteil in einem jüngeren Zivilprozess vor dem US District Court in Kalifornien. Anders als im Spiel konnte der Anwalt aber nicht einfach neu starten, nachdem er mit seinem Mandanten den Prozess verloren hatte und dieser für die Kosten aufkommen musste. Warum? Weil beide wohl nicht genug Call of Duty (eine Videospielreihe aus dem Bereich Ego-Shooter) gespielt hatten. Was? Ja, richtig gelesen. Manchmal gehört es eben zum Job eines Anwalts, fürstlich bezahlt zu zocken. Und wenn man den Anschaltknopf der Playstation nicht findet, dafür aber der gegnerische Anwalt und das Gericht, zahlt man eben selbst - beziehungsweise der Mandant. Aber der Reihe nach:
Im November 2021 verklagte der CEO von Brooks Entertainment, Shon Brooks, das US-Unternehmen Activision Blizzard Inc. Die beklagte Gesellschaft steht unter anderem hinter dem erfolgreichen Entwicklerstudio Blizzard Entertainment (vielen bekannt wegen Spieletiteln wie World of Warcraft oder Overwatch) und dem Videospielpublisher Activision. Letzterer brachte im Jahr 2016 einen weiteren Vertreter der Shooter-Reihe Call of Duty heraus - Call of Duty: Infinite Warfare.
Shon Brooks meinte, es sei glasklar, dass der Protagonist der Einzelspielerkampagne des Spiels, Sean Brooks, von keinem Geringeren als ihm, dem echten Shon Brooks, abgekupfert sei. Das verletze die Urheberrechte seiner Firma. Die hatte nämlich eigene Spiele entwickelt, in denen er selbst die Hauptrolle spiele. Die Klageschrift zog einige Parallelen zu den eigenen Konsolentiteln Stock Picker und Save one Bank, in denen Brooks sich selbst als Hauptfigur inszenierte. »Wie auch der Sean Brooks in Infinite Warfare«, verfüge Shon Brooks über Raketen, insbesondere habe er auch »immer Zugang zu den neuesten Autos, Flugzeugen, Schiffen und Computertechnologien«, was durch die »unbegrenzten Ressourcen« von Sean Brooks kopiert worden sei. Und wem das noch nicht abenteuerlich genug ist, dem kredenzte die Beschwerde weitere Gemeinsamkeiten, die so gut wie jedes Action-Videospiel aufweist: Beide würden »Diebe zur Rechenschaft ziehen«, »sich durch exotische, actionreiche Locations bewegen« und seien schon einmal zum Mars geflogen. Besonders offensichtlich sei die Urheberrechtsverletzung bei einer Kampfszene in einem Fashion-Einkaufszentrum.
Dafür forderte der Kläger - Fans mögen sich jetzt an ihrer bevorzugten Gaming-Peripherie festhalten - 10 Prozent der Bruttoeinnahmen sowie eine »Verwandlung« von Sean Brooks in Shon Brooks.
Solche Klagen sind nicht unbekannt. Gerade frisch nach dem Release von Games und anderen Medien melden sich gern spitzfindige Kläger, um Geld aus außergerichtlichen Vergleichen zu schlagen. Die Activision Blizzard Inc. ließ das dem Vorbild des bis an die Zähne bewaffneten Marsastronauten, Gerechtigkeitskämpfers und Finanzexperten allerdings nicht durchgehen.
Im Gegenteil: Sie machten sich eine Prozessvorschrift zunutze, nach der ein Kläger besonders sanktioniert werden kann, wenn für die Klage nicht gut genug recherchiert wurde und die Angaben darin grob falsch sind (Rule 11 der Federal Rules of Civil Procedure, der amerikanischen Zivilprozessordnung). Die Sanktion kann etwa eine Strafzahlung an das Gericht oder auch an die Gegenseite sein.
