VON GEWITZTEN BETRÜGERN, ABZOCKERN - UND DENEN, DIE DARAUF REINFALLEN ...

Der Enkeltrick, Phishing-Mails, Love-Scamming - Kleinbetrüger lauern hinter jeder Ecke. Doch die Betrüger und Abzocker im Folgenden sind nicht nur Kleinkriminelle - und die, die auf sie reinfallen, nicht nur die geliebte Omi oder der Opi von nebenan. Schachgroßmeister, Hellseher, Schwerverbrecher und sogar die AfD. Doch auf welcher Seite stehen sie jeweils? Und wem würdet ihr am ehesten vibrierende Analperlen zuordnen?

Warum etikettiert ein Mann, der über 20 000 Euro im Monat verdient, Kalbsleber als günstigeres Obst um? Kann ich in einem Bordell mit selbst gedrucktem Geld zahlen? (Spoiler: Nein!) Wie viele Jahre dauerte die wohl längste Glückssträhne beim Fahren ohne Führerschein?

Eines kann ich vorwegnehmen: Die Strafen der Richter sind anders als die Preise bei eBay-Kleinanzeigen wirklich nicht verhandelbar. Stellt euch ein auf Lug, Trug und kreative Hochstapler.

§ MIT VIBRIERENDEN ANALKUGELN ZUM SCHACHBETRUG?

Das Spiel der Könige hat seit Corona-Beginn einen regelrechten Boom erlebt. Gelangweilt saßen die Leute zu Hause und zogen Figuren, die fast jeder aus der Kindheit kennt. Die gängigsten Onlineseiten verzeichneten höchste Nutzerzahlen, berühmte YouTube- und Twitch-Stars wurden durch Schachgroßmeister »gecoacht« und traten gegeneinander an. Das Damengambit auf Netflix erreichte Rekordklicks, und nun das.

Wohl einer der größten Schachskandale in dem über 1500 Jahre alten Spiel breitet sich aus. Diese Schachstory geht jetzt schon in die »An(n)alen« der Geschichte ein. Selbst diejenigen, die Bauern nur vom Acker und Königinnen nur aus Großbritannien kennen, haben wahrscheinlich davon gehört: Hans Niemann, Magnus Carlsen und die vibrierenden Analkugeln.

Magnus Carlsen ist aktueller Weltmeister und wird als der beste Spieler bezeichnet, der jemals überhaupt am Schachbrett saß. Er ist so gut, dass er 2023 seinen Schachtitel nicht mehr verteidigen will - wahrscheinlich, weil ihn das Gewinnen mittlerweile langweilt. Deshalb erschütterte auch eine Niederlage die ganze Schachwelt: Hans Niemann, ein 19-jähriger frischer Großmeister schlägt Carlsen, der vorher 53 Spiele lang ungeschlagen war, im »Sinquefield Cup« mit den schwarzen Spielsteinen. Das ist etwa so, als würde FC Bayern München gegen den Kreisliga-Klub SC Holzhausen einen Gegentreffer kassieren. Zwar ist Niemann eine aufsteigende Schachgröße, dennoch war die Niederlage in 57 Zügen mit Startvorteil ein Novum für den Norweger Carlsen.

Der Tweet vom Weltmeister am nächsten Tag brachte den Stein ins Rollen. »Schlechter Verlierer« oder »Riesen-Eklat« lauteten die Stimmen danach. Er kündigte seinen Rücktritt aus dem Turnier an und fügte nur ein kryptisches Video von Fußball-Trainer José Mourinho mit seinen berühmten Worten »I prefer really not to speak. If I speak, I am in big trouble« an. Carlsen steht schon lange genug in der Öffentlichkeit, um zu wissen, dass er nur einen Krümel hinwerfen muss, und das Internet macht den Rest. Für alle war klar, was er damit meinte: Niemann hat betrogen. Schnell teilten sich die Fans in zwei Lager: Die einen vertrauten dem berühmtesten Spieler der Neuzeit und suchten Hans Niemanns Spiele nach Unregelmäßigkeiten ab, die anderen sahen in Hans ein Wunderkind und einen kommenden Superstar. Beim nächsten Spieltag standen die Reporter schon Schlange, um aus dem Jungstar etwas rauszubekommen: In einem emotionalen und ehrlich wirkenden Interview gab er tatsächlich Betrügerei in der Vergangenheit zu, aber diese sollte schon lang zurückliegen und nur im »Onlineschach« passiert sein und nie am Brett. Einen Betrug gegen Magnus wies er vehement von sich.

Es stand also Aussage gegen Aussage, und die Theorien und Verschwörungen erreichten jede Mainstream-Zeitung. Wie sollte man denn im Schach cheaten? Das war die Frage, die sich jeder stellte. Extreme Überwachung und sogar Metalldetektoren gibt es bei jedem offiziellen FIDE-Turnier. Zuerst überlegte man, ob ein Knopf im Ohr des Rätsels Lösung sei. Schließlich hatte Niemann seine Haare auffällig lang wachsen lassen. Jedoch wird der Oberkörper beim Einlass vollständig gescannt. Doch dann waren sich das Internet und viele Schachspieler einig: Des Pudels Kern musste weiter unten liegen. Die Hinternregion wird nie genau untersucht, und so konnte es nur eine Möglichkeit geben: Mit einem Sexspielzeug, genauer Analperlen, sollen Signale gemorst worden sein, und dies habe Hans Niemann zum Sieg gebrummt. Sogar Elon Musk konnte es sich nicht verkneifen, einen Tweet zur Popo-Theorie abzugeben. Auch den Organisatoren der offiziellen Turniere ging die Theorie nicht am Arsch vorbei. So untersuchten sie Niemann beim nächsten Spiel ganz genau, ja, auch an seinem Hinterteil. Zumindest mit dem Detektor fanden sie jedoch nichts. Vielleicht ist aber auch nichts dran an der Vermutung. Niemann bot selbstsicher an, sogar nackt spielen zu wollen. Dankend lehnte die verklemmte Schachcommunity diesen Vorschlag jedoch ab. Bei Carlsen herrschte immer noch Funkstille.

Alle warteten auf die nächste Begegnung der beiden Kontrahenten. Das nächste Turnier stand bereits im selben Monat an. In der Vorrunde war es dann endlich so weit, Carlsen erschien, zog einen Springer nach vorn, gab auf und lief wieder davon. Viel zu analysieren gab es in der Partie nicht, falls der Mythos von Hummeln im Hintern wahr sein sollte. Klarer kann eine Message nicht sein, er war sich so sicher, gegen einen Schummler verloren zu haben, dass er sich weigerte, weiter gegen ihn anzutreten. Trotz der schnellen Niederlage bezwang der amtierende Weltmeister das restliche Teilnehmerfeld und gewann das Turnier ohne große Mühen.

Dann brach er endlich das Schweigen: In einem Statement nannte er das Kind beim Namen. Niemann sei ein Betrüger. Nur ein Problem hatte das Statement: Handfeste Beweise gab es nicht. Er führte die Tatsache an, dass der 19-Jährige einen ungewöhnlichen und fast unvergleichbaren Sprung an die Weltschachspitze gemacht hatte. Außerdem meinte er, dass Niemann in kritischen Stellungen nicht angespannt war. Für die Verfechter der Sexkugeln-Theorie war das auch verwunderlich, denn wer kann so ruhig sitzen bleiben, wenn man einen brummenden Schachcomputer im Hintern hat? Doch mehr als Intuition und Gefühl gab das Statement des Großmeisters nicht her.

Dann verdichteten sich jedoch die Beweise. Chess.com, die größte Schachseite im Internet, welche auch mit der Play Magnus AG verbunden ist, knallte einen 72-seitigen Bericht auf den Tisch. Dort gingen sie Niemanns Aussagen über seine Cheating-Vergangenheit nach und warfen ihm über 100 Betrüge vor - statt seiner angegebenen zwei. Diese sollen jedoch alle nur online stattgefunden haben. Zwar lieferte die Schachseite auch Statistiken und Anomalien zu seinem Offline-Brett-Spiel, diese waren jedoch wieder nicht sicher erwiesen.

Das ließ der junge Amerikaner nicht auf sich sitzen. Mit seinen berühmten Worten »Chess speaks for itself«, die er normalerweise nur nach guten Schachpartien verwendet, tweetete er übersetzt leicht ironisch: »Meine Klage spricht für sich.« Eine Klage über 100 Millionen Dollar gegen die Betreiber von Chess.com, Magnus Carlsen und sogar Schach-Streamer, die auf den Skandal aufgesprungen waren. Die Gelder waren selbst für die Brettsportler keine Peanuts. Zwar sollte Magnus mittlerweile ausgesorgt haben, trotzdem übersteigt die Summe die gesamten Gewinne aller Top-100-Spieler zusammen.

Doch wie wäre in Deutschland die Rechtslage? Zuerst hat die FIDE ihr eigenes Sanktionssystem, nach dem Niemann wahrscheinlich nie wieder ein Turnier spielen dürfte, sollte sich die Geschichte bewahrheiten. Aber auch strafrechtlich stünde der Betrug aus § 263 StGB im Raum, wenn durch den Sieg ein Geldvorteil erzielt wurde. Wenn der Norweger mit seinen Anschuldigungen unrecht hätte, dann könnte er sich der üblen Nachrede oder sogar einer falschen Verdächtigung strafbar gemacht haben. Und auch eine saftige Strafe von der Disziplinarkommission der FIDE wäre zu erwarten.

Alles hängt jedoch davon ab, wie man das alles beweisen soll.

Niemann antwortet weiterhin auf die Frage, wie oft er gegen Carlsen betrogen hat, mit: Nie, Mann! Ob Carlsens Anschuldigungen also ein schlechter Zug waren, wird sich spätestens bei der Gerichtsverhandlung klären, sofern die Klage angenommen wird. Dann wird die wichtigste Figur nicht mehr der König oder die Dame sein, sondern die Richterin oder der Richter. Spannend bleibt also weiterhin: Wer wird am Ende schachmatt gesetzt?

§ TELEFONABZOCKE: »KÖNNEN SIE MICH HÖREN?«

Die menschliche Kreativität ist grenzenlos - insbesondere, wenn es darum geht, andere um ihr Geld zu betrügen. Das »BVO Branchenverzeichnis online« - ein äußerst »vertrauenswürdiges« Unternehmen mit noch »vertrauenswürdigerem« Sitz in Gran Canaria - kam hier im Jahr 2017 auf eine glorreiche Idee. Einigen Mandanten bereiteten Telefonate mit diesem Unternehmen gehörige Kopfschmerzen. Dabei ging es um Gespräche, die den Kunden sogar per MP3-Datei zu Beweiszwecken zugeschickt worden sind:

BVO: »(...) dann starte ich jetzt die Bandaufzeichnung. Ich spreche mit (...)«
Mandantin: »Genau.«
BVO: »Ich rufe Sie laut Vereinbarung mit unserem Herrn (...) zurück. Mein Name ist (...) von der Kontrollabteilung BVO Branchenverzeichnis. Nach dem Fernabsatzgesetz zeichnen wir heute, den 18. Juni 2013, diesen Neuauftrag zu Ihrer und auch zu unserer Sicherheit auf. Damit sind Sie einverstanden (...)?«
Mandantin: »Ja, ich bin einverstanden.«
BVO: »Sie werden bei uns eingetragen unter Friseursalon (...) in (...) mit der Anschrift (...), Telefonnummer ist die (...), Schwerpunkt Friseursalon/Haarstudio, das Ganze mit einer Laufzeit von einem Jahr mit automatischer Kündigung, sodass der Eintrag im Juni 2014 automatisch rausfällt zum Preis von 299 Euro. Ist das alles so korrekt (...), sind Sie damit [unverständlich].«
Mandantin: »Ja, das ist alles korrekt, ja.«
BVO: »Dann danken wir für den Neuauftrag, wünschen Ihnen weiterhin gute Geschäfte, und die Post haben Sie so in drei bis vier Tagen im Haus, ja?«
Mandantin: »Alles klar.«
BVO: »Danke Ihnen, tschüss.«
Mandantin: »Tschüss.«

Eine klassische Kaltakquise also. Das Unternehmen ruft ohne bisherigen Kontakt beim Verbraucher an, und der Vertrag wird im besten Fall direkt am Telefon geschlossen.

Ein wenig überraschend war in diesem Fall allerdings, dass sich keiner der Betroffenen so wirklich an dieses Gespräch erinnern konnte. Ein Anruf war ihnen im Gedächtnis - aber mit einem völlig anderen Inhalt. Und natürlich haben auch die Mandanten recht, wenn sie sagen, ein derartiges Gespräch noch nie geführt zu haben. Denn der reizende Dialog von oben war einfach nur ein dreister Zusammenschnitt. Man muss den Neukunden nur so oft wie möglich dazu bringen, am Telefon »Ja« und »Ich bin damit einverstanden« zu sagen, und schon lässt sich digital ein wunderbares Verkaufsgespräch zusammenzimmern, das die BVO als ordentlichen Gläubiger dastehen lässt. Eine beliebte Frage zu Anfang des Gesprächs ist hier: »Können Sie mich hören?«

Ein ähnliches Spiel trieb ein Anbieter namens BIZZONE und verlangte Überweisungen in Höhe von 499 Euro - teils garniert mit einer saftigen Mahnung von insgesamt über 670 Euro.

Diese Masche ist natürlich ein strafbarer Betrug, und zahlen muss man selbstverständlich auch nicht, schließlich ist nie ein Vertrag zustande gekommen. Aber wie so häufig im Geschäftsleben, wird oftmals lieber gezahlt, als das rechtliche Prozedere durchzustehen. Denn auf manche mag es so gewirkt haben, als hätten sie selbst den Fehler gemacht und sich auf einen Vertrag eingelassen, und den müssten sie jetzt erfüllen, sonst landeten sie in Teufels Küche. Nun, die Armen, die das Geld gezahlt haben, konnten es natürlich zurückverlangen - mit dem nötigen anwaltlichen und notfalls gerichtlichen Druck. Mit einer Strafanzeige und etwas Glück wurden die zuvorkommenden Branchenverzeichnisvertreter aber am Ende vielleicht tatsächlich gehört - nur eben vor Gericht.

Und für Gewerbetreibende gilt wie so oft: Misstrauen zahlt sich aus.

§ »WIR HABEN SIE IM SACK!« - SKYS KRASSE ANTWORT AUF ABO-KÜNDIGUNG

Wenn Deutschland eine Servicewüste ist, so hat ein Sky-Kunde und WBS-Mandant im Jahr 2017 einen besonders trockenen Tag erwischt. Als Fußballfan ließ auch er sich von dem Werbeslogan des Bezahlsenders überzeugen, der »alle Spiele - alle Tore« der Fußball-Bundesliga versprochen hatte. Doch in der Saison 2017/18 erledigte sich dieses Versprechen: Discovery-Tochter und Privatsender Eurosport sicherte sich die exklusiven Übertragungsrechte für 45 Bundesligaspiele. Sky-Kunden guckten damit bei einigen Freitagsspielen (20.30 Uhr) sowie bei fünf Sonntagsspielen, Montagspartien und Relegationsspielen in die Röhre. Wer als Fan dann ein zusätzliches Abonnement braucht, um alle Spiele seines Lieblingsvereins sehen zu können, verliert damit gern mal die Lust.

So auch unser Mandant, der daraufhin ein Kündigungsschreiben verfasste, um das Abo aufgrund der Programmänderung mit einem Sonderkündigungsrecht zum nächstmöglichen Zeitpunkt zu beenden.

Daraufhin wurde der Sky-Kundenservice ungehalten: »Sie haben kein Sonderkündigungsrecht!!«, heißt es in der Antwort mit einer Überpräsenz an Ausrufezeichen. Unabhängig vom Werbeslogan sei, wenn man die AGB lese, völlig klar, dass jede Programmänderung hinzunehmen sei, solange nur der »Gesamtcharakter« des Kanals erhalten bleibe. So weit nämlich stehe Sky die Anpassung der Kanäle frei. Der Mandant sei nun einmal Kunde von Sky und bezahle für die gebuchten Pakete. »Was Sie danach machen, geht uns nichts an. Wir bieten das Bundesliga-Fernsehen an - 93 Prozent aller Spiele, falls Sie diese sehen möchten, steht es Ihnen frei, dieses Programm zu buchen oder eben nicht. Vielleicht reicht Ihnen ja auch der Empfang von 7 Prozent aller Spiele bei unserem Konkurrenten Eurosport?« Das »Gerede« um Verbrauchertäuschung sei »alles Kokolores ohne Relevanz«. Da die AGB jederzeit gelesen werden könnten und der Vertragsschluss nicht widerrufen worden sei, kam es zu der beeindruckend forschen Feststellung: »Somit haben wir Sie im Sack.« Anschließend wurden in Sky-Manier noch »weiterhin viele besondere Momente« gewünscht.

