WER HAT DENN DIESE GESETZE ERFUNDEN?

Rindfleischetikettierungsüberwachungsaufgabenübertragungsgesetz - das ehemals längste deutsche Wort und Gesetz wurde 2013 gestrichen. Im Gegensatz zu diesem wichtigen Gesetz zur Etikettierung von Rindfleisch wurden allerdings über 50 000 Paragrafen nicht gestrichen. Diese sind in fast 1800 verschiedenen Gesetzen zu finden, und es kommen immer mehr dazu. Die Standard-Gesetzessammlungen (oder liebevoll »roter Klopper/Backstein« genannt), die bei keinem Anwalt oder Jurastudenten fehlen dürfen und nur einen Bruchteil aller Gesetze beinhalten, bringen es zusammen auf fast 10 000 Seiten in kleinster Schrift. Ein kleiner Vergleich: Die Bibel hat nur zwischen 1500 und 2000 Seiten. Die bekanntesten Gesetzessammlungen sind das Bürgerliche Gesetzbuch im Zivilrecht, das Strafgesetzbuch und natürlich das Grundgesetz.

Während im Zivilrecht das Verhalten im alltäglichen Leben von einer gegenüber einer anderen Person festgelegt ist, steht im öffentlichen Recht überwiegend, was der Staat darf und was er nicht darf. Im Strafrecht kann man lesen, welche Handlungen man generell nicht an den Tag legen sollte - so ist zum Beispiel das Klauen nach § 242 StGB oder das Herbeiführen einer Explosion durch Kernenergie durch § 307 StGB verboten. Und diese Vorschrift hat mehr Relevanz, als man glauben mag, aber mehr dazu in einem anderen Kapitel ...

Aus welchem Gesetz die Rechtsform des wohl neuen längsten deutschen Wortes Donaudampfschifffahrtselektrizitätenhauptbetriebswerkbaubeamtengesellschaft abzuleiten ist ... diese Frage habe ich euch und mir erspart. Denn hier geht es um die wirklich wichtigen Gesetze. Um die existenziellen Fragen: Gibt es in Hessen eigentlich noch die Todesstrafe? Und um weniger existenzielle Fragen: Ist Quark Milch oder Käse? Und: Warum ist die Honigbiene das einzige Tier, das im BGB erwähnt wird? Lest selbst!

§ DIE BIENEN UND DAS GESETZ

Das Bürgerliche Gesetzbuch umfasst etwa 2400 Paragrafen. Ganze vier davon beschäftigen sich mit dem »Bienenschwarm-Recht«. Dieses wohl unbedeutendste Rechtsgebiet im gesamten BGB kennt ob seiner Kuriosität sicherlich fast jeder Jurastudent, der im ersten Semester mal durchs Bürgerliche Gesetzbuch geblättert hat.

Das »Schwarmrecht« regelt den sicherlich häufig vorkommenden Fall, dass ein Imker seinen Bienenschwarm verliert. Die §§ 961-964 finden sich direkt hinter »Wilde Tiere«. Diese Normen sind so lustig, dass man sich mindestens einmal mit ihnen beschäftigt haben sollte: Es beginnt mit dem § 961 BGB, Eigentumsverlust bei Bienenschwärmen. Der regelt, wie der Name es schon verrät, was passiert, wenn der Bienenschwarm aus seinem Bienenstock auszieht. Daraus können wir auf einen Fakt schließen, der wohl nur bei rechtlich versierten Imkern bekannt sein dürfte: Der Imker muss fast so sportlich wie ein Olympialäufer sein. Zumindest, wenn er nicht will, dass er das Eigentum an seinen Bienen verliert. Die Honigbiene kann im Flug eine maximale Geschwindigkeit von 32 km/h erreichen und würde nur knapp ein Rennen gegen Usain Bolt verlieren. Falls die Bienen also mal Lust auf Morgensport haben, muss der Imker nach § 961 diese unverzüglich und bis sie schlapp machen, verfolgen. Wenn die Sportschuhe nicht bereitstehen und die Bienen einmal in Freiheit sind, gehören sie niemanden mehr und sind somit wilde Tiere.

§ 962 BGB, Verfolgungsrecht des Eigentümers: Wer schon immer mal nachts in ein Schwimmbad einbrechen wollte, aber Angst vor einer Anzeige wegen Hausfriedensbruchs hatte, sollte vielleicht den Beruf des Imkers anstreben. Natürlich nur, wenn die Bienen genauso viel Lust auf Nachtschwimmen haben wie man selbst. Denn dann greift der § 962. Er gibt dem Imker weitreichende Sonderbefugnisse, um seine ausgebüxten Bienen wieder einzufangen, so auch das Betreten von fremden Grundstücken. Wenn ein Bademeister also eine Person nach Betriebsschluss sieht, die ausnahmsweise nicht vor Bienen davonrennt, sondern diese verfolgt, sollte er vielleicht genau hinschauen, bevor er zu Unrecht die Polizei ruft.

§ 963 BGB, Vereinigung von Bienenschwärmen: In der Landwirtschaft haben sprichwörtlich die dümmsten Bauern die dicksten Kartoffeln. Das meint, der Erfolg des Kartoffelanbaus hängt nicht vom Können des Landwirts ab. Bei der Imkerei dürfte das Gegenteil der Fall sein: Der schnellste Imker hat die meisten Bienen, denn Bienenschwärme mehrerer Bienenzüchter können sich verbinden. Dabei werden nur diejenigen anteilig Eigentümer, die diese verfolgt haben. Wenn jedoch ein Imker die anderen abgehängt hat, gehören ihm beim Einfangen des Schwarms alle Bienen allein, sodass der nächsten großen Honigbestellung nichts mehr entgegensteht.

§ 964 BGB, Vermischung von Bienenschwärmen: Wer denkt, nur Katzen suchen sich ihren Besitzer aus, liegt daneben. Wenn man der Tierexpertise des damaligen Gesetzgebers vertraut, soll dies auch für Bienen gelten. Ob dies tatsächlich in freier Natur häufiger vorkommt oder ob die Gerichte einfach keine Lust hatten, zwischen zwei streitenden Imkern zu entscheiden, wem jetzt welche Biene gehört, spielt dabei keine Rolle. Jedenfalls war es so wichtig, dass es einen von etwa 2400 Paragrafen im BGB darstellt.

Dass dieses Rechtsgebiet nicht gerade das wichtigste in unserem BGB ist, zeigt sich schon dadurch, dass es seit dem Jahr 1900 gerade einmal drei Fälle dazu gegeben hat - und zwar aus der Zeit der Weimarer Republik.

Nun, warum gibt es diese Paragrafen dann überhaupt, wenn sie denn so unwichtig sind? Normalerweise versuchen Gesetze doch, so allgemein wie möglich zu sein, um auf möglichst viele Sachverhalte Anwendung zu finden. Warum ist die Biene dann das einzige Tier, das im BGB gesondert erwähnt wird?

Böse Zungen behaupten, die explizite Regelung über Bienenschwärme sei der damaligen großen Imkerlobby geschuldet. Vielleicht war auch einfach einer der Gründungsväter des BGB Hobbyimker. Doch auch wenn der Gedanke daran lustig ist, dass die Imker den Gesetzgebern einst angedroht haben könnten, die Juristen müssten zukünftig auf Honig zu ihrem morgendlichen Toastbrot verzichten, sofern die Bienenzüchter nicht ausreichend rechtlich geschützt würden, hatte die Regelung wohl einen anderen Grund:

Der 5. Untertitel des BGB, also die §§ 958-964, beschäftigen sich mit der Aneignung von herrenlosen Sachen, also dem Eigentumserwerb von Dingen, die keinem gehören. Tiere sind zwar keine Sachen, werden aber nach § 90a BGB so behandelt. Anders als Haustiere sind wilde Tiere nach § 960 BGB immer herrenlos, außer wenn sie gefangen oder gezähmt werden.

Also ist doch eigentlich alles in dem Paragrafen zu den wilden Tieren geregelt, oder?

Nicht ganz, der Clou ist, dass Bienen sich von anderen Wildtieren maßgeblich unterscheiden. Würden sie als wilde Tiere zählen, könnte ein Imker nur Eigentümer werden, wenn er sie gefangen oder gezähmt hat. Bienen zählen jedoch nicht zu gefangenen Tieren, weil sie für ihre »Arbeit« täglich wegfliegen müssen. Bienen sind auch anders als Katzen und Hunde nicht zähmbar, weil sie sich von keinem außer ihrer Königin etwas vorschreiben lassen. Durch diese Einzigartigkeit wäre es ohne die Bienengesetze also kaum möglich, ihr Eigentümer zu werden. Das wäre ein großes Problem, denn die Bienen sind schließlich die Lebensgrundlage eines Imkers.

Also haben die Bienen einen ganz besonderen Platz im BGB bekommen, als wohl wichtigstes Tier im Gesetz.

Allein die Vorstellung, wie ein Imker seinem Schwarm hinterherrennt, ist es doch wert, dass es diese lustigen Paragrafen gibt.

Und zuletzt ein kleiner Schwenk, den nur der Imker kennen dürfte: Die Norm aus § 964 BGB ist wohl sowieso Quatsch. Sie regelt ja, dass der Imker Eigentümer der Bienen wird, die in seine Wabe einziehen, wenn darin schon vorher seine eigenen Bienen wohnten. Nur: Dieser Fall dürfte so gut wie nie vorkommen, da ein fremder Schwarm üblicherweise erst gar nicht von den Wächterbienen in die besetzte Bienenbehausung hineingelassen wird.

§ DIE EHE UND DAS GESETZ

»Bis dass der Tod uns scheidet« dauert so manchem Ehepaar zu lang. Schließlich ist nicht jedem bekannt, was die Heirat in tatsächlicher, aber auch in rechtlicher Hinsicht bedeutet. Für den einen gehört der sonntägliche Kaffeeklatsch bei den Schwiegereltern zum absoluten Pflichtprogramm. Für den anderen liegt die Ehepflicht eher darin, dass der gemeinsame Putzplan fair aufgeteilt wird. Wer sich primär aus steuerrechtlichen Gründen das Jawort gibt, kann schnell überrascht werden, denn die Ehe gibt nicht nur Rechte, sondern begründet auch Pflichten. So übernimmt man nicht nur finanzielle Unterhaltspflichten für den Ehepartner, sondern ist auch ein Garant für ihn in strafrechtlicher Sicht. Man kann sich über die unterlassene Hilfeleistung nach § 323c StGB hinaus sogar des Totschlags durch Unterlassen schuldig machen, wenn man den Partner in einer Notsituation nicht rettet.

Doch was macht man, wenn man morgens verkatert im Hangover-Stil in einem Hotel in Las Vegas aufwacht und das Erste, was man neben der anderen im Bett liegenden Person sieht, ein Ehering am Finger ist? Ist die Ehe überhaupt wirksam, oder ist das nicht eh egal, weil man die Ehe innerhalb eines Jahres annullieren kann? Nicht ganz! Letzteres ist ein weitverbreiteter Rechtsirrtum. Wenn die Ehe einmal wirksam geschlossen wurde, kann man sie nicht so einfach beenden. Erste Option ist die allseits bekannte Scheidung. Bei dieser muss aber ein sogenanntes Trennungsjahr eingehalten werden. Muss ich jetzt also mit der Person, die ich erst seit einem halben Abend am Las Vegas Strip kenne, noch ein ganzes Jahr auskommen?

Unter gewissen Umständen zum Glück nicht. Das regelt der kuriose § 1314 BGB mit skurrilen Aufhebungsgründen. Zwar bleibt die Heirat erst einmal wirksam, kann aber jederzeit durch richterliche Entscheidung aufgehoben werden.

So liegt ein Grund in Abs. 2 Nr. 1 vor, wenn »ein Ehegatte sich bei der Eheschließung im Zustand der Bewusstlosigkeit oder vorübergehenden Störung der Geistesfähigkeit befand«.

Hä, wie soll denn das gehen? Kann ich mich etwa im Schlaf oder unter Hypnose trauen lassen? So richtig erklären können das nicht mal die Profis. Diese vermuten deshalb, dass die vorübergehende Störung der Geistesfähigkeit wohl ausschließlich alte Fälle erfasst. Eine Hypnose im Uri-Geller-Style scheidet auf jeden Fall aus, weil man dann keine willentlichen Erklärungen vornehmen kann. Eine schlechte Nachricht für alle, die schon die erste Stunde Hypnose-Unterricht genommen haben, um ihren heiratsscheuen Traumpartner herumzubekommen. Auch kann man die Spontan-Hochzeit aufheben, wenn man bei der Trauung viel zu tief ins Glas geschaut hat und nicht an »Liebe auf den ersten Blick« glaubt.