Der Rechtsbeistand auf der Beklagtenseite freute sich, denn es kommt ja nicht alle Tage vor, dass man für die Arbeit ein Videospiel durchzocken kann: »Ich habe die gesamte Einzelspielerkampagne von Call of Duty: Infinite Warfare durchgespielt«, hieß es in der anwaltlichen Antwort. Offensichtlich habe man sich auf Klägerseite nicht wirklich mit dem Spiel befasst: Denn zunächst habe Sean Brooks als waschechter »irischer Weltraum-Marinesoldat« keine Ähnlichkeit mit dem afroamerikanischen Finanzberater und Zigarrenverkäufer Shon Brooks. Außerdem sei er nicht einmal der Protagonist. Brooks spiele nur eine unspielbare Nebenrolle, während die Spieler die wahre Hauptfigur, Commander Nick Reyes, steuerten.
Am 12. Juli 2022 bekam Activision Blizzard dann auch recht. Und das Gericht setzte noch einige Aspekte obendrauf, die Brooks Entertainment übersehen hatte. So ist Infinite Warfare nicht, wie in der Klage unterstellt, ein »First- und Third-Person-Shooter«, sondern nur ein First-Person-Shooter. Was für Außenstehende nach einem technischen Detail klingt, ist eigentlich eine Sache, die man gar nicht übersehen kann: Bei einer Third-Person-Perspektive schaut man der Spielfigur von hinten über die Schulter, während man bei der First-Person-Perspektive die Welt direkt durch ihre Augen sieht. Zudem nimmt Sean Brooks in der Einkaufszentrum-Szene überhaupt nicht teil. Diese Fehler seien »mit Leichtigkeit« zu erkennen gewesen, so wie auch »das Gericht sie problemlos innerhalb der ersten anderthalb Stunden des Spielens erkennen konnte«. Manchmal merkt man Richtern eben an, dass sie von einer Prozesspartei die Nase voll haben. Nicht selten stehen dann in Entscheidungen solche unterhaltsamen Seitenhiebe, die tief blicken lassen.
Die besondere Strafe aus der Rule 11 lag hier darin, dass Brooks Entertainment die gesamten Prozesskosten der Gegenseite tragen musste. In Deutschland wäre dies keine besondere Sanktion, denn hier hat der Unterliegende im Zivilprozess immer die Prozesskosten zu tragen. Das beinhaltet die Gerichtskosten sowie vor allem die gegnerischen Anwaltskosten. Eine besondere Sanktion für schlecht recherchierte Klagen, wie in den USA, gibt es hier nicht. Aber natürlich muss der Kläger die Tatsachen, auf die er sich stützen will, gut darlegen - sonst verliert er eben den Prozess und darf blechen.
Vor dem Game-over für Brooks Entertainment haben also sowohl die Gegenseite als auch das Gericht die Gelegenheit genutzt, Call of Duty: Infinite Warfare zumindest anzuspielen. Und obwohl der Kläger den Shooter offenbar nicht in der Hand hatte, schoss er trotzdem. Und zwar meilenweit am Ziel vorbei.
Volltext des US-Urteils: Brooks Entm’t v. Activision Blizzard, Inc., 21-CV-2003 TWR (MDD), (S.D. Cal. Jul. 12, 2022)
»Wann Bubatz legal?« Spätestens seit Beginn der Ampel-Regierung im Jahr 2021 war das wohl eine der am häufigsten gestellten Fragen. Doch auch schon vorher war es in einigen Szenen nicht unüblich, sich hin und wieder einen Joint zu genehmigen, um ein Hoch der Gefühle zu erleben oder einfach zu entspannen.