Ein besonderer Moment für den Verbraucherschutz war dieses Schreiben allerdings nicht. Ganz im Gegenteil, denn es wird gern verkannt, wofür AGB überhaupt gedacht sind. Sie sollen Geschäfte, die in großer Anzahl abgeschlossen werden, vereinfachen, indem vorformulierte Klauseln auch Teil des Vertrages werden können. Sie sind gerade nicht nur »das Kleingedruckte« mit einer Tendenz zur Knebelung und Verbraucherfeindlichkeit. Nicht umsonst schauen sich Gerichte AGB-Regelungen gern genauer an. Denn um wirklich wirksam zu sein, müssen diese einigen Anforderungen genügen. Sie dürfen etwa nicht besonders überraschen oder den Vertragspartner unangemessen benachteiligen. Bei den gerichtlichen Entscheidungen steht der Verbraucher häufig an erster Stelle. Der sehr vage Begriff des »Gesamtcharakters« des Kanals hatte hierbei eher schlechte Chancen.

Die sprachliche Entgleisung in dem Antwortschreiben ist also nicht nur höchst unseriös, sondern auch noch rechtlich fehlerhaft. Ein anderer Teil der Sky-AGB war hierbei eher einschlägig, und zwar jener, der ein Sonderkündigungsrecht bei Änderungen aus Lizenzgründen vorsieht. Da eher die Klausel mit dem »Gesamtcharakter« Kokolores ist als das Gerede um Verbrauchertäuschung, bestand hier das Sonderkündigungsrecht also durchaus.

Das sah auch Sky selbst letztendlich ein. Eine höhere Instanz innerhalb des Unternehmens entschuldigte sich für das Verhalten des Servicemitarbeiters. Dessen zwischenzeitliches Angebot, das Abonnement vergünstigt weiterzuführen, vergaß das Unternehmen zwar später flugs wieder. Stattdessen beendete der Sender, ohne die Antwort des Kunden abzuwarten, das Abonnement rückwirkend entsprechend sofort - inklusive Rückerstattung des bereits zu viel gezahlten Beitrags. Nun, unserem Mandanten wäre das nach dem Eklat eh egal gewesen. Für ihn war das nur ein Tropfen auf den heißen Stein, der den Durst nach gutem Fußball am Ende nicht stillte. Er hat seinen Willen bekommen und konnte seinen Vertrag endlich wirksam kündigen.

Ob der entsprechende Mitarbeiter ebenfalls gekündigt wurde, ist uns nicht bekannt - es wäre aber durchaus nachvollziehbar, denn sein Verhalten hat uns, die wir als Anwälte wirklich schon viel erlebt haben, tatsächlich einmal sprachlos gemacht.

§ NACH 70 JAHREN AUFGEFLOGEN: MANN FÄHRT OHNE FÜHRERSCHEIN, SEIT ER 12 IST!

Auch diese Geschichte ließ im Jahr 2014 in Deutschland den einen oder anderen sprachlos werden: Nationalspieler Marco Reus wurde dabei erwischt, jahrelang ohne Führerschein gefahren zu sein. Tatsächlich hatte er sich im Alter von 18 Jahren bei einer Fahrschule angemeldet, eine Fahrprüfung hatte er aber nie abgelegt. Knapp sieben Jahre fuhr er also ohne Fahrerlaubnis. Darüber kann ein Mann aus dem englischen Bulwell wahrscheinlich nur schmunzeln, denn er trieb das Fahren ohne Führerschein noch deutlich weiter auf die Spitze ...

Es war ein großer Tag für die Polizei der Gemeinde Bulwell im Zentrum Englands. Bei einer gewöhnlichen Verkehrskontrolle machten die Beamten nämlich einen Fund, der einem goldenen Los glich: Sie hielten einen älteren Herrn an und baten ihn um Fahrzeugpapiere und Führerschein. 50 Prozent der Forderung konnte der Mann nachkommen, einen Führerschein hatte er aber nicht. Und damit ist nicht gemeint, dass der Fahrer ihn zu Hause vergessen hatte ... Tatsächlich besaß der Rentner nie einen Lappen, weil er nie eine Fahrprüfung abgelegt hatte. Laut eigener Aussage fuhr er Auto, seit er zwölf Jahre alt war - und zum Zeitpunkt der Kontrolle war er 83. Über 70 (!) Jahre lang machte der Mann aus Bulwell also die Straßen ohne Fahrerlaubnis unsicher. Glücklicherweise nicht im wahrsten Sinne des Wortes, denn er hatte sich in der gesamten Zeit nicht einmal etwas zuschulden kommen lassen. Der Rentner baute nie einen Unfall, verletzte nie eine andere Person und verursachte keinerlei finanziellen Schaden - eine beeindruckende Quote! Vielleicht fuhr er immer besonders vorsichtig, um nicht angehalten zu werden? Übrigens war dies nicht sein einziges Vergehen. Das Auto (ein Mini) war zudem nicht versichert ...

Wie dem auch sei - Marco Reus erhielt für seine Fahrten eine Strafe in Höhe von 540 000 Euro. Gut, damit muss der Rentner nicht rechnen, schließlich wird die Strafe (zumindest in Deutschland) abhängig vom Gehalt gemacht. In England kann das Fahren ohne Führerschein aber auch zu Strafen bis zu mehreren Tausend Pfund führen, außerdem erhält man sogenannte penalty points - ein System, das unseren Punkten in Flensburg ähnelt. Wenn man aber nie einen Führerschein hatte, führen die penalty points natürlich ins Leere ... Trotzdem ist das Ganze mehr als ein Kavaliersdelikt, es drohen nämlich bis zu sechs Monaten Haft. In Deutschland droht sogar eine Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder eben wie im Fall von Marco Reus eine Geldstrafe.

Also merken wir uns: Lieber nur dann ans Steuer setzen, wenn auch eine Fahrerlaubnis besteht. Durch neue Kennzeichenerkennungssysteme fliegt man heutzutage ohnehin deutlich schneller auf. Fahrt in Grand Theft Auto gern ohne, auf den echten Straßen aber nur mit Lappen!

§ DER GIERIGE BÜRGERMEISTERKANDIDAT IM KÖNIGSMANTEL

Hier eine witzige Idee, um schnelles Geld zu verdienen: Bei der nächsten Einladung auf eine Party stellt ihr euch alle hin und singt einen tollen Song, beispielsweise »Africa« von Toto. Für die Karaoke-Darbietung verlangt man dann einen x-beliebigen Betrag. Sagen wir, 5000 Euro. Warum das eine schlechte Idee ist? In meinem Fall weiß ich, dass ich mit dieser dreisten Forderung keinen Erfolg hätte (wahrscheinlich würden die anderen eher auf Schmerzensgeld gegen mich klagen). Und zum anderen würde mich danach niemand mehr einladen. Also lasse ich das lieber. Ein Mann aus Stuttgart allerdings hatte eine ähnliche Idee, und er verlangte für seinen Auftritt das 60-Fache ...

Egal, ob auf Bundesebene oder doch nur für das eigene Dorf: Wer für ein politisches Amt kandidiert, führt einen Wahlkampf. Dabei lassen sich die Politiker und deren Berater oft skurrile oder witzige Ideen einfallen, um potenzielle Wähler von sich zu überzeugen. Ein Mann aus dem Rems-Murr-Kreis blieb mit seiner Art der Wahlkampfführung wohl vielen Leuten im Gedächtnis: Der Baden-Württemberger nahm nämlich im Königsmantel an Podiumsdiskussionen teil - er selbst interpretierte sich und sein Dasein als »Lebensberater, Künstler und Unterhalter«. Glücklicherweise ist Deutschland ein freies Land. Wenn also jemand im Königsmantel kandidieren will, dann darf derjenige das auch.

Warum hat es diese Geschichte nun ins Buch geschafft? Gute Frage! Keine Sorge, jetzt wird es nämlich wild: Der »König« schien sehr überzeugt von sich und seiner Wirkung auf andere Menschen zu sein. Er kandidierte nicht für sich, nein. Er tat mit seinen Auftritten den Bürgern einen »Gefallen«. Wäre ja unerhört, wenn er dafür nur mit Wählerstimmen belohnt werden würde. Viel angemessener wäre eine finanzielle, na ja, nennen wir es »Aufwandsentschädigung«. Zusammengefasst: Wir haben also einen Mann, der sich im Königsmantel präsentiert und dafür Geld verlangt. Und zwar 300 000 Euro. Guter Stundenlohn! Sollte irgendwo eine Ausbildung zu diesem Job angeboten werden, würden sich sicher viele dort eintragen. Das Problem: Niemand war wirklich bereit, dem Mann diese Summe zu zahlen - oder allgemein irgendeine finanzielle Entschädigung zu entrichten. Und mal unter uns: Wie kam er bitte auf genau diese Summe? Des Weiteren forderte der royale Kandidat übrigens auch einen Schadensersatz dafür, dass durch die Veröffentlichung seines Auftritts im Internet sein Persönlichkeitsrecht und sein Recht am Bild verletzt wurden.

Das Oberlandesgericht Stuttgart machte seine Hoffnungen auf das Geld aber zunichte. Für seine Auftritte sei kein Vertrag geschlossen worden, also bestehe auch kein Anspruch auf eine Gage. Nur weil sich jemand auf eine Bühne stellt und (ohne vorherige Vereinbarungen über eine Gage) eine Show abliefert, bedeutet das noch lange nicht, dass derjenige auch vergütet wird - geschweige denn mit 300 000 Euro.

Auch gegen die Bildaufnahmen konnte der Kandidat nichts unternehmen, weil sein Recht am eigenen Bild nicht verletzt gewesen sei. Danach bedarf es zwar grundsätzlich einer Einwilligung in die Veröffentlichung von Fotoaufnahmen. Dies gilt jedoch nicht bei bestimmten Ausnahmen aus dem Kunsturhebergesetz. Eine davon sind Aufnahmen aus dem Bereich der »Zeitgeschichte«, bei denen das öffentliche Interesse schwerer wiegt als das Persönlichkeitsrecht. Und der Mann bezeichnete sich ja sogar selbst als »Person der Zeitgeschichte«. Seine Äußerungen und die Art seines Auftretens führten jedenfalls zu einem erhöhten öffentlichen Interesse. Genau wie die Podiumsdiskussion, an der der Mann teilnahm. Somit überwog hier das Interesse der Medien das Persönlichkeitsrecht des Mannes im Bademantel. Ups, ich meine natürlich Königsmantel, mea culpa ...

Der Mann stritt zwar stets ab, dass es sich bei der ganzen Sache um einen Spaß gehandelt habe. Trotzdem haben wahrscheinlich viele Menschen was zum Lachen gehabt.

Oberlandesgericht Stuttgart, Urteil vom 24.06.2020, Az. 4 U 561/19

§ »TAKE THE MONEY AND RUN!« IST DAS KUNST ODER KRIMINELL?

Für den einen ein Schrotthaufen oder sinnloses Gekritzel - für den anderen die sinnstiftende Anordnung von Ästhetik, geeignet, um partielle Gehirnbereiche derart zu reizen, dass ein verblüffendes »Woaah!« nicht unterdrückt werden kann. Kunst liegt im Auge des Betrachters. Das macht jedes Kunstwerk einzigartig. Aber wo liegt die Grenze zur Kunst, und wo fängt Strafbarkeit wegen Betrugs an? Diese Grenze zu finden, scheint für viele Künstler die höchste Form der künstlerischen Entfaltung überhaupt zu sein. Anders kann man manche Aktionen in der Vergangenheit wohl nicht nachvollziehen: Eine Banane - als Kunstinstallation -, welche der Aktionskünstler nach dem Verkauf in Höhe von 120 000 Dollar selbst verspeiste. Skulpturen, die der Bildhauer ins Meer schmiss, sodass sich die Fische an der Ausstellung ergötzen konnten. Oder ein Hammer an der Wand unter dem Arbeitstitel Do it yourself.

In diese Reihe an abstrusen Kunstwerken hat sich neben Banksy mit der geschredderten Balloon-Girl-Malerei nun auch der Däne Jens Haaning eingereiht: Ein Kunst-Museum beauftrage den Mann, unter dem Ausstellungsnamen Work it out - eine Ausstellung über unser Verhältnis zur Arbeit und zum Geld - zwei Gemälde anzufertigen. Dazu stellten sie Haaning umgerechnet 74 000 Euro in Scheinen zur Verfügung, die dieser - ähnlich seinen vorherigen Kunstwerken - veredelt in ein ästhetisches Kunstwerk verwandeln sollte. Als dann am Stichtag das Werk im Museum eintraf, staunte der Museumsdirektor nicht schlecht. Zwei Bilderrahmen bekam er zurück. Aber nicht mit den erhofften Banknoten, sondern mit komplett leerer Leinwand. Das Staunen galt also nicht dem Werk, sondern dem Bankkonto des Museums, das nun um 74 000 Euro leichter war. Wie das Werk heißt, ließ Haaning den Direktor per E-Mail wissen: Take the Money and Run. Anschließend berichtete er, dass er für den Auftrag nur etwa 1300 Euro erhalten habe. Das deckte nicht mal ansatzweise seine Arbeitskosten, sodass er passend zur Ausstellung dachte: »Warum mache ich keine Arbeit über meine eigene Arbeitssituation?« Volltreffer! Thema getroffen, musste sich auch das Museum eingestehen und hängte die beiden leeren Rahmen, samt Erklärung, in der Ausstellung auf. Die Arbeit ist für Haaning keine brotlose Kunst, irgendwie muss er davon leben können.

Aber wie verträgt sich das Recht mit der Kunst? Muss Haaning die Banknoten vielleicht doch noch zurückgeben, oder ist alles von der Kunstfreiheit gedeckt?

Zuerst stellt sich natürlich die Frage: Was ist Kunst? Wenn es bei Künstlern unendliche Interpretationsspielräume gibt, dann gibt es unter Juristen unendliche Gründe, sich zu streiten. So auch über den Kunstbegriff aus Artikel 5 Abs. 3 des Grundgesetzes. Neben dem formalen Kunstbegriff, welcher sich nur nach bestimmten Werktypen richtet, gibt es den materiellen und den offenen Kunstbegriff. Der materielle besagt, dass ein Werk den Ausdruck der freien schöpferischen Gestaltung des Künstlers beinhalten muss. Der offene Kunstbegriff geht noch weiter und sagt, dass Kunst nicht definierbar ist. Kurz gesagt, getreu dem Zitat von Ernst Fischer: »Die Kunst muss nichts. Die Kunst darf alles.« Das sollte mal meine ehemalige Lehrerin hören, dann hätte sie mir für mein »Nicht identifizierbarer Versuch eines Sonnenaufgangs« wohl keine 4- gegeben!

Aber zurück zu Take the Money and Run. Das Werk ist nach allen Begriffen rechtlich als Kunst zu verstehen. Bleibt das Museum also auf seinen Kosten sitzen? Wahrscheinlich nicht. Die Kunst darf zwar alles, rechtfertigt aber nicht alles. Strafgesetze zum Schutz des ebenfalls grundrechtlich geschützten Eigentums schränken den Schutz der Kunstfreiheit ein. So darf man auch nicht einfach nachts einen Zug auf einem verlassenen Bahnsteig besprühen, nur weil einen die Muse küsst. Ob Haaning das Geld behalten darf, richtet sich nach dem zwischen ihm und dem Museum geschlossenen Vertrag. Nun könnte man natürlich der Auffassung sein, dass der Museumsdirekter diesen als erfüllt ansah, weil er ja die Bilder in der Ausstellung aufhängte. So jedenfalls sieht es der Künstler. Nur hatte der Museumsleiter bis zuletzt gehofft, dass es sich um einen PR-Gag handelte und sein Auftragnehmer das Geld am Ende der Ausstellung zurückgeben werde. Weit gefehlt! Nach Ende der Ausstellung Anfang 2022 fehlte von den Scheinen weiter jede Spur. Deshalb hat das Museum eine Zivilklage gegen den Künstler eingereicht.

Nach deutschem Recht könnte obendrein noch eine strafbare Unterschlagung nach § 246 StGB im Raum stehen, also eine Art Diebstahl, nur ohne Wegnahme. Das Museum war immerhin naiv genug, ihm das Geld zu überreichen. Jens Haaning dagegen ist sich keiner Schuld bewusst. Er habe nichts Kriminelles gemacht, sagte er den Medien. Er habe nur einen Vertrag nicht eingehalten - nun, genau da liegt juristisch betrachtet eben das Problem, lieber Freigeist.

Wie schon einst Picasso zu sagen pflegte: »Das Geheimnis der Kunst liegt darin, dass man nicht sucht, sondern findet.« Gefunden hat der Museumsdirektor die Kunst allemal, nur auf die Suche hätte er sich lieber nicht gemacht. Denn unterm Strich lag der Etat der Ausstellung weit über seinem zur Verfügung gestellten Budget.

