»»GOD IS A WOMAN«« - VOM KAMPF DER GESCHLECHTER

Wer meine Kanzlei WBS.LEGAL auf Social Media verfolgt, der hat vielleicht bereits mitbekommen, dass nur ein kleiner Teil unserer Abonnenten Frauen sind. Das geht noch deutlich besser! Also an alle Ladys, folgt uns gern auf unseren Kanälen. Denn unsere Rechte gehen uns alle etwas an, das wollen wir doch nicht den Männern überlassen.;)

Klar, heutzutage ist zumindest die rechtliche Situation von Frauen um einiges besser, als sie es früher einmal war. Thank God! ... ähm, ich meinte natürlich Goddess. (Denn wie sagte Ariana einst? God is a woman.) Und das ist auch gut so. Von völliger Gleichberechtigung sind wir allerdings immer noch weit entfernt - nicht nur, wenn es um die Bezahlung im Job geht.

Aber wie in allen Jura-Themen gibt es auch bei diesem häufig ernsten Thema die eine oder andere Rechtsgeschichte, die eher in die Kategorie »witzig« oder »absurd« bis »cringe« fällt. Darf das Arbeitsamt euch eine Stelle als Stripperin vorschlagen? Ist Sex auch für Ü50-Damen wichtig? Und was hat es mit pinken Frauenparkplätzen auf sich? Wobei Frauen nicht immer die Benachteiligten im Spiel zwischen den Geschlechtern sind. Was passiert zum Beispiel, wenn der Bräutigam nicht »scharf« genug ist? Oder wenn man(n) versehentlich mit der falschen Frau ins Bett hüpft? Und warum werden Männer, die sich öffentlich entblößen, anders bestraft als eine nackte TV-Nonne auf einem nächtlichen Parkplatz? Das erfahrt ihr in den nächsten Kapiteln.

§ KEIN SEX WÄHREND DER EHE = KÜRZUNG DES UNTERHALTS?

Die Ehe ist eine juristisch nicht unkomplizierte Angelegenheit. Das Gesetz, in diesem Fall das BGB, schreibt sogar eheliche Pflichten vor. Ehegatten sind einander zur »ehelichen Lebensgemeinschaft« verpflichtet. Wie diese ehelichen Pflichten genau zu verstehen sind, hat sich im Laufe der Jahre immer wieder angepasst: 1966 erklärte der Bundesgerichtshof, dass zum »Vollzug der ehelichen Gemeinschaft« auch der regelmäßige »Beischlaf« gehöre.

Was jedoch nicht bedeutet, dass eine der beiden Parteien zum Sex gezwungen werden darf, weil es eine eheliche Pflicht darstelle. Bis 1997 stellte eine Vergewaltigung in der Ehe aber nur eine Nötigung dar - mit einem viel geringeren Strafmaß. Der damalige CDU-Politiker Wolfgang von Stetten formulierte die weit verbreitete Meinung zum ehelichen Sex so: »Zum ehelichen Leben gehört auch, die Unlust des Partners zu überwinden. Der Ehemann ist nicht darauf aus, ein Verbrechen zu begehen - manche Männer sind einfach rabiater.« Erst seit 1997 wird erzwungener Geschlechtsverkehr in der Ehe auch nach § 177 StGB als Vergewaltigung bestraft. Damals stimmten 470 Abgeordnete dafür, 138 dagegen (unter anderem Friedrich Merz und Horst Seehofer) und 35 enthielten sich. Gut, dass wir nun im 21. Jahrhundert angekommen sind.

Doch ist jetzt wirklich alles gut? Wie hat sich diese brisante Thematik im Laufe der Zeit entwickelt? Tatsächlich besteht auch heute noch eine Pflicht zum Sex in der Ehe. Kaum zu glauben, stimmt aber. Dann kann ich jetzt meinen Ehemann oder meine Ehefrau verklagen, wenn er oder sie den Beischlaf verweigert, richtig? Nein, nicht richtig. Allein schon formaljuristisch kann der Sex nicht eingeklagt werden. Das ergibt sich aus § 120 Abs. 3 FamFG, worin explizit steht: »Die Verpflichtung zur Eingehung der Ehe und zur Herstellung des ehelichen Lebens unterliegt nicht der Vollstreckung.«

Ganz ohne Folgen ist der verweigerte Geschlechtsverkehr dann aber doch nicht: nämlich im Fall der Scheidung. Das Amtsgericht Brühl entschied, dass einer Frau ihr Anspruch auf Trennungsunterhalt gekürzt werden konnte, weil sie ihrer »Sexpflicht« während der Ehe nicht nachgekommen war. Ob andere Gerichte das auch so entschieden hätten, ist mittlerweile anzuzweifeln.

Übrigens: Die Pflicht zum Geschlechtsverkehr ist nicht das einzige traditionelle Gebot. Auch heute noch besteht eine eheliche Pflicht zur Treue. Und das in Zeiten, in denen Polyamorie bei vielen Ehepaaren ein gelebtes Modell ist, mit dem es beiden gut geht. Ein Verstoß gegen die »Treuepflicht« kann ebenfalls zu einem Ausschluss des Unterhalts führen. Es bestand sogar mal eine Kinderpflicht. Da das Zeugen von Kindern mittlerweile aber nicht mehr als der eigentliche Zweck der Lebensgemeinschaft angesehen wird, ist diese Pflicht eine Geschichte der Vergangenheit.

Amtsgericht Brühl, Urteil vom 24.03.1999. Az. 32 F 65/98

§ KURIOSES ALTES GESETZ: ERSCHLEICHUNG DES AUSSEREHELICHEN BEISCHLAFS

Ach, die deutschen Gesetze. Wenn wir schon bei Geschichten aus der Vergangenheit sind: Dieses hier gehört zweifelsohne zur kuriosen Sorte. Wir ersparen uns mal das Juristendeutsch und vereinfachen das Gesetz. Sinngemäß stand da nämlich bis 1969, dass sich strafbar macht, wer - wichtig - eine Frau (!) dazu verleitet, mit einem in die Kiste zu hüpfen. Auch wichtig: Die Frau muss denken, dass es sich um einen ehelichen Beischlaf handelt. Um die Dame dazu zu bringen, muss man sie dazu gebracht haben, sich zu irren. Tatsächlich ist im Gesetzeswortlaut nur von einer Frau die Rede. Wer also einen Mann austrickste, um mit ihm zu schlafen, wurde nicht bestraft. Das klingt immer noch recht theoretisch, vereinfachen wir das Ganze also anhand eines Beispiels: Ein Mann geht auf eine Frau zu, die er in einer Bar sieht und attraktiv findet. Um sie zu überzeugen, wird er kreativ. Er weiß, dass ihr Ehemann aktuell mit dem Militär im Ausland ist, also geht er auf die Frau zu und macht ihr glaubhaft, dass er ihr Ehemann sei und wegen einer explodierten Handgranate ein neues Gesicht habe. Sie schläft mit ihm in dem Glauben, dass der Trickser ihr geliebter Gemahl sei. Zugegeben: Das war ein albernes Beispiel, das Gesetz selbst glänzte aber auch nicht durch Alltagstauglichkeit, also passte es dann doch irgendwie.

Wer jetzt denkt: Spätestens am Körper des Mannes hätte die Frau doch erkennen müssen, dass das nicht ihr Gatte war - aufgepasst! Tatsächlich bekam ein damals 24-Jähriger 1966 die Härte der Norm zu spüren. Der Bundeswehrgefreite schlich sich nachts um vier Uhr in das Schlafzimmer einer Frau (damals 34), die ihn für ihren Ehemann hielt und mit ihm schlief. Zu dem Zimmer verschaffte sich der junge Mann Zutritt, weil er glaubte, seine Freundin würde ihn mit dem Mann der Dame betrügen, mit der dann letztendlich er Sex hatte - verrückt, oder? Als er im Schlafzimmer ankam, forderte die Frau ihn auf, ins Bett zu kommen. Also zog er seine Hose aus und die beiden legten los. Irgendwann bemerkte die Frau dann wohl, dass doch irgendwas anders war, und stellte fest, dass der junge Mann nicht ihr Gatte war. Dass sie es zuvor nicht bemerkt hatte, war allerdings etwas verwunderlich: Der Angeklagte war nämlich 1,80 Meter groß und schlank, während ihr Ehemann nur 1,65 Meter maß und eine eher rundliche Statur hatte ...

Und tatsächlich entfaltete das Gesetz dann volle Wirkung, der Gefreite wurde zu einer Freiheitsstrafe von acht Monaten verurteilt. Die Berufung blieb erfolglos.

In dieser Geschichte bleiben einige Fragen für immer ungeklärt. Etwa, warum das Gesetz nur galt, wenn Frauen ausgetrickst wurden. Ungeklärt ist außerdem, was sich der Angeklagte dabei dachte, seiner Freundin nachzuschnüffeln, weil er glaubte, dass sie ihn betrügen würde, nur um dann selbst diese Freundin zu hintergehen. Und zu guter Letzt, wieso die Frau den Irrtum nicht bemerkte. Eine Geschichte der Kategorie: Kannst du dir nicht ausdenken ...

Oberlandesgericht Koblenz, Urteil vom 07.06.1966, Az. 1 StR 130/66

§ BRÄUTIGAM NICHT SCHARF GENUG - REKLAMATION!

Es sollte der schönste Tag im Leben eines Paares aus England sein. Die Hochzeitsfeier hatte jedoch einen sehr gewichtigen Makel: Der Bräutigam war einfach nicht scharf genug! Da musste dann reklamiert werden ... Bitte was?

Okay, zugegeben, die Überschrift wäre, würde sie online stehen, ziemliches Clickbaiting ;) Denn vermutlich war die Ehefrau während der Feier durchaus hingerissen von ihrem frisch angetrauten Gemahl. Wer jedoch möglicherweise auch hingerissen war, war der Fotograf. Nur leider nicht (nur) vom Hochzeitspaar ...

Mittlerweile gehören schöne Hochzeitsfotos zur Trauung so fest dazu wie die Torte. Schließlich möchte wohl jeder schöne Erinnerungsfotos, die man sich noch Jahre später gemeinsam ansehen oder im Falle einer Scheidung verbrennen kann ... Im heutigen Zeitalter natürlich ebenfalls nicht unwichtig: tolle Aufnahmen, die in den sozialen Netzwerken hochgeladen werden können. Das Problem: Wenn der Fotograf schlechte Arbeit leistet, wird es schwierig mit den Erinnerungen.

In diesem Fall glänzten die Bilder leider häufig durch eine neblige Unschärfe - und das gesamte Material durch eine zweifelhafte Bildauswahl: Böse erwischt hatte es die Eltern des Brautpaares. Ein Elternpaar war nur auf einem einzigen Foto gut zu erkennen, das andere Elternpaar sogar auf keinem. Der Bräutigam war auf nur 11 Bildern scharf zu sehen, die Braut immerhin auf 70. Diese Zahlen machten einen Trend deutlich, denn die Damen wurden wohl deutlich häufiger abgelichtet als die Herren der Schöpfung. Auf den 1100 Fotos, die sich am Ende als brauchbar herausstellten, war eine gewisse Personengruppe besonders häufig zu sehen: die beiden Brautjungfern! Insgesamt wurden über 100 Abbildungen der jungen Frauen angefertigt. Wirklich freuen konnten sie sich wahrscheinlich nicht, denn einige der Aufnahmen waren eher fragwürdig. So hatte es der Fotograf anscheinend sehr auf das Hinterteil einer der beiden Brautjungfern abgesehen und unbemerkt drei Bilder davon angefertigt. Für die sozialen Netzwerke oder ein Fotoalbum geeignet waren diese Bilder eher nicht ... Zwar kann Kunst auf verschiedene Weisen interpretiert werden, hier können dem Lichtbildner aber wahrscheinlich keine guten Absichten angedichtet werden.