Der Szeneanwalt Thomas Herzog aus Berlin-Kreuzberg war unserer Zeit voraus und fragte sich schon 2018: Warum ist Cannabis eigentlich illegal? Das war ihm ein Dorn im Auge. Denn während manch einer vom eigenen kleinen Café träumt, plante der 62-Jährige, in seiner Rente selbst Marihuana anzubauen. Schon seit zehn Jahren ist es sein Traum, einen Coffeeshop nach Amsterdamer Vorbild zu eröffnen und gelegentlich auch selbst zu kiffen. Er überlegte, wie er es schaffen könnte, seinen außergewöhnlichen Plan in die Tat umzusetzen - und kam zu folgendem Ergebnis (möglicherweise under the influence?): »Da verklage ich doch einfach die Bundesregierung!«
In seinen 30 Jahren als Anwalt hatte Herzog bereits Hunderte Kiffer vor Gericht vertreten, im Hanf Museum Berlin bot er außerdem einmal im Monat eine kostenlose Rechtsberatung an. Seine Stammklientel: die linke Szene. Immer wieder traf der 62-Jährige auf bedauerliche Schicksale, die ihm die enormen Auswirkungen der Kriminalisierung von Cannabis vor Augen führten. Besonders das Leben junger Menschen wurde hiervon oft stark geprägt. Er wurde deshalb schon früh Anhänger der Legalisierungsbewegung mit dem Ziel, Marihuana und Haschisch zu entkriminalisieren. Auch seiner Vision einer von Cannabis geprägten Rente käme eine Entkriminalisierung zugute.
Die Traumlocation für seinen Coffeeshop hatte Herzog schon gefunden, am passenden Ladenlokal sollte sein Plan also nicht scheitern. Die ehemalige Pförtnerloge der Firma Berthold eigne sich mit ihrer Durchreiche wunderbar für die Eröffnung eines Kiosks. Im dahinterliegenden größeren Raum sollten die Pflanzen dann angebaut, getestet und erworben werden. Sogar behindertengerecht wäre sein Lokal gewesen.
Seinem Vorhaben stand aber die Eintragung von Cannabis im Betäubungsmittelgesetz entgegen. In seiner Klage verlangte er von der Bundesregierung deshalb den Erlass einer Rechtsverordnung, die Cannabis endgültig aus dem Betäubungsmittelgesetz streicht. Die Begründung: Das Cannabis-Verbot verletze ihn gleich in mehreren seiner Grundrechte.
Das Verbot stehe insbesondere seiner allgemeinen Handlungsfreiheit aus Art. 2 Abs. 1 GG und der freien Entfaltung seiner Persönlichkeit aus Art. 2 Abs. 2 GG entgegen. Seine Berufsfreiheit aus Art. 12 Abs. 1 GG sei verletzt, weil er so seinem Traumberuf des Dealers nicht nachgehen könne. Letztlich sei auch der allgemeine Gleichheitssatz aus Art. 3 Abs. 1 GG betroffen. Denn Alkohol und Tabak sind im Gegensatz zu Cannabis erlaubt. Dabei sei Alkohol im Vergleich sogar die schlimmere Droge, die außerdem schneller abhängig mache.
Zu der ersten Gerichtsverhandlung war Herzog spät dran. »Der ist noch einen rauchen«, scherzte einer der Zuschauer. Auch sonst war das Verfahren skandalös. In der Verhandlungspause bauten sich Zuschauer im Gerichtsflur vor laufenden Kameras ihre Joints - ziemlich waghalsig angesichts der Überpräsenz an (nicht kiffenden) Anwälten und Richtern im Gerichtsgebäude. Die Frage, ob er selbst kiffe, blockte Herzog übrigens ab: Das könne ihn seine Zulassung als Anwalt kosten.
Schon bald darauf folgte die bittere Enttäuschung: Das Verwaltungsgericht Berlin lehnte die Klage des Anwalts ab. Die Klage sei bereits unzulässig, weil der Anwalt überhaupt keinen Anspruch auf den Erlass der geforderten Rechtsverordnung habe. Außerdem sei die Klage unbegründet. Cannabis sei, entgegen den Behauptungen des Anwalts, eben nicht unumstritten eine harmlose und ungefährliche Droge. Eine Legalisierung sei daher nicht zwingend geboten.
Mit dem Urteil war das Vorhaben des Anwalts vom eigenen Coffeeshop wohl geplatzt, die Träume von einer Kifferrente dahin - vorerst jedenfalls.