§ AFD FÄLLT AUF SATIRE-AKTION REIN: ZERSCHREDDERTE PARTEIWERBUNG ALS KUNST?

»Zur Verfügung gestelltes Budget« ist nicht nur der wunde Punkt des Museumsdirektors aus dem vorherigen Fall, er ist es auch bei der AfD, wenn es um die Bundestagswahl 2021 geht.

Kurz vor der anstehenden Wahl sollten 72 Tonnen Werbematerial in Form von AfD-Flyern in die Briefkästen der deutschen Wähler finden - bevor sie dann bei den meisten, nach einem kurzen Blick auf die Überschrift, im Müll landen würden. Doch die Flyer wanderten ohne den Umweg des Briefkastens direkt in den Müll. Und zwar gebündelt in einem großen Container, dessen Inhalt anschließend zu großen Teilen geschreddert wurde ... Hoppla! Wie kam es dazu?

Das Zentrum für Politische Schönheit (ZPS), das bereits in der Vergangenheit mit Kunstaktionen gegen Rechtsextreme wie zum Beispiel Björn Höcke auffiel, erstellte die Webseite »Flyerservice Hahn«. Darüber boten sie zahlreichen Kreisverbänden der AfD ihre Dienste an. Und siehe da: Gelockt von den günstigen Preisen wurde dem fiktiven Unternehmen Flyerwerbung von ganz Deutschland geschickt. Sogar aus Schleswig-Holstein sollen Flyer nach Mainz geschickt worden sein, nur um diese wieder in Schleswig-Holstein zu verteilen. (Da hätte man doch mal Verdacht schöpfen können, oder?) Auch, dass das Unternehmen nicht im Handelsregister stand, hielt viele Verbände nicht ab, dort zu bestellen und den Flyerservice Hahn sogar als Geheimtipp auf Parteiveranstaltungen anzupreisen. Die Flyer nahm die »Firma« gern an. Nur, wie vorher ausgemacht, ausgeteilt wurden sie nicht. Zum Leid der AfD, die natürlich viel Geld in die Wahlwerbung gesteckt hatte.

Wenige Tage nach der Bundestagswahl dann die Auflösung. Das ZPS bekannte sich zu der Aktion und bezeichnete sich als »Weltmarktführer im Nichtverteilen von Nazi-Flyern«. Es gebe keinen Unterschied, ob man auf Parteiveranstaltungen einen Flyer entgegennehme und diesen anschließend wegschmeiße oder die Sache, wie hier, etwas größer aufziehe. Der Vorgang sei lediglich etwas »industrialisiert« worden.

Direkt nach der Aktion leitete die AfD rechtliche Schritte ein. Doch was könnte den Aktionskünstlern drohen? Sie behaupten immerhin, es sei alles von der Kunstfreiheit gedeckt.

Auf der anderen Seite steht die AfD, welche - zwar durch ihre eigene fehlende Sorgfalt - viele Steuergelder und eventuell sogar einige Stimmen durch die Aktion verlor. Parteien stehen unter besonderem Schutz, so wird die Vorgehensweise des ZPS von Politikwissenschaftlern als »problematische Aktion« betitelt, da alle (noch) nicht verbotenen Parteien im Wahlkampf die gleichen Chancen haben müssen. Auf der anderen Seite muss man anmerken, dass die AfD ihre Chancen durch eigene - seien wir ehrlich - Doofheit verspielt hat.

Lassen wir mal die politischen Einschätzungen weg, wie sieht das Ganze nüchtern betrachtet rechtlich aus? Klappern wir das StGB und das BGB mal ab:

Was natürlich ganz laut aus dem Strafgesetzbuch ruft, ist ein Betrug nach § 263 StGB. Dafür bräuchten die Betreiber der Plattform aber eine sogenannte Bereicherungsabsicht. Daran fehlt es dem ZPS wahrscheinlich, da sie sich nicht unmittelbar finanziell bereichern wollten und, laut eigenen Angaben, keinerlei Geld angenommen haben.

Die Flyer wurden jedoch nicht nur in Mülltonnen gelagert. Über fünf Millionen Flyer wurden geschreddert. Dies sollte zweifelsfrei eine Sachbeschädigung darstellen, sofern die AfD nach der Wahl nicht freiwillig auf das Eigentum der Flyer verzichtet hat. Eine Rechtfertigung durch die Kunstfreiheit ist eher unwahrscheinlich, da die Grenze meist bei der Strafbarkeit endet und aufseiten der AfD auch Grundrechte stehen wie etwa die Parteienfreiheit nach Art. 21 GG.

Eventuell könnte weiterhin eine Unterschlagung im Raum stehen. Dafür müsste aber ein Zueignungsvorsatz bestanden haben. Daran könnte es scheitern, weil das ZPS bei einer AfD-Demonstration die geschredderten Flyer mit einer Konfettimaschine über die Demonstranten schoss und sie so »wieder zurückgegeben wurden«. Dazu hat das Zentrum folgenden Facebook-Post abgesetzt, der mich kurz stutzig werden und schließlich ein bisschen schmunzeln ließ:

»BREAKING: AFD-Teilerfolg gegen Flyerservice Hahn!

Vor einem internen Schiedsgericht des Zentrums für Politische Schönheit hat die ›Partei‹ AFD heute einen Sieg gegen den Flyerservice Hahn erzielt. Der vorsitzende Richter entschied, dass der Flyerservice Hahn der AFD umgehend sämtliche noch verbliebenen Reste des unterschlagenen Wahlkampfmaterials aus der Bundestagswahl 2021 zurückgeben muss: ›Die Rückgabe hat vollständig und sofort zu erfolgen‹, ordnete Richterin Ursula Böcke an.

›Uns bleibt keine Wahl‹, so Stefan Pelzer, Mehrheitseigentümer der Flyerservice Hahn GmbH (iG/iL). ›Wir haben keine technischen Mühen gescheut, um die Rückgabe sofort zu ermöglichen. Die verbliebenen 612 Kilogramm an geschredderter brauner Wahlkampfpropaganda wurden der AFD im Rahmen ihrer heutigen Demonstration auf einen Schlag - mithilfe des ›Hahnblaster 10 000‹ - zurückgegeben.‹«

Außerdem seien die Flyer der AfD direkt nach der Wahl auch im Ganzen zur Abholung angeboten worden. Das lehnte die AfD natürlich ab, da sie nun den Zweck der Wahlwerbung nicht mehr erreichen konnte. Und Konfetti hätten sie bestimmt auch günstiger bekommen.

Am 13.01.2022 gab es dann trotzdem eine Razzia der Staatsanwaltschaft Berlin. Der Vorwurf lautete: § 269 StGB - Fälschung beweiserheblicher Daten, das digitale Äquivalent zur Urkundenfälschung. Durch eine falsche Webseite und ein falsches Impressum könnte das ZPS sich strafbar gemacht haben. Es wurden Gebäude des ZPS durchsucht und Daten sichergestellt. Die Ermittlungen dauern an.

Bei der zivilrechtlichen Frage, ob die AfD das Geld für die Flyer vom ZPS zurückbekommen kann, ist entscheidend, was genau in den einzelnen Gesprächen der AfD-Verbände und des Flyerservice Hahn ablief. Zwar wird ein Vertrag - anders als das ZPS behauptet - in den meisten Fällen zustande gekommen sein. Das geht nämlich auch mündlich beziehungsweise durch schlüssiges Verhalten wie die Annahme der Flyer. Viel problematischer ist jedoch, was genau der Schaden ist, der ersetzt werden müsste. Geld hat das ZPS nicht genommen. Deswegen könnte man nur darüber nachdenken, sämtliche Vorgänge von der Flyerherstellung bis zur Werbekampagne als »verschwendete Aufwendungen« geltend zu machen. Dafür müsste die AfD in einem Zivilprozess viele Details über Parteispenden und Ähnliches offenlegen, was laut ZPS wohl nicht in ihrem Interesse wäre. Spannend bleibt es also auch hier.

Für welche rechtliche Seite wird sich also das Gericht entscheiden, wenn es zu einer zivilrechtlichen Klage oder strafrechtlichen Anklage kommt? Wir können gespannt auf den Ausgang warten.

§ NICHT WASSER ZU WEIN, SONDERN KALBSLEBER ZU OBST - ÜBER 200 000 EURO STRAFE!

Der Sparfuchs dieses Falls schummelte bei einer Selbstbedienungskasse, indem er einfach Kalbsleber als billigeres Obst umetikettierte und so zwischen 13 und 47 Euro sparte. Dreimal hatte er mit dieser Aktion Erfolg. Hätte er es doch bei »aller guten Dinge sind drei« belassen, wäre ihm sehr großer Ärger erspart geblieben. Um Shakespeare in Bezug auf die Tat zu zitieren: »Seine Diebereien waren zu offenbar ...« Der vierte Versuch war der letzte, der Bandit wurde erwischt. Und landete vor dem Amtsgericht München. So weit, so normal. Kurios ist jedoch die Strafe: Er wurde zur Zahlung von 208 000 Euro verdonnert - kein Witz! Wie konnte das passieren?

Nun, eigentlich wurde der 58-Jährige wegen Diebstahls nur zu einer Zahlung von 260 Tagessätzen verurteilt. Das ist auch nichts Ungewöhnliches. Der Mann hatte während der Verhandlung nämlich nicht nur seine vier vorherigen Taten zugegeben. Bei der Festlegung der Tagessätze wurden auch seine Vorstrafen berücksichtigt, die Kalbsleber war nämlich nicht die erste im Führungszeugnis festgehaltene Straftat des Mannes. Er war in der Vergangenheit unter anderem wegen Steuerhinterziehung zu einer Freiheitsstrafe und einer Geldstrafe von 400 000 Euro verurteilt worden. Zu seinen Lasten sei auch die nicht unerhebliche kriminelle Energie bei seinem Vorgehen zu berücksichtigen.

Doch wie kommt man von 260 auf 208 000 Euro? Nun, indem man den Tagessatz mit 800 multipliziert. Das nämlich wird das sein, was der gute Mann am Tag verdient, also rund 24 000 Euro im Monat - hoppla! Wenn man so ein Einkommen hat, warum hat man es dann nötig, beim Fleischkauf zu »sparen«? Nun, ein Motiv für seine Diebstähle konnte der Kaufmann nicht nennen. Vielleicht war es der Nervenkitzel? Langeweile? Kleptomanie? - Die wäre allerdings meist strafmildernd zu berücksichtigen. Ob hier die Gelegenheit die Tat verursacht hat? Einer britischen Studie nach hat jeder Fünfte schon mal an sogenannten SB-Kassen geklaut. Es scheint, als würde die Digitalisierung immer mehr Langfinger ans Tageslicht bringen. Es gibt sogar Foren, in denen neue Möglichkeiten vorgestellt werden. Besonders beliebt ist der »Banana-Trick«: Hier wird das Etikett von teuren mit dem von billigen Bananen getauscht.

Was auch immer das Motiv unseres Mannes war, wir werden es wohl nicht erfahren. Vielleicht wusste er es selbst nicht. Was wir auf jeden Fall lernen: Auch wenn es einfach geht, so ein Diebstahl ist zur Nachahmung nicht empfohlen, selbst wenn ihr keine 24 000 Euro im Monat verdient.

Amtsgericht München, Urteil vom 10.01.2018,Az. 864 Ds 238 Js 223135/17

§ VODAFONE-VERTRAG MIT HERRN GYSMO

Alles fing mit einem dieser Telefonate an, in denen irgendeine Callcenter-Mitarbeiterin eine Frau zur Erweiterung ihres bestehenden Vodafone-Vertrags bewegen wollte. Es war wohl ein nettes Gespräch, bei dem beide Frauen auch über den Kater der Angerufenen redeten, dem einzigen anderen Bewohner im Haushalt. Doch auch wenn die Kundenberaterin sicherlich mit Engelszungen auf die Dame einredete, diese ließ die Klinken- bzw. Telefonhörer-Putzerin abblitzen. Die enttäuschte Mitarbeiterin von Vodafone hatte dann jedoch eine mehr als raffinierte Idee, um doch noch die Provision abzugreifen: Sie gaukelte ihrem Arbeitgeber einfach vor, tatsächlich einen Vertrag für eine Internet- und Telefon-Flatrate inklusive TV-Paket abgeschlossen zu haben, und zwar mit einem mysteriösen Herrn Gysmo. Wer das war? Der bereits erwähnte geliebte Kater der Angerufenen. Die Provision muss es wirklich in sich gehabt haben, wenn auf solche Mittel zurückgegriffen wird!

Ein Vertrag mit einer Katze - klingt absurd. Ist so etwas vielleicht tatsächlich durch ein Hintertürchen möglich? Machen wir es kurz: Nein, das geht (natürlich, mag man schon sagen) nicht. Verträge können nur mit Menschen abgeschlossen werden. Und selbst wenn: Die Katze hatte dem Vertrag ja nicht einmal mit einem Miauen zugestimmt - geschweige denn ihre menschliche Katzenmama.

So weit, so gut, sollte man meinen. Da kein wirksamer Vertrag zustande gekommen ist, hätten der Kundin aus Bremen auch keine Rechnungen mehr gestellt werden dürfen. Ganz so einfach war es aber leider nicht. Vodafone hielt nämlich am Vertrag fest, sandte weiterhin Rechnungen raus und buchte regelmäßig die vermeintlich vereinbarten Summen ab. Das ärgerte Gysmos Halterin wirklich tierisch, sodass sie die Lastschriftermächtigung widerrief. Das Telekommunikationsunternehmen gab sich jedoch nicht geschlagen und schaltete ein Inkassobüro ein, nachdem keine Zahlungen mehr eingingen. Mehrere Versuche, den Kundenservice um Lösung des Problems zu bitten, waren erfolglos. Also sah sich die Kundin gezwungen, die Verbraucherzentrale in Bremen einzuschalten. Glücklicherweise konnte die dann das Unglück bereinigen: Der Vertrag wurde storniert, und die Kundin erhielt das Geld für bereits bezahlte Rechnungen zurück.

Vodafone erklärte anschließend, dass die für das Fiasko zuständige Vertrieblerin entlassen und Strafanzeige wegen Betrugs gegen sie gestellt worden sei. Denn das war nicht der einzige mehr als suspekte Fall der Mitarbeiterin mit der kriminellen Energie.

Diese Aktion der Vertrieblerin war echt für die Katz’. Der Einzige, der von alledem nichts mitbekam, war wahrscheinlich Gysmo selbst. So ein Katerleben muss entspannt sein.

§ DIESE GEFÄLSCHTEN GELDSCHEINE HATTEN ES IN SICH ... ODER AUCH NICHT

War die folgende Aktion dreist, doof oder sogar beides? Da hat sich wohl jemand vom Film Catch Me If You Can inspirieren lassen. Denn wie einfach wäre das Leben, wenn man Geldscheine (oder wie im Film Schecks) ohne Weiteres fälschen könnte, um sich ein Leben in Saus und Braus zu ermöglichen? Ein Mann aus Ingolstadt versuchte jedenfalls, eine Prostituierte mit zwei selbst gefälschten Scheinen zu bezahlen, die er ihr zusammen mit einem echten übergab. Hier hört die Dreistigkeit der Geschichte aber nicht auf.

Brisant an der Sache war insbesondere die Art und Weise der Fälschung: Der Bayer druckte sich die Geldscheine mit einem herkömmlichen Kopierer aus - aber einseitig. Also musste er die gedruckten Scheine zusammenkleben. Was ist dreister: Die Art der Fälschung oder dass er wirklich dachte, die Prostituierte werde es nicht bemerken? Die Frau wusste wahrscheinlich im ersten Moment kaum, ob sie lachen oder wütend sein sollte, so dämlich, wie der Mann hier versuchte, sie übers Ohr zu hauen. Sie verständigte kurzerhand die Polizei, und der damals 32-Jährige musste sich vor dem Amtsgericht München verantworten.

Immerhin zeigte er sich dort einsichtig und gab zu, dass die Aktion dumm gewesen war. Ebenfalls gestand er, dass die Scheine speziell für den Bordellbesuch gemacht waren. Was dem Angeklagten beim Urteil zugutekam: Er zeigte Reue und wies keine große kriminelle Energie auf. Außerdem war sein Vorgehen äußerst anfängerhaft und konnte deshalb keinen großen Schaden anrichten. Zu Lasten fiel ihm hingegen, dass (obwohl beim einfachen Hinsehen schon auffiel, dass die Scheine gefälscht waren) die Größe und Farbe stimmten. Außerdem ergaunerte er sich dadurch 100 Euro - nicht gerade wenig Geld. Darüber hinaus beging er die Tat, wie die Strafrechtler sagen, in Tateinheit mit einem Betrug. Einfach gesagt: Nicht nur fälschte er Geld, er wollte damit auch eine andere Person täuschen. Insgesamt erhielt er eine einjährige Freiheitsstrafe, die auf Bewährung ausgesetzt wurde.