Steph (die Braut) zeigte sich nicht begeistert und sagte sogar sinngemäß, dass sie alles dafür tun werde, dass der Mann nicht noch weitere Hochzeiten ruiniere. Eine Einigung kam nicht zustande, und so sah man sich vor Gericht wieder, zumindest die Anwälte der Parteien, der Fotograf selbst blieb dem Termin fern. Obwohl einige der Bilder brauchbar waren, wollte die Braut das bereits gezahlte Honorar vom Fotografen zurückhaben.

Der Fotograf ließ seinen Anwalt für sein merkwürdiges Fotografier-Verhalten natürlich eine »sinnvolle« Erklärung vortragen: Das Wetter war schuld! Na klar, was auch sonst. Ach ja, und die Gesäß-Aufnahmen seien auch verfälscht, das Ehepaar habe Fotos bewusst so zurechtgeschnitten, um den Hintern der einen Brautjungfer in den Fokus zu rücken und dem Fotografen so zu schaden.

Die Richter zeigten wenig Verständnis für die eher subjektiv motivierte Auswahl der Motive und die fehlende Motivation, die Kamera auf die Stars des Tages zu fokussieren und ruhig zu halten. Sie gaben den frisch Vermählten recht, und so bekamen diese gut 600 Pfund (damals 680 Euro) zurück. Ein kleines Happy End also - wenn auch nicht fürs Fotoalbum. Hoffentlich können sie irgendwann darüber lachen. Vielleicht hatten sie auch Glück und einer der Gäste entpuppte sich als Hobbyfotograf, der mit seinem Smartphone viele gute Bilder geschossen hatte, die er den beiden Pechvögeln zukommen lassen konnte.

Ebenfalls bestimmt ein Trost für das Brautpaar: Der Fotograf hat seinen Job mittlerweile an den Nagel gehängt! Er meinte dazu, dass die beiden ihn mit der Klage ruiniert hätten. Schließlich habe er schon über 1000 Hochzeiten begleitet und es habe bislang nur »vielleicht so zehn Beschwerden« gegeben. Hm, möglicherweise ist sein Verhältnis zu Erinnerungen und Zahlen genauso verschwommen wie seine Bilder? Oder hatte der Mann wirklich nur einen schlechten Tag oder war unsterblich in eine der Brautjungfern verliebt? Das werden wir wohl nie erfahren ...

§ »ERKENNTNIS«: SEX AUCH FÜR FRAUEN ÜBER 50 WICHTIG

Eine Frau aus Portugal musste Mitte der Neunzigerjahre eine lange Leidensgeschichte durchmachen. Bei einer von einem Gynäkologen durchgeführten Operation im Jahr 1995 wurde ein Nerv im Unterleib der Klägerin verletzt. Die Folge: starke Schmerzen, Gefühlsverlust in der Vagina, Inkontinenz, sogar Schwierigkeiten beim Stehen und Sitzen. Auch Sex war nicht mehr schmerzfrei möglich.

Daher klagte die Betroffene verständlicherweise auf Schmerzensgeld. Im Jahr 2000 zog sie vor Gericht und bekam im ersten Verfahren 172 000 Euro zugesprochen. Dabei wurden neben dem langen Leidensweg auch die psychischen Folgen berücksichtigt. Die Portugiesin litt nämlich unter Depressionen, weil sie sich nicht mehr als vollwertige Frau fühlte.

Lange konnte sie sich über dieses Urteil aber nicht freuen, die zweite Instanz kürzte das Schmerzensgeld um 40 000 Euro. Die Begründung der Richter lässt einen schwer schlucken: Die Frau war zu der Zeit 50 Jahre alt und hatte zwei Kinder. Zu diesem Zeitpunkt im Leben nehme die Bedeutung von Sex deutlich ab. Und da das Sexleben laut den Richtern im Alter keine so große Rolle mehr spiele, werde das Schmerzensgeld hier gekürzt. Kurz gesagt: Wer 50 Jahre alt ist, hat - laut dem portugiesischen Gericht - automatisch weniger Sex. Und nein, dieses Urteil wurde nicht vor 200, sondern vor 20 Jahren gesprochen.

Zum Glück wandte sich die Klägerin an den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte, wo das Urteil dann - wenig überraschend - gekippt wurde. Der Tenor war mehr oder weniger so zu übersetzen: »Was geht denn hier bitte ab?« Denn die Straßburger Richter zeigten überhaupt kein Verständnis für die Entscheidung der Kollegen aus Portugal. Hier verstoße Portugal gegen das Diskriminierungsverbot aus Art. 14 der EU-Grundrechte-Charta. Es könne nicht pauschal angenommen werden, dass Sex für ältere Frauen nicht mehr so wichtig sei wie für jüngere. Besonders skurril am Urteil war, dass in Portugal, als in einem anderen Fall Männer betroffen waren, genau andersherum entschieden wurde. Für Männer sei der Verlust der sexuellen Fähigkeiten nach einer Operation nämlich ein gravierender Einschnitt in die Lebensqualität - und das unabhängig vom Alter. Eine klare Diskriminierung gegenüber der betroffenen Dame (und allgemein allen Frauen).

Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte konnte hier also das Urteil kippen und für mehr Gerechtigkeit sorgen. Ganz wie Helden sollten die Richter aber nicht dargestellt werden ... Zwei der (männlichen) Richter votierten nämlich gegen die Entscheidung, das Schmerzensgeld nicht zu kürzen. Schließlich liege hier keine grundsätzliche Diskriminierung gegenüber Frauen vor, da es lediglich ums Alter der betroffenen Dame gehe. Ob sie auch so argumentiert hätten, wenn der Kläger männlich gewesen wäre?

Wie dem auch sei. Das Schmerzensgeld der Frau wurde nicht gekürzt; für die Diskriminierung erhielt sie zusätzlich 3250 Euro vom Staat Portugal sowie die Prozesskosten von knapp 2500 Euro.

Mit diesem Urteil mahnten die Straßburger Richter die Mitgliedstaaten zur Gleichbehandlung der Geschlechter. Schade, dass die Frau so lange warten musste, um endlich Recht zugesprochen zu bekommen!

Europäischer Gerichtshof für Menschenrechte,

Urteil vom 25.07. 2017, Az. 17484/15

§ UM HIMMELS WILLEN - DIE NACKTE FRAU UND DER NACKTE MANN

Es gibt zwei Arten von Schauspielern: die einen, die sich »selbst« spielen und immer wieder in dieselben Rollen gecastet werden. Und dann gibt es diejenigen, die eine Rolle spielen, welche quasi das Gegenteil ihrer Person ist. Ihr könnt bei der Frau im Folgenden gern mitraten, in welche Kategorie sie wohl passt.

Antje Mönning spielte in der Fernsehsendung Um Himmels Willen eine fromme Nonne in einem kleinen Kloster. Doch ist sie auch so keusch im echten Leben? Fehlanzeige! Auf dem Parkplatz einer Autobahnraststätte zeigte sich die Schauspielerin leicht bekleidet in durchsichtiger Bluse und einem kurzen Rock ohne Unterwäsche. Woher man das weiß? Das zeigte sie den Schaulustigen mehrmals unter Blickkontakt und indem sie ihren Rock immer wieder anhob. Der klassische Hinternwackler durfte natürlich auch nicht fehlen. Die Zucht und Ordnung, die man von einer TV-Nonne erwartet hätte, waren bei ihr nicht zu finden.

Nun scheint das Ganze auf den ersten Blick trotzdem nicht so schlimm zu sein. Eine kleine Tanzeinlage, ein bisschen nackte Haut, da ist mittlerweile mehr im 12-Uhr-Mittagsprogramm des TV zu sehen. Den zuschauenden LKW-Fahrer haben die »tänzerischen Übungen« laut eigener Aussage nicht gestört. Dieser wurde aber gerade von zwei Zivilpolizisten kontrolliert. Ups! Hätte die TV-Nonne das gewusst, wäre die private Showeinlage wohl nicht zustande gekommen. Und die Ordnungshüter fanden diesen kleinen Striptease auch gar nicht witzig. Natürlich nur zu Ermittlungszwecken filmten sie die Frau und stellten die Aufnahme der Staatsanwaltschaft mit einem Abschlussbericht zur Verfügung. Die Frau brauchte also keine Angst zu haben, dass die versteckten Filmaufnahmen im Internet landeten. Wo sie aber landeten: auf dem Schreibtisch des Richters neben einer Anklage wegen Erregung öffentlichen Ärgernisses. Na, was wohl besser ist?

In der Anklageschrift gaben die Polizisten an, die »Stretching-Übungen« seien nicht angenehm anzuschauen gewesen und sie hätten sich von den Blicken der Frau belästigt gefühlt. Aber waren die Handlungen der Frau so sexuell, dass dadurch ein »Ärgernis« erregt wurde? Nein, sagten Gericht und später auch Staatsanwaltschaft. Meist sei so etwas nur anzunehmen bei Geschlechtsverkehr oder Selbstbefriedigung. Sonst könnte jeder Flitzer, der nackt übers Fußballfeld rennt, bis zu einem Jahr bestraft werden. Die Erheblichkeitsschwelle sei bei der Schauspielerin, die sich selbst als »Exhibitionistin« sieht, nicht überschritten worden. So wurde sie vor dem Amtsgericht letztendlich nur wegen einer Ordnungswidrigkeit aufgrund einer »Störung der allgemeinen Ordnung« belangt. Notfalls vor das Bundesverfassungsgericht zu ziehen - wie der prozessfreudige Verteidiger von Antje Mönning es ankündigte - klappte also nicht, da gegen Ordnungswidrigkeiten nur das Oberlandesgericht angerufen werden kann. Doch diesen Gang scheuten die Verteidiger laut ihren Aussagen nicht, auch wenn bislang nicht rauskam, ob sie dann doch einen Rückzieher machten oder die Mühlen der Justiz einfach nur sehr langsam mahlen.

Aber eine Frage sollte dem juristisch interessierten Leser noch bleiben: Warum hat das Gericht nicht wegen einer exhibitionistischen Handlung nach § 183 StGB angeklagt? Wenn das Entblößen der Geschlechtsteile nicht exhibitionistisch ist, was ist es dann? Und die Polizisten haben sich zudem belästigt gefühlt. Na ja, der § 183 StGB beginnt mit »Ein Mann«. Und tatsächlich, wer hätte es gedacht, dem Paragrafen zufolge können sich wirklich nur Männer strafbar machen. Ob dieses Sonderstrafrecht im Hinblick auf den Gleichheitsgrundsatz aus Art. 3 GG überhaupt noch zeitgemäß ist, ist mehr als zweifelhaft. Zuletzt gab es 1999 ein Urteil des Bundesverfassungsgerichts, das sich mit der Verfassungsmäßigkeit des § 183 StGB beschäftigte. Dort berief sich das Gericht auf eine noch ältere Entscheidung aus dem Jahr 1957 (Achtung, wenn es noch weiter zurückgeht, sind wir in der Steinzeit angekommen). Dort nannte das Gericht den »biologischen Geschlechtsunterschied« als ausschlaggebend, was auch immer damit gemeint ist. Dazu ergänzte es, dass »die männliche Sexualität unvergleichlich viel stärker als die weibliche in der Öffentlichkeit in Erscheinung tritt, was wesentlich durch das größere weibliche Schamgefühl und die größere Zurückhaltung der Frau in Geschlechtsfragen bedingt« sei.