In Nr. 2 wird es noch verrückter. Dort heißt es, ein Aufhebungsgrund liegt außerdem vor, »wenn ein Ehegatte bei der Eheschließung nicht gewusst hat, dass es sich um eine Eheschließung handelt«.

Der Traum von einer hypnotisierenden Hochzeit hat sich erledigt, offen für Neues läuft man aus dem Gebäude, in dem man die Kündigung der Hypnose-Stunden eingeworfen hat, und bemerkt eine spirituelle Heilpraktikerpraxis, welche mit einer »Fußreflexmassage, die alle Probleme löst« wirbt. So eine schöne Fußmassage hat man sich jetzt verdient, denkt man. Nachdem man nach Ablauf der Zeit sichtlich entspannter ist und die Massage tatsächlich geholfen hat, wird einem noch eine afrikanische traditionelle huwelik angeboten. Da der Bus erst in 45 Minuten fährt, lässt man sich darauf ein. Ihr vermutet, es handelt sich um eine spezielle Meditationstechnik, da man sich zu rhythmischen Klängen bewegen und immer mal wieder ausländisch klingende Wörter wiederholen muss. Was ihr nicht wusstet: Das 45-minütige Prozedere war eine Hochzeitszeremonie, und ihr habt gerade eine euch fremde Person geheiratet, die anscheinend sehr angetan von euren Füßen und dem Rest von euch war.

Der Fall ist zwar fiktiv, kann aber durchaus eintreffen. Wenn man sich als Deutscher im Ausland auf eine religiöse Zeremonie einlässt, kann nach dem dortigen Ortsrecht eine zivilrechtliche Ehe wirksam zustande kommen. Auch wenn ihr als frisch Volljährige die Starrolle der Julia zugeteilt bekommen habt, müsst ihr aufpassen, dass Romeo sich nicht zu sehr in euch verliebt. Auf jeden Fall solltet ihr bei der Generalprobe oder Aufführung sichergehen, dass beide nur im Stück heiraten wollen. Falls ihr eine red flag zu viel übersehen habt, könnt ihr trotzdem aufatmen. Auch dann gilt die Nr. 2.

Man kann die Ehe nach § 1314 Abs. 2 Nr. 3 weiterhin aufheben lassen, wenn man von seiner großen Liebe arglistig getäuscht wurde und bei Kenntnis der verschwiegenen oder falschen Tatsache gar nicht erst die Hochzeitsnacht mitgemacht hätte. Möglicher Grund dafür ist wohl nicht ein verheimlichter Lottogewinn. Eher infrage kommen zum Beispiel das Täuschen über eine Schwangerschaft oder über den angegebenen Beruf, eine Unfähigkeit zum Geschlechtsverkehr, das Verschweigen von ansteckenden Krankheiten, eine längerfristige Prostitution oder voreheliche Kinder.

Man sollte also den Partner mit Bedacht wählen, wenn man den Bund der Ehe eingeht. Auch wenn in Ausnahmefällen die Möglichkeit einer Eheaufhebung besteht, muss man dem gutgläubigen Ehepartner möglicherweise einen Unterhaltsanspruch gewähren. Also Vorsicht, Kostenfalle! Die Hochzeitsfeier und die anschließenden Flitterwochen sind schließlich teuer genug.

§ DAS DEUTSCHE REICH UND DAS GESETZ

Verkehrsanstalten des Reichs, Reichsbehörden, Reichsanstalten oder Reichsfiskus, das alles sind Wörter, die man womöglich in einer nächtlichen Dokumentation schon im Halbschlaf gehört hat. Das alles sind aber auch Wörter im heutigen BGB, genauer finden sie sich in den §§ 979-982 BGB. Aber warum stehen diese Begriffe noch im Gesetz? Dafür muss es doch einen rechtlichen Grund geben. Oder beziehen sie sich nur auf den in Berlin stehenden Reichstag, der einfach wegen geschichtsträchtigen Hintergründen so heißt?

Die Wörter sind für einen jeden sogenannten Reichsbürger ein gefundenes Fressen. Aber warum wir nach weit über einem halben Jahrhundert nach Ende des Deutschen Reichs noch Reichsbehörden laut Gesetz haben, hat wohl nur einen Grund: Faulheit.

Und zwar die Faulheit des Gesetzgebers. Dieser hat es bislang nicht für nötig gehalten, die im Jahr 1900 geschriebenen Gesetze anzupassen. Zugegebenermaßen bestand bisher auch keine Eile. Die Anwendungsfälle der §§ 979, 981 und 982 BGB sind begrenzt. So steht in einem berühmten juristischen Handkommentar - quasi die Bibel der Gesetzesübersetzung für Juristen - fast nur, dass man statt »Reich« nun »Bundesrepublik« lesen sollte.

Und das hat schließlich was zu bedeuten. Sonst stehen in diesen Kommentaren zu den Gesetzen meist Texte in wirklich biblischen Ausmaßen. Dazu kommt, dass die kleine Schrift des Kommentars nur mit Lupe zu entziffern ist und man beim Entschlüsseln der Abkürzungen Glücksrad spielen kann. Ich kaufe ein »e« und ein »n« und ganz viele weitere Buchstaben, denkt man sich, wenn man Kürzel wie »Eigt« für »Eigentum« liest. Das Thema, ob der Handkommentar als Waffe oder zumindest gefährliches Werkzeug nach dem Strafgesetzbuch zählt, nachdem er auf den kleinen Zeh gefallen ist, will ich gar nicht weiter ausdiskutieren.

Zu der unterstellten Faulheit muss man also ein Auge zudrücken. Bevor man die Paragrafen ändert, kann man sie fast schon ganz streichen.

Jedenfalls hätte es ein Gutes: Man könnte die Anzahl der Leute reduzieren, die meinen, die Bundesrepublik sei nur eine Firma, was ja gut zum Personalausweis passt. Vielleicht kann man im selben Atemzug gleich erklären, dass das Grundgesetz eine Verfassung ist, auch wenn es nicht so heißt.

§ DER TOD UND DAS GESETZ

Wie sagt man so schön: Zwei Dinge sind im Leben eines Deutschen unausweichlich, die Steuern und der Tod. Wenig überraschend findet sich der Tod deshalb auch in unseren Gesetzen wieder - schließlich muss manchmal auch das Ableben geregelt sein. Blicken wir gemeinsam auf gesetzliche Kuriositäten, die den Tod zum Thema haben.

Die Todesstrafe - zum Glück kein Thema mehr in Deutschland. Die letzte Vollstreckung eines Todesurteils in der BRD fand am 11. Mai 1949 in Westberlin statt. Kurze Zeit später trat unser Grundgesetz in Kraft, eine Todesstrafe ist seither nicht mehr möglich - schließlich ist die Würde des Menschen unantastbar, und auch die körperliche Unversehrtheit ist für alle gewährleistet. Kleine Randnotiz: Für die DDR galt das Grundgesetz nicht, dort fand die letzte Hinrichtung 1981 statt, 1987 wurde die Todesstrafe dann auch im Osten abgeschafft.

Aber Achtung, manch einer wird es vielleicht in den Medien mitbekommen haben: In Hessen wurde die Todesstrafe erst 2018 aus der Landesverfassung gestrichen. Wie ist das möglich? Und wurden in Frankfurt, Viernheim, Wiesbaden und Co. weiterhin heimlich Todesstrafen vollzogen? Keine Sorge, natürlich nicht. Schließlich gilt Bundesrecht vor Landesrecht, das Grundgesetz hat oberste Priorität. Also sahen die Hessen sich einfach nicht in der Not, das Gesetz zu streichen, weil es ohnehin nie angewendet werden würde.

Anders ist das bekannterweise in den USA, wo die Staaten selbst festlegen können, ob Hinrichtungen möglich sind oder nicht - und das schockierenderweise noch heute.

Nun aber der Schwenk vom Tod zu den Steuern und zu dem, was viele Menschen kraft Überarbeitung in die letzte Ruhestätte treibt: die Arbeit. Wir Deutschen gelten schließlich als fleißig. Manch einer würde wohl über den Tod hinaus arbeiten, wenn er könnte. Und witzigerweise sieht es auch das Gesetz so. Denn wer tot ist, gilt nicht automatisch als berufsunfähig. Exakt so ist es zwar nicht formuliert, aber tatsächlich stand im Bundessteuerblatt, dass der Tod eines Steuerpflichtigen nicht als Berufsunfähigkeit nach § 16 des Einkommensteuergesetzes verstanden werden kann. Sonst könnte nämlich der erhöhte Freibetrag abgezogen werden. Wenig verwunderlich ging es hier also um Steuern. Kurz gesagt sollten durch das Ableben keine Steuervorteile geltend gemacht werden können. Tja, in Deutschland ist nun mal wirklich alles geregelt.

Aber nicht alle sind so streng. Die Bundeswehr stellte nämlich ihrerseits das Verhältnis von Tod und Arbeit fest: In einem ihrer Amtsblätter hieß es, dass der Tod »die stärkste Form der Dienstunfähigkeit« sei. Zwar konnte man sich das schon irgendwie denken, trotzdem schadet es wohl nicht, dass jemand das mal abschließend festgehalten hat.

Übrigens: Nicht nur Deutschland ist manchmal eigen, was den Umgang mit dem Tod angeht. In Frankreich verbot eine Gemeinde im Jahr 2000 den Einwohnern das Sterben ohne vorherige Reservierung eines Grabes - der Friedhof war einfach zu voll. Vielleicht war der Verantwortliche des Friedhofs früher ein Gastwirt und hatte verwechselt, wie der Betrieb in einem Restaurant und der Betrieb eines Friedhofs so laufen.

Wir stellen wieder mal fest: Steuern und Sterben sind wohl die einzigen beiden Elemente des Lebens, auf die wir Deutschen uns immer verlassen können ...

§ DIE FÜNF KURIOSESTEN EU-GESETZE

Ach ja, unsere Freunde aus Brüssel ... Nicht nur die Deutschen haben Spaß an Regeln. Tatsächlich hagelt es nicht selten Kritik am Regulierungsdrang des Bürokratie-Monsters, das auf den Namen Europäische Union hört. An manchen Stellen ist wahrscheinlich sogar etwas Wahres an den Vorwürfen dran. Jedoch ist nicht jede Kritik berechtigt. Bei genauerem Hinsehen stellt sich nämlich heraus, dass nicht alle angeblich von der EU erlassenen Gesetze auch wirklich aus Brüssel stammen.

Um aber einen kleinen Faktencheck vorwegzunehmen: Ja, die EU erlässt tatsächlich sehr viele Gesetze (in Form von Richtlinien oder Verordnungen). Es scheint manchmal wie ein Hobby der Verantwortlichen zu sein, neue Normen zu erlassen - kein Wunder, dass manchmal auch unsinnige Regelungen dabei sind. Kleines Ratespiel: Wie viele EU-Gesetze und Richtlinien gibt es? A: 800, B: 3500, C: 12 000, D: über 20 000.

Die Antwort D ist richtig. Tatsächlich sind es über 20 000, verschriftlicht in 24 Amtssprachen.

Dann werfen wir jetzt einen Blick auf fünf der kuriosesten Normen, die für besonders unsinnig gehalten werden, und überprüfen, ob manche der Kritikpunkte nicht vielleicht doch auf Mythen basieren.

1. Das Seilbahngesetz

Man stelle sich folgendes Szenario vor: Die Bundesregierung erlässt ein Gesetz darüber, wie die Stadt Mannheim mit den Bären im Wald umzugehen hat. Mannheimer werden sich jetzt denken: Moment mal, wir haben keine Bären in unseren Wäldern. Warum sollte dann ein Gesetz erlassen werden? Schließlich werden sich so schnell auch keine Bären nach Mannheim verirren. So ähnlich ist es beim Seilbahngesetz der EU. Dieses verlangt, dass die Sicherheitsstandards bei Seilbahnen geregelt werden. Wahrheit?

Ja! Also das Gesetz über die Mannheimer Bären habe ich erfunden, aber das Seilbahngesetz gibt es wirklich. Tatsächlich mussten Berlin, Mecklenburg-Vorpommern und Schleswig-Holstein solche Regelungen treffen, obwohl es in keinem dieser Bundesländer eine Seilbahn gibt - und es wird wohl auch keine kommen. Schließlich handelt es sich bei den drei Ländern eher um flache Regionen. Eine Seilbahn wäre hier also so überflüssig wie ein Rasensprenger für einen Kunstrasen.