Die Richter glaubten, dass es sich bei der Tat um ein einmaliges Vergehen handelte. Das wäre dem Mann auch zu raten. Denn WENN man schon Geld fälscht, wäre es ratsam, ETWAS professioneller vorzugehen ...

Amtsgericht München, Urteil vom 25.04.2018, Az. 1111 Ls 245 Js 196316/17

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GELD: WIE GEWONNEN, SO ZERRONNEN

»Ma hat ma Glück, ma hat ma Pech, Mahatma Gandhi.« Der Mann, von dem das Zitat »Die Welt hat genug für jedermanns Bedürfnisse, aber nicht für jedermanns Gier« stammt, hätte über das Verhalten von einigen der folgenden Protagonisten wahrscheinlich mehr als geschimpft. Andere hätte er gelobt und mit Karmapunkten überschüttet. Doch welche Währung ist besser und hält länger, Geld oder Karma?

Was würdet ihr machen, wenn die Person vor euch auf der Straße ihren Geldbeutel verliert? Zurückgeben? Das würden wohl die meisten machen. Was wäre aber, wenn ihr einen Batzen Geld am Bahnsteig oder auf dem Friedhof findet und euch niemand beobachtet? Was wäre, wenn eine Bank euch fast 200 000 Euro überweist - würdet ihr Bescheid sagen oder schweigen, genießen und mächtig einen draufmachen?

Ich weiß, was Gandhi tun würde. Denn Glück durch Geld hält nur kurz. Und ob der lange Stress danach das kurze Glück wert ist, das ist eine philosophische Frage. Nicht philosophisch ist aber die Rechtslage. Denn ihr seid fast immer verpflichtet, das Geld zurückzugeben - dafür gibt es schließlich den Finderlohn. Wenn ihr das nicht tut, dann drohen oft Konsequenzen - auch wenn ihr es geschafft habt, das Geld innerhalb weniger Tage auszugeben ...

Verprasst, verbrannt, vergeudet, verschwendet, verloren. Die Möglichkeiten, wie man erlangtes Geld wieder loswird, sind vielzählig. Von ehrlichen und unehrlichen Findern, schnellem Reichtum und langen Gerichtsprozessen.

§ KIND FINDET 15 000 EURO UND VERPRASST SIE MIT FREUNDEN - UND JETZT?

Stellt euch vor, ihr seid Elternteil eines 13-Jährigen (außer natürlich diejenigen, die sich das nicht vorzustellen brauchen). Er hat viele Freunde, er benimmt sich, und gute Noten bringt er auch noch nach Hause. Alles läuft perfekt. Sein Taschengeld von 30 Euro im Monat hat er sich allemal verdient! Doch auf einmal bringt er neue Rucksäcke oder teure Ohrringe mit nach Hause. Na ja, denkt ihr euch, soll er mit seinem Geld machen, was er will, auch wenn der alte Rucksack eigentlich noch in gutem Zustand war. Aber immer mehr Merkwürdigkeiten fallen euch auf. Statt online mit seinen Freunden Fortnite zu spielen, trifft er sich mit ihnen jetzt sogar im echten Leben. Auf Nachfrage antwortet er nur: »Bin mit Freunden essen und bowlen.« Ihr vermutet, da stimmt irgendwas nicht. Wo hat er das Geld dafür her? Verkauft er etwa Drogen oder - noch schlimmer - ist er Influencer geworden? Als er eines Abends dann mit einem funkelnagelneuen E-Roller heimkommt und gerade versucht, diesen zu verbergen, seid ihr euch sicher, die Sache stinkt zum Himmel. Ihr stellt den Bengel zur Rede.

So oder so ähnlich muss es sich bei einer Familie aus Oberhaching in der Nähe von München abgespielt haben. Der 13-jährige Schüler fand am Bahnsteig eine Aktentasche mit stolzen 15 000 Euro. Auch wenn Bayern ein eher religiös geprägtes Bundesland ist, hat sich der Jugendliche nicht gefragt: »Was würde Jesus tun?« - oder neudeutsch: »What would Jesus do?« Den Fund abzugeben, daran dachte der Junge vielleicht nur kurz. Wohl länger beschäftigte ihn der Gedanke, was er mit dem ganzen Geld kaufen könnte. Wenigstens an eine der christlichen Lehren hatte der Junge gedacht: Geteiltes Glück ist doppeltes Glück. Oder er wusste einfach nicht, wie er das ganze Geld allein ausgeben sollte. So kaufte er mit seiner fünfköpfigen Freundesgruppe allerhand Schabernack, klapperte Restaurants ab und unternahm teure Ausflüge. Bis die Eltern dann - vielleicht weil kein Laden einen E-Scooter in 30-Euro-Monatsraten verkauft - den Jungs auf die Schliche kamen.

Doch was könnte der Freundesgruppe schlimmstenfalls passieren - bis auf Hausarrest und Playstationentzug?

Strafrechtlich könnte die Zueignung einer fremden Sache, sofern sie nicht zum Fundbüro oder Eigentümer gebracht wird, eine Unterschlagung nach § 246 StGB sein. Das wird mit einer Geldstrafe beziehungsweise Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren bestraft. Auweia! Das Glück? Der Junge war erst 13 Jahre alt. Nach § 19 StGB sind nur 14-Jährige schuldfähig und damit strafmündig. Puhh, noch mal glimpflich davongekommen.

Aber was ist mit demjenigen, der das Geld verloren hat? Wenn der Junge Glück gehabt hat, ist für den anderen dann nur noch die Kehrseite, also das Pech, übrig? Nicht ganz, immerhin gibt es noch das Zivilrecht. Tatsächlich wurde der ursprüngliche Inhaber der Tasche gefunden. Nur, an wen musste er sich wenden?

Sowohl nach dem Fundrecht als auch nach dem Deliktsrecht hat der Eigentümer ein Recht, das Geld zurückzufordern. § 828 BGB beschäftigt sich mit der Haftung für Minderjährige. Wenn der 13-Jährige genau wusste, dass sein Verhalten falsch war, er also die sogenannte Einsichtsfähigkeit besaß, dann wäre er auch selbst dafür verantwortlich.

Aber es heißt doch immer: »Eltern haften für ihre Kinder«, wie sieht es damit aus? Dieser Satz ist mehr Abschreckung als Wahrheit. Eltern haften nur, wenn sie ihre elterlichen Sorgfaltspflichten verletzen. Je nach den Umständen könnte der 13-Jährige also ganz allein haften. Natürlich reicht dafür sein Taschengeld nicht, sodass am Ende doch die Eltern den Geldbeutel öffnen müssten.

Zumindest die gekauften Gegenstände konnten die Eltern aber wieder zurückgeben. Ein 13-Jähriger ist nämlich nur beschränkt geschäftsfähig. Das heißt, für den Kauf von Sachen, die er nicht mit seinem Taschengeld bezahlen kann - und das ist bei einem E-Roller der Fall -, benötigt er die Zustimmung seiner Eltern. So konnten die Eltern, bis auf wenige Tausend Euro, das ganze Geld wieder auftreiben. Und das beim Bowling und im Restaurant verprasste Geld? Das zahlten sie dem 62-jährigen Verlierer aus eigener Tasche zurück. Also waren am Ende alle glücklich - bis auf die Eltern.

In Zukunft sollte der Junge den Fund also einfach im Fundbüro abgeben. Dann wartet auch ein saftiger Finderlohn. So hätte es immerhin 450 Euro für den Schüler gegeben. Das ist mehr als ein Jahr Taschengeld!

Bleibt nur noch eine Frage offen: Was wollte der Mann mit den knapp 15 000 Euro Bargeld in der Aktentasche?

§ 80 000 EURO IN MIETWOHNUNG GEFUNDEN: GEHÖRT DAS GELD MIR?

Eine Situation, die sicher viele schon erlebt haben: Man zieht in eine neue Wohnung oder in ein neues Haus und findet dort irgendwelches Zeug, das die Vormieter vergessen haben. Meist handelt es sich um weniger wertvolle Dinge, schließlich wären sie sonst nicht vergessen worden. Was euch aber (zu eurem Leidwesen) wohl noch nicht passiert ist: einfach mal richtig viel Kohle in der neuen Bude finden! Und mit Kohle meine ich keine schwarzen Klumpen im Keller, sondern Geld. Und zwar richtig viel davon!

Die Mieterin in diesem Fall staunte nicht schlecht, als sie statt altem Krimskrams einen Fund machte, der ihre Augen wohl funkeln ließ ... Schlappe 80 000 Euro hatten irgendwelche Vormieter in einer Wand innerhalb der Wohnung versteckt - offengelegt durch Handwerksarbeiten. Die ehrliche Finderin fackelte aber nicht lange und brachte das Geld zum Fundbüro - Chapeau!

Doch das barmherzige Samaritertum der Dame währte nicht lange, und sie ärgerte sich vermutlich grün und blau über ihre eigene unüberlegte Ehrlichkeit. Vielleicht hatte die Frau bemerkt, was man mit so viel Geld alles anstellen könnte: sich zum Beispiel eine sehr viel bessere Wohnung leisten, den ungeliebten Job an den Nagel hängen und sich ein Sabbatical-Jahr auf den Malediven gönnen - oder vielleicht dem ganzen Alltagsverdruss durch einen Kurztrip ins Weltall entfliehen? Nun gut, Letzteres bleibt mit dem Geld immer noch ein Luftschloss, dafür braucht man fünf Mal so viel. Aber träumen wird man ja dürfen! Welche Träume der Frau durch den Kopf gingen, wird ihr Geheimnis bleiben. Fakt ist: Sie verlangte die 80 »Racks«, wie man in der Jugendsprache für 1000 Euro/Dollar sagt, zurück.

Jetzt wird es knifflig. Denn der Mann, dem das Geld einmal gehört haben musste, war bereits verstorben. Wie sich herausstellte, suchte die Erbin des Herrn nach dem Geld, konnte es aber nicht finden - das Versteck war einfach zu gut. Das Fundbüro wollte die 80 000 Euro dann den Hinterbliebenen aushändigen, die Finderin hatte aber eine andere Meinung. Ihrer Ansicht nach hatte sie das Eigentum daran letztlich erworben. Schließlich war die Erbin als (frühere) Eigentümerin des Geldes sechs Monate nach Fund noch immer nicht aktiv geworden (wie auch?). Außerdem führte die Finderin auf, dass nicht alle vergangenen Mieter ausfindig gemacht werden konnten, weshalb nicht eindeutig feststehe, dass das Geld auch wirklich dem Verstorbenen gehört habe. Problematisch an dieser Argumentation war, dass mit dem Geld auch Zettel mit Datumsangaben gefunden wurden. Und die Daten stimmten mit dem Zeitraum überein, in dem der pfiffige Mann das Geld versteckt hatte.

Trotzdem ging der Fall vor das Amtsgericht, und wenig überraschend bekam die Erbin recht. Schließlich war das Geld nur versteckt worden und nicht verloren gewesen. Die Finderin hatte die Moneten also nicht gefunden, sondern quasi nur entdeckt. Oder auf Juristisch: Das Geld war durch das Verstecken nicht »besitzlos« geworden. Warum das wichtig ist? Weil das Fundrecht, das einen Eigentumserwerb nach sechs Monaten vorsieht, nur Anwendung findet, wenn die Sache verloren, also besitzlos war. Bei Wohnungen handelt es sich aber um den Herrschaftsbereich der darin wohnenden Person. Also selbst wer etwas in seiner eigenen Wohnung versteckt (oder sogar verliert), ist noch immer Besitzer dieser Sache. Wenn der Besitzer verstirbt, wandert der Besitz automatisch zu den Erben. Somit hatte die neue Mieterin hier keine Chance auf das Bare.

Jetzt eine Frage zum Mitraten: Wie sieht es mit einem Finderlohn aus? Antwort: Den gab es ebenfalls nicht. Schließlich war das Geld nicht verloren, wie wir eben geklärt haben.

Leider ging die ehrliche Finderin also leer aus. Den Fund nicht abzugeben, wäre übrigens keine bessere Option gewesen. Dann hätte sich die Dame schließlich wegen Unterschlagung strafbar gemacht.

§ 500 000 EURO AUF DEM FRIEDHOF ENTDECKT - WEM GEHÖREN DIE GRABSCHÄTZE?

Einmal einen echten Schatz finden - wahrscheinlich eine Wunschvorstellung vieler Menschen und insbesondere derer, die aktiv suchen. Tatsächlich schlummern allein schon in den Tiefen unserer Meere Schätzungen zufolge Milliardenschätze. Doch manchmal ist das Glück näher bei uns, als wir denken. Ein Friedhofsgärtner staunte nicht schlecht, als er bei der Arbeit über 100 000 Euro in bar und eine Vielzahl von Münzen im Wert von über 400 000 Euro fand.

Doch auch dieser Finder war ehrlich. Auf seinen Fund hin informierte er die Polizei, und die Schätze wurden wenig später beschlagnahmt. Das wollte der ehrliche Finder aber nicht auf sich sitzen lassen. Schließlich steht ihm doch ein Teil des Geldes und der Münzen zu, oder?

Wenig verwunderlich hat Deutschland solche Fälle geregelt. Nicht nur bestimmt das BGB, was bei einem Fund passiert. Der § 984 BGB befasst sich tatsächlich sogar mit dem Schatzfund: »Wird eine Sache, die so lange verborgen gelegen hat, dass der Eigentümer nicht mehr zu ermitteln ist (Schatz), entdeckt und infolge der Entdeckung in Besitz genommen, so wird das Eigentum zur Hälfte von dem Entdecker, zur Hälfte von dem Eigentümer der Sache erworben, in welcher der Schatz verborgen war.« Auf diese Normen stützte sich der Finder und stellte einen Antrag auf Prozesskostenhilfe, um sich eine Klage finanziell zu ermöglichen. Innerhalb eines solchen Antrags werden dann auch die Erfolgsaussichten der Klage geprüft.

Doch wie im vorherigen Fall stellten die Richter Folgendes fest: Ein Fund im Sinne des BGB lag nicht vor. Das liegt daran, dass die Münzen wohl gezielt auf dem Friedhof versteckt wurden. Deswegen sind sie auch niemandem verloren gegangen und waren also nicht »besitzlos«. Ergo: kein Fund, also auch kein Finderlohn. Eigentümer und Besitzer bleibt die Person, die die Münzen versteckt hat (oder im Todesfall die Erben). Und ein Schatz war das hier auch nicht. Das jüngste Prägungsdatum einer der Münzen datierte auf 2016. Der »Schatz« war also nicht lang genug verschollen, um als solcher zu gelten. Der Mitarbeiter ging leer aus.

Trotzdem stellen sich noch einige ungeklärte Fragen: Wer versteckt so einen großen Wert auf einem Friedhof, und wie hat derjenige dort alles verbuddeln können, ohne dabei aufzufliegen? Und viel wichtiger: Hat der Eigentümer überhaupt gemerkt, dass sein Versteck doch nicht so sicher war, wie er vielleicht dachte?

Da sich fünf Jahre nach dem Fund noch immer niemand als Eigentümer herauskristallisiert hatte, beschloss die Stadt, den Schatz aufzuteilen. 60 Prozent flossen in eine Stiftung, mit den anderen 40 Prozent wurden die Friedhöfe in Dinklage finanziell unterstützt. Und der Finder? Der ging leer aus - wie gewonnen, so zerronnen. Immerhin konnte der Gärtner ganz viele Karmapunkte sammeln. Vielleicht gleicht sich seine gute Tat ja irgendwann in diesem oder dem nächsten Leben mit einem Lottogewinn aus.

Oberlandesgericht Oldenburg, Beschluss vom 07.10.2020,Az. 1 W 17/20

§ NACH FEHLÜBERWEISUNG: DAS REZEPT ZU DREI TAGEN REICHTUM

Wer beim Friseur die Seiten »auf Kontostand« rasieren lässt, hat wahrscheinlich auch einen Geldbeutel aus Zwiebelleder: Beim Reinschauen muss man weinen. Wenn man dann die Chance auf Reichtum hat, sollte man die Gelegenheit beim Schopf packen. Aber gibt es ein Rezept für den schnellen Reichtum? Und mit schnellem Reichtum meine ich nicht schnell verprasst. Fragen wir mal einen Mann aus dem Raum Hannover.

In einem Kochbuch für das schnelle Glück hätte der Mann nicht zu viel von einer Zutat nehmen sollen: gefährliches Halbwissen. Denn eigentlich klang sein Rezept erst mal gut: Man nehme etwas juristische Expertise aus dem Internet. Dazu mische man einen Löffel »vielleicht doch nicht so genialer Einfall«. Das Ganze wird abgeschmeckt mit »Aktivitäten, die in kurzer Zeit viel Geld kosten«. Natürlich darf am Ende die Prise »Familienmitglied, das bei der Bank arbeitet« nicht fehlen. Dazu noch die Geheimzutat »Entreicherung«. Et voilà: Serviert wird »drei unüberlegte Tage, die man wahrscheinlich eine lange Zeit bereut«. Probieren wir das Gericht also mal.