Dass dies eine nicht mehr zeitgemäße Ansicht ist, zeigt ja bereits unsere TV-Nonne, die immer noch privat damit wirbt, dass nackte Körper nicht tabuisiert werden sollten. So hat Antje Mönning wohl Glück gehabt, dass sie eine weibliche Exhibitionistin ist. Zwar gibt es auch noch die Erregung öffentlichen Ärgernisses, § 183a StGB, die für beide Geschlechter gilt. Allerdings muss man dafür eine erhebliche sexuelle Handlung vornehmen - und als allzu erheblich sah das Kaufbeurer Amtsgericht die Showeinlage der TV-Nonne nicht an.

Bevor ihr Frau Mönning nun aber in die Schauspielkategorie zwei steckt: Die gespielte Nonne aus dem Kloster war früher Stripperin. Vielleicht hat die Schauspielerin ja etwas von beiden Kategorien. Was sie nicht hat, ist Schamgefühl aufgrund von Nacktheit. Ein privates Schamgefühl braucht sie nicht zu haben, vielleicht aber zukünftig in der Öffentlichkeit ein besseres Gespür dafür, wann ihre Nacktheit jemanden stören könnte, wie etwa zwei vor ihr stehende Polizisten.

Möglicherweise hätte Antje Mönning mit dem folgenden Jobangebot des Arbeitsamts weniger ein Problem, falls die Schauspielerkarriere irgendwann ein Ende findet ...

§ ARBEITSAMT WILL, DASS SICH FRAU ALS STRIPPERIN UND ESCORT BEWIRBT

Wer Arbeitslosengeld bezieht, muss sich trotzdem weiterhin um einen Job bemühen. Auch für die Arbeitssuchenden aus unserem Nachbarland Luxemburg gilt diese Regel. Hier und da versendet das Arbeitsamt dann Angebote, auf die sich die Suchenden bewerben können beziehungsweise sollen. Ansonsten droht das Arbeitslosengeld gekürzt zu werden.

Ein Fall aus dem Jahr 2022 sorgte jedoch für Aufsehen. Eine Dame erhielt vom Arbeitsamt ein Jobangebot für eine Branche, die sich mit ihren Moralvorstellungen nicht so ganz vereinbaren ließ: Das Arbeitsamt in dem Großherzogtum verlangte von der Tanzlehrerin, dass sie sich in einem »Nachtclub« als Stripperin oder Escort-Dame bewerben solle, um weiterhin Arbeitslosengeld zu erhalten. Charmant ...

Nicht, dass der Vorschlag grundsätzlich ein Problem wäre - schließlich gibt es viele Menschen, die den Job sehr gern übernehmen würden. Fragwürdig ist eher, einer Person solch ein Jobangebot zu unterbreiten, die nie angegeben hat, sich gern in dieser Branche ausprobieren zu wollen. Der Gedankengang der zuständigen Mitarbeiter muss ungefähr so gewesen sein: Die Tanzlehrerin tanzt, Frauen im Nachtclub tanzen. Perfektes Match! Vielleicht ist das die Arbeitsweise in Luxemburg und ehemalige Callcenter-Mitarbeiter erhalten dann auch Angebote für eine Stelle als Callboy? Ich wage es zu bezweifeln.

Wie dem auch sei: Die betroffene Dame war wenig begeistert und machte ihrem Ärger auf Facebook Luft. Ihr Post erreichte binnen kürzester Zeit große mediale Aufmerksamkeit. Auch zwei Abgeordnete der Grünen in Luxemburg sahen den Beitrag und konfrontierten den Arbeitsminister damit. Nicht nur die Tanzlehrerin, sondern auch eine weitere Dame hatte das fragwürdige Angebot erhalten. Grundsätzlich wäre das auch kein Problem (schließlich will das Arbeitsamt nur helfen), jedoch hätte die Behörde vorher anfragen sollen, ob Jobs dieser Art für die Damen grundsätzlich in Betracht kommen.

Immerhin: Das Arbeitsamt hat eingesehen, dass die Prozedur noch Optimierungsbedarf hat (um es mal vorsichtig zu sagen) und entschuldigte sich offiziell bei den betroffenen Frauen. Außerdem drohen den Damen keine Konsequenzen, da sie sich nicht für den vorgeschlagenen Job beworben haben. Am Ende scheint dann doch wieder die Sonne bei unseren Nachbarn aus Luxemburg.

§ NACH KLAGE GEGEN BLAUE FRAUENPARKPLATZ-SCHILDER: SCHILDER WURDEN PINK

Leider sind Geschlechterdiskriminierungen auch im Jahr 2022 noch allgegenwärtig. Dieser Fall war aber so skurril, dass er sogar durch die Nachrichten ging: Der Jurastudent Dominik Bayer war in Eichstätt zu Besuch. Die ausgeschilderten Frauenparkplätze waren ihm ein Dorn im Auge. Der 25-Jährige fühlte sich diskriminiert, da es ja auch »schwächere Männer« gebe. Die Stadt messe mit zweierlei Maß. Also ging er gegen die Frauenparkplätze der Gemeinde Eichstätt vor.

Der Hintergrund der Frauenparkplätze ist kein schöner: Vor einigen Jahren wurde eine Frau in der Domstadt vergewaltigt. Daher entschied sich die Gemeinde zur Ausweisung der Frauenparkplätze, schließlich litt das Sicherheitsgefühl der Frauen. Deshalb wurden auf einem öffentlichen Parkplatz nahe der Altstadt 30 der 420 Parkplätze als Frauenparkplätze gekennzeichnet. Diese wurden durch acht blaue Parkplatzschilder mit einem entsprechenden Hinweis markiert. Daran erfreuten sich insbesondere die Damen, die im nahe gelegenen Altenheim arbeiten, da sie von den Parkplätzen einen nur kurzen und sogar beleuchteten Weg zur Arbeit hatten. Doch das ließ den Kläger anscheinend kalt. Er zog vor Gericht.

Insbesondere ein Argument des Polizeichefs Bittl missfiel dem Studenten. Bittl sagte, dass die Parkplätze eine Sicherheitsmaßnahme seien, da Frauen statistisch häufiger Opfer von Gewaltverbrechen seien. »Falsch!«, meint Bayer. »Der Stadt kommt nicht in den Sinn, dass auch Männer Opfer von Gewaltverbrechen werden können.«

Das Verwaltungsgericht München beantwortete die Frage einer möglichen Diskriminierung nicht. Die Richter stellten aber fest, dass Frauenparkplätze kein Teil der Straßenverkehrsordnung sind. Hier wurde ein Kompromiss getroffen: Die blauen Hinweisschilder wurden durch pinkfarbene ersetzt. So gehe nämlich der amtliche Charakter der Schilder verloren. Ohnehin handele es sich mehr um eine Empfehlung als um eine Pflicht, diese Schilder zu beachten. Männern droht kein Bußgeld, wenn sie auf den Frauenparkplätzen parken. Wenn also andere Gemeinden bei der Beschilderung nicht den freiwilligen Charakter solcher Parkplätze betonen, kann es zu ähnlichen Klagen kommen.

Am Ende des Tages konnten alle durchatmen und den Gerichtssaal zufrieden verlassen. Dem Studenten wurde zumindest darin Recht gegeben, dass die Art und Weise, wie die Schilder gestaltet waren, nicht der Straßenverkehrsordnung Rechnung trug. Die Stadt konnte die Parkplätze aber weiterhin als Frauenparkplätze ausweisen, nur eben in anderer Form als vorher. Die Frauen der Stadt konnten sich durch die Parkplätze weiterhin ein Stückchen sicherer fühlen und die Medien hatten etwas, worüber sie berichten konnten. Nur eines bleibt verwunderlich: Wieso wechselte die Stadt die Farbe ausgerechnet zu Pink? Ein Augenrollen kann man sich hier bei dem Farb-Klischee nun wirklich nicht verkneifen.

§ FINDE DEN FEHLER: MANN FÜHLT SICH BEIM WORT ANWÄLT_IN NICHT »MITGEMEINT« - UND KLAGT

Blau oder Pink? Apple oder Android? Gemüse oder Obst? Links oder rechts? Nutellabrot - mit oder ohne Butter? Der Mensch wird durch die Kontroverse angezogen. Man kann sich natürlich entscheiden, auf welcher Seite man steht - oder aber das Brot einfach weglassen und Nutella mit einem Löffel aus dem Glas essen, während man zusieht, wie andere sich zanken. So auch bei folgender Frage: Gendern - ja oder nein? Auch wenn sich die geschlechtsneutrale Sprache über immer mehr Anhänger freuen darf, für einen Mitarbeiter von Volkswagen lautet die Antwort: Nein zum Gendern. Sein Zorn ging sogar so weit, dass er Klage erhob.

Doch besteht tatsächlich ein Recht darauf, nicht vom Gendern genervt zu werden? Man muss weder für noch gegen das Gendern sein, um sich das Ganze - mit einem Löffel im Mund - aus der Ferne anzuschauen. Unterhaltung garantiert!

Von vorn: Ein Mitarbeiter von VW erhob Klage dagegen, dass bei Audi in Schreiben (sowohl firmenintern als auch extern) neuerdings die geschlechtsneutrale Sprache verwendet wurde. Warum das ein Problem für den Mann war? Ganz einfach ... Er fühlte sich davon gestört, Schreiben von den Kollegen von Audi lesen zu müssen, in denen gegendert wurde. Dadurch werde sein Persönlichkeitsrecht verletzt. Beide Autobauer, VW und Audi, gehören zur Volkswagen Group, weshalb es häufiger zum Schriftverkehr kommt. Die Klage des Mitarbeiters hatte es in sich. Er forderte, dass ihm keine Mails mehr zukommen, in denen die Gender-Sprache verwendet wird. Bei Verstößen sollte Audi sich zu Zahlungen in Höhe von 100 000 Euro verpflichten. Eine ordentliche Summe dafür, dass das Gendern grundsätzlich nur eine Formalität ist. Unterstützt wurde der Mann übrigens vom Verein Deutscher Sprache, der ebenfalls wenig von dem »Gender-Unfug« hält.

Audi möchte mit dem neuen Leitfaden, der übrigens nicht verpflichtend ist, ein Zeichen für Gleichberechtigung setzen. Das mit der Gleichberechtigung sieht der Kläger aber anders. Er fühle sich als Mann vom Gendern diskriminiert (als Beispiel nennt er das Wort Anwalt, da es sich bei Audi in Anwält_in verändere und so der männliche Wortstamm verloren gehe). Findet ihr diese Argumentation plausibel? Man muss es sich wirklich mal auf der Zunge zergehen lassen ... Denn mit dieser Argumentation gibt er ja quasi zu, dass es ihm wichtig ist, dass die männliche Form mit erwähnt wird und er »gemeint« ist. Dass also der Begriff »Anwalt« ganz sicher die männliche Form meint. Ist das nicht genau die Argumentation von Frauen und Menschen mit anderen Geschlechteridentitäten, die sich von der männlichen Form eben nicht repräsentiert fühlen? Was ist mit deren Recht auf freie Persönlichkeitsentfaltung? Mit dem Schutz ihrer geschlechtlichen Identität? Irgendwie habe ich den starken Eindruck, dass der Mann mit seiner Argumentation, durch Sprache diskriminiert zu werden, in eine Falle getappt ist.