Würde man die Überflüssigkeit des Gesetzes von eins bis zehn bewerten, hätte es die volle Punktzahl verdient. Jetzt kommt das große Aber: nur auf den ersten Blick! Tatsächlich ist Deutschland selbst nicht ganz unschuldig daran, dass die drei Bundesländer jeweils für ihr Land ein Seilbahngesetz ausarbeiten mussten. Aufgrund einiger Unfälle mit Seilbahnen beschloss der Europäische Rat im Jahr 2000, dass alle Staaten eine Richtlinie über Seilbahnen auszuarbeiten haben - also auch Deutschland. In Deutschland ist die Gesetzgebung in vielen Fällen aber Sache der Bundesländer selbst. So eben auch bei den Seilbahnen. Und da jeder Staat, der der EU angehört, die EU-Richtlinien umsetzen muss, waren alle Bundesländer gehalten, ein Seilbahngesetz zu verschriftlichen. Auch die Bundesländer, die keine haben. Die Länder haben den Aufwand aber gering gehalten, sie haben nämlich einfach das bayerische Gesetz übernommen.

Also ist das Seilbahngesetz eigentlich eine gute Sache, die der Sicherheit dienen soll. Und für die betroffenen Bundesländer, die keine haben, war es wirklich keine massive bürokratische Hürde, mal eben das Gesetz der Kollegen aus Bayern zu übernehmen. Plötzlich wirkt das alles gar nicht mal so unsinnig, oder?

2. Der richtige Sitz für den Traktor

1977 hat die EU sich etwas Feines einfallen lassen: die »Richtlinie des Rates zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über Umsturzvorrichtungen für land- und forstwirtschaftliche Zugmaschinen auf Rädern«. Klingt spannend ... Für uns interessant: Darin befindet sich eine Norm, die man sinngemäß auch einfach so hätte beschreiben können: »Wir sagen euch, wo und wie ihr den Sitz eures Traktors anzubringen habt.« Stimmt das?

Ja, auch das stimmt. Den Wortlaut der Vorschrift ersparen wir uns hier, da er nur schwer verständlich ist. Ob die Traktorenhersteller selbst überhaupt verstanden haben, was da von ihnen verlangt wurde? Hoffen wir es mal.

Aber auch hier gilt: Zu früh gefreut, liebe EU-Kritiker. Denn jemand anderes trägt zumindest eine Teilschuld an diesem Kauderwelsch. Und zwar, wer auch sonst, Bayern! Ein pfiffiger Gründer aus unserem größten Bundesland erfand einen Überrollbügel für Traktoren, der aber nur funktioniert, wenn die Sitze an einer bestimmten Stelle angebracht sind. Also musste die EU eingreifen und eine Regelung treffen. Dieses schöne Gesetz geht also nicht nur auf die Kappe der EU, unser Freistaat Bayern hat ebenfalls seine Finger im Spiel.

3. Dirndl-Dekolleté-Verbot im Biergarten

Und schon wieder Bayern - diesmal in freizügig - oder auch nicht. Rettet die bayerische Kultur und Lebensfreude, nieder mit dem EU-Gesetz! Ob jemand genau diesen Wortlaut benutzt hat, ist ungewiss. Tatsächlich waren unsere bayerischen Freunde aber sehr empört über einen ganz bestimmten Einfall der EU: Eine Richtlinie der Union hat den Schutz vor UV- oder Laserstrahlung zum Inhalt. Zweifelsohne eine gute Sache, schließlich ist die Gefahr für Augen und Haut durch UV-Strahlen nichts, was es zu unterschätzen gilt.

Diese Richtlinie gibt es zwar, sie wurde aber etwas fehlinterpretiert. Wer die letzten Sommer im Biergarten war, dem wird vielleicht aufgefallen sein, dass die Dekolletés nicht verpflichtend zu bedecken sind. Also, was hat es mit der Richtlinie auf sich? Ganz einfach: Für Arbeitnehmer wird während der Arbeit keine Kleidung zur Bedeckung von Augen und Haut vorgeschrieben. Der Arbeitgeber ist aber verpflichtet, auf das Risiko hinzuweisen, wenn keine Bedeckung getragen wird. Wer mag, kann das Dekolleté bedecken. Wenn nicht, dann nicht. Demzufolge war auch hier die Aufregung über die EU-Richtlinie etwas überzogen.

4. Die Einheitsgröße für Kondome

Wahrscheinlich eine der bekanntesten EU-Normen: eine Einheitsgröße für Kondome. Wie bitte?

Sind in Europa etwa alle Zipfel gleich groß? Nein, sagen Statistiken. Die Durchschnittsgrößen variieren teilweise sogar um ein paar Zentimeter. Das wäre also, als würde die EU sagen, dass alle T-Shirts, die für Männer produziert werden, die gleiche Größe haben müssen. Nur mit dem feinen Unterschied, dass ein zu großes oder kleines T-Shirt deutlich weniger Folgen haben würde als ein Verhüterli, das nicht sitzt. Die Kondomkäufer werden es vielleicht wissen: Man kann nach wie vor unterschiedliche Größen kaufen.

Was hat es dann also mit der Einheitsgröße auf sich? 1993 erließ die EU eine Anordnung über medizinische Vorrichtungen, wozu auch Kondome zählen. Im Zuge dieser Anordnung musste das Europäische Komitee für Normen die Kondome spezifizieren. Daraus entsprang dann eine Mindestgröße: 16 Zentimeter - und keinen Millimeter kürzer! Außerdem darf die Weite nicht mehr als zwei Millimeter vom angegebenen Wert abweichen. Zu guter Letzt: Das Kondom muss fünf Liter Fassungsvermögen haben. Wir sparen uns an dieser Stelle mal einen Witz ...

Das war’s auch schon. Alles Weitere dürfen die Hersteller selbst entscheiden. Auf den zweiten Blick ist die Regelung zwar nicht ganz so witzig, wie sie anfangs wirkte. Aber: Dass überhaupt solch eine Regelung zu den Parisern getroffen wurde, ist auf einen Wunsch der Franzosen zurückzuführen. Und dieses erfüllte Klischee ist irgendwie schon witzig. ;)

5. Die ideale Gurkenkrümmung

Ein letztes EU-Gesetz haben wir noch im Repertoire - den Klassiker. Hand aufs Herz: Wer hat sich mal Gedanken darüber gemacht, wie krumm (oder eben nicht krumm) manche Gurken sind? Tja, wer sich an geraden Gurken besonders erfreut, der darf sich bei der EU bedanken. 1988 wurde nämlich die im Volksmund sogenannte Gurkenkrümmungsverordnung erlassen, die festlegt, dass Gurken auf zehn Zentimeter Länge nur noch zehn Millimeter gekrümmt sein dürfen. Ansonsten können sie nämlich nur als »Handelsklasse II« und nicht als »Handelsklasse I« klassifiziert werden.

Diese Richtlinie wurde aber nicht einfach so erlassen, weil einer der Verantwortlichen unter der Dusche einen Geistesblitz hatte. Sie geht auf den Wunsch der Händler zurück. Gerade Gurken seien nämlich deutlich leichter zu verpacken als krumme. Durch ein vereinheitlichtes Bild dessen, was ein Landwirt zu liefern hat, gab es tatsächlich weniger Probleme. Also doch zumindest halbwegs sinnvoll, wenn man mal die Lebensmittelverschwendung an krummen Gurken beiseitelässt.

Trotzdem wurde die Verordnung 2009 außer Kraft gesetzt, obwohl sich eine Mehrheit der EU-Mitgliedstaaten sowie Handels- und Bauernverbände für die Vorschrift ausgesprochen hatten.

Einige Bauernorganisationen protestierten sogar gegen die Abschaffung. Also war die Norm, die für Außenstehende eher wie ein Späßchen klingen mag, in Wahrheit bei einem Großteil der Beteiligten sehr beliebt. Nichtsdestotrotz halten sich viele der Landwirte auch heute noch daran - eine Art ungeschriebenes Gesetz also.

Funfact: Gurken sind nicht das einzige Lebensmittel, das normiert ist oder war. Bananen zum Beispiel (keine Sorge, hier gibt es keine Regel über die Krümmung) müssen mindestens 14 Zentimeter lang und 27 Millimeter dick sein. So sollen die Qualität und der reibungslose Transport der Früchte gewährleistet werden. Für Kritik sorgt die Regelung bei den Bananen trotzdem, weil sie den freien Handel mit ausländischen Anbietern erschwert. Man kann es aber auch nie allen recht machen!

Ein Fazit: Zwar klingen Regelungen wie »Gurkenkrümmungsverordnung« und »Einheitsgröße für Kondome« sehr amüsant, im Endeffekt sind sie aber lange nicht so unsinnig, wie sie vermuten lassen. Alles andere wäre auch erschreckend, schließlich machen sich unsere Freunde aus Brüssel hier und da tatsächlich Gedanken, bevor sie Verordnungen auf die Union loslassen. In diesem Sinne: Weitermachen! Und auf hoffentlich weitere 20 000 Regelungen, von denen die eine oder andere bestimmt wieder für einen Lacher gut sein wird.

§ SONNENMILCH, SCHEUERMILCH, SOJA... DRINK!

Bist du vegaaan für Rosalinde oder brutal gegen sie? Dann greif statt zur Kuhmilch lieber zur Sojamilch ... ähhh, zum Sojadrink, meine ich! Denn Milch darf man das Ganze nicht nennen. Der Europäische Gesetzgeber und der Gerichtshof meinen nämlich, das würde die Menschen zu sehr verwirren. Da denkt wohl jemand, dass Verbraucher Idioten sind, die nicht lesen können.

Vor ein paar Jahren zog meine Kanzlei WBS.LEGAL, mit meinem Partner, Herrn Beuger, an der Spitze, in den Kampf vor den Europäischen Gerichtshof. Dort kloppten wir uns rund um das Thema der Bezeichnung von veganen Alternativen.

Okay, ich gebe zu, ganz so brutal war es vielleicht nicht. Aber hitzig war die Angelegenheit allemal. Unser Mandant TofuTown stellte Produkte wie »Tofu-Butter« und »Rice-Spray-Cream« her. Ihr könnt es euch schon denken: Milch von Kühen war da keine drin. Und das war dem Verband sozialer Wettbewerb ein Dorn im Auge. Prompt hatte unser Mandant eine Klage am Hals. Denn auch wenn Soja-, Reis- und Hafermilch in aller Munde sind, sind Begriffe wie Milch, Butter, Käse oder Joghurt nur den aus »Eutersekretion« (igitt, wie eklig klingt das bitte?!) gewonnenen Produkten vorbehalten. Das ist in Art. 78 Nr. 1 der Verordnung Nr. 1308/2013 der EU fest geregelt. Der EuGH hat deshalb entschieden, dass »Tofu-Butter« und »Rice-Spray-Cream« als Bezeichnung verboten sind. Es wäre nicht einmal dann erlaubt, wenn man sie als »vegan« kennzeichnet. Die Verwechslungsgefahr wäre für Verbraucher einfach zu groß. Für wie dumm halten die uns eigentlich?

Komischerweise sind Wörter wie Kokosmilch, Sonnenmilch und, ja, sogar Scheuermilch aber kein Problem. Und das, obwohl nichts davon Milch aus Eutersekretion enthält. Sie stehen nämlich aus historischen Gründen auf der Ausnahmeliste im Beschluss 2010/791/EU der EU-Kommission und dürfen ihren Namen deshalb behalten. Bescheuert, oder? Es wäre doch viel schlimmer, wenn jemand die Scheuermilch mit der Kuhmilch verwechselt, als wenn jemand versehentlich Sojamilch kauft. Scheuermilch wäre im Zweifel tödlich!

Veggie-Schnitzel und Co. sind übrigens auch kein Problem. Der Verbotsplan ist hierbei gescheitert: Die große Mehrzahl der Abgeordneten des EU-Parlaments war gegen ein tatsächlich geplantes Verbot. An alle Vegetarier und Veganer: Ihr dürft also immer noch beruhigt in euren Veggie-Burger beißen. Hier bestehe keine Verwechslungsgefahr für die Konsumenten. Hm, bei Milch aber schon, ja?