Verwaltungsgericht Berlin, Urteil vom 28.11.2018, Az. 14 K 106.15
»Hast du’s drauf?« Die älteren Fußballfans hierzulande kennen vielleicht noch Kevin Kuranyi, wie er mit seinen DFB-Kollegen am Frühstückstisch sitzt und herzhaft von seinem Nutella-Brot abbeißt. Auch in Übersee wird Nutella als ausgewogene Mahlzeit beworben. Mit dem Spruch »Da hast du was drauf« kann eigentlich aber nicht nur die erste Nuss-Nougat-Creme ihrer Art auf dem Brot gemeint sein, sondern es muss auch um die Kalorien auf der Hüfte gehen, wenn man sich die Inhaltsangaben anschaut: Pro 100 Gramm hat Nutella sogar mehr Kalorien, Zucker und Fett als herkömmliche Schokoriegel.
Für eine Mutter aus San Diego brach trotzdem eine Welt zusammen. Oh Schreck! Wer hätte denn ahnen können, dass Schokolade in Streichform nicht plötzlich gesund ist? Aber mal ehrlich: Einen großen Vorwurf kann man ihr nicht machen. Wenn selbst Profisportler zur wichtigsten Mahlzeit am Tag nur ein Nutella-Brot brauchen, kann es für alle anderen doch nicht so schlimm sein? Aber sollte man Werbung alles glauben dürfen? Ja, sagte die Frau aus Kalifornien und zerrte den USA-Ableger des italienischen Ferrero-Unternehmens vor Gericht.
Und auch die US-Richter haben bestimmt das Nutella-Glas beim Lesen der Klageschrift im Schrank stehen lassen. Wie verärgert die Juristen über die bekannt gewordene Ursache der Gewichtszunahme waren, musste Ferrero nicht erfahren: Denn ein Urteil gab es nie. Vermutlich waren sie so erzürnt, dass Nutella lieber außergerichtlich 3 Millionen Dollar zahlen wollte, als mit den Richtern in einem Raum zu sitzen, die jetzt wohl lieber zähneknirschend Haferschleim frühstücken.
Die Mutter hatte sich bestimmt mehr erhofft, denn das Geld muss der Nuss-Nougat-Hersteller im Rahmen einer Sammelklage an alle zahlen, die seit August 2009 in Kalifornien ein Glas des süßen Brotaufstrichs gekauft haben. Bis zu 4 Dollar pro Glas - leider nur eine bittere Nachricht für die Kalifornierin. Der Bau der neuen Villa muss wohl noch warten.
Die wohl berühmteste Klage aus den USA wird ja häufig als Aushängeschild für die absurdesten Schadensersatzzahlungen im Land herangezogen: der McDonald’s-Kaffee-Fall. Der Titel der Geschichte lautet in etwa: »3 Millionen Schadensersatz für verschütteten Kaffee.« Stella Liebeck heißt die US-amerikanische Klägerin aus New Mexico, die danach bestimmt auf Frappé umgestiegen ist. Nach ihr wurde sogar der Stella Award benannt, der jedes Jahr die bizarrsten Gerichtsprozesse auszeichnet.
Die Geschichte klingt - mit ein paar zusätzlichen Details - fast wie der Einstieg in einen Roman: Im Februar 1992, an einem sonnigen Wintertag, begleitet die 79-jährige Frau aus Santa Fe ihren Sohn zum Flughafen. Ein kleiner Familienausflug, um Zeit mit den Liebsten zu verbringen, und der Enkel kann sogar noch Fahrpraxis sammeln. So machen sich die drei Generationen auf und verabschieden sich am Terminal. Auf dem langen Rückweg merkt Stella lächelnd und gähnend zugleich an: »Autofahren macht wohl nicht nur den Fahrer müde.« Den Wink mit dem Zaunpfahl versteht sogar Enkel Chris, auch wenn sein Blick konzentriert auf der Straße liegt, um im Feierabendverkehr sicher anzukommen. Ruckartig, aber mit gerade noch angemessener Sorgfalt, schmeißt er den Blinker an und nimmt die nächste Ausfahrt vom Highway. Lange müssen sie nicht suchen: Das große, leuchtende goldene M ist auch von Weitem kaum zu übersehen. Um vor Einbruch der Dunkelheit zu Hause anzukommen, beschließen die beiden, den Drive-in zu nutzen.