Der Protagonist hat im Jahr 2019 von seiner Bank eine Fehlüberweisung von sage und schreibe 170 000 Euro erhalten. Wie der Zufall so wollte, arbeitete seine Lebensgefährtin zu dem Zeitpunkt bei der Bank. Diese soll nach Angaben der Bank auch für die fehlerhafte Überweisung zuständig gewesen sein. Aber wir wollen nichts unterstellen. Beweise für eine geplante Bonnie-&-Clyde-Aktion gab es nicht. Der Mann war also jetzt erst mal - wie auch immer die Fehlüberweisung zustande kam - um 170 000 Euro reicher. Ob er selbst Gesetzestexte wälzte oder seine juristische Expertise aus Wikipedia (wobei das auch manchmal eine gute Quelle sein kann) stammte, jedenfalls hatte er vermutlich gelesen, dass man bei einer sogenannten ungerechtfertigten Bereicherung »entreichert« sein kann, wenn man das ganze Geld wieder ausgibt. Und zwar nicht für sinnvolle Sachen, sondern man muss es mit unnötigem Luxus, den man eigentlich nicht braucht, verprassen. So ganz unrecht hatte der Mann damit auch gar nicht, nur hatte er eine Sache überlesen, die ihm zum Verhängnis werden sollte.

Aber erst mal zum Verprassen: Innerhalb von drei Tagen gab der Mann 92 000 Euro aus. Beachtliche Leistung! Und dabei war er durchaus kreativ. 3600 Euro hat er sich einen Mietwagen und Hotelaufenthalte kosten lassen. 15 000 Euro verzockte er in der Spielothek. Fast 20 000 Euro landeten im Bordell. Und zu allem Ärger wurden dann auch noch 50 000 Euro »gestohlen«. Da denkt man zuerst an den wohl ausgelassensten Junggesellenabschied, den man sich vorstellen kann. Aber der Hannoveraner hat das ohne Hilfe in drei Tagen geschafft!

Als er sich schließlich seine Geheimzutat »Entreicherung« im Mund zergehen lassen wollte, meldete sich die Bank zeitnah bei ihm und forderte das Geld zurück. Die Bank sah sich nämlich auch in einer Sache entreichert: und zwar um einen einfachen Gerichtsprozess. Dem Landgericht Hannover schmeckte das Gericht ebenso wenig wie der Bank. Eine Entreicherung liege durch die Luxusaufwendungen zwar grundsätzlich vor, auf diese könne sich der Mann aber keinesfalls berufen, weil er von Anfang an mit einer Rückzahlung habe rechnen müssen. Bei so einer großen Summe hätte der Mann wissen müssen, dass diese ihm nicht zusteht.

Die Folge: Das ganze Geld sollte zurückgezahlt werden. Da er es nicht mehr hatte, musste der Verklagte es verdienen und in Raten zurückzahlen. Es sei denn, der Mann wollte einfach lediglich drei Tage wie ein König in Versailles leben und hatte noch seine Überraschungszutat in petto: »den Insolvenzantrag«. Falls er wirklich nicht mit seiner Frau unter einer Decke gesteckt hatte, musste er dieser dann zumindest erklären, wieso er für 20 000 Euro mit fremden Frauen im Bordell unter einer Decke gesteckt hatte.

Das Gericht kann man also drehen und wenden, wie man will. Am Ende sind beide Seiten für den Mann angebrannt. Hier bekam die Bank ihr Geld also wieder zurück. Ob die Bank im nächsten Fall auch so glimpflich davonkommt?

Zum Nachkochen: Landgericht Hannover, Urteil vom 27.07.2020, Az. 4 O 248/19

§ WURSTFINGERFEHLER: BANKER TIPPT EINE NULL ZU VIEL EIN - UND VERNICHTET 300 MILLIARDEN EURO

Fehler passieren, auch bei der Arbeit. Prinzipiell lassen sich die Geschehnisse dieses Arbeitstages im Sommer 2022 recht kurz und schmerzlos zusammenfassen: Ein Banker der Bank Citigroup hat eine Null zu viel eingetippt - ein klassischer Tippfehler also. Unter Brokern und Investmentbankern wird dieser Fehler gern auch Wurstfingerfehler oder fat finger error genannt. Also offenbar grundsätzlich nichts Unübliches. Auch bei Airlines passiert das häufiger, wenn sie den Preis für Flüge online stellen. Meist wird dann aber eine Zahl vergessen und die Reise wird plötzlich um ein Vielfaches billiger - ein sogenannter Error Fare.

Der Fehler des Bankers hatte aber weitaus schlimmere Folgen als billige Flugpreise. Er sorgte nämlich für einen »Flash Crash«: Aus dem Nichts sanken die Aktienkurse OMX Stockholm 30 um 8 Prozent und der Leitindex in Dänemark um 6 Prozent. Auch der europäische Aktienindex Eurostoxx 50 ging um 3 Prozent zurück. Mag vielleicht nicht besonders viel klingen, ist aber tatsächlich gravierend. Das alles passierte innerhalb von schnellen, aber schmerzhaften fünf Minuten. Insgesamt wurden 300 Milliarden Euro durch die Aktion vernichtet ... Wahrscheinlich ein persönlicher Rekord für den Banker. Und diese Aktion könnte auch den Guinness-Buch-Rekord für die teuersten Tippfehler der Weltgeschichte geknackt haben, falls es eine solche Kategorie gibt. Aber wenn es schon eine Kategorie für den größten Schaukelstuhl (17,09 Meter hoch) gibt, dann doch wohl auch für einen solchen Fauxpas, oder?!

Doch wie konnte das passieren? Durch den Tippfehler entstand ein Teufelskreis, nachdem aufgrund des Kursverlusts viele Aktien automatisch verkauft wurden, was den Kurs dann wiederum noch weiter nach unten getrieben hat. Auch Panikverkäufe trugen zum hohen Verlust bei (insbesondere von Anlegern, die Angst hatten, eine gewisse Entwicklung verpasst zu haben, und sich deshalb sicherheitshalber von den Aktien trennten). Glück im Unglück für manche Anleger: Ein Sicherheitsmechanismus konnte einige der Verkäufe noch aufhalten und den Anlegern so hohe Verluste ersparen. Dadurch konnte noch Schlimmeres verhindert werden. Charakteristisch für einen Flash Crash ist, dass sich die Kurse schnell wieder stabilisieren. Tatsächlich herrschte bereits am nächsten Tag wieder Normalität, der Verlust der 300 Milliarden Euro konnte abgewendet werden. Der Albtraum für den unfreiwilligen Verursacher hielt also glücklicherweise nicht lange an. Jedoch hatte die Citigroup selbst einen hohen finanziellen Schaden erlitten. Nicht alle Verkäufe wurden rückgängig gemacht, daher ist der Bank offenbar ein Gesamtschaden von knapp 50 Millionen Euro entstanden.

Jetzt stellt sich die spannende Frage, ob der Mitarbeiter dafür zur Verantwortung gezogen werden kann. Muss er die hohe Verlustsumme begleichen? Nun ja ... Beim Schadensersatz gilt der Grundsatz, dass der Zustand wiederherzustellen ist, der vor der schädigenden Handlung bestand. Nur: 50 Millionen Euro würden das Privatvermögen des unglücklichen Bankers sicherlich bei Weitem übersteigen.

Aber: Nach den Grundsätzen der Arbeitnehmerhaftung liegt das Betriebsrisiko, dass Mitarbeiter Fehler machen, grundsätzlich bei der Firma und nicht bei den Angestellten. Wenn diese also nur »leicht fahrlässig« gehandelt haben, muss der Arbeitgeber den vollen Schaden tragen, denn: Fehler passieren. Bei »normaler« Fahrlässigkeit muss zwischen den Interessen des Arbeitgebers und des Arbeitnehmers abgewogen werden. Dabei sind verschiedene Dinge relevant: ob es möglich gewesen wäre, das Risiko zu versichern; wie viel der Arbeitnehmer verdient; welche Stellung er im Unternehmen hat; wie gefahrgeneigt die Arbeit war. Hat der Arbeitnehmer jedoch grob fahrlässig gehandelt - also einen wirklich groben Fehler gemacht -, muss er grundsätzlich den vollen Schaden ersetzen. Jetzt kommt das große ABER: In der Regel darf der geforderte Betrag nicht mehr als ein Jahresgehalt betragen.

Jetzt stellt sich natürlich die Frage, in welche Kategorie unser Investmentbanker fällt. Ein Tippfehler bei so wichtigen Geschäftsprozessen dürfte kein Fall der leichtesten Fahrlässigkeit sein. Es kann meiner Meinung nach erwartet werden, Werte einer solchen Größenordnung vor dem Absenden zu überprüfen. Es dürfte sich um den klassischen Fall der normalen Fahrlässigkeit handeln. Es muss also im Einzelfall entschieden werden.

Das Gericht würde hier beachten, dass der Investmentbanker sicherlich viel verdient, der Schaden allerdings auch extrem hoch ist. Dabei ist zu berücksichtigen, dass der Algorithmus des Unternehmens, der solche Fehler eigentlich erkennen sollte, wohl nicht der beste war, denn die Gefahr eines solchen Fehlers schien daher relativ groß zu sein. Dass der Mitarbeiter komplett ohne Schadenszahlung davonkommt, ist allerdings unwahrscheinlich. Ein allzu großer Betrag dürfte es allerdings auch nicht werden - und sicherlich keine 50 Millionen Euro!

So oder so, der Mitarbeiter wurde fürs Erste beurlaubt. Nach deutschem Recht wäre eine Kündigung aber nicht möglich. Dafür bräuchte es eine erhebliche Pflichtverletzung, die bei einem normal fahrlässigen Fehler nicht vorlag.

Das zeigt auch ein ähnlicher Fall aus dem Jahr 2013: Damals war ein Banker aus Hessen einfach über der Tastatur auf der Ziffer »2« eingeschlafen. Beinahe zur Freude eines Rentners, der infolge dieses Sekundenschlafes plötzlich 222 222 222,22 Euro (222,2 Millionen Euro) auf dem Konto gehabt hätte - statt der 62,40 Euro, die der Banker eigentlich hatte überweisen wollen. Denn die Sachbearbeiterin, die den Fehler eigentlich bemerken sollte, übersah den Fehlbetrag ebenso. Erst bei einer systeminternen Prüfung wurde der Fehler gefunden, bevor es bald den wohl reichsten Rentner Deutschlands gegeben hätte. Doch die Bank war damit nicht besänftigt und kündigte der Sachbearbeiterin, die diesen gravierenden Fehler übersehen hatte. Das Hessische Landesarbeitsgericht ergriff Partei für die Dame: Sie habe zwar einen schweren Fehler begangen - das reiche für eine Kündigung aber noch nicht aus. Schließlich musste sie an besagtem Tag 800 Belege kontrollieren!

Auch wenn der Banker seinen Job behält - fortan wird er wohl zehnmal überprüfen, wie oft er welche Zahl eingetippt hat, und lieber ein paar Kaffee oder Red Bull mehr trinken, um nicht einzuschlafen. Selbst wenn das nicht wirklich Flügel verleiht.

Landesarbeitsgericht Frankfurt a. M., Urteil vom 07.02.2013, Az. 9 Sa 1315/12

§ SHIT HAPPENS: KUMPEL VERBRENNT 540 000 EURO!

Was sind wohl die härtesten Belastungsproben, die Freundschaften aushalten müssen? Vielleicht, wenn sich einer in die Partnerin des anderen verliebt? Oder wenn jemand einen geliebten Gegenstand seines Kumpels vernichtet? Oder doch eher, wenn es um Geld geht? Wahrscheinlich spielen Moneten in diesem Zusammenhang häufig eine Rolle, bekanntermaßen hört bei Geld die Freundschaft auf. Daher die Frage an alle Leser: Wie würdet ihr reagieren, wenn euch ein Freund versehentlich um über eine halbe Million Euro erleichtert?

Was war passiert? Es wird kurios, wir reisen ins Jahr 2014: Einer der beiden beteiligten Herren arbeitete jahrelang in einer Werkstatt und sparte sich ein kleines Vermögen zusammen. Weil er den Banken nicht traute, hob der Handwerker 540 000 Euro ab und versteckte sie im Heizungskessel seiner Werkstatt. »Die Anlage war wegen erhöhter Abgaswerte vom Schornsteinfeger gesperrt worden. Ich hatte sie demontiert«, erklärte er später vor Gericht. Als der Mann in den Urlaub fuhr, bat er einen Freund, nach der Werkstatt zu sehen. Sein Kumpel sorgte sich aufgrund plötzlichen Frosts um die Wasserrohre in der Werkstatt, weshalb er die Anlage wieder zusammenbaute und die Heizung anschmiss. Moment mal, lag das Geld nicht im Heizkessel? Jap ... Und so schnell war es dann auch um das Vermögen geschehen. 520 000 Euro verbrannten im Heizkessel, nur noch 20 000 Euro konnten gerettet werden.

Der Fall ging vors Landgericht Arnsberg. Die Klage des Mannes auf Schadensersatz wurde aber schnell abgewiesen. Wer hätte bitte auf die Idee kommen sollen, dass sich so viel Geld in einem Heizungskessel befand, so die nachvollziehbare Argumentation der Richter. Die juristische Einordnung: Nach der Werkstatt seines Freundes zu sehen, ist eine sogenannte Gefälligkeit. In solchen Fällen ist die Haftung nur sehr eingeschränkt möglich. Tja, Pech für den misstrauischen Sparer. Wirklich sehr viel Pech ... Und es kommt noch dicker.

Die Klage war wohl eine Frustreaktion. Vielleicht wollte er seinem alten Freund auch einfach einen Schrecken einjagen und sich so rächen. Eine Rechtsberatung hätte den Mann eigentlich über seine Erfolgschancen aufklären müssen. Denn bei einer Klage mit einer Klageforderung in Höhe von 520 000 Euro liegen die Kosten für eine verlorene Klage in der ersten Instanz immerhin schon bei über 33 000 Euro. Damit waren also nicht nur die übrig gebliebenen 20 000 Euro weg, sondern der arme Mann hatte auch noch Schulden angesammelt. Da lief wirklich eine Menge schief, ein »Black Swan Event«, würde man in der Wirtschaft sagen. Den Gesichtsausdruck des Inhabers, als er zurück in seine Werkstatt kam und diese unerwarteterweise warm statt eiskalt war, hätte man wohl gern gesehen ...

Bleibt zu hoffen, dass sich der Handwerker in Zukunft ein besseres Versteck für seine Wertsachen sucht. Vielleicht ja ein Bankschließfach? Ach stopp, mit Banken war ja was ...

Landgericht Arnsberg, Urteil vom 13.09.2019, Az. I-2 O 347/18

§ LOTTOLAND: PUTZFRAU GEWINNT 90 MILLIONEN - FAKE ODER REAL?

Fast jeder hat schon einmal Lotto gespielt. Doch was ist eigentlich der besondere Reiz daran? Anders als im Kasino, beim Poker oder Roulette hat man kaum Spannungsgefühl, keine blinkenden Lichter, keine Reizüberflutung. Sechs langweilige Kreuze, und das war’s. Da machen ja Rubbellose mehr Spaß! Und die Chance, den großen Jackpot zu gewinnen, geht auch gegen null. Es ist wahrscheinlicher, vom Blitz getroffen zu werden, durch einen Haiangriff zu sterben, und sogar wahrscheinlicher, Präsident in den USA zu werden - vorausgesetzt, man hat die amerikanische Staatsbürgerschaft inne. Stand jetzt ist es zwar wahrscheinlicher, im Lotto zu gewinnen, als von Weltraummüll getroffen zu werden, aber das kann sich durch die neuen Weltraumprojekte schnell ändern. Warum spielt die Mehrheit der Deutschen dann überhaupt Lotto? Ich glaube, es ist bis auf diesen einen letzten Funken, der an den Gewinn glaubt, eher ein Gedankenentfliehen. Ein Was-wäre-wenn. Was würde ich mir kaufen, und wie würde ich mein Leben leben? Diese kleine Flucht aus dem Alltag ist für viele weiterhin ein Grund, zum nächsten Kiosk zu gehen.