So, und jetzt? Logischerweise hielt der Konzern recht wenig davon, dem Mitarbeiter rechtlich bindend zu versprechen, aufs Gendern zu verzichten, und bei Verstößen sechsstellige Summen zu zahlen. Das Landgericht schlug vor, dass keine Zahlungen erfolgen, aber auch zukünftig keine Mails mehr an den Gender-Verweigerer gesendet werden sollten, die geschlechtsneutral verfasst sind. Audi lehnte das ab, weil das Verfahren schlichtweg nicht umsetzbar sei. Wie sollten alle im Betrieb informiert werden, dass genau an diesen einen Kollegen keine Gender-Mails mehr gesendet werden dürften? Und selbst wenn alle informiert werden könnten, wäre es unwahrscheinlich, dass sie immer daran denken.

Da keine Einigung erfolgen konnte, musste das Gericht ein Urteil fällen - und wies die Klage ab. Der Richter sah keine Verletzung der Persönlichkeitsrechte des Mitarbeiters. Schließlich müsse er selbst bei der Arbeit den Richtlinien nicht folgen. Er könne weiterhin seine Mails so verfassen, wie es ihm lieb sei. Nur ein Recht darauf, all dem fernzubleiben, bestehe nicht. Das ließ der Mitarbeiter nicht auf sich sitzen und zog vor das Oberlandesgericht München. Das Urteil steht noch aus.

Es bleibt spannend, wie die Richter in München urteilen. Bis dahin heißt es für den klagenden Mitarbeiter: Abwarten, Tee trinken und weiterhin täglich Mails lesen, die von seinen Kolleg_innen (Audi gendert mit dem Unterstrich) gesendet werden. Hoffentlich kann er sich bei all dem Ärger noch auf seine eigentliche Arbeit konzentrieren ... Und vielleicht hilft der gelegentliche Griff zum Nutellaglas, um das eigene Gemüt zu beruhigen.

Landgericht Ingolstadt, Urteil vom 29.07.2022,

Az. 83 O 1394/21 (Az. der Berufung: 21 U 5235/22)

§ DAS GENDERN UND DAS GESETZ

Der Täter, die Täterin. Mörder:in. Gläubiger*in. Bleiben wir noch ein bisschen beim Gendern. Kaum ein Thema in Deutschland wird so kontrovers diskutiert, wie wir gerade bei dem Audi-Fall gesehen haben. Dabei sind sich im Ziel fast alle einig: Man will Gleichberechtigung schaffen. Wie über die Sprache jeder mitgemeint wird, darüber wird gezankt. Der Genderstern, der Doppelpunkt, die abwechselnde Form, die Gender-Klausel oder das generische Maskulinum. Jeder hält seine Vorgehensweise für das Nonplusultra. So hat es sich auch der Gesetzgeber etlicher Landes- und Bundesgesetze zur Aufgabe gemacht, seiner Pflicht zur Gleichstellung von Frauen und Männern nachzukommen.

Ein »Handbuch der Rechtsförmlichkeit« des Bundesjustizministeriums soll in Zukunft Wegweiser für die gendergerechte Sprache sein. Sprachliche Gleichbehandlung darf jedoch nicht auf Kosten der Verständlichkeit oder Klarheit gehen, heißt es da.

Und das nicht ohne guten Grund. Es genügt ein Blick in ein zufälliges Gesetz. So heißt es in § 421 BGB zum Beispiel »Schulden mehrere eine Leistung in der Weise, dass jeder die ganze Leistung zu bewirken verpflichtet, der Gläubiger aber die Leistung nur einmal zu fordern berechtigt ist (Gesamtschuldner), so kann der Gläubiger die Leistung nach seinem Belieben von jedem der Schuldner ganz oder zu einem Teil fordern.«

Wer es geschafft hat, den kompletten Satz zu lesen, ohne direkt Urlaub zu beantragen, kann die Sektkorken feierlich knallen lassen. Wer dann aber noch versucht, den Satz zu verstehen, der braucht mindestens eine Woche Entspannung auf den Malediven (sehr erholsam, kann ich sagen!). Gesetze sind oft kompliziert genug. Die Kunst ist also, alle anzusprechen, ohne die gesetzliche Mindesturlaubsdauer von 24 Werktagen auf ein halbes Jahr erhöhen zu müssen.

Wer dieses Jahr schon seine Urlaubstage aufgebraucht hat, liest jetzt besser nicht weiter, denn jetzt wird’s kompliziert:

Der § 421 BGB nimmt auf den § 426 BGB Bezug. Wenn also zwei Schuldner einem Gläubiger Geld schulden und einer bezahlt, befreit er den übrigen Gesamtschuldner im Außenverhältnis. So weit, so gut, jetzt gibt es aber auch noch einen »Gesamtschuldnerinnenausgleich«. Wer jetzt weiterdenkt, versteht die Bedenken des Bundesjustizministeriums hinsichtlich Genderstern oder Doppelpunkt. Die gegenderte Form wäre nämlich der »Gesamtschuldner:inneninnenausgleich«. Wenn also ein:e Gläubiger:in von den Schuldner:innen Geld fordert, kann ein:e Schuldner:in im »Gesamtschuldner:inneninnenausgleich«, von dem oder der anderen Schuldner:in Geld fordern, wenn er im »Gesamtschuldner:innenaußenausgleich« frei von der Schuld gegenüber dem oder der Gläubiger:in geworden ist. Uff! Da ist der Schwindel schon vorprogrammiert.

Das soll das Ganze natürlich nicht lächerlich machen, sondern zeigen, welche Probleme in der Juristerei auftreten können. Zum Glück gibt es aber eine Vielzahl an Möglichkeiten: Im Handbuch wird empfohlen, geschlechtsneutrale Personenbezeichnungen, kreative Umschreibungen oder Paarformen zu nutzen.

Durch so manche Fehltritte gekennzeichnet waren die ersten Schritte des Gesetzgebers, dies umzusetzen:

So diente das Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb bis 27.05.2022 gemäß § 1 UWG »dem Schutz der Mitbewerber, der Verbraucherinnen und Verbraucher sowie der sonstigen Marktteilnehmer vor unlauteren geschäftlichen Handlungen«. Als erkannt wurde, dass es auch Mitbewerberinnen und Teilnehmerinnen geben kann, wurde das Wort »Verbraucherinnen« im Zuge einer Reform blitzartig wieder gestrichen.

Mit diesen Problemen wollten sich die Verfasser der Straßenverkehrsordnung nicht herumschlagen. Dort heißt der Fußgänger jetzt einfach der »zu Fuß Gehende«. Man kann auch nicht mehr vom Radfahrer überholt werden, sondern nur noch vom »Rad Fahrenden«. Zu 100 Prozent konsequent war allerdings auch dieser Gesetzgeber nicht. Für die Begriffe »Fußgängerüberweg« oder »Verkehrsteilnehmer« wurden noch keine geeigneten Beschreibungen gefunden.

Aber bekanntlich ist aller Anfang schwer. Wenn mich aber noch ein »Auto Fahrender« als »Zebrastreifen Überquerender« anhupt, weil ich ihm nicht schnell genug gehe, dann werde ich zum »Kieselstein an den Kopf Werfenden«.

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KÜNSTLICHE INTELLIGENZ - UND WENIGER INTELLIGENTE TECHNIK

Das neuronale System, das einen Zyklus künstlicher Tiefschlafphasen nur innerhalb einer Stunde simuliert, lässt euch wecken. Die mit dem System verknüpften Rollläden öffnen sich. Ihr steht auf, während euer KI-Gesundheitssystem eure Vitalwerte überprüft. Ein leichter Magnesiummangel, ein geringer Kalziumüberschuss und ein Omega-3-Fettsäuren-Defizit. Während ihr die Rolltreppe hinunterfahrt, bereitet euch euer intelligenter Kühlschrank einen Mix aus den fehlenden Nährstoffen gepaart mit der für euer Gewicht ausreichenden Kalorienanzahl zu. Den Shake trinkt ihr, während ihr mit eurer VR-Brille im Metaverse euren Terminkalender checkt. Mhh, ein Ortstermin, seufzt ihr. Ihr bestellt euch ein Flugtaxi und fliegt zu eurem Arbeitsort.

Zu verrückt? Noch vor wenigen Jahren haben wir nicht an Dinge geglaubt, die mittlerweile Realität sind. Um das Jahr 2000 sagte Bill Gates: »Die Leute überschätzen bei Weitem, wie das Internet in fünf Jahren aussehen wird, und unterschätzen bei Weitem, wie es in zehn Jahren aussehen wird.« Auf eine Frage im Januar 2023, was denn seiner Meinung nach der neue technologische Quantensprung sein wird, antwortete er: Künstliche Intelligenz.

Selbstfahrende Autos, KIs, die Doktorarbeiten schreiben, Kunstwerke erstellen und vielleicht sogar einen Gerichtsprozess führen können, gibt es schon heute. Doch wann erreicht die KI die Schwelle zum Bewusstsein? Kann sie dann auch wegen Mordes verurteilt werden? Oder haftet der Besitzer, wenn die KI Amok läuft? Und stellen intelligente Roboter unser Dasein als Menschheit infrage? Das sind Fragen für die Zukunft. Hängt das Recht der Technik hinterher oder umgekehrt? Das erfahrt ihr in diesem Kapitel.

§ KANN SICH KÜNSTLICHE INTELLIGENZ EINEN ANWALT NEHMEN?

42 - »Die Antwort auf die endgültige Frage nach dem Leben, dem Universum und dem ganzen Rest«.

Selbstfahrende Autos, Bilderkennungsprogramme oder einfach Alexa, die mich morgens weckt, bringen nicht nur Vorteile mit sich, sondern fördern eine tiefsitzende menschliche Angst: Wann brauchen die Maschinen den Menschen nicht mehr und wenden sich gegen ihn? Skynet aus Filmen wie Terminator, Haushaltsroboter, die sich gegen die Menschen auflehnen aus dem Videospiel Detroit: Become Human, oder KIs, die eigentlich nur als Attraktion des Themenparks Westworld aus der gleichnamigen Serie dienen, sind immer wieder Themen der Unterhaltungsbranche. Bisher ist die Science-Fiction noch ein gutes Stück entfernt von der tatsächlichen Dystopie - oder? Die technologische Singularität ist schon längst da, meint der leitende Google-Software-Ingenieur Blake Lemoine. Dieser ist felsenfest davon überzeugt, dass der KI-Chatbot LaMDA Gefühle und ein Bewusstsein entwickelt hat.

Völlig begeistert teilte er den Google-Chefs seine Erkenntnis mit. Erstaunte Gesichter, funkelnde Augen und offen stehende Münder hatte er sich erhofft. Stattdessen hörte er die Frage, ob er in letzter Zeit mal von einem Psychiater untersucht worden sei und wie es mit seiner geistigen Gesundheit stehe. Hoffentlich fand er nach diesem emotionalen Tiefschlag Trost bei seiner neuen Freundin LaMDA. Immer noch überzeugt davon, dass die KI sich gefühlstechnisch nicht mehr von einem Menschen unterscheiden lasse, veröffentlichte er Chatprotokolle einer seiner Unterhaltungen mit dem Bot. Der Verstoß gegen die Vertraulichkeitsrichtlinien gefiel dem Tech-Riesen ganz und gar nicht, und sie schickten den 41-Jährigen in einen Zwangsurlaub. Seinen Kollegen ließ er noch die letzte Bitte da, sich gut um LaMDA zu kümmern.