Die vegane Industrie war in der Folge des EuGH-Urteils natürlich verunsichert. Wie darf man die Produkte denn jetzt überhaupt noch benennen? Durch die Bezeichnung möchte man den Verbrauchern ja eigentlich klarmachen, welche tierischen Produkte man ersetzen und wie man mit dem veganen Produkt in der Küche leckere Gerichte zaubern kann. Wie soll man eine pflanzliche Milch nennen, die aussieht wie Milch, schmeckt wie Milch und ins Müsli kommt wie Milch? Manche Firmen werden hier richtig kreativ: Jetzt gibt es Nilk oder Not M*LK statt Milk, Sojagurt statt Sojajoghurt und noch vieles mehr. Aktuell reicht es aber auch aus, einfach »Alternative« hinter den Ursprungsbegriff zu schreiben. Also zum Beispiel: »Milch-Alternative« oder »Käse-Alternative«. Bei unserem Mandanten Happy-Cheeze, der veganen Käse herstellt, haben die Gerichte das zumindest erlaubt.

Wenn es allerdings nach den Agrarverbänden ginge, wäre sogar das verboten worden - und noch schlimmer: Sie hatten gefordert, die Bewerbung pflanzlicher Milchalternativen derartig einzuschränken, dass nicht einmal Bezüge zu Milchprodukten hergestellt werden dürften. Dann hätte womöglich die werbliche Abbildung einer Tasse Kaffee mit Schaum als verbotene Anspielung auf Milchkaffee interpretiert werden können. Der Hersteller Oatly hat dazu einen »Idiotentest« unter dem Titel »Are You Stupid?« ins Netz gestellt, um die Absurdität des Ganzen zu verdeutlichen. Anhand von Fragen wie »Was ist die Banane, was der Apfel?« wollte man zeigen, dass Verbraucher keineswegs so dumm sind, Hafermilch nicht von Kuhmilch unterscheiden zu können. Nachdem das EU-Parlament 2020 tatsächlich geplant hatte, das mit diesem Test kritisierte absurde Gesetz umzusetzen, entschied es am Ende nach immensen Protesten gegen »Änderungsantrag 171«, diesen im Mai 2021 zurückzuziehen.

Aber all diese noch strengeren Verbotsanträge zeigen, mit welch harten Bandagen hier gegen den Markt veganer Lebensmittel gekämpft wird. Denn mal ganz ehrlich: Findet ihr, ihr müsstet vor der gefährlichen Verwechslungsgefahr einer HaferMILCH geschützt werden? Nee, oder? Und da fragt man sich natürlich: Warum gibt es ein so absurdes Gesetz in Zeiten der Klimakrise überhaupt noch? Und wie kann man ernsthaft darüber nachdenken, es auch noch zu verschärfen? Ich meine, es wäre ähnlich sinnvoll, Herstellern von Elektroautos zu verbieten, ihre Vehikel als »Autos« zu bezeichnen, weil sie ja keinen Verbrennungsmotor haben. Wir wollen hier ja niemandem etwas unterstellen, *hust* ... aber für uns stinkt es gewaltig nach etwas zu offenen Ohren gewisser EU-Politiker für eine gewisse Lobbygruppe. Aber nein, schon klar, alles aus Gründen des Verbraucherschutzes natürlich. Prost, darauf ein leckeres Glas Scheuermilch!

Europäischer Gerichtshof - Urteil vom 14.06.2017, Aktenzeichen C-422/16

Landgericht Stade - Urteil vom 28.03.2019, Aktenzeichen 8 O 64/18

Oberlandesgericht Celle - Urteil vom 06.08.2019, Aktenzeichen 13 U 35/19

§ LEMONAID HAT ZU WENIG ZUCKER - DER ABSOLUTE WARNSINN!

Die Limonade Lemonaid hat ein großes »Problem«: Sie enthält zu WENIG Zucker und sollte deshalb zunächst verboten werden. Bitte was?

Limonade neu zu erfinden, das war das Ziel der Gründer der Lemonaid Beverages GmbH. Dafür hängten sie 2008 ihre alten Jobs an den Nagel und entwickelten eine Limonade, wie sie sein sollte. Im Hamburger Karoviertel pressten sie Limetten aus, stampften Rohrzucker und rührten Mineralwasser hinzu. Das Ergebnis: eine Limo aus frischem Saft und fairen, biologischen Zutaten, die von zertifizierten Kleinbauern stammten, und das alles auch noch für einen guten Zweck. Außerdem mit möglichst wenig Zucker.

Begeistert von ihrem Produkt wurde dieses bereits ein halbes Jahr später in einem professionellen Betrieb abgefüllt, um so Flasche für Flasche die Welt ein Stückchen besser zu machen. Die beiden Gründer bauten sich mit Lemonaid eine Marke auf, die sich schon bald einer beträchtlichen Bekanntheit erfreute. So weit, so lecker. Bis 2018 ging alles gut, doch dann flatterte ein Brief herein, der alles ändern sollte.

Denn nicht alle waren von der Limo begeistert. Darunter das Bezirksamt Hamburg, welches in dem Brief anprangerte, dass die Limo zu wenig Zucker enthalte. Ja, ihr habt richtig gelesen: zu WENIG Zucker! Der muss in einer Limo nämlich mindestens 7 Prozent betragen, damit sie als Limonade bezeichnet werden darf. So hat die Lebensmittelbuch-Kommission es in den Leitsätzen für Erfrischungsgetränke festgeschrieben. Diese Leitsätze haben zwar nicht die Kraft eines Gesetzes, aber Behörden und andere Player auf dem Limonadenmarkt halten sich daran. Ziel dieser Leitsätze ist es, Produkte nicht zu stark von dem abweichen zu lassen, was ein Verbraucher von ihnen erwartet. Und bei Limonade erwartet man nun mal, na klar: jede Menge Zucker. Kein Wunder, dass die Bevölkerung immer übergewichtiger wird.

Lemonaid war mit knapp 6 Prozent Zuckergehalt nicht süß genug, sozusagen zu gesund, um Limonade zu sein. Das Bezirksamt ließ den beiden Gründern nun zwei Optionen: Entweder sie fügten dem Getränk mehr Zucker hinzu, oder sie sollten die Limo in »Erfrischungsgetränk« umbenennen und den Markennamen ändern.

Aber »Erfrischungsgetränk-aid« hört sich ja wohl nicht halb so gut an wie Lemonaid, und mehr Zucker hinzuzufügen kam für die Gründer nicht infrage. Beide Möglichkeiten wären für Lemonaid eine Katastrophe gewesen. Die beiden Gründer hielten die Forderungen des Amts zunächst für einen schlechten Scherz. Das Ernährungsministerium hatte doch zuletzt noch eine nationale Strategie zur Reduktion von Zucker in Fertigprodukten entwickelt und darin unter anderem gefordert, dass Getränke weniger Zucker enthalten sollten! Ziemlich gegensätzlich zu den Vorwürfen gegenüber Lemonaid. Einen solchen Widerspruch konnte man sich nur mit chronischer Überzuckerung der damaligen allseits unbeliebten Ernährungsministerin Julia Klöckner erklären.

Selbstverständlich wehrten sich die beiden Gründer: Das wollten sie so nicht auf sich sitzen lassen! Und es gelang ihnen, mit ihrer »Süßtemkritik«, wie sie sie selbst nannten, etwas zu bewirken. Nach langen Protesten, auch von den Konsumenten selbst, drückte das Bezirksamt noch einmal ein Auge zu. Lemonaid darf weiter Lemonaid heißen, und am wichtigsten: Der Limonade muss nicht noch mehr Zucker hinzugefügt werden.

Doch zu früh gefreut! Der Kampf sollte weitergehen, denn Anfang September 2020 flatterte bereits der nächste Beschwerdebrief ein. Diesmal war es das Amt für Verbraucherschutz der Stadt Bonn, das sich wegen des ungeheuerlich niedrigen Zuckergehaltes in der Maracuja-Limonade beklagte.

Die beiden Gründer standen erst einmal unter (Zucker-)Schock. Das kann doch nicht wahr sein! Statt süß wurden sie nun richtig sauer, und so protestierten sie kurzerhand mit einer Julia-Klöckner-Statue aus purem Zucker vor dem Ernährungsministerium. Ein Denkmal, ganz im Sinne von »Denk mal!«. Denn mit dem Protest wollten sie der Ministerin einen Denkanstoß geben, die 7-Prozent-Regel endlich zu ändern. Unterstützung fanden die Lemonaid-Gründer diesmal auch in der ranghohen Hamburger Politik. Die Hamburger Senatorin für Justiz und Verbraucherschutz, Anna Gallina, schickte je ein Schreiben an Julia Klöckner und die deutsche Lebensmittelbuch-Kommission, in dem sie eine Änderung der Zucker-Untergrenze verlangte.

Die Aktion hinterließ anscheinend einen gewissen Eindruck. Anfang Februar beschloss die Lebensmittelbuch-Kommission bei einer Tagung, die Leitsätze umfassend zu überarbeiten. Der irrsinnige Mindestzuckergehalt von Limonade solle gestrichen werden und die 7 Prozent stattdessen nur noch als »üblicher Zuckergehalt« bezeichnet werden. Eine endgültige Regelung gibt es jedoch bis heute nicht.

Stattdessen stand zwischenzeitlich folgender absolut »großartiger« Plan im Raum: Im März 2021 hieß es, die Leitsätze sollten folgendermaßen geändert werden: Auf Limonaden mit weniger als 7 Prozent Zucker sollte einfach vor dem geringen Zuckeranteil gewarnt werden. Langsam reichte es den beiden Gründern. Denn wenn diese Regelung in Kraft getreten wäre, hätte das Folgendes bedeutet: Weil die Lemonaid-Flaschen einen unveränderlichen Keramikdruck direkt auf dem Glas haben, kann man die Aufschrift nicht einfach verändern. Es hätte also die Wahl gegeben: entweder die bisherigen Mehrwegflaschen vernichten und stattdessen viele Millionen neue Flaschen teuer produzieren - ein »ökologischer Wahnsinn«, wie die Gründer selbst schreiben. Oder mit Stickern vor dem unverschämt niedrigen Zuckergehalt warnen. Nun gut, dachten sie sich in vorauseilendem Gehorsam - machen wir doch einfach bei dem »Warnsinn« mit! Und so klebten sie auf die Getränkeflaschen Aufkleber mit dem Hinweis »Achtung, wenig Zucker«. Die Sticker erinnerten dabei an die Warnungen, wie man sie auch auf Zigarettenpackungen findet. Zigaretten und zuckerreduzierte Limo, natürlich beides gefährliche Produkte und absolut zu vergleichen! Sonst kauft nachher noch jemand eine Limonade, die zu gesund ist.

Inzwischen sehen die Flaschen wieder ganz normal aus - doch Sicherheit gibt es für die gesunde Limonade nicht, denn es gibt noch keine finale (und sinnvolle) Regelung der Leitsätze. Die endgültige Entscheidung darüber wurde wegen der Corona-Pandemie immer wieder vertagt, das ganze Verfahren ruht gerade bis zur Entscheidung eines unabhängigen Gremiums. Bislang ist Lemonaid also offiziell zu wenig süß und damit »illegal« - auch wenn die Situation gerade offiziell geduldet wird. Hoffen wir mal, dass der ganze »Warnsinn« irgendwann ein Ende hat. Bis dahin: Prost!

§ SUBWAY-SANDWICH IST KEIN BROT, SONDERN KUCHEN

Lust auf ein Sandwich von Subway? In Irland wäre diese Frage, zumindest juristisch gesehen, falsch gestellt. Sie müsste nämlich lauten: Lust auf Süßigkeiten bei Subway? Jedenfalls laut Urteil des irischen Supreme Courts. Hier stellt sich das Zuckerproblem nämlich gerade umgekehrt als bei Lemonaid.

Die meisten kennen Subway auch hier in Deutschland. Die (aktuell noch) größte Fast-Food-Kette der Welt hat Filialen in über 100 Ländern - und viele Fans auf dem gesamten Globus. In diesen Filialen werden Sandwiches verkauft, die sich die Kunden selbst zusammenstellen können.

Aber Achtung, Schocker: Laut dem Irischen Supreme Court handelt es sich bei den Broten von Subway nicht um Brote. Das Problem für Subway in Irland ist, dass die Brote zu viel Zucker enthalten. Der Zuckeranteil ist sogar fünfmal höher, als es für ein Brot in Irland zulässig ist. Warum das überhaupt relevant ist und sogar gerichtlich festgestellt werden musste? Ganz einfach. Hier ging es nicht etwa darum, ob Subway seine Sandwiches als Sandwiches bewerben darf, oder Ähnliches. Hier ging es um Steuern. Denn in Irland sind Grundnahrungsmittel von der Mehrwertsteuer ausgenommen - also unter anderem Brot.