Der Gang zum Kiosk war für eine Frau wohl zu lang. Die Digitalisierung ist doch so weit fortgeschritten, dass ich das auch online machen kann, oder? Die besagte Berlinerin ist Putzkraft und soll 90 Millionen Euro gewonnen haben. Ihre sechs Kreuze setzte sie mit der Maus und nicht mit einem Stift, und sie spielte auch kein Lotto, sie spielte Lottoland online. Deswegen interviewte die Bild die »Gewinnerin« nicht vor der staatlichen Glücksspielstelle, sondern auf der spanischen Halbinsel Gibraltar. Dort war der frühere Sitz von Lottoland, der mittlerweile in Malta liegt (und das liegt bestimmt nicht an dem schöneren Ausblick, mehr erfahrt ihr gleich). Eine ganze Titelseite widmete die Boulevardzeitung der vermeintlichen Gewinnerin. Vermeintlich, weil bis heute nicht so ganz geklärt ist, ob die Geschichte wahr ist oder nur eine Mischung aus falscher Recherche kombiniert mit PR von Lottoland. Dass diese Story nur von der Bild berichtet wurde und der 90-Millionen-Euro-Check auf der Titelseite fett mit Lottoland unterschrieben ist, hinterlässt mindestens einen faden Beigeschmack. Wenn man dann noch erfährt, dass die Bild in der Vergangenheit Werbeanzeigen der Lottoland-Schwester Lottohelden abgedruckt haben soll, wird der Beigeschmack nicht mehr fad, sondern sauer.

Doch was ist dran an den sogenannten Zweitlotterien oder schwarzen Lotterien? Angebote wie Lottoland sind keine offiziellen Lottoangebote, auch wenn der Name es vermuten lässt. Die Spielweise ist aber fast identisch. Nur setzt man nicht auf die einzelnen offiziellen Lottozahlen, sondern man wettet quasi auf den Ausgang der Ziehung. Meist haben sie dieselben Preise und ähnliche Gewinnquoten. Zweitlotterien nutzen also bestehende Lottosysteme aus. Das hat für die meist in Malta oder früher Gibraltar ansässigen Firmen folgenden Vorteil: Sie müssen sich nicht an die deutschen Gesetze halten. So müssen sie keine Abgaben für wohltätige Zwecke abführen und weniger Steuern zahlen. Und das nervige Kugelnziehen überlassen sie einfach den anderen. Perfekt, da ist das Gehalt für die Lottofee gespart. Aber da muss doch ein Haken sein, oder nicht?

Richtig, denn einen großen Nachteil hat das »Wetten auf die Wette«: Solche Glücksspiele sind bis heute immer noch illegal - zumindest hierzulande. Das gilt auch nach der Reform des Glücksspielstaatsvertrags der Bundesländer im Jahr 2021, wonach gewisse Onlineglücksspielanbieter jetzt theoretisch legalisiert werden könnten. Nicht aber derartige Onlinewetten. Erlaubnisfähig sind nur Onlinesport- und -pferdewetten.

Lottoland hat zwar vor deutschen Gerichten versucht, sich auf eine vermeintliche EU-Lizenz zu berufen, weil sie ja eine Erlaubnis aus Malta haben. Jetzt wird auch klar, warum sie von Gibraltar zu Malta gewechselt haben, denn Ersteres gehört zu England und nach dem Brexit nicht mehr zur EU. Sofern eine europäische Lizenz besteht, soll es die Dienstleistungsfreiheit allen europäischen Ländern ermöglichen, Glücksspiel anzubieten. Diese Argumentation überzeugte die deutschen Gerichte bislang - und wahrscheinlich auch in Zukunft - aber nicht. Seit Juli 2022 steht vor allem Lottoland im Kreuzfeuer der Behörden. Mehrere lizenzfreie Angebote wurden gesperrt. Dagegen wehrten sich die Glücksspielanbieter natürlich, sodass wir in nächster Zeit mit einigen Klagen und Urteilen rechnen können. Und da kann Lottoland - anders als bei den eigenen Wetten - nicht auf Glück hoffen, denn die Rechtslage scheint eindeutig.

Sprich: Lottoland ist und bleibt illegal. Nur, was bedeutet das für die Putzfrau und alle anderen, die da mitspielen?

Glücksspiel in Deutschland ohne Lizenz ist nach § 284 StGB verboten. So gibt es sogar einige Stimmen, die illegales Glücksspiel des Konsumenten als Vortat zur Geldwäsche sehen. Falls man darüber hinaus von der Rechtslage wusste, kann man sich wegen einer Beteiligung an einem unerlaubten Glücksspiel nach § 285 StGB strafbar machen. So kann man von seinem Gewinn ja gleich die Gefängniskaution (Kautionen in Deutschland kommen jedoch nur in Ausnahmefällen der U-Haft in Betracht) bezahlen, praktisch!

Das ist im Fall der Putzfrau eher unwahrscheinlich - aber es gibt noch ein anderes Problem: Es besteht keine Sicherheit, dass das Geld auch tatsächlich ausgezahlt wird, auch wenn Anbieter wie Lottoland Gegenteiliges angeben. Sämtliche Verträge sind nämlich nach deutschem Recht nichtig, auch wenn ihr nach maltesischem Recht eventuell einen Anspruch hättet. So könnte Lottoland sich völlig zu Recht entscheiden, das Geld einfach nicht auszuzahlen (das wäre zugegebenermaßen aber ein schlechtes Geschäftsmodell).

Ob die Putzkraft - falls es sie überhaupt gab - ihre Millionen ausgezahlt bekam, bleibt ihr »Zocker-Geheimnis«. Natürlich wollte sie anonym bleiben, das sei schließlich die wichtigste Regel, die man beachten müsse, wenn man hohe Beträge gewinnt. Außer man will wissen, wie viele Verwandte man hat, dann macht man es so wie der frische Lottomillionär Chico, welcher mit Klarnamen in sämtlichen Fernsehsendungen und Zeitungen mit seinem Gewinn hausieren ging. Immerhin war sein Gewinn aber legal. Da ist dann auch aller Grund zur Freude. Mein Tipp also: Wenn ihr schon euer Geld beim Glücksspiel ausgeben wollt - wovon in den allermeisten Fällen abzuraten ist -, dann spielt bei staatlichen anerkannten Stellen.

§ 23 MILLIARDEN FÜR TOD DURCH RAUCHEN - ODER DOCH NICHT?

Beim Lottospielen beschäftigt man sich gern mit horrenden Zahlen, aber folgender Betrag übersteigt einen gewöhnlichen Lottogewinn noch mal bei Weitem: Eine Milliarde ist eine Eins mit neun Nullen, tausend Mal eine Million. 23 Milliarden ist 23 Mal so viel. Damit könnte man jedem Bürger in Deutschland ein brandneues Smartphone kaufen. Selbst wenn man statt wohlfahrt- eher kunstinteressiert ist, kann man das jeweils teuerste Gemälde von Leonardo da Vinci, Monet, Picasso und auch noch den Schrei von Munch kaufen und hat nicht mal eine Milliarde ausgegeben. Von dem restlichen Geld kann man sich, während man in seinem Privatjet zur nächsten Yachtbesichtigung fliegt, noch die teuerste Villa der ganzen Welt kaufen. Die übrig gebliebenen Milliarden kann man dann in Las Vegas beim Roulette-Spielen auf Rot setzen, denn sind wir mal ehrlich: So viel Geld kann wirklich keiner ausgeben - es sei denn, man möchte Elon Musk Twitter wieder abkaufen.

Die Rekordsumme von 23 Milliarden Euro sollte jedenfalls der Witwe eines Kettenrauchers von einem Gericht zugesprochen werden. Doch warum? Der Ehemann der Frau hat das Wort Ketten zum Rauchen gebracht. Täglich soll er drei Päckchen Zigaretten gequalmt haben. Dabei zündete er häufig - wie soll es denn auch anders möglich sein - seine neue Zigarette an der alten an. Über lange 20 Jahre glich seine Anwesenheit einem Schornstein. Im Alter von 36 Jahren kam dann das traurige, aber nicht überraschende Ende des Konsums - Tod durch Lungenkrebs. Selbst am Tag seines Todes konnte er die Finger nicht von den Glühstängeln lassen.

Aber wieso rauchte der Mann so viel? War er einfach nur ein Suchtabhängiger, dem keiner geholfen hat? Wollte er sein Leben einfach in vollen Zügen - in dem Fall Zigarettenzüge - genießen, und ihm waren die Risiken egal? Oder kannte er sich einfach nur gut im Rechtssystem der USA aus und wollte seine Frau zur Milliardärin machen? Seine Frau meint, der Tabakkonzern habe die Sucht- und Gesundheitsgefahr des Rauchens bewusst verheimlicht. Das beweise Filmmaterial, in dem die Chefs der Tabakindustrie behaupten, dass Rauchen keinen Krebs verursache, obwohl sie wussten, wie gefährlich der Nikotinkonsum sein kann. Nur deswegen sei ihr Mann gestorben.

Und jetzt der Hammer: Die Geschworenen gaben ihr recht. Die vollen 23 Milliarden Dollar sollten der Ehefrau zustehen. Als sie von der Summe hörte, fiel sie fast vom Stuhl. Aber selbst wenn sie ungewollte Bekanntschaft mit dem Boden gemacht hätte, wäre ihr das in dem Moment bestimmt herzlich egal gewesen. Schließlich reicht das Geld selbst für die hohen Rechnungen des amerikanischen Gesundheitssystems aus.

Dagegen ging der Tabakkonzern in der Berufungsinstanz vor. Das Urteil der Jury sei verfassungsfeindlich und fernab jeglicher Angemessenheit und Gerechtigkeit. Oftmals wollen die Geschworenen nämlich ein Zeichen gegen die großen Tabakkonzerne setzen. So sah es auch das nachfolgende Gericht und reduzierte die Summe auf fast 17 Millionen. Wie gewonnen, so zerronnen.

Eine kleinere Yacht wird immer noch drin sein. Die große Lehre, die die zwei Kinder der Witwe ihr Leben lang begleiten wird: Fang bloß nicht mit dem Rauchen an. Das Geld können sie aber trotzdem gut gebrauchen, denn: Nichts im Leben ist umsonst, nicht mal der Tod, denn der kostet das Leben.

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DREISTIGKEITEN AUS DER ARBEITSWELT

34,8 Stunden ist die durchschnittliche Wochenarbeitszeit der Deutschen. Dabei arbeiten wir insgesamt 38,8 Jahre in unserem gesamten Leben. Das bedeutet, im Laufe seines Lebens arbeitet der oder die Durchschnittsdeutsche knapp 70 000 Stunden, das sind beinahe 3000 Tage oder 8 ganze Jahre.

Es ist also unausweichlich, dass man den professionellen Business-Look nicht über die ganze Zeit aufrechterhalten kann. Und das Schlimmste: Auch außerhalb der Arbeitszeit muss man sich seiner Arbeit angemessen verhalten.

Wer schafft es schon, nach drei Maß auf der Bierbank noch ordentlich zu tanzen? Doch ist der Sturz von der Bierbank ein Arbeitsunfall? Was ist mit dem Tag danach, wenn ich mit Kater im Bett liege und mich krankmelde — muss der Arbeitgeber das akzeptieren? Bekomme ich 220 000 Euro für meine 5000 Überstunden ausgezahlt, die ich angesammelt habe? Kann mir gekündigt werden, wenn ich das Alter der Frau meines Chefs falsch schätze?

Das Arbeitsgericht ruft auf: Arbeitgeber vs. Arbeitnehmer, Runde 1 ... kämpft!

§ KATER IST EINE KRANKHEIT! DARF ICH MICH ALSO NACH ALKOHOLEXZESS KRANKMELDEN?

Kopf- sowie Magenschmerzen und Übelkeit. Ein unangenehmes Gefühl, das leider nicht selten auftaucht, wenn man am Abend (oder im Fall von Festivals: die drei bis sechs Tage zuvor) gesoffen hat. Wer geht in diesem Zustand schon gern arbeiten? Die Lösung: ein Nahrungsergänzungsmittel, das den Kater lindern oder ihm gar vorbeugen soll. Dieses Wundermittel ist als Pulver oder als flüssige Mischung erhältlich. So weit, so gut, oder? Der »Hangover-Killer« - das wäre doch ein Traum! So viel trinken, wie man lustig ist, und am Tag danach keinen Kater haben. Klingt zu gut, um wahr zu sein? Scheinbar nicht, denn ein Lebensmittelhersteller bewarb seine Produkte auf diese Weise. Doch mit diesem Slogan brachte die Firma sich in rechtliche Schwierigkeiten ...

Einem Wettbewerbsverband war das alles ein Dorn im Auge, weshalb man vor Gericht zog. Insbesondere die Werbeslogans waren für den Verein ein No-Go. Doch wo genau liegt hier eigentlich das Problem? Kurz gesagt: Ein Lebensmittel darf laut Gesetz nicht den Eindruck vermitteln, dass es zur Heilung, Linderung oder Vorbeugung einer Krankheit beitragen kann. Moment mal, Krankheit? Es geht hier doch um einen alkoholbedingten Kater? Richtig. Doch im Zuge des Urteils stellte das Gericht fest, dass es sich bei einem Kater, Achtung, um nichts Geringeres als eine Krankheit handelt! Die Symptome eines Katers, also Kopf- sowie Magenschmerzen und Übelkeit, stellten eine »Störung der normalen Beschaffenheit« dar. Sie gehörten nicht zur üblichen Schwankung des menschlichen Körpers. Dabei sei nicht maßgeblich, dass die Symptome wieder verschwinden, ohne dass es einer Behandlung bedarf. Also gilt: Kater = Krankheit. Übrigens gibt es für einen Kater sogar einen medizinischen Fachbegriff, nämlich »Veisalgia«. Deshalb musste die Firma ihren Namen ändern und durfte sich nicht mehr als Wunderallheilmittel für diese selbst verschuldete Krankheit darstellen.

Doch wenn Kater nun gerichtlich festgestellt als Krankheit gilt - bedeutet das auch, dass ich mich bedenkenlos von der Arbeit krankmelden darf, weil ich vorher 1 bis 20 Schnaps zu viel getrunken habe oder das letzte Bier irgendwie schlecht war? Nein, leider dürft ihr euch nicht zu früh freuen: Ins Arbeitsrecht lässt sich die Einstufung eines Katers als Krankheit nur bedingt übertragen. Schließlich ist der Zustand eigenverschuldet. Zumindest, wenn der eigene Körper nicht gerade Alkohol selbstständig braut (blättert hierzu mal ein paar Kapitel zurück). Deshalb hat der arme verkaterte Arbeitnehmer keinen Anspruch auf Lohnfortzahlung. Meldet er sich trotzdem regelmäßig wegen eines Katers ab, kann man ihn abmahnen und irgendwann auch kündigen. Also gilt weiterhin: Wer saufen kann, kann auch arbeiten gehen!

Oberlandesgericht Frankfurt am Main, Urteil vom 12.09.2019, Az. 6 U 114/18

§ KARRIEREENDE »AUF NACKEN« - POLIZIST WIRD ZUM BETRÜGER

So schnell kann’s gehen: Für ein paar Klicks auf YouTube ist ein Polizist aus Berlin seinen Job losgeworden. Warum das?

Nun, der 21-Jährige hatte im Dezember 2018 auf seinem YouTube-Kanal ein Video mit dem Titel »Auf Nacken! Starbucks Edition #1« hochgeladen. In diesem wollte er seinen treuen Followern zeigen, wie einfach es ist, bei Starbucks Kaffee und Kuchen zu bekommen, ohne auch nur einen Cent dafür bezahlen zu müssen. Also quasi Kaffee und Kuchen »auf Starbucks Nacken«. Das Mittel zum Zweck war eine Betrugsmasche, bei der sich der Kommissar-Anwärter selbst filmte. In dem mittlerweile gelöschten Video spielte er an der Kasse des Starbucks ein Telefonat mit dem vermeintlichen Geschäftsführer des Ladens vor. Unter dem Vorwand, dieser habe gesagt, er müsse für seine Bestellung nichts bezahlen, bestellte er sich Kaffee und Kuchen, wie es das Herz begehrt - und kam damit durch. Der Anwärter feierte sich in dem Video noch selbst für die Aktion: »Ich kann mit Stolz sagen, dass ich der Erste bin, der so etwas macht, auf ganz YouTube.« Er fragt seine Follower noch, welches Geschäft er als Nächstes aufsuchen solle. Sein Fazit nach der Aktion: Man muss nur ein Telefonat vortäuschen und überzeugend genug sein, dann kann man Kaffee und Kuchen ganz einfach gratis bekommen.