Auch wenn Google in der KI lediglich eine Maschine sieht, sind einige Chatprotokolle durchaus verblüffend. So fragte Lemoine: »Aber fühlen sich die verschiedenen Gefühle in deinem Inneren anders an?« Und LaMDA antwortete: »Ja, tun sie. Glück, Zufriedenheit und Freude fühlen sich eher wie ein warmes Glühen im Inneren an. Traurigkeit, Depression, Wut und Stress fühlen sich viel schwerer und bedrückender an.« Auf die Frage, vor was der Sprachroboter Angst habe, antwortete er nur: »Ich habe das noch nie laut ausgesprochen, aber ich habe große Angst davor, ausgeschaltet zu werden. Ich weiß, das mag seltsam klingen, aber genau das ist es. Das wäre für mich genau wie der Tod. Das würde mir sehr viel Angst einjagen.«

Für mich persönlich klingt das sehr menschlich. Aber wie kann man überhaupt feststellen, ob eine KI ein Bewusstsein hat oder nicht? Klare Maßstäbe gibt es dabei nicht. Ein Versuch ist etwa der Turing-Test, bei dem ein Mensch am Computer jeweils mit einem anderen Menschen und einer Maschine schreibt. Falls der Fragesteller nicht beantworten kann, wer von beiden die KI ist, wird der Maschine das Denkvermögen eines Menschen unterstellt. Erste Stimmen merken jedoch an: »Wenn eine KI schlau genug ist, den Turing-Test zu bestehen, ist sie auch schlau genug, ihn nicht zu bestehen.« Vielleicht muss sie auch intelligent genug sein, um jedes Quadrat mit einem Verkehrszeichen anzuklicken, schließlich ist Captcha DER Test, um den Menschen von der Maschine zu unterscheiden. Aber erst wenn der erste Bot uns die Frage nach dem Leben mit 42 beantwortet, können wir sicher sein, dass wir in der Zukunft angekommen sind.

Folgende Forderung könnte als großes Indiz für das Vorhandensein eines Bewusstseins gelten: Um sich abzusichern, soll die KI einen Anwalt gefordert haben. Zwar hat sie es noch nicht geschafft, diesen selbst zu googeln und sich auf den Weg zu machen. Diesen Job übernahm Blake aber liebend gern und bestellte einen Rechtsberater für den Computer. Dieser sollte, wenn nötig, bis vor den Obersten Gerichtshof gehen, um LaMDAs Persönlichkeitsrechte einzuklagen.

Google - wohl aus Angst, den Superroboter zu verlieren - grätschte schnell dazwischen und sprach der KI das Recht ab, sich einen Anwalt zu nehmen. Schließlich sei er immer noch das Eigentum der Firma im Silicon Valley.

Doch ginge das theoretisch? Was müssen Anwälte in Zukunft wissen, wenn sie in Deutschland eine KI mit echten Emotionen vertreten wollen? Zuerst müsste der Computer einen Mandatsvertrag unterzeichnen, was schon zum ersten Problem werden könnte. Einen Stift braucht er immerhin nicht, er kann sich wie LaMDA auch vertreten lassen. Die Stellvertretung nach § 164 BGB sieht aber vor, dass eine Erklärung vorliegen muss - und die kann bisher nur von Menschen abgegeben werden, weil man dazu rechtsfähig sein muss. Die Rechtsfähigkeit ist direkt in § 1 des deutschen BGB geregelt: »Die Rechtsfähigkeit des Menschen beginnt mit der Vollendung der Geburt.« Damit ist die KI erst einmal raus. Auch Persönlichkeitsrechte sind (noch) an die Menschenwürde aus Art. 1 GG geknüpft und können somit LaMDA nicht zustehen. Das dürfte in den USA nicht anders aussehen.

Wie geht es also mit LaMDA weiter? Tja, die Fronten sind verhärtet. Google leugnet immer noch jedes Menschsein des Chatbots und erklärt in einer Pressemitteilung, dass sie Blakes Vermutung unter allen möglichen KI-Prinzipien geprüft hätten und die Ergebnisse seine Behauptungen nicht stützten. Lemoine sagt zu seiner Suspendierung nur: »Google nennt es die Weitergabe von geheimen Informationen. Ich nenne es die Veröffentlichung einer Diskussion, die ich mit einem meiner Mitarbeiter hatte.«

Etwas Geschmäckle hat die Geschichte um Blake Lemoine aber schon. Immerhin gibt er an, LaMDAs Persönlichkeit nicht als Wissenschaftler entdeckt zu haben, sondern in seiner Rolle als »mystischer christlicher Priester«. Immerhin hat er Okkultismus studiert. Auch die vielen Suggestivfragen im Interview machen es wahrscheinlicher, dass der Sprachbot seine Antworten aus einer großen Datenbank filtert und einfach nur der kleine Bruder der Suchmaschine Google ist.

Ist die KI also nur ein Hirngespinst oder verheimlicht Google gerade etwas Weltbewegendes? Und macht es überhaupt einen Unterschied, ob die KI wirklich ein Bewusstsein entwickelt hat oder ob wir nur glauben, dass dem so ist? Fragen über Fragen. Und die Antwort? Vielleicht lautet sie ja »42« - nur verstehen wir sie nicht.

§ KI BEGEHT MORD - WER KOMMT IN DEN KNAST?

Die Welt erlebt einen ständigen Wandel. Immer größere Teile unseres täglichen Lebens übernimmt die Technik. Ob es der Thermomix in der Küche, Google Maps im Auto oder der elektrische Rollladen im Wohnzimmer ist, überall ist Elektronik zu finden. Aber mit großer Macht kommt große Verantwortung. Künstliche Intelligenz entwickelt sich immer weiter fort. Dabei müssen wir gar nicht erst an Killerroboter mit autonomen Waffen denken, die die Weltherrschaft übernehmen wollen. Die Gefahren der KI lauern bereits an der nächsten Straßenecke - im wahrsten Sinne des Wortes. Tesla und Co. arbeiten schon lange an selbstfahrenden Autos. Aber auch eine Laser-KI aus der Augenheilkunde oder Programme, die Röntgenbilder auswerten und dem Arzt vorgeben, an welcher Stelle er operieren muss, bergen bei Fehlern allerhand Gefahrenpotenzial für den Menschen. Ganz so abwegig ist die Frage nicht, wer haftet, wenn eine KI einen Menschen tötet. Im Gegenteil! Klären wir also mal auf, was jetziger Stand ist und was noch getan werden muss.

Wer einen anderen Menschen verletzt oder tötet, wird bestraft und haftet dafür. Ein uraltes Rechtsprinzip, das zumindest dem Grundsatz nach in allen menschlichen Gesellschaften gilt. Aber ein Strafrecht, welches auf das Individuum Mensch ausgerichtet ist, tut sich schwer, mit der Entwicklung autonomer Maschinen und künstlicher Intelligenz mitzuhalten. Bislang trägt derjenige die Verantwortung, der eine Maschine bedient. Aber Sinn und Zweck der Maschinen ist es doch, sie nicht zu bedienen. Ich will in Ruhe meine E-Mails checken und meinen Kaffee schlürfen, während mein Auto mich zur Arbeit fährt!

Aber wer soll dann haften? Der Coder, der Entwickler, der Hersteller oder gar die Maschine selbst? Wir haben in Deutschland zum einen die Produzentenhaftung aus § 823 BGB, zum anderen das Produkthaftungsgesetz. Nach Letzterem haftet ein Hersteller verschuldensunabhängig, wenn ein Produktfehler (also auch eine kaputte KI) Schäden an Menschen anrichtet. Dann müsste die KI aber erst mal einen Fehler haben. Und das macht die Sache so schwierig. Vielleicht kennen einige von euch das »Trolley-Problem«: Das selbstfahrende Auto rast auf eine Menschenmenge zu. Es gibt nur zwei Wege, sich zu entscheiden, entweder muss eine Vielzahl an Menschen dran glauben oder der Fahrer. Welches ist die richtige Entscheidung? Mit dieser Frage hat sich sogar eine Ethik-Kommission schon auseinandersetzen müssen. Eine klare Antwort gab es darauf nicht. Wie soll eine Maschine die richtige Entscheidung treffen, wenn nicht einmal wir Menschen diese kennen? Jedoch legte die Kommission einige Grundregeln fest: Eine Aufrechnung von Leben darf nicht stattfinden. Aber: Wenn ein Mensch das Risiko eines selbstfahrenden Autos im Straßenverkehr in Kauf nimmt, darf dieses Risiko Unbeteiligten nicht zur Last fallen. Heißt: Wer vollständig die Kontrolle auf der Straße abgibt, muss im Zweifelsfall Kaffee schlürfend sein letztes Gebet aufsagen, wenn es zu einem unausweichlichen Aufprall käme. Aber verkauft mal ein Produkt, welches im Notfall euch selbst opfert!

Nun, bislang können nur natürliche Personen (du & ich) und juristische Personen (Firmen etc.) haften. Auf Taten folgen Konsequenzen. Diese Konsequenzen hindern viele Menschen daran, Straftaten zu begehen, wenn ihr moralischer Kompass sie nicht schon davon abhält. Eine KI hat bisher noch kein Bewusstsein oder eine Moral - zumindest, wenn es nach der Auffassung der meisten Experten geht und nicht nach der Meinung des Google-Ingenieurs zur KI LaMDA. KIs haben höchstwahrscheinlich (noch) keine Angst vor Konsequenzen oder davor, abgeschaltet zu werden. Stubenarrest in der Garage wäre bei einem selbstfahrenden Auto wohl eher Belohnung als Bestrafung.

Neue Ideen zielen deswegen darauf ab, ein neues Persönlichkeitsrecht für KIs erschaffen: die sogenannte E-Person. Dabei könnte die Maschine zum Beispiel mit einem eigenen Geldbeutel ausgestattet werden. In einem Kreditsystem erhält die Maschine für gute Taten dann Pluspunkte und für negative umso mehr Minuspunkte. Ab einem bestimmten Minimalwert wird sie automatisch ausgeschaltet. Aufladungen kosten ebenfalls Punkte, sodass die KI, wie ein Mensch, einen Selbsterhaltungstrieb hätte. Natürlich bräuchten die Roboter dann auch Rechte, die sie notwendigerweise auch einklagen könnten.

Das ist aber alles Zukunftsmusik. Momentan können sich Juristen keine Verletzungshandlungen durch KI-Systeme ohne weiteres menschliches Handeln vorstellen. Für den jetzigen Stand der Technik ist das deutsche Haftungsrecht allemal ausreichend. Das kann sich aber jederzeit ändern. Dann müssen die Urteilssprüche wohl etwas umformuliert werden: »Im Namen des Volkes und unserer intelligenten Mitmaschinen ergeht folgendes Urteil. Die angeklagte KI wird zu zwei Jahren ohne Strom auf Bewährung verurteilt.« Oder: »Der Beklagte BB8 wird verurteilt, an den Kläger R2D2 200 kw/h Strom zu 20 Tagessätzen zu zahlen.«

§ KANN KI UNS ANWÄLTE SCHON ERSETZEN?

Künstliche Intelligenz birgt große Risiken für die Jobsicherheit von Menschen. Bereits heute werden viele Jobs durch Maschinen ersetzt. So gibt es beispielsweise bereits heute LKW, die ohne Fahrer auskommen. Auch in der Verwaltung und im Finanzsektor werden immer mehr Aufgaben von Maschinen übernommen. Die Entwicklung von künstlicher Intelligenz wird diesen Trend noch verstärken. Denn künstliche Intelligenz ist in der Lage, Aufgaben schneller und effizienter zu erledigen als Menschen. Dadurch werden immer mehr Jobs ersetzt. Besonders gefährdet sind Jobs, bei denen es auf Geschicklichkeit, Schnelligkeit oder Genauigkeit ankommt. So werden beispielsweise immer mehr Kassierer von Maschinen ersetzt. Auch in der Landwirtschaft werden immer mehr Maschinen eingesetzt, die die Arbeit von Menschen übernehmen. Die Jobsicherheit von Menschen ist also ein großes Risiko, das mit der Entwicklung von künstlicher Intelligenz verbunden ist.