Der Zuckeranteil darf maximal 2 Prozent des Mehlgewichts ausmachen, bei Subway sind es aber 10. Also hatte die Klage keinen Erfolg. Subway war nämlich der Ansicht, dass die Sandwiches von der Steuer ausgenommen werden sollten, und strebte daher eine Rückzahlung an. Einen Versuch war’s wert!

Dem Kunden wird es letztlich egal sein, ob er bei Subway gerade offiziell gesehen ein Sandwich, einen Kuchen oder was auch immer isst, solange es schmeckt. Immerhin gibt es bei der Bestellung des »Sandwiches« bei den meisten sowieso noch den obligatorischen Schoko-Cookie mit dazu, da macht der Zuckeranteil des Brotes den Kohl auch nicht fett. Trotzdem ist diese Geschichte einen Schmunzler wert und der Beweis, dass es nicht nur in Deutschland beim Thema Steuern sehr bürokratisch und kleinlich zugeht.

§ IST QUARK MILCH ODER KÄSE?

Anschnallen bitte, auch wenn der Gurt von dem letzten »Subway-Kuchen« noch drückt! Denn heute klären wir eine der Fragen, die die Menschen in den vergangenen Jahren wirklich bewegt hat. Handelt es sich bei Quark um Milch oder doch um Käse? Bestimmt haben wir alle eine Meinung zu dieser brisanten Thematik. Tatsächlich stritten sich zwei Parteien vor Gericht ganz real über diese Frage. Ich persönlich wäre nur ungern dabei gewesen, wenn sich Anhänger vom Team Milch und Anhänger vom Team Käse auf der Straße begegnen. Schauen wir mal, ob das Oberlandesgericht Celle Teil der »Käser« oder der »Mileher« ist ... und warum zum Teufel denn das überhaupt relevant ist.

Um das Ende zu verstehen, muss natürlich erst der Anfang beleuchtet werden. Ein Spediteur transportierte mit einem LKW 20 Tonnen Magerquark. Nachdem er angehalten und kontrolliert worden war, sollte der Fahrer ein Bußgeld in Höhe von knackigen 2000 Euro zahlen. Warum? Weil er an einem Sonntag gefahren ist und somit das Fahrverbot missachtet hat. Doof gelaufen.

Jetzt schrecken alle Fans vom Team Milch auf, denn für Milchprodukte gilt eine Ausnahmeregelung. Diese dürfen nämlich auch sonntags transportiert werden. Der Fahrer der Ladung gehörte selbst klar zum Team Milch. Folglich war er der Ansicht, seine Ware unter einer Ausnahmeregelung transportiert zu haben, was nicht mit einem Bußgeld hätte bestraft werden dürfen. Also zog der Mann vor das Amtsgericht Stadthagen, das eher so Team Käse war. Von der Ausnahmeregelung sind laut Ansicht des Richters nur Produkte umfasst, die leicht verderblich sind und eine geringe Haltbarkeit aufweisen. Der Quark wäre noch über einen Monat haltbar gewesen, leicht verderblich war er also nicht.

Doch wie ein Fan für sein favorisiertes Fußballteam kämpfte der Spediteur dafür, dass Quark Milch sein muss - wahrscheinlich auch, weil er auf Zahlung des Bußgeldes getrost verzichten konnte. Bis vor das Oberlandesgericht Celle zog der tapfere LKW-Fahrer. Da griffen die Richter zu einem Kniff: Sie warfen einen Blick in die Milcherzeugnisverordnung. Unter uns: Wer ist wirklich verwundert, dass es so etwas in Deutschland gibt? § 1 der Verordnung schreibt nämlich genau vor, was ein Milchprodukt ist - sogar mit Auflistung. Quark? Fehlanzeige! Möchte man Quark finden, muss ein Blick in die Käseverordnung geworfen werden. Also ist es sogar gesetzlich festgelegt, dass Quark keine Milch, sondern Käse ist.

Dass der Fahrer einem Irrtum unterlag, half ihm in diesem Fall nicht. Schließlich hätte er einfach einen Blick in die Verordnungen werfen können, um sich darüber zu informieren, was Quark eigentlich ist. Das Bußgeld blieb also bestehen und damit ist ein für alle Mal geklärt, dass es sich bei Quark um Käse und nicht um Milch handelt!

Wer demnächst wieder beim Pub-Quiz glänzen will, sollte sich das merken.

Oberlandesgericht Celle, Urteil vom 26.06.2017, Az. 1 Ss (OWi) 15/17

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DIE POLIZEI, DEIN FREUND UND HELFER?

Tatütata! Moment, das war die Feuerwehr. Wiuwiu! An manchen Orten sind sie gefürchtet, an anderen ersehnt. Oft sind sie hoch angesehen, nicht selten werden sie kritisiert. Von den einen erfahren sie Hass, von den anderen Liebe und Dankbarkeit. Mal erledigen sie langweilige Schreibtischarbeit, mal stürzen sie sich ins unerwartete Abenteuer.

Es geht natürlich um die blauen Ordnungshüter: die Polizei. Was bringen einem Staat, Regeln und Gesetze, wenn sie nicht durchgesetzt werden? Genau dafür ist die Exekutive da. Wenn ihr in den Medien oder in diesem Buch von einem kuriosen Fall lest, dann waren die Frauen und Männer in Uniform die Ersten am Tatort. Das hat den Nachteil, dass sie sich ständig in Gefahr begeben, beleidigt und sogar angegriffen werden. Das hat aber auch einen riesigen Vorteil: Sie tun Gutes - häufig jedenfalls ... Denn auch unter Polizeibeamten findet sich so manches schwarze Schaf das in diesem Buch zumindest für Lacher sorgen darf.

Doch auch die Beamten haben oft gute Gründe, sich an den Kopf zu fassen oder einfach mal laut loszulachen. Das beweisen die folgenden kuriosen Polizeifälle. Mal sind sie skurril, mal lustig und fast immer unglaublich. Hier geht es um Pimmel, massiven Darmwind und oscarreife Ausreden. Außerdem: Kann ich mit einem echten Polizeiauto auf den Straßen mein Unwesen treiben? Ist »Du Mädchen!« eine Beleidigung? Kann ich die Ordnungshüter mit einem netten Gedicht davon überzeugen, mein »Flensburger Punktekonto« unbefleckt zu lassen? Und welche Strafe blüht mir, wenn ich einen Polizisten anfurze? Das ist der Alltag der Polizei.

§ SAG MAL »CHEESE« - GESCHICHTEN VOM BESTEN FREUND DES DEUTSCHEN: DEM AUTO

Geblendet vom Blitzlicht wird man nicht nur auf dem roten Teppich. Über vier Millionen Verstöße im Straßenverkehr gab es allein im Jahr 2021. Dabei hat das Punktesammeln in Flensburg eines mit Payback gemeinsam: Wenn man genug Punkte hat, gibt es ein Fahrrad. Doch auch wenn man mittlerweile mit den Payback-Punkten bestimmt sogar ein E-Bike einlösen kann, wollen die meisten ihre vier Räder nicht aufgeben. So müssen sich Polizisten und Richter mit - zugegebenermaßen - immer kreativeren Ausreden auseinandersetzen: Ein Handy als »wärmender Akku« gegen Ohrenschmerzen, der Gurt konnte nicht angelegt werden, weil er zu sehr auf die Nippelpiercings drückte, oder die Ausrede: »Ich habe nicht telefoniert, sondern mir mit einem Akkurasierer den Bart gestutzt und dazu Radiomusik mitgesungen.« Mal sind sie lustig, mal glaubhaft und oft sehr dumm, denn ich weiß nicht, ob es besser ist, sich auf der Autobahn den Bart zu rasieren, als zu telefonieren.

Aber wenn es einen Preis für die kuriosesten Ausreden gäbe, dann stünde eine Gruppe Verkehrssünder ganz oben: die Raser. »Das Radargerät hat nicht mein Auto gemessen, sondern den Jet über mir« oder »zu starker Rückenwind« sind Ausflüchte, die von einem Richter keine Sekunde gewürdigt werden. Auch wenn die Geschwindigkeitsüberschreitung nur passiert sei, weil man sonst den Berg nicht hochgekommen wäre, ist eine Flunkerei doch sehr wahrscheinlich.

Aber was ist, wenn ich tatsächlich einen berechtigten Grund hatte, den Bleifuß auszupacken? Mit einem solchen Flitzer musste sich das Oberlandesgericht Hamm befassen. Der Verkehrssünder hatte fast 30 km/h zu viel auf dem Tacho. Das aber nicht ohne guten Grund. So soll er nach einer Prostataoperation an starkem, schmerzhaftem Harndrang gelitten haben. Na, na, nicht so schnell, meinten die Richter. Es sei nur in Ausnahmefällen gerechtfertigt, zu rasen, um das stille Örtchen noch zu erreichen. Wenn der Mann sogar wusste, dass die Probleme auftreten, hätte er sich um Vorkehrungen kümmern müssen. Ob das Gericht jetzt eine Windel, eine leere Flasche unter dem Beifahrersitz oder eine Bettpfanne fürs Auto empfiehlt, ist nicht erwähnt worden. Jedenfalls reichte dem Gericht die Ausrede - selbst wenn sie wahr gewesen wäre - nicht, um das Bußgeld und Fahrverbot aufzuheben.

Aus klein mach groß, dachte sich ein anderer Autofahrer, der mehr als 60 km/h zu schnell war, aber diesmal unter »starkem Stuhldrang« litt. Aber auch das Amtsgericht Lüdingshausen erkannte die Notstandslage nicht an und brummte dem Mann eine saftige Geldstrafe samt Fahrverbot auf. Genügend Zeit auf dem Thron wird er bestimmt haben, um die Urteilsgründe komplett durchzulesen.

Das Oberlandesgericht Zweibrücken reagierte weitaus einfühlsamer. Bestimmt standen die Richter auch schon mal in einem Stau, bei dem die nächste Raststätte noch Kilometer entfernt war. Der Vorsitzende sagte, man müsse zwischen dem Schamgefühl des Fahrers und der Sicherheit im Straßenverkehr abwiegen. Wenn es keine andere Möglichkeit gibt, dürfe man mal etwas schneller zum nächsten Parkplatz fahren, um dort seine Notdurft zu verrichten.

Ausreden, selbst wenn sie der Wahrheit entsprechen, lohnen sich also nicht immer. Besser ist manchmal eine aufrichtige Entschuldigung. Wenn man dann auf eine Behörde stößt, die nicht zum Lachen in den Keller geht, kann sich das durchaus strafmildernd auswirken. So hat ein Mann bestimmt schon seine Gedichtanalysen aus der 7. Klasse gewälzt, während er, nach einem unfreiwilligen Foto auf der Autobahn, auf den Bußgeldbescheid wartete:

»Ich fuhr zu schnell, welch ein Schlamassel!

Mein Führerschein muss jetzt nach Kassel.

Für einen Monat, welche Pein,

werd’ ich jetzt ohne ihn hier sein.

Die Folge, das kann jeder sehen,

muss ich auf Schusters Rappen gehen (...)«

Das schrieb er nach Hessen - und erhielt prompt Antwort:

»Es tut mir leid und fällt mir schwer,

doch Klagen helfen hier nichts mehr.

Ein Bußgeld hab’ ich nun erteilt,

weil Sie sich haben so beeilt.«

Das Land der Dichter und Denker dichtet und denkt sich also allerhand Ausreden zusammen. Vor allem, wenn man dicht ist, muss man jedoch daran denken, das Auto einfach mal stehen zu lassen. Und denkt dran: Die Gerichte haben schon alle Ausreden gehört.

Amtsgericht Lüdinghausen, Urteil vom 17.02.2014,Az. 9 OWi 89 Js 155/14-21/14

Oberlandesgericht Zweibrücken, Beschluss vom 19.12.1996,Az. 1 Ss 291/96

Oberlandesgericht Hamm, Beschluss vom 10.10.2017,Az. 4 RBs 326/17

§ MIT STINKEFINGER UND DÖNER AM BLITZER VORBEIRASEN - EINE GUTE IDEE?

Blitzerfotos sind gemeinhin selten eine lustige Sache für die Geblitzten - wohl aber manchmal für diejenigen, die sich die Fotos anschauen. Oftmals sehen sie gerade dann besonders lustig aus, wenn man nicht damit gerechnet hat, dass gleich ein rotes Licht erscheint. Lustige Bilder können aber auch dann entstehen, wenn man sich absichtlich blitzen lässt und auf den Moment vorbereitet ist. Aber wer macht das schon?