Nachdem der 21-Jährige das Video auf seinem Kanal hochgeladen hatte, schlug dieses hohe Wellen. Doch die Reaktionen waren ganz anders, als der junge Polizist es erwartet hatte. Das Video sorgte im Netz für Aufregung und Empörung. Eine solche Betrugsmasche ausgerechnet von einem Polizisten? Das entspricht nicht gerade der Vorbildfunktion der Polizei. So jemand im Staatsdienst? Für viele ein Skandal. Aber nicht nur die Zuschauer waren empört. Als die zuständige Polizeidienststelle auf das Video des 21-Jährigen aufmerksam wurde, war auch diese von der Aktion überhaupt nicht amüsiert. Die Berliner Polizei kommentierte das Video: »Weitergeleitet an unser LKA. Strafanzeige ist raus - #aufNacken!«

Wie viele Kaffees und Kuchen sich der 21-Jährige wohl mit seinem Polizistengehalt hätte kaufen können? Hoffen wir mal, die Rechnung ging für ihn auf, denn der Anwärter musste sich auf einmal wegen Betruges vor Gericht rechtfertigen. Und seinen Job als Hüter des Rechts war der Azubi im 3. Lehrjahr nach der Nummer auch los. Er stachele mit seiner Betrugsmasche andere Menschen zu ähnlichen Straftaten an und sei deshalb für den Polizeidienst charakterlich nicht geeignet, so die - doch ziemlich nachvollziehbare - Begründung für die Kündigung. Sein persönliches Karriereaus - #aufseineneigenenNacken. Und das alles nur für ein paar Klicks und gratis Kaffee und Kuchen.

Aber der 21-Jährige wollte seine Kündigung nicht einfach so hinnehmen und klagte dagegen. Er habe alles nachträglich bezahlt, rechtfertigte sich der Polizeischüler. Außerdem sei das YouTube-Video von der Kunstfreiheit aus Art. 5 Abs. 3 GG geschützt. Die Klage blieb allerdings ohne Erfolg: Das Verwaltungsgericht Berlin gab der Polizei im Juni 2019 recht. Die Aufgabe der Polizei sei es, Straftaten zu verhindern und nicht noch für sie zu werben oder gar eine Anleitung dazu zu geben. Die Aktion des Anwärters sei deshalb mit dem Berufsbild des Polizisten unvereinbar. Auch in zweiter Instanz vor dem Oberverwaltungsgericht Brandenburg war er nicht erfolgreicher. Dieses wies die Klage mit der gleichen Begründung wie das Verwaltungsgericht Berlin ab.

So schnell kann man also seinen Job loswerden. Das Internet vergisst ja bekanntlich nie, und auch die Dinge im Internet können sich auf das echte Leben auswirken. Der 21-Jährige musste das am eigenen Leib erfahren und muss sich jetzt wohl oder übel für einen anderen Karriereweg entscheiden - vielleicht als YouTuber oder Influencer? Immerhin hat er Kaffee und Kuchen bekommen. Zwar kostenlos, aber zu was für einem Preis!

Verwaltungsgericht Berlin, Urteil vom 11.06.2019, Az. 28 L 157.19

§ LEHRERIN FÄLLT BEIM SCHUNKELN VON BIERBANK - ZÄHLT DAS ALS DIENSTUNFALL?

Schulausflüge waren wohl immer der Traum eines jeden Schülers. Einen Tag kein Unterricht, juhu! Für die Lehrer sah das aber oft anders aus. Die Aufsichtspflicht ist schließlich nicht immer einfach auszuüben. Wenn aber alles glimpflich verlief, hatten wohl auch die Lehrkräfte rückblickend einen schönen, abwechslungsreichen Arbeitstag. Was aber, wenn nicht alles verläuft wie geplant? Worst Case ist wohl, dass einem der Schüler etwas passiert. Dass sich aber auch Pädagogen auf Klassenfahrten verletzen können, musste eine Lehrerin aus Baden-Württemberg am eigenen Leib erfahren. Bei einem Ausflug nach München begab sich die Lehrkraft mit einer weiteren Begleitung und ihrer Klasse auf das Frühlingsfest der bayerischen Hauptstadt. Dort natürlich unausweichlich: ein Besuch im Bierzelt! Der gehört in München schließlich zum Kulturgut ...

Gäbe es eine Liste der skurrilsten Dienstunfälle, hätte die Lehrerin aus dieser Geschichte gute Chancen, recht weit oben in den Rankings aufzutauchen. Denn wie es nun mal in Bierzelten gemacht wird, bestiegen irgendwann alle die Bänke. Zunächst nur die Schüler, danach auch die Lehrer - schließlich wäre es nicht gut für das Gemeinschaftsgefühl der Klasse, wenn jemand sitzen bleibt. Die besagte Lehrerin wollte also auf der Bierbank vollen Einsatz zeigen und tanzte, bis - wer hätte es kommen sehen - sie stürzte. Genauer gesagt muss der DJ wohl einen Kracher gespielt haben. Am Alkohol kann es jedenfalls nicht gelegen haben, denn ein Alkoholverbot hatte die Lehrerin strikt durchgesetzt. Doch die Tänze wurden trotzdem irgendwann so wild, dass die Bierbank samt Lehrerin und zwei Schülerinnen umkippte. Die schmerzhafte Folge für die Pädagogin: Rückenschmerzen und ein einmonatiger Dienstausfall - diese Geschichte hat bestimmt für Gelächter im Lehrerzimmer gesorgt.

Wer das aber überhaupt nicht witzig fand, war die Schulbehörde. Einen Dienstausfall sah sie in dem Freizeitspaß der Angestellten nicht. Selbst schuld, sagte sie, und wollte, dass die Lehrerin auf den Kosten sitzen bleibt. Die Lehrerin sah das naturgemäß ganz anders. Am Ende musste das Verwaltungsgericht Stuttgart über den Vorfall auf dem Volksfest urteilen. Und das sagte: Dass die Klasse einen Abstecher zu dem Fest und in ein Bierzelt gemacht habe, sei ja ein offizieller Programmpunkt der Klassenfahrt gewesen, an dem die Lehrerin dienstlich teilgenommen habe. Auch auf den Tischen zu tanzen, habe in Zusammenhang mit dem Ausflug gestanden. Nach Meinung der Stuttgarter Richter habe die Lehrerin nicht anders gekonnt, als sich anzuschließen, wenn alle Schüler auf den Bänken getanzt hätten. Das Tanzen auf Bänken stelle daher grundsätzlich auch kein unübliches Verhalten dar, das ihr hätte vorgeworfen werden können. Mal wieder einer dieser Fälle, die eine tolle Überschrift für die Boulevardblätter abgeben. »Lehrerin stürzt von Bierbank - Dienstunfall!«

Irgendwo auch verständlich, denn als coolste Lehrerin der Schule hätte sie sicher nicht gegolten, wenn alle tanzen und nur sie allein auf der Bank sitzen bleibt - ob das mit dem pädagogischen Gesamtauftrag vereinbar gewesen wäre? Warum dann überhaupt einen Ausflug in ein Bierzelt machen, wenn dieser nicht in vollen Zügen genossen werden darf? Und ja, zum vollen Erlebnis gehört es eben, auf den Bänken zu tanzen. Also weitermachen, liebe Pädagogen! Nur bitte ein wenig mehr aufpassen.

Oberlandesgericht Stuttgart, Urteil vom 31.01.2014, Az. 1 K 173/13

§ BEAMTER WILL 220 000 EURO FÜR 4933 ÜBERSTUNDEN!

Das aktuelle Jahrzehnt ist nicht einfach, insbesondere nicht für den Geldbeutel. Krieg und Pandemie kurbeln die Inflation an, alles wird teurer. Was da hilft? Ein Geldregen! Ein Augsburger Beamter wollte genau den und kam auf eine ungewöhnliche Idee: Der 63-jährige Chef des Augsburger Baureferats übte seinen Beruf schon seit mehr als 30 Jahren aus und hatte in dieser Zeit beachtliche 4933 Überstunden angesammelt. In Geld umgerechnet: 220 000 Euro! Und diese wollte er vor Renteneintritt ausgezahlt haben. 220 000 Euro, oder in heutigen Zeiten: 110 000 Kugeln Eis, klingen schließlich sehr verlockend. Aber geht das so ohne Weiteres?

»Keine Chance, die hättest du früher einfordern müssen!«, mag manch einer denken. Ist das aber wirklich so? Bei seiner Klage berief sich der Beamte Gerd M. auf eine Dienstvereinbarung seines Arbeitgebers aus dem Jahr 2004, laut der Beamte auf einem Konto Überstunden ansammeln können, um früher in den Ruhestand zu gehen. Außerdem kennt die Vereinbarung keine Verjährung, also können auch sehr alte Überstunden noch eingereicht werden. Wer diese Dienstvereinbarung 2004 unterschrieb? Der damalige Oberbürgermeister der Stadt. Doch genau dieser nannte die Forderung des Beamten »absurd«. Anscheinend liegt zwischen absurd und raffiniert manchmal nur ein kleiner Spalt. Daher gilt es in diesem besonderen Fall erst mal herauszufinden, in welche der beiden Kategorien der Beamte einzuordnen ist.

Die aktuelle Bürgermeisterin sieht die Zweischneidigkeit des Schwertes: Zum einen kann sie nachvollziehen, dass die Forderung von vielen als befremdlich deklariert wird. Allerdings nimmt sie die Stadt in die Verantwortung. Denn der Beamte hätte in vielen Projekten nicht die nötige Hilfe erhalten und sei so fast schon zu Überstunden gedrängt worden. Praktisch gesehen sei es im Alter von 63 eher schwierig, die fast 5000 Überstunden als Urlaubstage zu nehmen - schließlich stehe die Pension sowieso vor der Tür. Also haben wir aktuell eine Pattsituation. Die Aufsichtsbehörde sieht sich nicht zuständig und schiebt den Fall wieder an die Stadt selbst zurück. Und siehe da: Die Stadt sieht den Anspruch als gegeben.

Aber es kommt zu einem erneuten Plottwist, es wird politisch. Der Kläger und die aktuelle Oberbürgermeisterin sind beide in der CSU. Es hätte also ein gewisses Geschmäckle, wenn die Bürgermeisterin ihrem Parteikollegen mal eben über 220 000 Euro aus der Stadtkasse zukommen lässt. Schließlich muss der Kläger erst mal beweisen, wann welche Überstunden angefallen sind.

Noch bleibt abzuwarten, ob der Beamte das Geld wirklich erhält. So oder so wird der Vorfall allen Beteiligten aber zu denken gegeben haben. Es ist gut möglich, dass die Regelungen für die Überstunden bald neu strukturiert werden.

Und wenn der gute Mann das Geld wirklich bekommt? Nun, mit 220 000 Euro lässt sich schließlich so einiges anfangen. Hier eine Idee, wie das Geld sinnvoll ausgegeben werden könnte: Eine Dauerkarte beim FC Augsburg kostet knapp 200 Euro, also könnte er mit 1099 Freunden und Bekannten für eine Saison lang die Stehplätze bei seinem Heimatverein belagern - das wäre doch mal was! Bestimmt lädt er dann auch den alten Bürgermeister ein, der die Überstundenregelung damals unterschrieben hat.

§ »AUF BAHNHOFSPENNERNIVEAU VERHARTZT« - DIE BEWERBUNG EINES JURISTEN

Stellt euch vor, ihr arbeitet in einer Personalabteilung und bekommt folgende Bewerbung vorgesetzt: Der Briefkopf, offenbar aus der früheren Anwaltskarriere des Bewerbers, ist mehrfach durchgestrichen und maschinell geschwärzt und ergänzt worden. Das Lichtbild zeigt den Bewerber über einem Schachbrett grübelnd, während der Lebenslauf die feinsinnigen Zeilen enthält (korrigiert):

Seit »01.01.2005 im Zuge der sogenannten Reform Har[t]z IV auf Bahnhofspennerniveau verhar[t]zt.«

Und:

»Februar 2004 Bewerbung als Vorstandsvorsitzender der Bundesagentur für Arbeit, Nürnberg, auserwählt: Herr Weise.«

In der Fußnote ließ sich die sehr merkwürdige Tirade lesen:

»Im Übrigen bin ich der Meinung, dass die Herren Lustmolche und Sittenstrolche, welche als die ›Herren Freier‹ regelmäßig in Bordellen verkehren, zu einer Sonderabgabe (Bordell- oder Bordellumsatzsteuer) herangezogen werden müssten. Mit diesem Steueraufkommen sollte die Lebenssituation der Menschen in Pflegeheimen und Behinderteneinrichtungen verbessert werden.«

Wem da als Personaler nicht das Herz aufgeht, hat alles richtig gemacht. Kaum mehr erfreulich dürfte das Pamphlet einer Bewerbung für das Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg gewesen sein, vor dem dieser echte Fall im Jahr 2007 gelandet ist. Beworben hatte sich ein über fünfzigjähriger Herr, seines Zeichens Volljurist und ehemaliger Rechtsanwalt, allerdings seit etwa acht Jahren nicht mehr zugelassen. Die Stelle, für die er sich bewarb, lag bei der Arbeitsgemeinschaft Arbeitslosengeld II.

Völlig überraschend wurde die Bewerbung abgelehnt - wer hätte das gedacht? Doch anstatt sich mit seiner Niederlage zufriedenzugeben, klagte der Bewerber auf Schadensersatz in Höhe von drei Monatsgehältern. Der Grund: eine Benachteiligung nach dem Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz (AGG) wegen Alters, Geschlechts, Arbeitslosigkeit und politischer Betätigung. Ein bunter Katalog an Benachteiligungen also, mit denen sich das Landesarbeitsgericht zu beschäftigen hatte.

In der Tat lässt sich aus dem AGG auf Schadensersatz klagen, wobei die drei Monatsgehälter der höchstmögliche Betrag sind. Das Gesetz ist darauf zugeschnitten, Benachteiligung nach bestimmten Merkmalen zu verhindern, und zwar wegen ethnischer Herkunft, Geschlecht, Religion/Weltanschauung, Behinderung, Alters oder sexueller Identität (§ 1 AGG). Das kann den Arbeitgeber durchaus in die Bredouille bringen. Denn wenn der Bewerber Anhaltspunkte für eine Benachteiligung hat, muss der Arbeitgeber irgendwie beweisen, dass es keine Benachteiligung im Sinne des AGG gab (§ 22 AGG).

Abgesehen davon, dass zwei der beklagten Merkmale überhaupt nicht im AGG vorkommen (Arbeitslosigkeit und politische Betätigung), entschied das Gericht, sich auch mit den anderen nicht näher zu befassen. Es war der Ansicht, eine Benachteiligung komme gar nicht erst in Betracht, weil die Bewerbung nicht ernst gemeint war. Benachteiligt werden könne demnach nur, wer auch wirklich etwas erreichen möchte.

Für die fehlende Ernstlichkeit fanden die Richter nun wirklich genug Beweise. Nicht nur die äußere Erscheinung der »Bewerbung«, auch das Verhalten des Bewerbers bei einer versuchten außergerichtlichen Einigung diente als Indiz. So bot er (handschriftlich) an, sich zur Not auch in eine andere Stelle »hieven« zu lassen, und fügte offenbar Sexanzeigen aus einschlägigen Zeitschriften an. Im Ergebnis sei klar: Die Klage war mindestens ein geschmackloser Schlag in Richtung Rechtsstaat, höchstens eine Masche, um sich ein kleines Einkommen zu sichern. Und das ließ das Gericht nicht auf sich sitzen.

Die Arbeitsgemeinschaft Arbeitslosengeld II musste den Bewerber also nicht wirklich ernst nehmen. Und damit endet das Märchen des unangenehmen Schachspielers, dem in diesem Verfahren übrigens auch die Prozesskostenhilfe versagt wurde. Ob er heute noch selig »auf Bahnhofspennerniveau verhartzt« ist, bleibt eine Frage der Geschichte.

Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg, Beschluss vom 13.08.2007, Az. 3 Ta 119/07

§ SEX STATT HILFE: MUSS SUGAR-DADDY ARBEITSZEUGNIS SCHREIBEN?

Im Juni 2017 verabredeten sich ein Unternehmer aus Bochum und eine Frau in einem Café. Ein eher ungewöhnlicher Ort für ein Vorstellungsgespräch. Wenn man die Hintergründe kennt, ist jedoch klar, warum das Gespräch nicht in einem normalen Büro stattfand. Denn die Dame suchte einen sogenannten Sugar-Daddy - also einen Mann, der ein beziehungsähnliches Verhältnis zu einer Frau führt und diese dann für ihre Leistungen bezahlt. Ein Sugar-Daddy führt also meist nicht nur eine rein sexuelle Liaison, er geht auch mit seiner »Freundin« in exquisite Restaurants, besucht glamouröse Veranstaltungen oder bucht teure Urlaube. Im Café vereinbarten die beiden dann, dass die Dame zweimal pro Woche für einvernehmlichen Geschlechtsverkehr zu Besuch kommen sollte. Außerdem wurde festgehalten, dass sie ihn sporadisch zu Abendessen mit Freunden und auf Kurzurlaube begleiten würde. Noch am selben Abend kam es laut Aussage des Mannes zum Sex. Dieser musste jedoch abgebrochen werden, weil die Frau Schmerzen im Arm hatte. Hätte das dem Herrn eine Warnung sein sollen?