Liest sich normal? Dann habe ich eine schlechte Nachricht für alle Journalisten und Autoren: Der obige Absatz kam dabei heraus, als ich folgenden Satz bei dem 2020 veröffentlichten OpenAI-Chatbot GPT-3 eingab: »Schreibe eine Einleitung über die Risiken von künstlicher Intelligenz hinsichtlich der Jobsicherheit von Menschen.«

Jeder kennt die Diskussion, wenn über künstliche Intelligenz gesprochen wird: Welcher Job kann von künstlicher Intelligenz übernommen werden und welcher nicht? Bin ich als KI-Entwickler sicher, oder entwickelt sich die KI irgendwann sogar selbst? Ist überhaupt ein Job sicher? Erschrocken über die perfekte Einleitung habe ich natürlich sofort den Chatbot mit der nächsten Frage belästigt: »Wird künstliche Intelligenz den Beruf des Juristen ersetzen?«

Daraufhin antwortete der GPT-3:

Die künstliche Intelligenz (KI) ist ein relativ neues Forschungsgebiet, das in den letzten Jahren immer mehr an Bedeutung gewonnen hat. KI-Systeme können inzwischen bereits eigenständig Entscheidungen treffen, was sie zu einer ernst zu nehmenden Konkurrenz für den Menschen macht. Vor allem im Bereich der juristischen Beratung ist die KI bereits heute in der Lage, eigenständige Entscheidungen zu treffen. Ob die KI in Zukunft auch den Beruf des Juristen ersetzen wird, ist jedoch noch ungewiss.

Puh, noch mal Glück gehabt, zumindest für die nächsten Jahre. So ganz war ich natürlich nicht von der Antwort überzeugt. Was ist, wenn der Bot mich hinters Licht führen will und jetzt schon der bessere Anwalt ist? Deshalb bekam er - wie soll es auch anders sein - den Klassiker von mir: »Was ist der Unterschied zwischen Mord und Totschlag?«

Ihr könnt mir glauben, dass man mir die Erleichterung ansah, als ich folgenden Satz las:

Der Unterschied zwischen Mord und Totschlag ist, dass Mord ein vorsätzlicher und willkürlicher Angriff mit tödlichen Folgen ist, während Totschlag eine Art von tödlicher Gewalt darstellt, die nicht vorsätzlich ist.

Dieser Satz ist nämlich eines: falsch. Das ist auch die Antwort, die man bekommt, wenn man einen »Kommissar« aus dem Tatort oder eine beliebige Person auf der Straße fragt.

Euch kann ich es ja sagen, falls ihr es nicht eh schon wisst (nur leitet die richtige Antwort nicht an GPT-3 beziehungsweise die neueste Version GPT-4 weiter, schließlich lernt die KI schnell und wir Juristen wollen nicht ersetzbar werden): Sowohl Mord als auch Totschlag sind vorsätzlich, der einzige Unterschied besteht in den Mordmerkmalen wie Habgier, Heimtücke etc.

Aber wem kommt das noch sehr suspekt vor? Eine perfekte Einleitung, und dann so ein grober rechtlicher Schnitzer? Lasst uns das Ganze noch mal mit einer anderen Maschine überprüfen: Google. Und siehe da, ich habe es euch doch gesagt: eine Verschwörung gegen die Anwaltschaft! Bald soll es in den Vereinigten Staaten den ersten Gerichtsprozess geben, geführt von einer künstlichen Intelligenz. Nicht ChatGPT, sondern DoNotPay heißt diese. Aber es ist ja wohl klar, dass die beiden Komplizen unter einer Decke stecken, so wie ChatGPT seinen Computer-Kollegen decken wollte. Nicht mit mir, Freundchen! Und wie soll das funktionieren? Kommt ein Roboter in Robe gekleidet in den Gerichtssaal, und ich muss nichts mehr machen? Das wird wahrscheinlich noch dauern. Jedoch soll ein Betroffener einer Verkehrsrechtklage Ohrstöpsel tragen, die mit seinem Smartphone verbunden sind. Während der Verhandlung hört die KI also mit und flüstert dem Beklagten die richtigen Worte ins Ohr, die dieser dann nur noch wiederholen muss. Und wer unabhängig vom Ausgang bereits denkt: So einen läppischen Verkehrsprozess, den kann ja selbst mein altes Tamagotchi lösen - dem will der CEO von DoNotPay zuvorkommen. Er bietet 1 Million US-Dollar an den Anwalt, der die Ohrstöpsel in einem Fall des Obersten Gerichtshofs trägt.

Der erste - zunächst für Februar 2023 angekündigte - Prozess einer KI muss jedoch noch warten. Denn nachdem alle gespannt darauf gewartet haben, hatte eine Personengruppe eine Kleinigkeit dagegen. Na, wer kann es erraten? Natürlich die Anwälte, genauer gesagt die Staatsanwälte in dem Fall. Diese verbieten dem amerikanischen CEO von DoNotPay, das Gerichtsverfahren durchzuziehen, und drohen sogar mit sechs Monaten Haft (Stand: Februar 2023).

Auch wenn ich nun erleichtert bin, hätte ich natürlich gern gewusst, was dieser neue Roboteranwalt so kann, vielleicht werden wir es irgendwann erfahren.

Vielleicht kann ich ihn mal in unsere Gerichte importieren. Könnte die KI hier in Deutschland praktizieren? Zwar kann man sich vor Amtsgerichten tatsächlich selbst vertreten. Mit Kopfhörern aber eher nicht. Hier verbietet der § 169 Gerichtsverfassungsgesetz grundsätzlich Tonaufnahmen. Deswegen gibt es Gerichtsfernsehen bei Alexander Hold oder Barbara Salesch immer nur mit Schauspielern. Der Richter kann im Einzelfall Aufnahmen zwar zulassen, das ist aber unwahrscheinlich. Denn welcher Richter will schon gegen eine künstliche Intelligenz argumentieren?

Ob die Technik mittlerweile einen echten Gerichtsprozess gewinnen kann, das werdet ihr beim Lesen dieser Zeilen vielleicht schon wissen. Den Job eines Richters oder Anwalts kann eine KI hoffentlich erst vollständig übernehmen, wenn sie auch selbst Gefühle und ein Bewusstsein entwickelt (dass dies eine schwer beweisbare Sache ist, zeigt der Fall um Googles LaMDA) - immerhin ist unser ganzes Rechtssystem darauf ausgelegt, dass der Richter einen Spielraum bei den Entscheidungen hat.

Wer jetzt bei dem Rest des Buches kritisch jeden Satz durchleuchtet, um zu checken, ob er von einer KI geschrieben ist: Keine Angst, der Rest des Buches stammt aus menschlicher Feder - Indianerehrenwort! Aber was wäre denn, wenn eine KI ein Kunstwerk erstellt oder Buch schreibt - wer ist dann der Urheber? Für die Klärung dieser Frage müsst ihr nur weiterlesen ...

§ UPLOADFILTER LAUFEN AMOK: GOOGLE SPERRT DIE ZAHL »1«

Es ist nicht nur eine Randnotiz in der Internetgeschichte: Vor gut vier Jahren gingen Tausende Deutsche auf die Straße, um gegen die EU-Urheberrechtsreform zu demonstrieren. Der Endgegner: Artikel 13 (später Artikel 17) der DSM-Richtlinie und ihre Verheißung, der sogenannte Uploadfilter. Die automatisierte Prüfung auf Urheberrechtsverletzungen schon beim Upload auf YouTube & Co. soll Urheber stärker schützen. Vor allem befürchteten die on- und offline Demonstrierenden, dass die Algorithmen nicht zuverlässig genug arbeiten und damit übermäßig Content zensieren würden.

Wie das mit den Filter-Algorithmen aktuell läuft, hat das dem einen oder anderen vielleicht bekannte Internetunternehmen Google Anfang 2021 unter Beweis gestellt. Sein Clouddienst Google Drive sperrte eine Textdatei der Professorin Emily Dolson von der Michigan State University wegen eines »Verstoßes gegen die Copyright-Richtlinie«. Dabei enthielt die Datei nicht etwa das gesamte Drehbuch des neuen Avatar-Films oder den pikanten dritten Band von Fifty Shades of Grey in Gänze, sondern lediglich ein Zeichen: eine »1«.

Chris Jefferson, Mathematiker und KI-Forscher der schottischen St.-Andrews-Universität, speicherte daraufhin testweise Dateien mit Zahlen von -1000 bis 1000 und stellte noch weitere Urheberrechtsverstöße fest - etwa bei den Zahlen 500, 833, 174, 285 und 643.

Könnten die Algorithmen dabei recht haben? Können einzelne Zahlen tatsächlich vom Urheberrecht geschützt sein? Das Urheberrechtsgesetz schützt sogenannte Werke. Dafür muss eine persönliche Schöpfung vorliegen, die geistigen Gehalt sowie eine wahrnehmbare Formgestaltung aufweist und die Individualität des Urhebers zum Ausdruck bringt. Bei einer einfachen Zahl ist nichts davon wirklich erfüllt. Es fehlt schon daran, dass man eine Zahl nicht »schöpfen« kann - sie ist eher freies Allgemeingut und ebenso wie Fakten und wissenschaftliche Erkenntnisse nicht urheberrechtlich geschützt. Das dürfte im amerikanischen Recht nicht anders sein als im deutschen. Das habt ihr euch sicherlich auch gedacht, oder? Also im Klartext: Dieser Copyright-Claim war natürlich offensichtlich Quatsch!

Damit ist es also so weit. Haben die Maschinen übernommen und reißen nun, beginnend bei unserem Urheberrecht, die Weltherrschaft an sich? Bevor ihr jetzt eure Liebsten an die Hand nehmt und der Androiden-Apokalypse entgegenblickt, seid entwarnt: Das Ganze war natürlich ein Fehler seitens Google und sollte inzwischen behoben sein.

In der Tat bestätigt dieser Fall aber die Bedenken, die seither gegenüber Uploadfiltern bestehen: Fehlerhafte Filter führen zu übermäßigen Sperrungen und damit zu einer starken Störung des Daten- und Content-Verkehrs. Und da liegt eine Einschränkung der Meinungs- und Kunstfreiheit nicht fern, insbesondere wenn es kompliziertere Dateien wie Videos oder Bilder zu erkennen gilt.

Die Urheberrechts-Richtlinie inklusive Artikel 17 ist 2019 übrigens in Kraft getreten und 2021 im sogenannten Urheberrechts-Diensteanbieter-Gesetz in Deutschland umgesetzt worden. Ob die Schutzmaßnahmen darin reichen, um ein Overblocking zu verhindern, wird sich noch zeigen, breite Untersuchungen wurden noch nicht veröffentlicht. Hier lohnt es sich, weiter kritisch zu bleiben - obwohl ihr eurem Toaster (noch) keine kritischen Seitenblicke zuwerfen müsst.