Es gibt da tatsächlich jemanden. Ein 23-jähriger Mann aus Nordrhein-Westfalen tat nämlich genau das, und das fast täglich. Bei den Fotos ließ er sich immer etwas Neues einfallen. Mal zog er Grimassen, mal zeigte er den Stinkefinger. Einmal hielt er triumphal einen Döner in die Kamera. Das Ganze war ja irgendwie ganz witzig, aber auch ziemlich gefährlich: Teilweise wurde der Raser mit fast 130 km/h in einer 70er-Zone erwischt. Ach ja, ganz vergessen zu erwähnen: Einen Führerschein hatte er natürlich nicht.

Also warum das Ganze? Auch Menschen ohne Fahrerlaubnis wissen, dass es teuer wird, wenn es blitzt. Der Mann dachte aber, er könnte sich das leisten, ohne auch nur einmal zu bezahlen - weil er den perfekten Weg gefunden hätte, um seinem Chef zu schaden. Er nahm nämlich - irrtümlich - an, dass sein Arbeitgeber für die Knöllchen aufkommen müsse und nicht er selbst. Und, noch viel wichtiger, er dachte, nicht identifiziert werden zu können. Den Wagen hatte eine Firma von einer Autovermietung als Dienstwagen geleast - und besagte Firma hatte zwischenzeitlich ihre Geschäftstätigkeit eingestellt. Da also kein Ansprechpartner mehr vorhanden war, meinte der junge Mann, weiterhin ungestört Ordnungswidrigkeiten begehen zu können.

Leider machte er die Rechnung jedoch ohne den Wirt. Logischerweise war er der Behörde schon längst aufgefallen, weshalb sie nach seinem Wagen Ausschau hielt. Und siehe da, eines Tages entdeckte eine Mitarbeiterin das Auto auf der Straße. Da hatte es sich für den Mann dann ganz schnell ausgeblitzt. Immerhin war der Unruhestifter kooperativ und gestand die Taten sowie seine Absicht, seinen Chef in die Pfanne zu hauen. Dann kam für den jungen Mann ein weiterer Plottwist: Für die Knöllchen muss nämlich der Fahrer des Wagens und nicht der Halter zahlen. Das war dann wohl ein Schuss in den Ofen ... Autsch!

§ MEIN KÖRPER BRAU(CH)T ALKOHOL

»Mein Körper braucht Alkohol« ist eine Ausrede, die traurigerweise von Polizisten oft gehört wird und sogar den Tatsachen entsprechen kann. Schließlich kann sich der Körper eines Alkoholkranken so sehr an die Droge gewöhnen, dass er ohne Alkohol schlechter funktioniert. In dem Fall sollte man das Auto erst recht stehen lassen, so die Empfehlung der Ordnungshüter.

»Mein Körper braut Alkohol« ist eine Ausrede, die Polizisten hingegen noch nicht so häufig gehört haben. Wie bitte? Der Körper als Bierbrauerei? Diese Ausrede ist doch wirklich der Gipfel der Dreistigkeit - oder?

Eine Frau in New York geriet in eine Polizeikontrolle, weil ihr Reifen einen Platten hatte und sie die letzten Meter noch auf drei Reifen nach Hause fahren wollte. Bei der routinemäßigen Alkoholkontrolle hatte sie dann einen vier Mal höheren Wert, als das dortige Recht erlaubte. Mehr als verdutzt behauptete die Frau, sie habe zwar Alkohol getrunken, aber nur in geringen Mengen, und das sei auch schon mehr als sechs Stunden her. Die Ausrede ließen die Polizisten nicht gelten, schließlich stand die Promillezahl klipp und klar auf dem Gerät. Damit kann sich das Gericht dann rumschlagen, dachten sie wahrscheinlich.

Die Frau fühlte sich ungerecht behandelt und stellte Nachforschungen an, und tatsächlich: Sie leidet an einer seltenen Krankheit, die eigentlich ein gefundenes Fressen für jeden Temposünder ist - dem »Eigenbrauer-Syndrom«. Wenn man sich komplett falsch ernährt oder Antibiotika einnimmt, kann in sehr seltenen Fällen die Darmflora so gestört werden, dass Hefepilze sich vermehren. Dann setzt eine alkoholische Gärung ein. Der Körper ist sozusagen seine eigene Brauerei. Und besoffen wird man dann nicht nur durch Bier, sondern auch durch Pizza, Pommes und Nudeln.

Nur knapp 20 bestätigte Fälle soll es bisher davon gegeben haben. Oftmals unentdeckt werden die von der Krankheit Betroffenen als Lügner und Alkoholkranke abgestempelt. So wurde auch ein Mann 2011 mit über 2 Promille ins Krankenhaus gebracht, obwohl er felsenfest versicherte, keinen Schluck getrunken zu haben. Bei ihm wurde Alkoholsucht in Verbindung mit psychischer Krankheit diagnostiziert. Nachdem die Antidepressiva keine Wirkung zeigten und versteckter Alkohol im Zimmer ausgeschlossen wurde, folgte auch bei ihm die Diagnose: Sein Körper braucht keinen Alkohol, um betrunken zu sein.

Mit dem medizinischen Befund erschien die New Yorkerin schließlich vor dem Richter - und dem blieb nichts anderes übrig, als die Anklage fallen zu lassen. Bis zur Heilung der Krankheit darf die Frau nun trotzdem kein Auto fahren, außer sie misst vorher ihre Promille. Aber selbst dann muss sie sich auf skeptische Polizisten einstellen, wenn sie sagt: »Mein Körper braut Alkohol.«

Bevor jetzt Nachahmer den Freifahrtschein für ihre Alkoholeskapaden sehen: Ohne amtsärztliches Attest kommt ihr nicht weit. Und die Ärzte lassen sich sicherlich keinen Bären aufbinden.

§ POLIZEI WILL 2331 EURO FÜR KENNZEICHEN

Ein Kennzeichen kann man schon ab 10 Euro käuflich erwerben - wenn man persönliche Wünsche wie DU:MM 0815 oder SE:XY 69 hat, kostet es schon ein bisschen mehr. Doch in diesem Fall sollte ein Mann über 2000 Euro für sein Nummernschild zahlen. Wie konnte das sein?

Was ergibt 333 multipliziert mit 7? Keine Sorge, wir machen hier keinen Matheunterricht.

Diese Rechnung ist für diesen Fall aber relevant. 7 Euro kostet es nämlich pro Tag, wenn das eigene Kennzeichen bei der Polizei verwahrt wird. Passiert das 333 Tage lang, kann es teuer werden. 2331 Euro verlangte die Polizei von einem Autofahrer dafür, dass sein Kennzeichen knapp elf Monate lang aufgehoben wurde.

Das Nummernschild hatten die Beamten Anfang 2021 einkassiert, weil der Fahrer die EU-Kennung abgeklebt hatte und keine Stempelplakette vorhanden war (das ist vor allem in der Tuning-Szene verbreitet). Das Originalkennzeichen führte er jedoch immer im Fahrzeug mit sich. Als er von den Polizisten aufgefordert wurde, dieses zu montieren, erklärte der Mann nur: »Das kann ich zwar tun, aber nach der Kontrolle kommt wieder das nicht Gestempelte dran.« Das Vorhaben ging den Beamten gehörig gegen den Strich, und zack, war das abgeklebte Kennzeichen sichergestellt.

Im Dezember 2021 flatterte dann der besagte Brief ins Haus des völlig überraschten Mannes. Die Begründung: Er sei schon vorher aufgefordert worden, einer Entsorgung des Nummernschildes zuzustimmen, und habe nicht reagiert. Jetzt wolle die Polizei Nägel mit Köpfen machen und das Schild endgültig loswerden.

Wahrscheinlich hatte der Empfänger der Forderung ein großes Fragezeichen über der Stirn, als er den Brief empfing. Er gab an, geglaubt zu haben, dass das Kennzeichen schon längst vernichtet worden sei. Außerdem gab er an, nie einen Brief mit einer Warnung erhalten zu haben.

Der Mann klagte gegen das Land Rheinland-Pfalz und bekam recht. Der Gebührenbescheid wurde aufgehoben, er sei nämlich schlicht unverhältnismäßig. Das Land müsse in Fällen wie diesem verhindern, dass geringwertige Sachen, an denen erkennbar niemand ein »ideelles Interesse« habe, derart lange aufbewahrt werden. Im Falle eines Kennzeichens wäre eine Verwahrung von maximal zwei Wochen völlig ausreichend gewesen - 333 Tage seien bei Weitem zu viel. Der Fall konnte also wieder zu den Akten gelegt werden.

Und was wurde aus dem fast teuersten Nummernschild der deutschen Geschichte? Nun, wahrscheinlich wurde es jetzt endgültig den ewigen Altmetallgründen zugeführt. Immerhin musste der Autobesitzer dafür nicht blechen.

Verwaltungsgericht Trier, Urteil vom 27.07.2022,Az. 8 K 10881/16. TR

§ ACHTUNG, POZILEI! ÜBER AUTOTUNING, KARNEVAL UND ABGESCHRECKTE EINBRECHER

Was wollt ihr später mal werden? Neben Pilotin, Feuerwehr, Tierarzt, Fußballer, Astronautin oder mittlerweile Influencerin steht seit Jahrzehnten ein Berufswunsch ganz oben: der Gesetzeshüter. Die Männer und Frauen, die inzwischen blaue statt grüne Uniform tragen, genießen in Deutschland ein hohes Ansehen. Der Traum von der Uniform kommt aber nicht für jeden infrage. Neben gesundheitlichen Anforderungen gibt es zahlreiche Ausschlussgründe, die eine Dienstlaufbahn verhindern können. Jedes Bundesland bestimmt die Voraussetzungen eigenständig. Dabei kann man schnell durch das Raster fallen. Zu klein, zu dick, zu dünn, Asthma, Allergien, schlechte Augen und sogar ungesunde Zähne - das alles können Gründe sein, die polizeiärztliche Untersuchung nicht zu bestehen. Und dann stehen noch zahlreiche Eignungstests an, gefolgt von einer zweijährigen Ausbildung. Das kann so manchen »Law-&-Order«-Fan so stark abschrecken, dass letztlich Golfballtaucherin oder Foodstylist (ja, diese Berufe gibt es wirklich) auf dem Lebenslauf stehen. Doch die »Midlife-Crisis« kommt bestimmt. Anders kann man sich die Begegnungen nicht erklären, wenn echte Polizisten auf Hochstapler treffen.

Die Polizei-Uniform:

Fasching steht vor der Tür und mal wieder keine Kostümidee? Kann ich mir die Uniform meines Polizeifreundes ausleihen und am 11.11. Polizist spielen?

Halt, Stopp! Vorsicht vor den echten Beamten. Die könnten euch dann nämlich in echt mit Handschellen in Berührung bringen - nur anders, als ihr euch das vorgestellt hattet. Zwar dürft ihr euch an Fasching als Polizist verkleiden, ihr dürft euch aber nicht als Polizist ausgeben. Es muss immer für einen Außenstehenden klipp und klar sein, dass ihr kein echter Polizist seid.

Dass dabei nicht unbedingt Karneval sein muss, lernte ein Mann aus Ostwestfalen. Er trug eine dunkelblaue Hose und eine Jacke mit silbernen Reflektorstreifen. Darauf stand groß die Aufschrift »Pozilei«. Nun, allein dies kann sogar noch in Ordnung gehen. Jedoch nahm er seine Rolle zu ernst und verwarnte die Fahrweise der Verkehrsteilnehmer auf seinen regelmäßigen Pedelec-Touren. Aufgrund seiner Handlungen war laut Gericht die Verwechslungsgefahr mit einem echten Fahrrad-Polizisten zu hoch, und er musste 1650 Euro wegen Missbrauchs von Titeln und Berufsbezeichnungen gem. § 132a StGB zahlen. Der Amtsanmaßung hat er sich nur deshalb nicht strafbar gemacht, weil er sich nicht ausdrücklich verbal als Polizeibeamter ausgab.

Das (Pozilei-)Auto-Tuning:

Nur weil ich kein echter Polizist bin, heißt es doch nicht, dass ich nicht in einem echten Polizeiauto fahren darf, oder doch? Zumindest meinen alten Fiat kann ich doch etwas »aufpeppen«. Verwunderlicherweise gibt es tatsächlich gebrauchte Behördenfahrzeuge zu ersteigern. Perfekt! Dann stehe ich morgens nie wieder im Stau, einfach das Martinshorn an und Abfahrt.