»Einen großen Kaffee bitte, mit extra Milch und Zucker«, hört die Person am anderen Ende der Funkanlage Stella Liebeck sagen. »Kommt sofort!«, hört man es nur blechern zurück. Wärme breitet sich in den Händen der 79-Jährigen aus, als sie das Getränk überreicht bekommt. »Halt mal kurz an Chris, ich muss hier noch Milch und den Zucker reinmachen«, bittet Stella. Das Armaturenbrett ist schräg und hat keinen Getränkehalter. Die Milch in der einen, den Zucker in der anderen Hand haltend, zwängt sich die Oma des Jungen den Styroporbecher zwischen die Knie und zieht an dem Deckel. Doch dann geschieht es: Der Verschluss öffnet sich abrupt und gibt den gesamten brennend heißen Inhalt frei. Und mit brennend heiß ist wirklich brennend heiß gemeint. 82 Grad Celsius heiß. Ihre Oberschenkel, ihre Knie, alles ist voll mit der Brühe. Die Flüssigkeit zieht in die Baumwollkleidung von Stella ein. Eine halbe Ewigkeit vergeht, bis alles abkühlt. Doch der Schmerz bleibt. Eine Woche im Krankenhaus und drei Wochen zu Hause muss die Frau fast bewegungslos nach einer Hauttransplantation ausharren. Verbrennungen dritten Grades, so etwas hat der behandelnde Chirurg noch nie gesehen.
Und nun zum Rechtlichen: Es entstanden Heilbehandlungskosten von über 20 000 US-Dollar, und die Tochter von Frau Liebeck nahm unbezahlten Urlaub, um sie zu pflegen. Damals haben die Cheeseburger aber noch 1 Euro gekostet, und McDonald’s musste sparen. Anders kann man sich das freche Angebot nicht erklären: 800 Dollar sollen der Frau angeboten worden sein. No deal!, Stella wusste, dass ihr case mehr wert war, und verklagte die Fast-Food-Kette.
Im Prozess kam dann so manch unliebsames Detail zum Vorschein: McDonald’s wusste von den zu hohen Temperaturen verglichen mit anderen To-go-Kaffees. Außerdem war der Becher zu instabil, um in einem Drive-through verkauft zu werden. Bereits 700 vergleichbare Ereignisse dieser Art hatte es bis zum Prozess gegeben. Jedes wurde von dem Unternehmen ignoriert und sogar teilweise in der Verhandlung verheimlicht. Das Verhalten und das ständige Ablehnen des Großkonzerns waren selbst für die Jury zu viel. So kam es zu dem berüchtigten Schadensersatz in Höhe von fast 3 Millionen Dollar.
Zwar dient der Fall bis heute als Beispiel für überzogene Klagen in den USA. Was dabei aber kaum überliefert ist: Das Gericht senkte den Schadensersatz auf knapp über 600 000 Dollar, unter anderem wegen der Mitschuld von Stella. Mehr als die anfangs gebotenen 800 Dollar waren das zwar allemal. Wenn sie im Nachhinein die Wahl gehabt hätte, wäre sie bestimmt dennoch lieber bei einem Starbucks vorbeigefahren. Denn die Verbrennungen nahmen ihr in den letzten Jahren einiges an Lebensqualität.
Mit diesen Hintergrunddetails liest sich die Story: »3 Millionen Schadensersatz für verschütteten Kaffee« ganz anders. Natürlich muss man in seinem Leben auf sich selbst aufpassen. Dennoch hat McDonald’s mit seinem Verhalten gezeigt, dass die 600 000 Dollar ein angemessener Betrag für die Frau aus Santa Fe waren. Denn wir alle hätten Stella Liebeck an diesem Nachmittag im Februar sein können. In Deutschland ist eine solche Summe trotzdem kaum denkbar. Das Kuriose an dem Fall ist also, was daraus gemacht wurde.