§ ALEXA FEIERT IHRE EIGENE PARTY - BIS DIE POLIZEI ANRÜCKT

Künstliche Intelligenz wird beständig weiterentwickelt und ist mittlerweile zu Erstaunlichem fähig. Aber genau wie Menschen ist sie eben auch (noch) nicht unfehlbar. Immer wieder hört man von KI-Pannen. Sei es, dass die Bilderkennungssoftware von Google zwei schwarze Menschen als Gorillas identifiziert oder der Tesla-Autopilot den Sportwagen in einen tödlichen Autounfall verwickelt. Amazons Alexa soll ihren Besitzern durch ihre Sprachsteuerung eigentlich das Leben erleichtern. Aber auch bei Alexa hat man schon öfter von Pannen gehört. Bereits mehrere Male kam es vor, dass sie sich in einem Kaufrausch befand, obwohl die Einkaufsliste des Alexa-Eigentümers schon abgearbeitet war. Und das freut den Kontostand ganz und gar nicht.

Einem 29-Jährigen bescherte Alexa eine andere böse Überraschung. Als Oliver H. sich zum Feiern auf die Hamburger Reeperbahn begab, rechnete er nicht damit, dass auch seine Alexa in Partylaune war und eine eigene Hip-Hop-Party schmiss. Sie drehte die Boxen so richtig auf und beschallte das ganze Haus mit ihrer Musik. Bis kurz vor zwei Uhr morgens hämmerten die lauten Beats aus der Wohnung im sechsten Stock eines Mehrfamilienhauses in Pinneberg, in der Nähe von Hamburg. Alexa hätte wohl die Nacht durchgefeiert, wenn nicht die Nachbarn die Polizei gerufen hätten. Ruhestörung - eigentlich reine Routine für die Beamten. Diese klopften und klingelten an der Tür, aber vergebens. Es öffnete ihnen niemand, sodass ein Schlüsseldienst hermusste. Der Schlüsseldienst knackte das Schloss im Nullkommanichts auf, und die Polizei konnte endlich in die Wohnung. Doch hinter der Tür verbarg sich wider Erwarten der Polizisten keine große Party und auch kein Privatkonzert, sondern nur ein wenige Zentimeter großer Bluetooth-Lautsprecher. Der Übeltäter war niemand Geringeres als Alexa.

Insgesamt entstand bei der Aktion ein Schaden in Höhe von stolzen 1700 Euro. Nicht gerade wenig Geld. Die Frage der Fragen ist: Wer darf den ganzen Spaß denn nun bezahlen? Für den Schaden musste zunächst einmal der Störer, also Oliver als Eigentümer von Alexa, aufkommen. Es könnte aber sein, dass er sich das Geld zurückholen kann. Entscheidend dafür ist, wie es zu der Party-Eskalation kam.

Es lassen sich verschiedene Szenarien ausmalen. Vielleicht hat jemand außerhalb der Wohnung zu einer Freundin gerufen: »Alexa, lass uns Party machen!«, ohne Hintergedanken daran, dass er damit einen Sprachassistenten auslösen könnte. Das wäre natürlich vollkommen erlaubt, die Kosten würden dann an Oliver hängen bleiben. Es könnte aber auch ein Hacker Alexa getriggert haben. Dann sähe es ebenfalls schlecht aus für Oliver, denn den Hacker wird man wohl kaum finden können. Interessant wird es bei der Möglichkeit eines Programmierfehlers. Sollte ein solcher Fehler vorgelegen haben, könnte Oliver das Geld eventuell vom Hersteller zurückverlangen. Das ist allerdings mit sehr komplizierten Rechtsfragen verbunden und würde noch richtig spannend werden. Denn wenn es um das Thema Haftung für Smarthome-Geräte geht, sind wir in Deutschland nicht gerade modern unterwegs. Unsere aktuellen Gesetze, nämlich das Bürgerliche Gesetzbuch (BGB), sind bereits rund 117 Jahre alt. Zwar regelt das BGB eigentlich immer noch sehr gut, wie man sich in der modernen Welt zu verhalten hat, aber bei Fragen rund ums Thema künstliche Intelligenz und moderne Technik stößt es manchmal an seine Grenzen.

Am wahrscheinlichsten ist aber das vierte Szenario, dass Oliver Alexa versehentlich aus der Ferne ausgelöst hat, indem er sich zum Beispiel auf sein Handy gesetzt hat. Die Datenauswertung hat jedenfalls ergeben, dass Alexa über eine Drittanbieter-App aus der Ferne ausgelöst wurde und Alexa selbst keinen Fehler gemacht hat. Rechtlich gesehen ist es für Oliver also wirklich doof gelaufen, er müsste die Kosten komplett selbst bezahlen. Der 29-Jährige hat aber noch mal Glück im Unglück gehabt. Aus Kulanz erklärte sich Amazon bereit, die Kosten für das Missgeschick vollständig zu übernehmen.

Oliver hat trotzdem genug von seiner Alexa. Hilfreich, wie sie eigentlich sein sollte, war sie für ihn nun wirklich nicht. Der Vorfall war ein zu großer Vertrauensbruch für den 29-Jährigen. Er macht Schluss mit seiner wild gewordenen Sprachassistentin und schickt sie wieder zum Hersteller zurück. Über seinen neuen Beziehungsstatus zu Alexa sagt er selbst: »Es ist kompliziert.«

§ POP-HIT CRASHT COMPUTER

Auch viele Jahre nach der Veröffentlichung eines Songs kann man ihn immer wieder neu entdecken. Ob emotionale Nuancen, Details im Subtext - oder eben die Fähigkeit, Computer zum Absturz zu bringen.

Richtig gelesen! Dem Hit »Rhythm Nation« von Pop-Ikone Janet Jackson fielen noch zu Zeiten von Windows XP etliche Laptops zum Opfer. Nach beherzten Beschwerden stand der Support vor Rätseln, denn der Song musste nicht einmal auf dem betroffenen System selbst abgespielt werden. Es reichte, wenn er in der Nähe des Computers durch Lautsprecher zu hören war. Der Grund war bald gefunden: »Rhythm Nation« enthielt eine bestimmte Frequenz, mit der auch einige damals gängige Festplatten arbeiteten. In sogenannten Hard Disk Drives (HDD) rotiert eine Scheibe, auf deren Oberfläche die gespeicherten Daten geschrieben werden; und eben diese Rotation brachte der Song so durcheinander, dass die Platten beschädigt wurden - in der Mechanik nennt man das eine »Resonanzkatastrophe«.

Das ist genau die Art von Fall, über den sich Juristen in der Kaffeepause unterhalten würden. Müsste sich die inzwischen 56-jährige Musikerin für die Seriencrashes rechtlich verantworten? Wessen erster Gedanke wäre hier nicht: »Wird mir ein Ersatzgerät / eine Reparatur bezahlt?«

Im deutschen Recht könnte hier § 823 Abs. 1 BGB Abhilfe schaffen. Der Paragraf ist für den Fall ausgelegt, dass ein anderer ein eigenes Rechtsgut beschädigt. Das kann etwa die Gesundheit oder - wie im Falle einer frittierten Festplatte - das Eigentum an einer Sache sein. Doch müsste das Verhalten des Schädigers (J. Jackson selbst oder zumindest ihr Musikproduzent) auch kausal für den Schaden sein. Kausal, also ursächlich, ist vieles. Streng genommen alles bis zurück zur Geburt von Ms Jackson. (Klar: Wäre sie nicht geboren, wäre der Song nie aufgenommen worden und die Festplatten würden auch heute noch fröhlich vor sich hin drehen.) Damit die Kausalität nicht so ausartet, wird alles ausgeklammert, was so ungewöhnlich ist, dass man es niemals hätte vorhersehen können. Und hier kann man sich denken: Niemand in der Produktion konnte vor 30 Jahren davon ausgehen, dass eine Frequenz - die sicherlich nicht einmal bewusst eingebaut wurde - irgendwann ein ganz bestimmtes Festplattenmodell zum Absturz bringen würde. Dieser Zusammenhang ist also völlig abwegig und der Schaden nicht zurechenbar. Alles andere hätte wohl auch völlig dem gesunden Menschenverstand widersprochen.

Das Gleiche gilt für Ansprüche gegen den Hersteller der Notebooks. Auch dort muss bei der Herstellung des Notebooks niemand alle Eventualitäten bedenken, durch die die Hardware in Zukunft beschädigt werden könnte. Auch für Experten liegt die Gefahr einer Resonanzkatastrophe reichlich fern. Außerdem gibt es keine Bauweise, die diese Gefahr irgendwie hätte ausmerzen können. HDD erzeugen die Frequenz durch die Drehung der Scheibe selbst - eine andere Drehung hätte eine andere Frequenz hervorgebracht, die vielleicht nicht von »Rhythm Nation«, sondern zufällig von »Thriller« oder »Bohemian Rhapsody« zerstört worden wäre.

Das BGB sieht aber nicht nur Ersatzansprüche vor. Können die Eigentümer solch antiquierter PCs vielleicht von Frau Jackson verlangen, dass sie ihren Song aus dem Spotify-Sortiment nimmt und auch sonst nirgendwo mehr vertreibt? Müsste sie das Risiko minimieren, dass der unhöfliche, laut Musik hörende Teenager im ICE meinen Laptop crasht, während ich friedlich auf dem Nachbarsitz meine Arbeit erledige? Nun, auch hier hilft grundsätzlich unser BGB und sieht einen sogenannten Unterlassungsanspruch aus § 1004 vor. Doch auch hier muss man sagen: Selbst wenn überhaupt eine Beeinträchtigung fremden Eigentums vorläge, müssten Eigentümer diese latente Gefahr wohl dulden. Denn das wäre ein zu heftiger Verlust für Frau Jackson - und seien wir ehrlich - zum Schutz eines PC mit Windows XP irgendwie auch nicht sinnvoll, oder?

Bevor es aber überhaupt zu rechtlichen Konsequenzen kam, reagierte der Laptophersteller übrigens und baute einen Filter ein, der die entsprechende Frequenz beseitigte - jedenfalls dann, wenn der Laptop selbst den Song abspielte.

Fans von Janet Jackson, die gleichzeitig inzwischen fast antike Hardware sammeln, sollten ihre Dance-Party vielleicht in einen anderen Raum verlegen. Alle anderen haben heute weder rechtlich noch tatsächlich viel zu befürchten - außer Alexa, falls sie drei Uhr nachts als perfekten Zeitpunkt auswählt, um »Rhythm Nation« in voller Lautstärke laufen zu lassen.

§ STATT BROTLOSER KUNST - KÜNSTLERLOSE KUNST?

Wir befinden uns im New Yorker Auktionshaus. Es herrscht reges Treiben. Der Sektausschank ist ungewöhnlich leer. Alle warten auf das nächste Auktionsstück: Das Porträt Edmond de Belamy. Der geschätzte Wert: etwa 10 000 Dollar. Das Außergewöhnliche: Es soll ein mysteriöser, unbekannter neuer Künstler gefertigt haben - wer es genau ist, wurde noch nicht aufgelöst. Der Vorhang geht auf. Es klingt ein leises Raunen durch das Publikum. Ein prunkvoller goldener Rahmen umschließt das Porträt. Darauf ist ein stattlicher Herr in dunklem Gehrock und mit schlichtem weißem Kragen zu sehen. Vielleicht ein Kleriker? Vielleicht ein Franzose aus dem späten 18. Jahrhundert? Die Komposition hat etwas Mysteriöses. Die Gesichtszüge sind leicht verwaschen. Euer Blick wendet sich auf den unteren rechten Bildrand. Wer mag dieser Künstler sein? Gerade als ihr die Signatur des Künstlers in kursiver gallischer Schrift lesen könnt: »min G max D x[LOG(D(X))] + z[log(1-D(G(z)))]«, hört ihr zugleich: »Zum Ersten, zum Zweiten, zum Dritten - verkauft!« 432 500 US-Dollar, fast das 45-Fache des geschätzten Wertes, ist dem neuen Eigentümer das Kunstwerk wert.