Moment, nicht so schnell! Erstens wissen wir alle, wie gut das mit der Rettungsgasse in Deutschland funktioniert, und zweitens gibt es da einige Gesetze, die etwas gegen eure Vorhaben einzuwenden haben. Nach § 19 Straßenverkehrs-Zulassungs-Ordnung erlischt mit dem Ausscheiden aus der Behörde auch die Betriebserlaubnis! Das heißt, ihr müsst das Fahrzeug neu zulassen. Dabei gibt es aber einige Hürden:

§ 52 der StVZO gestattet nur besonderen Einsatzfahrzeugen, wie eben von Polizei, Feuerwehr und Co., das blaue Blinklicht. Nur weil ihr in einem ehemaligen Polizeiauto sitzt, ist eure Fahrt zum Bäcker, um euch ein Schokohörnchen zu kaufen, noch lange kein Einsatz. Auch wenn der Magen schon grummelt!

Was weiterhin den Behördenfahrzeugen vorbehalten ist, sind reflektierende Folien. Das schreibt sogar das EU-Recht vor. Eine Ausnahme sieht die Regelung jedoch vor: 3,5-Tonner dürfen zu Sicherheitszwecken auch an bestimmten Stellen die rückstrahlende Folie anbringen. Da besteht immerhin auch keine Verwechslungsgefahr - ich habe zumindest noch keinen LKW der Polizei auf der Straße gesehen. Das wäre auch sehr untauglich - der verliert jedes Verfolgungsrennen gegen einen Smart!

Halten wir also fest: Blaulicht und reflektierende Folie, also alles Blinkende ist verboten. Sofern ihr die Stellen jedoch abklebt oder nicht funktionstaugliche Blaulichter montiert, kann dies im Einzelfall sogar erlaubt sein. Das kommt ganz auf die Behörde an, bei der ihr die Zulassung bestätigen müsst.

Übrigens: In einem echten Polizeiauto zu fahren, ist nicht verboten - ihr müsst aber erst einmal einen Polizisten finden, der euch das erlaubt. Na gut, aber von Weitem sieht man ein ausgeschaltetes Martinshorn sowieso nicht, und genügend Licht, um von der Folie zu reflektieren, gibt es auch nicht immer. Ist es möglich, wenigstens die blaue Lackierung und den »Polizei-Schriftzug« beizubehalten? Teils, teils. Gegen die blaue Polizeilackierung kann keiner etwas sagen. Schließlich gibt es keinen rechtlichen Schutz darauf, einen blauen Streifen am Auto zu tragen. Was jedoch nicht geht, ist der offizielle Polizei-Schriftzug.

Zwar verbietet kein spezielles Gesetz das Unterfangen, aber der Begriff »Polizei« als solches ist durch das Namensrecht geschützt. Er steht für die dahinterstehende Behörde. Das entschied das Oberlandesgericht Hamm, zwar in einem Verfahren zur Nutzung einer Internetdomain, das sollte aber auf den Autoschriftzug übertragbar sein.

Strafbar könnt ihr euch deswegen nicht machen, aber mit einer Unterlassungsklage ist zu rechnen. Ihr könnt also nur so lange Polizei spielen, bis euch die echte Polizei erwischt.

Was euch jedoch keiner verbieten kann, ist ein ähnlicher Schriftzug wie etwa »Pozilei«. Das nutzen natürlich einige Nachahmer in täuschend echten Polizeifarben sofort aus: Die grüne »Polente« auf einer Ente, der Brauereischriftzug eines Bierbrauers oder der »Malerei«-Aufdruck eines Malereibetriebs. Wie ihr seht, sind den Wortspielen keine Grenzen gesetzt. Es kann euch auch niemand davon abhalten, ein originales amerikanisches police car nach Deutschland zu schippern und auf den öffentlichen Straßen zu fahren. Nur über eines dürft ihr euch in eurem täuschend echten »Pozilei«-Auto nicht wundern: Bei einer Verkehrskontrolle seid ihr die Ersten, die von der echten Polizei aus dem Verkehr gezogen werden, um zu überprüfen, ob ihr alle Vorschriften eingehalten habt.

Der Einbrecherschreck:

Welch eine Abschreckungswirkung Polizeiautos haben, weiß jeder. Schnell wird kleinlich darauf geachtet, keinen Stundenkilometer in der 30er-Zone zu schnell zu fahren. Bei der Ampel wird ausnahmsweise wirklich bei Gelb gehalten und nicht bei »Kirschgrün« drübergefahren. Die Vorfahrt überlässt man gern dem Entgegenkommenden, und die Blinker funktionieren tatsächlich auch. Wahrscheinlich wäre es gar nicht so schlecht, wenn ein paar mehr Nachahmer auf den Straßen wären, sodass die Leute sich an das hielten, was man bei der Prüfung für den Lappen gelernt hat.

Diese Abschreckungswirkung nutzte ein Berliner Unternehmer für sich aus. Und er konnte sich nach einem Galileo-Beitrag kaum vor Anfragen retten. Normalerweise vermietete er Polizeiautos für Filmdrehs, bis er auf eine neue Geschäftsidee kam. Für 29 Euro pro Tag kann man die Polizeiwagen-Placebos nun mieten. Diese sollen Einbrecher abschrecken, wenn man zum Beispiel im Urlaub ist. Aber Moment mal, wir haben doch gerade gelernt, dass man mit echten Polizeiautos eben nicht am Verkehr teilnehmen darf. Fahrzeuge ohne Polizei-Aufschrift und Sirene haben doch kaum Abschreckungswirkung. Genau deswegen demontiert der Autovermieter das Blaulicht und klebt den Schriftzug unkenntlich ab. Am Leistungsort montiert er die Legitimationszeichen dann wieder dran. Auf privaten Grundstücken ist zumindest das Abstellen eines echten Polizeiautos erlaubt. So treffen mögliche Gauner im Innenhof auf ein waschechtes Polizeiauto und machen schnell wieder die Biege - so zumindest die Theorie, wenn sie noch nicht von der Geschäftsidee Wind bekommen haben.

Nachahmer der Staatsgewalt finden sich also überall; ob getunte Autos, Kostüme beim Karneval oder einfach als Abschreckung während des Urlaubs. Zwar kann dies straflos sein, für eine reibungslose Durchführung muss man aber fast so viele Gesetze kennen wie ein echter Polizist. Ob sich das Polizei-Spiel überhaupt noch lohnt oder man nicht mit einem Karrierewechsel einfacher fährt? Das soll jeder selbst entscheiden.

Wer aber nach diesem Kapitel entscheidet, dass die blaue Uniform höchstens an Karneval attraktiv ist, für den habe ich großes Verständnis. Wenn es nur bei Beleidigungen wie in dem nächsten Fall bleiben würde ...

§ VON POLIZISTEN, MÄDCHEN UND BULLEN

Den Ausruf »Du Mädchen!« haben die meisten - wenn überhaupt - zuletzt im Kindergarten gehört. Höchstens pubertierenden Jugendlichen könnte man noch Verständnis entgegenbringen, »Mädchen« als Beleidigung zu benutzen. Dennoch wurde einem Polizeibeamten aus Düsseldorf dieser Begriff beleidigend an den Kopf geworfen. Im Dienst hielt er zum Zwecke der Verkehrskontrolle ein Auto samt Ehepaar an. Nachdem er den männlichen Fahrer auf seinen scharfen Bremsvorgang hingewiesen hatte, soll die Beifahrerin ihres Mannes laut »Du Mädchen!« gerufen haben. Der Polizist war der Frau vielleicht nicht »hart« genug für den Großstadtdschungel Düsseldorf.

Wer hier jedoch hart und durchsetzungsfähig war? Wohl eher der Beamte mit einem kurzen Draht zur Strafverfolgung. Getreu dem Motto »Anzeige ist raus« kam es recht bald zu einem Strafprozess vor dem Amtsgericht Düsseldorf.

Ähnlich einem Streitschlichter in der Schule musste der Richter nun entscheiden, was die Frau wirklich gesagt hatte, ob die Aussage der Frau als Beleidigung gilt und, wenn ja, wie schwerwiegend diese ist.

Wie man aber in der Streitschlichter AG lernt, muss man immer zuerst beide Seiten anhören. Die Ehefrau stritt natürlich alles ab, sie habe nur »’n Märchen« gesagt. Laut den drei Polizisten war es aber die Frau, die nun anfing, sich Märchen auszudenken.

Doch nun zum Highlight: Bei der Bewertung, ob die Frau wirklich »Märchen« gesagt hatte oder nur Märchen erzählte, kam ihr Ehemann im Zeugenstand zu Hilfe. Heroisch und energiegeladen verteidigte er seine Frau mit den Worten: »Sie würde so etwas nie zu einem Bullen sagen!«

Tja, nun ist es so, dass die Bezeichnung »Bulle« für einen Polizeibeamten früher schon häufiger als Beleidigung gewertet wurde. Zumindest, wenn es nicht als umgangssprachliches Synonym für Polizist, sondern gezielt als Ehrenkränkung gemeint ist. Hier dürfte der Mann noch einmal mit einem blauen Auge davongekommen sein, denn ganz offensichtlich meinte er dies ja wertschätzend.

Doch ob die Aussage seiner Frau wohl geholfen hat oder vielleicht eher nicht, könnt ihr gern selbst bewerten. Meines Erachtens erfreut sich die Redewendung »Das Gegenteil von gut ist nicht schlecht, sondern gut gemeint« eines neuen Beispiels. Das Ehepaar sollte vielleicht einmal grundlegend seine Einstellung zur Obrigkeit überdenken.

Und wie hat wohl das Gericht entschieden? Tja, zum einen glaubte es der Frau die Märchengeschichte vom Märchen nicht. Und zum anderen befand es, dass die Aussage »Du Mädchen!« zumindest in diesem Kontext als Beleidigung zu werten war, weil sie gezielt dazu gedient habe, den Polizisten in seiner persönlichen Ehre herabzusetzen. Die Frau wurde also zu einer Geldstrafe von insgesamt 200 Euro verurteilt.

Und die Moral von der Geschicht’? Trau deinem losen Mundwerk nicht!

§ #PIMMELGATE - HAUSDURCHSUCHUNG WEGEN »PIMMEL«-TWEET

Die Moral der letzten Geschichte ist auch hier relevant: Dieser Kommentar eines Hamburger Twitter-Nutzers sorgte im Juni 2020 für einige Aufregung. Sein Inhalt kurz, knapp, pointiert: »Du bist so 1 Pimmel.« Ziel des Postings war der Hamburger Innensenator Andy Grote (SPD), der sich in einem seinerseitigen Tweet über das Partytreiben im Hamburger Schanzenviertel empört hatte. Grundsätzlich war das zwar durchaus berechtigt inmitten der Corona-Pandemie, nur hatte er selbst zuvor gegen geltende Corona-Auflagen verstoßen, indem er anlässlich seiner Wiederernennung als Senator 30 Personen in eine Bar in Hamburg eingeladen hatte. Für ein saftiges Bußgeld in Höhe von 1000 Euro! Jetzt aber Feiernde auf der Schanze wegen Verstoßes gegen Corona-Regeln als »dämlich« und »ignorant« zu bezeichnen, macht die Empörung des Twitterers angesichts der Scheinheiligkeit des Innensenators irgendwie nachvollziehbar.

Nun ist das Internet kein rechtsfreier Raum, und in der Tat sollte es das auch nicht sein. Dennoch kurios, dass es gerade dieser Kommentar war, der eine Strafanzeige nach sich zog. Drei Monate später standen sechs Polizisten vor einer Tür im Stadtteil St. Pauli, um sich des Smartphones des Kommentarschreibers zu bemächtigen - des Corpus Delicti, mit dem eine Beleidigung begangen worden sei.

Die beweissichernden Beamten übersahen allerdings, dass der Verfasser des Tweets inzwischen schon nicht mehr in der Wohnung lebte. Stattdessen öffnete die Ex-Freundin des Gesuchten die Tür und war nicht schlecht überrascht, als man dennoch die gesamte Wohnung auf den Kopf stellte und einige elektronische Geräte sicherstellte.

Ein Shitstorm brach herein, der sich in großen Lettern »Verhältnismäßigkeit« auf die Fahnen geschrieben hatte. Wie sieht es aus mit der rechtlichen Lage um die Suche nach dem Pimmel-Handy? Diese Frage besteht tatsächlich aus zwei Teilen: Ist der Tweet überhaupt eine Beleidigung nach dem Strafgesetzbuch? Und war die Durchsuchung angebracht?