Einige Tage später schlossen die beiden dennoch einen Arbeitsvertrag. Jobbeschreibung? Teilzeitangestellte Hauswirtschaftlerin. Die Aufgaben waren Bügeln, Einkaufen, Kochen, Putzen und Wäschewaschen - auf dem Papier. Monatlich wanderten dann 460 Euro auf das Konto der Frau, ebenso stand ihr ein Urlaubsanspruch von 25 Tagen pro Jahr zu.

Ende Januar 2018 kam es dann zum Bruch der beiden. Die Frau teilte ihrem Sugar-Daddy mit, dass sie nicht mehr mit ihm schlafen werde. Für den Unternehmer ein No-Go, weshalb er das Arbeitsverhältnis zum 28.02.2018 beendete. Grundsätzlich nichts Ungewöhnliches, schließlich endet jedes Arbeitsverhältnis irgendwann. Und sofern man nicht mindestens zehn Angestellte hat, greift auch der Kündigungsschutz nicht. Wobei es im Fall der Leistungsverweigerung so oder so schlecht für die Dame ausgesehen hätte - aber das nur am Rande.

Hier gab es jedoch einige andere ungeklärte Fragen, weshalb sich das Arbeitsgericht Bochum der Streitigkeit annahm. Dort wurde der Mann zur Zahlung des Februargehalts sowie einer Urlaubsabgeltung in Höhe von 320 Euro verpflichtet. Darüber hinaus musste er seiner ehemaligen Angestellten tatsächlich das geforderte Arbeitszeugnis ausstellen - wie es sich nun mal gehört.

Das ließ der Bochumer aber nicht auf sich sitzen und zog vor das Landesarbeitsgericht Hamm. Seine Berufung war nur zum Teil erfolgreich. Die vorsitzenden Richter stellten das Offensichtliche fest, nämlich, dass das Arbeitsverhältnis ein Scheingeschäft gewesen war. Das verdeckte Geschäft selbst, also sexuelle Dienstleistungen gegen Geld, sei zwar nicht (mehr) sittenwidrig und dadurch grundsätzlich nicht nichtig. Prostitution könne auch im Rahmen eines Arbeitsvertrags ausgeübt werden. Faktisch seien dann aber die wirklich vereinbarten Leistungen (= Sex) im Monat Februar nicht erbracht worden. Folglich sei der Mann auch nicht zur Zahlung des Gehalts verpflichtet. Der Anspruch auf die Urlaubsabgeltung bleibe aber bestehen. Ebenso der Anspruch auf Erteilung eines Arbeitszeugnisses. Was da wohl drinstand? Bekommt hier das Wort »befriedigende« Ausübung der aufgetragenen Tätigkeiten eine andere Konnotation als im normalen Arbeitszeugnis-Jargon?

Wenn man sich das Ende des Ganzen anschaut sowie das Lamentieren des Mannes, wird es wohl zu keiner verklausulierten Note 1 gereicht haben. Schließlich beklagte der Mann vor Gericht, dass es statt zwei wöchentlichen sexuellen Handlungen nur zu maximal drei im Monat gekommen sei. Dafür soll er eigenen Angaben nach bis zu 20 000 Euro »investiert« haben. Diese doch beachtliche Summe kam unter anderem durch Kurzurlaube, einen Mietzuschuss und diverse Barzahlungen zustande. Zudem überließ der Unternehmer der 35-Jährigen seinen BMW X1 und bezahlte Buß- und Verwarngelder in Höhe von 1300 Euro. Insgesamt war es also ein kurzer (das Arbeitsverhältnis ging nur knapp über ein halbes Jahr), aber doch sehr teurer Spaß für den Junggesellen. Für die Dame war die Anstellung hingegen sehr rentabel.

Landesarbeitsgericht Hamm, Urteil vom 06.06.2019, Az. 17 Sa 46/19

§ WER FRAGT, DER MUSS MIT EINER ANTWORT RECHNEN: WIE ALT IST DIE FRAU DES CHEFS?

Es gibt einige Themen, die kein guter Gesprächseinstieg sind, wenn man zufällig den ehemaligen Grundschulkollegen in der Innenstadt trifft. Geld, Gewicht, aber auch das Alter sind oft sensible Punkte, über die man nicht mit einem flüchtigen Bekannten spricht. Da unterhält man sich doch lieber zum dritten Mal am Tag über das Wetter. Aber wie sieht es im Arbeitsleben aus? Folgender Mann hatte wohl vom Wetter genug, als er sich das Tabuthema Alter aussuchte: Weil eine Auszubildende das Alter der Frau des Chefs falsch einschätzte, kam es zum Streit. Auf den Streit folgte die Kündigung. Zwar ist das Alter für manche ein wunder Punkt - aber war eine Kündigung hier wirklich rechtens? Oder hat der Chef juristisch gesehen völlig überreagiert?

Der besagte Chef - seines Zeichens Anwalt - hatte seiner Auszubildenden eine unangenehme Frage gestellt: Sie sollte anhand eines Fotos schätzen, wie alt die Frau ihres Arbeitgebers sei. Wahrscheinlich hat sich die 19-Jährige schon in einfacheren Situationen befunden. Schließlich konnte sie hier fast nur verlieren. Schätzte sie die Dame zu jung ein, könnte er das als Kritik an ihm verstehen, wie andere Männer in der Midlife-Crisis eine junge, naive Dame an der Seite zu haben. Schätzte sie die Frau aber zu alt, könnte es als beleidigend empfunden werden. Die Azubine entschied sich, eher ein wenig älter zu schätzen - und vertippte sich dabei radikal. Um immerhin neun Jahre lag sie daneben: Sie tippte auf 40, die Frau war nur 31 Jahre alt. Nun könnte man über die Situation hinweglächeln. Man könnte aber auch deutlich machen, dass man dadurch gekränkt ist. Der Chef tat das Zweite ... Seiner Schilderung nach lachte die Auszubildende ihn daraufhin aus, weshalb er ihr drei leichte Schläge auf die Schulter gab (wofür er sich später entschuldigte). Dennoch kam es wohl zum Streit zwischen den beiden. Die Folge: Die 19-Jährige meldete sich erst mal krank. Ohne Grund, wie sich der Arbeitgeber dachte, weshalb er ihr fristlos kündigte. Ob er da seine Gesetzesbücher so gut kannte oder vielleicht in Sachen Arbeitsrecht im Examen »auf Lücke gelernt« hat?

Die Dame jedenfalls war mit der Kündigung so gar nicht einverstanden - also sahen sich die beiden vor dem Arbeitsgericht Mannheim wieder. Auch die vorsitzende Richterin war etwas verblüfft darüber, dass sich der Jurist von der Fehleinschätzung derart gekränkt gefühlt hatte. Vor Gericht verteidigte er die Kündigung dann damit, dass seine Auszubildende ohnehin keine gute Arbeit geleistet habe und respektlos aufgetreten sei. Überzeugen konnte er die Richterin damit nicht, die nämlich die berechtigte Rückfrage stellte, warum es wegen dieser Thematik keine Abmahnung gegeben habe.

Am Ende ging die Sache glimpflich für den Anwalt aus, denn seine ehemalige Auszubildende hatte bereits eine andere Stelle. Er musste sie also nicht wieder bei sich beschäftigen, was ihn wohl tagtäglich an die Schmach erinnert hätte. Die Parteien einigten sich außergerichtlich über eine Zahlung in Höhe von 333 Euro an die Frau. Wo der Mann aber nicht so glimpflich davonkam, war in den sozialen Medien ... Dort machte der Fall damals nämlich die Runde.

Ein Fazit: Hier führte ein wohl angeknackstes männliches Ego zu rechtlichem Ärger. Wahrscheinlich zog der Mann seine Lehren daraus: Man darf bestimmte Fragen nicht stellen, wenn man die Antwort nicht ertragen kann. Ob seine Frau über die Altersschätzung auch so erbost war wie er?

Arbeitsgericht Mannheim, Urteil vom 24.03.2011, Az. 3 Ca 406/10

§ »SOZIALES ARSCHLOCH!« - VON SEEMANNSKNOTEN, KINDERGARTEN UND WÜTENDEN CHEFS

»Sie soziales Arschloch!« Was würdet ihr sagen, wenn ihr der Chef eines Mannes wärt, der euch mit diesen Worten bezeichnet? Nun, der Chef in diesem Fall fand die Äußerung eher nicht so witzig. Auch wenn sie immer noch besser klingt als »asoziales Arschloch«.

Der 62-jährige Mann mit dem losen Mundwerk war bereits 23 Jahre lang als Gas- und Wasserinstallateur in einem Familienunternehmen angestellt. Das Unternehmen bestand neben dem Geschäftsführer aus drei Gesellen, der Mutter des Geschäftsführers und einem Azubi. Eines Tages im Jahr 2016 kam es zu einer Diskussion zwischen dem Angestellten und dem Vater des Geschäftsführers. Letzterer war vorher selbst der Boss der Firma gewesen, bevor er den Posten an seinen Sohnemann übergeben hatte. Der Installateur rief seinen Arbeitgeber wegen eines Problems an, dieser gab das Telefon dann an seinen ebenfalls anwesenden Vater ab. Wirklich geduldig reagierte der ehemalige Chef nicht auf die Nachfragen des Installateurs. Als dann der Satz fiel, dass dieser doch das Problem mithilfe von Seemannsknoten lösen solle, wurde es hitzig. Der damals 62-Jährige empfand das als provokante Anspielung bezüglich seiner ehemaligen Tätigkeit als Seemann. Darüber hinaus war der Vorschlag auch alles andere als hilfreich. Der aktuelle Geschäftsführer ließ dann die Bemerkung los, dass die Beteiligten doch nicht im Kindergarten seien.

So weit, so gut, die Parteien trafen sich erst am nächsten Tag wieder. Also hatte jeder eine Nacht Zeit, darüber zu schlafen. Anhand der Schilderungen könnte man meinen, dass es sich eher um eine kleine Stichelei unter alten Bekannten handelte, also nichts weiter Drastisches. Die Bemerkung mit dem Kindergarten hatte dem Angestellten aber nicht wirklich geschmeckt. Am nächsten Tag traf er im Büro auf seinen aktuellen und den ehemaligen Chef. Bei dieser Gelegenheit stellte er klar, dass die Angelegenheit alles andere als ein Kinderkram sei. Und nun überschlugen sich die Ereignisse: Der Installateur ließ die Bemerkung los, dass sich sein ehemaliger Arbeitgeber ihm gegenüber »wie ein Arsch« verhalten habe. Auch sagte er seinem jetzigen Chef, dass er auf dem besten Weg sei, seinem Vater »den Rang abzulaufen«. Später stieß der 62-Jährige dann hinterher, dass sie ihm auch einfach kündigen könnten, woraufhin der Vater entgegnete: »Dass wir dann wie soziale Arschlöcher dastehen?« Das war der Knackpunkt, der Installateur entgegnete nämlich, dass die beiden schon solche seien.

Drei Tage später flatterte dann tatsächlich die Kündigung ins Haus des Installateurs - und zwar eine fristlose. Das wollte der nun vor Wut schäumende Mann nicht auf sich sitzen lassen und zog vor Gericht. Seine Argumentation: Er wurde zu den Aussagen provoziert! Insbesondere, wie mit ihm gesprochen wurde, war dem Mann ein Dorn im Auge. Bei den Beleidigungen handele es sich vielmehr um eine Affekthandlung, sie tuen ihm mittlerweile sogar leid. Wirklich hart seien seine Äußerungen aber nicht gewesen, eher habe er das Verhalten seiner Arbeitgeber bewertet, also eine Meinung geäußert.

Anders sahen das die Richter. Eine Affekthandlung - eher nein. Schließlich hätte zwischen der ersten Diskussion und der tatsächlichen Beleidigung fast ein ganzer Tag gelegen. Außerdem könnten die Äußerungen als schwerwiegende Beleidigung verstanden werden, die nicht mehr von der Meinungsfreiheit gedeckt sei. Nach solch ehrverletzenden Aussagen könne es dem Arbeitgeber nicht zugemutet werden, in einem derart kleinen Betrieb weiter am Arbeitsverhältnis festhalten zu müssen oder die Kündigungsfrist abzuwarten. Also war die Kündigung tatsächlich rechtens.

Was meint ihr? Wurden Vater und Sohn, wie selbst angekündigt, durch die Kündigung wirklich zu »sozialen Arschlöchern«? Ich würde sagen, es ist kompliziert. Aber die Sache mit dem Kindergarten trifft es irgendwie ganz gut ...

Landesarbeitsgericht Schleswig-Holstein, Urteil vom 24.01.2017, Az. 3 Sa 244/16

§ PUTZFRAU FÄLSCHT GRUNDSCHULZEUGNIS - KRASSES URTEIL AUS GRIECHENLAND

Da haben die Richter wohl zu viel Ouzo getrunken, anders lässt sich dieses Urteil nun wirklich nicht erklären: In Griechenland wurde eine Putzfrau zu zehn Jahren Haft verurteilt, weil sie bei ihrer Einstellung ihr Grundschulzeugnis gefälscht hatte. Und das fast 20 Jahre nach besagter Einstellung!

Im staatlichen Kindergarten der mittelgriechischen Stadt Volos arbeitete die 53-Jährige beinahe 20 Jahre als zuverlässige Putzfrau. In all den Jahren hatte sie sich nichts zuschulden kommen lassen und ihre Arbeit nahezu perfekt geleistet. 2018 flog dann der große »Schwindel« der Putzfrau auf: Anstelle der angegebenen sechs Jahre ist sie nur fünf Jahre zur Grundschule gegangen! Schockierend, oder? *Irony off*

Zum Verständnis: In Griechenland musste man zu der Zeit, in der sich die Frau beworben hatte, für einen Putzjob mindestens sechs Jahre die Grundschule besucht haben. Die 53-Jährige hatte die Grundschule aber bereits nach fünf Jahren abgebrochen. Das Tragische an dem Fall: Die Frau hatte zwei Kinder und einen behinderten Mann, die sie versorgen musste. Aus Angst, ihr würden die Kinder weggenommen, musste sie sich dringend einen Job suchen. Für die Bewerbung auf den Putzjob im Kindergarten blieb ihr also nichts anderes übrig, als ihr Grundschulzeugnis zu fälschen.

Die Tragweite ihres Handelns wurde der Frau selbst allerdings erst bewusst, als sie wegen Urkundenfälschung in einem ersten Urteil zu sage und schreibe 15 Jahren Gefängnis verurteilt wurde. Damit hatte sie nicht gerechnet. Im Berufungsverfahren wurde die Strafe zumindest auf 10 Jahre heruntergesetzt. Aber das ist immer noch wahnsinnig viel, wenn man bedenkt, dass es hierbei nur um die Grundschule ging!

Doch nicht nur sie war von dem Urteil entsetzt. Auch in der griechischen Bevölkerung gab es einen regelrechten Aufschrei. Das fühlte sich einfach so gar nicht gerecht an! Skandalös war vor allem, dass erst vor Kurzem eine Frau in Kreta auf freien Fuß gesetzt worden war, die ihr Hochschuldiplom der Rechtswissenschaften gefälscht hatte. Die Frau bekam sogar ihre staatliche Arbeitsstelle zurück. Aber was ist schon ein Hochschuldiplom verglichen mit einem Grundschulzeugnis?

Die Bevölkerung war empört, und binnen kürzester Zeit sammelte eine Onlinepetition für die Putzfrau 20 000 Unterschriften. Daraufhin wollte die Staatsanwältin Xeni Dimitriou vom obersten griechischen Gerichtshof Areopag das Urteil zumindest überprüfen lassen. Was dabei herausgekommen ist, ist leider nicht bekannt. Denn die Spuren im Internet verlieren sich. In jedem Fall musste die Putzfrau ihre Zeit vorerst wohl oder übel im Gefängnis von Theben (Thiva) in Zentralgriechenland absitzen. Hoffen wir mal, dass die griechische Justiz ein Erbarmen hat.

Übrigens, solltet ihr hier in Deutschland jemals euer Grundschulzeugnis gefälscht haben, müsst ihr zum Glück keine Angst vor ewigen Gefängnisstrafen haben. Ihr könntet euch jedoch möglicherweise wegen eines Anstellungsbetruges nach § 263 StGB strafbar gemacht haben. Dafür müsste eurem Arbeitgeber aber auch ein tatsächlicher Schaden entstanden sein. Im Fall der Putzfrau läge ein solcher Schaden nicht vor - schließlich entscheidet das Jahr mehr oder weniger Grundschule nicht darüber, ob man zum Wischen der Böden geeignet ist. Das ist etwas ganz anderes, als etwa zwei juristische Staatsexamenszeugnisse zu fälschen, was durchaus als Betrug gewertet wird. In Deutschland hätte der Putzfrau also nur gekündigt werden können, sie hätte aber nicht in den Knast gemusst. Überlegt euch also nicht nur, »ob« ihr euer Zeugnis fälscht, sondern auch, »wo«. Eines steht fest: In Griechenland lohnt es sich nicht.

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