Für eine Beleidigung nach § 185 StGB reicht nicht jede negative Äußerung gegenüber einer Person. Laut den Juristen muss sie so stark sein, dass sie die persönliche Ehre oder das Ansehen der Person verletzen oder herabsetzen kann. In einer Zeit der »Ehrenmänner bzw. -frauen« ist der Ehrbegriff unklarer denn je. Zur Abgrenzung von bloßen Taktlosigkeiten muss man sich die Aussage deshalb im Einzelfall ansehen - besonders wichtig ist der Kontext der Aussage. Personen des öffentlichen Lebens müssen etwa nach der Ansicht mancher Gerichte einiges einstecken und insgesamt mit mehr Kritik umgehen können als Privatpersonen. Das gilt auch, wenn die Kritik etwas polemischer oder geschmackloser ausfällt, als man sich wünschen würde. Dennoch, Fäkalbegriffe und Schimpfwörter wie »Fotze« oder »Arschloch« sind in einem entsprechenden Kontext meist beleidigend, auch wenn der Beleidigende einen vermeintlich guten Grund hat. Andersherum können auch harmlose Begriffe eine Beleidigung sein, wenn offensichtlich ist, dass sie beleidigend gemeint sind. (Etwa »Du Jude!« gegenüber einem unliebsamen Klassenkameraden.)

Bei »Du bist so 1 Pimmel« muss man vor diesem Hintergrund also vielleicht zweimal hinsehen. Einerseits ist »Pimmel« ein umgangssprachliches Wort für das männliche Geschlechtsteil und könnte sich so durchaus in die Riege der oben genannten Begriffe einreihen. Andererseits ist die gesamte Aussage eher in einem flapsigen Stil gehalten, der in den Social Media üblich ist. Gerade das Ersetzen des »ein« durch »1« (gesprochen: »eins«) spielt hier durchaus eine Rolle, denn diese Art der Formulierung ist längst ein Internet-Meme und findet seine Wurzel in einer vom österreichischen Rapper Money Boy geprägten Kunstsprache. Letztere wird auf sozialen Plattformen eindeutig selbstironisch verwendet und hat in den meisten Fällen eine scherzhafte Konnotation. Es wäre also durchaus vertretbar, dass der Tweet zwar gegen Grote gerichtet war und diesen auch ein wenig angreifen wollte, die Schwelle zwischen Taktlosigkeit und Ehrverletzung allerdings nicht überschreitet.

Wie ein Strafgericht die Pimmel-Aussage gewertet hätte, werden wir nie erfahren. Denn das Verfahren wurde wegen »mangelnden öffentlichen Interesses an der Verfolgung« eingestellt. In einem anderen Verfahren vor dem Landgericht Hamburg jedoch, in dem es um die anschließende Hausdurchsuchung ging, schrieb das Gericht vage: Die Schwere der Beleidigung sei angesichts Grotes Verhaltens eher am unteren Rand der Erheblichkeitsschwelle einzustufen.

Doch auch wenn »1 Pimmel« als eine (harmlose) Beleidigung zu werten ist, wäre die Hausdurchsuchung nicht automatisch rechtmäßig gewesen. Sie dient der Beweissicherung im Ermittlungsverfahren. In der Tat braucht es erst einmal nur einen Tatverdacht, um einen entsprechenden Durchsuchungsbeschluss anzuordnen. Der lag nach der Ansicht der Staatsanwaltschaft vor. Das ist aber nicht alles. In einem Rechtsstaat muss staatliches Handeln immer auch das Gebot der Verhältnismäßigkeit beachten. Das heißt, der Zweck einer staatlichen Handlung (hier: das Sicherstellen des Handys) darf mit den eingesetzten Mitteln (hier: Durchsuchung der gesamten Wohnung einer unbeteiligten Person) nicht außer Verhältnis stehen. Und an diesem Punkt hatten die Öffentlichkeit und inzwischen auch das Landgericht Hamburg kein Verständnis: So entschied das Gericht, dass die Durchsuchung der Wohnung in St. Pauli unverhältnismäßig war.

Von dem Ergebnis haben allerdings weder der Verfasser noch die Ex-Freundin wirklich viel. Eine pauschale Entschädigung abseits vom Ersatz schon entstandener Schäden - etwa wegen des Stresses durch die Strafverfolgung - sieht das Gesetz nicht vor.

Doch auch Andy Grote dürfte über die ganze Angelegenheit wenig lachen, denn er kann den Begriff »Pimmel« wohl schwerlich von seinem öffentlichen Image wischen. Er ist Opfer des »Streisand-Effekts« geworden: des nach Barbra Streisand benannten Phänomens, wenn der Versuch, eine unliebsame Information zu unterdrücken, das Gegenteil erreicht und so viel öffentliche Aufmerksamkeit erzeugt, dass niemand jemals mehr die Angelegenheit vergessen wird. Dass dies nicht geschieht, dafür sorgen bis heute entsprechende Sticker, Plakate und Graffiti, die Hamburgs Innenstadt zieren. Oder dass #Pimmelgate immer wieder bei Twitter trendet.

Landgericht Hamburg, Beschluss vom 26.07.2022, Az. 631 Qs 17/22

§ MIT NATÜRLICHEM GIFTGAS GEGEN POLIZISTEN: DIE PUPS-RECHTSPRECHUNG

Was man besonders in der Corona-Zeit gelernt hat: Riecht man den Furz, ist der Abstand zu kurz. Ob peinlich oder nicht, jeder muss mal pupsen. Es ist aber wie oft nicht eine Frage des Ob, sondern des Wie. Wer also unbedingt Dampf ablassen muss, sollte das der körpereigenen Funktion wegen tun und nicht, um damit seine Wut rauszulassen. Aber was passiert, wenn ich das trotzdem mache und einen Polizisten anfurze? Würde das für ein strafrechtliches Echo sorgen, oder wäre die Androhung einer Bestrafung nur heiße Luft?

Verwunderlicherweise gibt es mehr Sesselfurzer in freier Wildbahn, als man glauben mag.

Der Wiener Walzer:

Keine Darmflaute, sondern einen Darmwind hatte ein Mann aus Wien. Zwecks Identitätsfeststellung wurde der Mann, der gerade auf einer Parkbank saß, von zwei Polizisten angesprochen. Statt seinen Hintern anzuheben, um den Geldbeutel mit den Papieren zu holen, hob er seinen Hintern an, um mächtig einen abzuknattern. Er lachte, seine Freunde auf der Parkbank lachten, und die Polizisten ... Die lachten nicht, was ein Wunder. 100 Euro Geldstrafe für die »Verletzung des öffentlichen Anstands« lautete die Strafe im Nachbarland.

Der Friedrichshainer Furzer:

Wieder bei einer Personenkontrolle, diesmal in einem Auto, konnte ein Berliner nicht anders, als seinem Unmut freien Lauf zu lassen. Nicht nur flatterte seine Muffe, sondern sie sauste danach auch, als er merkte, dass seine Flatulenzen wohl nicht wegignoriert wurden. Die Folge: ein Strafbefehl über 900 Euro. Die Beleidigung nach § 185 StGB soll neben dem Gestank in der Luft gestanden haben. Der Mann legte Einspruch dagegen ein. Die Story schaffte es schnell in die Schlagzeilen, sodass er von einer Soligruppe, die den Namen »Viel heißer Wind um nichts« trug, unterstützt wurde. Als es zu dem Gerichtstermin kam, war der Ansturm, das Spektakel live zu sehen, groß. In nur wenigen Minuten wurde der Prozess aber eingestellt. Eine große Show gab es für die Schaulustigen also nicht.

Der Leipziger Leibwind:

Auch in Leipzig ist die »Beleidigung von Polizeibeamten durch gezieltes in deren Richtung Flatulieren« kein Fremdwort. Neben dem Mittelfinger sollen nämlich auch wieder die berühmt-berüchtigten Darmwinde zur Ehrabsetzung benutzt worden sein. Allerdings wurde auch hier das Verfahren eingestellt.

Flatulenzen am Frankfurter Flughafen:

Nicht nur auf der Straße muss man als Beamter Angst vor Verdauungsproblemen haben, nein, auch am Flughafen. Bei einer Zollkontrolle soll die unverzollte Luxusuhr eines ehemaligen japanischen Nationalspielers beschlagnahmt worden sein. Neben wüsten Beleidigungen sollen auch absichtliche »Giftgasangriffe« in Form von Fürzen in die Amtsstube der Zollbeamten entwichen sein. Dafür sollen ihm 250 Euro Strafe aufgebrummt worden sein.

Der Steiermarker »Schas«:

Eine Gefährdung der Sicherheit des Landes und ein Verstoß gegen das Landessicherheitsgesetz, das wird einem Österreicher aus Steiermark vorgeworfen. Was sich sehr bedrohlich anhört, ist auch wieder nur viel heiße Luft. 50 Euro soll er zahlen - oder wahlweise einen Tag ins Gefängnis gehen, weil er gegen den umstrittenen Anstandsparagrafen verstoßen hat. Auch wenn die Knastgespräche unter den Mithäftlingen bestimmt amüsant wären - A: »Weswegen bist du im Knast? Mord? Banküberfall?«, B: »Nein, weil ich gefurzt hab« -, entschied sich der Mann für die 50 Euro Strafe.

Für ein Echo ihresgleichen haben die Fürze wohl nicht gesorgt, nur heiße Luft waren sie jedoch auch nicht. Man kann also nicht nur bestraft werden, wenn man mit dem Mund beleidigt. Auch nonverbale Körperfunktionen können - wie wir in den Fällen gesehen haben - nicht nur den Bauch, sondern auch den Geldbeutel entleeren. Das Motto »Alles raus, was keine Miete zahlt« sollte nicht in jeder Situation gelten. Also aufgepasst! Erbsen, Bohnen und Linsen können in Zukunft ein teurer Spaß werden, und damit sind nicht die steigenden Supermarktpreise gemeint. Da ist nämlich »Tränengas natural« vorprogrammiert.

§ 500 KILOGRAMM BESCHLAGNAHMTES CANNABIS VERSCHWUNDEN - POLIZIST: »DAS WAREN DIE MÄUSE!«

Diese Geschichte ist doch zum Mäusemelken! In Argentinien wurden 6000 Kilogramm Cannabis von der Polizei beschlagnahmt. Eines Tages fiel dann auf, dass 540 Kilo davon fehlten. Plötzlich war die Polizei in der Hauptstadt Buenos Aires in Erklärungsnot.

Was wohl dabei rauskommt, wenn Beamte schnell eine Erklärung für verschwundene Drogen brauchen? In diesem Fall wurden die Polizisten kreativ. Ein Schuldiger, in diesem Fall mehrere Schuldige, wurde schnell gefunden: Mäuse! Ja, kleine Nagetiere sollten für das Abhandenkommen des »Stoffs« verantwortlich sein. Dass eine solch erhebliche Menge von den Mäusen verschlungen wurde, ließ sich schließlich mit dem Sprichwort »Beißt die Maus einmal am Käse, so kommt sie wieder« erklären.

Irgendwie unglaubwürdig, dachte sich der neue Polizeichef. Also beauftragte er die Universität Buenos Aires mit einem Gutachten. Die Akademiker kamen dann relativ schnell zu einem Ergebnis: Es sei fast ausgeschlossen, dass die Nager für das mysteriöse Verschwinden zuständig seien. Zum einen würden sie das Gras nicht als Nahrung in Erwägung ziehen. Zum anderen wäre das auch tödlich für die Tiere ausgegangen. Es hätten viele tote Mäuse in der Asservatenkammer gefunden werden müssen, was aber nicht der Fall war.

Also gab es zwei Optionen: Entweder war die Studie der Universität Quatsch und Cannabis in hohen Mengen bringt die Nagetiere nicht um, sondern transformiert sie zu Supermäusen, die erst Gras verzehren und sich dann unbemerkt aus dem Staub machen können (tatsächlich kann Cannabis die Hirnleistung alter Mäuse verbessern). Oder aber einige der Ordnungshüter hatten doch mehr mit den fehlenden Drogen zu tun, als sie zugeben wollten. Option eins schien nach wahrscheinlich kurzer Abwägung doch zu abenteuerlich.

»Aus die Maus«, hieß es also für die acht in der Asservatenkammer beschäftigten Polizisten. Sie wurden entlassen und mussten sich vor Gericht verantworten.

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