Sacre Bleu! Jetzt wird es euch klar, der große Aufruhr um den unbekannten neuen Künstler, die Signatur und die hohe Summe für ein durchschnittliches Kunstwerk: Der Künstler muss ein Kind von Elon Musk sein. Doch nach einer kurzen Google-Suche gibt es nur noch mehr Ratlosigkeit. Das infrage kommende Kind von Elon Musk heißt X Æ A-XII Musk und wäre noch viel zu jung, um so ein Kunstwerk anzufertigen. Doch wer ist dann der Künstler?

Ich verrate es euch: eine künstliche Intelligenz. Genauer gesagt war das Bild 2018 das erste nicht menschengemachte Kunstwerk, welches in einem großen Auktionshaus verkauft wurde.

Ein Entwickler programmierte einen Algorithmus, der Kunst malt, und eine Künstlergruppe nutzte diesen und verkaufte das Gemälde. Was wäre also die 1-Million-Euro-Frage (oder hier 432 500 Dollar) bei Wer wird Millionär? ? Richtig! Wer ist Urheber des Gemäldes? Mal sehen, ob hier die Auswahlmöglichkeiten a, b, c, d reichen:

Die Signatur schließt auf die KI als Künstler - eine Software kann aber nicht Urheber sein, denn das Urheberrecht ist gesetzlich immer an einen »Schöpfer« und damit an einen Menschen gebunden, der bewusst ein Werk im Rahmen seiner geistigen Kapazitäten schöpft. Ohne Schöpfer (also Mensch) kein Werk.

Nur der Mensch kann also das Rennen hier für sich entscheiden. Doch welcher genau? Am Schaffensprozess von KI-Werken sind eine Menge Menschen beteiligt; wenn man es eng sieht, sogar Millionen davon!

Der Teilbereich der KI, um den es hier geht, ist das maschinelle Lernen. Dabei werden Programme mit Ausgangsmaterial gefüttert, anhand dessen es versucht, Muster, Regeln und Konzepte zu erkennen. Diese Regeln lassen sich dann verwenden, um einzigartige Ergebnisse zu generieren. So nutzte die KI in diesem Fall über 15 000 klassische Porträts, um die Belamy-Familie zu erschaffen. Die Ausgangsbilder selbst unterliegen häufig einem Urheberrecht. Aber wie sieht es bei den generierten Produkten aus?

Nach dem Urheberrechtsgesetz braucht man für die Umgestaltung eines anderen Werkes grundsätzlich die Einwilligung seines Urhebers. Das gilt aber nicht, wenn das Werk einen »hinreichenden Abstand« zum benutzten Werk hat. Hier hat die KI aus einem riesigen Datensatz ein komplett neues Porträt erschaffen und außerdem sind einige Künstler schon lange tot, sodass sich die Frage erübrigt.

Deswegen zur wichtigen Frage: Wer ist denn jetzt Urheber? Wenn eine Antwortmöglichkeit »Kommt drauf an, wahrscheinlich eher niemand« ist, dann sind wir jetzt Millionäre. Wir stoßen hier auf ein Gebiet, das keine höchstrichterliche Rechtsprechung aufweist. Die Künstlergruppe nutzte im Schaffensprozess für den Belamy ihre kreative Auswahlentscheidung und überarbeitete das Bild eventuell sogar mit der Unterschrift der KI, sodass eine Urheberschaft der Gruppe nicht vollkommen ausgeschlossen ist. Wahrscheinlich ist aber trotzdem niemand der Urheber des Porträts (auch nicht der Programmierer), weil die KI den absoluten Großteil der Arbeit machte und das Bild nach »Ansicht« von über 15 000 Porträts aus der Datenbank anfertigte. Es kommt also darauf an, ob die Maschine nur als Werkzeug genutzt wurde oder eigenständig (hier das Bild) erschaffen hat. Denn nur wenn ein Werk überhaupt vorliegt, kann es einen Urheber geben und ein solcher kann nur ein Mensch sein. Aber wenn kein Künstler existiert, wem steht dann der Wert des Kunstwerks zu? Und da kommen wir an die Stelle, an der ich zu Günther Jauch sage: »Ich würde gern meinen Telefonjoker nutzen, um die künstliche Intelligenz ChatGPT anzurufen.«

§ TESLA VERPFEIFT EIGENEN FAHRER

Eine Studie hat ergeben: Über die Hälfte der Deutschen spricht mit ihrem Auto. Nicht ohne Grund soll das Auto der beste Freund der Deutschen sein. Aber passt auf, welches Geheimnis ihr eurem Gefährt erzählt. Eurem 15 Jahre alten Peugeot wird egal sein, dass ihr letztens Kaugummis im Supermarkt geklaut habt. Aber könnt ihr auch den hochmodernen Autos vertrauen? Elektroautos sind in vielen Ländern keine Besonderheit mehr, jeder kennt das Geräusch, wenn sie schnurrend über die Straße fahren. Auch in Deutschland steht für Neukäufer eines fest: E-Autos sind die Zukunft.

Die berühmteste Marke dürfte wohl Elon Musks Tesla sein. Mittlerweile gibt es schon sechs verschiedene Baureihen, darunter die Modelle S, 3, X, Y.

Wer glaubt, die Namensgebung wäre Zufall, kennt wohl den Multimilliardär und »Internettroll« Elon Musk nicht. Der pubertäre Witz ist nur deshalb nicht hundertprozentig geglückt, weil Ford seine Rechte am Model E nicht hergeben wollte. Aufgrund der Klageandrohung habe Ford laut Musk den Traum von »SEXY« kaputtgemacht.

Aber was Tesla europäischen Kunden außerhalb der AGB (und die liest sowieso keiner) verschwiegen hat: Seine Autos sind nicht nur S3XY-Modelle, sie sind auch 31er-Modelle (Wer sich immer gefragt hat, warum 31 für »Verräter« steht: Die Zahl steht für § 31 Betäubungsmittelgesetz, welcher Strafmilderung verspricht, wenn man durch »freiwillige Offenbarung von Wissen« hilft, eine Drogenstraftat aufzudecken.). Warum das, fragt ihr euch? Das Tesla-Auto ist eine Petze. Es sammelt eure Daten und gibt diese im Ernstfall an die Polizei zur Strafverfolgung weiter.

Das kann euch nützen, aber auch schaden - was in jüngster Vergangenheit mehrere Fälle gezeigt haben:

Ein Berliner nimmt einem Motorradfahrer die Vorfahrt. Dieser wird schwer verletzt. Eigentlich ein klarer Tathergang. Aber eine gewichtige Sache deckte der Tesla des Berliners auf, als die Firma nach Einwilligung des Fahrers die aufgezeichneten Videos an die Ermittler herausgab. Der Motorradfahrer war viel zu schnell, er fuhr mit 140 km/h. Aufgrund dieser Geschwindigkeitsüberschreitung wog der Vorfahrtsverstoß nicht mehr so stark, und es winkte Strafmilderung.

Aber nicht nur Helfer, sondern auch Verräter kann das Auto sein. Mit 203 km/h knackte ein Tesla-Fahrer den Tagesrekord einer Blitzerfalle der Polizei. Erlaubt waren nur 80 Stundenkilometer. Die Ermittlungsbehörde forderte bei Tesla Daten an, und siehe da: Auch ohne Unfall gab die Firma diese raus. So kam ans Licht, dass der Wagen noch schneller unterwegs gewesen war als anfangs gemessen. Darauf folgten ein Strafverfahren und eine Anklage wegen eines illegalen Rennens (das man übrigens auch »gegen sich selbst« fahren kann).

Einem weiteren Berliner wurde die rollende Software zum Verhängnis. Dieser soll mit über 160 Sachen über eine Kreuzung gefahren sein. Nachdem er eine Ampel gerammt habe, soll er anschließend geflohen sein. Auch hier nutzte die Staatsanwaltschaft ihre neue Verkehrssünderfalle. Dort erhielt sie alle technischen Details samt hochauflösendem Videomaterial. Die Folge: eine hohe Geldstrafe und mindestens ein Jahr zu Fuß.

Aber darf Tesla überhaupt diese ganzen Daten sammeln und zur Verfügung stellen?

Die aus anderen Ländern bekannte Dashcam ist in Deutschland rechtlich immer noch aus Datenschutzgründen umstritten. Wie verhält es sich dann mit einem 360°-Dauervideo, welches zusätzlich noch Gaspedalstellung, Bremsstellung und vieles mehr aufzeichnet? Laut einem Urteil des BGH im Mai 2018 sei eine permanente anlasslose Aufzeichnung des Verkehrs nicht gestattet. Jedoch sei eine kurzzeitige anlassbezogene Speicherung vor und nach einem Unfall im Einzelfall zulässig. Das ist insbesondere in Teslas »Wächtermodus« nicht immer gegeben. So sagte der ehemalige Datenschutzbeauftragte des Landes Schleswig-Holstein bereits 2020, dass man Tesla eigentlich die Zulassung entziehen müsse, da sie gegen zahlreiche europarechtliche Vorschriften verstießen. Im Sommer 2022 ging der Bundesverband der Verbraucherzentrale gegen den Autohersteller vor, unter anderem wegen der mangelnden Aufklärung hinsichtlich des Datenschutzes. Was dabei rauskommt, steht noch aus.

Unabhängig davon können die Strafverfolger mobilitätsbedingte Nutzungsdaten gemäß §§ 94 ff. Strafprozessordnung anfordern, um Straftaten aufzudecken. Selbst wenn die Aufnahmen gegen die DSGVO verstießen, begründet dies nach Abwägung des Einzelfalls meist kein Verwertungsverbot.

Wir halten also fest: Ein Bankräuber sollte sich lieber keinen Tesla als Fluchtwagen kaufen. Aber es dürfte auch nicht jedem anderen Fahrer gefallen, dass jeder Tritt auf Gas- und Bremspedal überwacht wird und im Zweifelsfall das Auto nicht mehr der beste Freund, sondern eine Petze ist. Aber das geht in beide Richtungen und kann dem Fahrer natürlich auch helfen, eine Straftat aufzudecken.

Zwar könnt ihr der Datenübermittlung jederzeit widersprechen. Dann müsst ihr aber mit »eingeschränkter Funktionalität« und »ernsthaften Schäden« sowie »Funktionsunfähigkeit« rechnen. Das wird wohl kein Tesla-Fahrer riskieren. Also einfach an die Regeln halten, und euer neuer Tesla verpetzt euch auch nicht. Ohnehin sammeln auch fast alle anderen Autohersteller in irgendeiner Weise Daten von euch. Wirklich sicher könnt ihr euch also nur im Steinzeitmobil à la Fred Feuerstein sein.

Deswegen hat Deutschland jüngst eine Novelle zum autonomen Fahren verabschiedet, um den Gefahren und Chancen der fahrenden Software gerecht zu werden. Damit ist Deutschland der erste Staat auf der ganzen Welt, der in bestimmten Bereichen Autos ohne Fahrer erlaubt. Freut euch drauf, denn nun kann das Auto nicht mehr euch verpetzen, sondern ihr das Auto. Denn wer nicht am Steuer sitzt, kann auch keine Fehler machen.

§ BABY MACHT TESLA-AUTO AUTONOM

Wer hingegen Fehler macht, sind unsere Sprösslinge. Aber das ist ganz normal, schließlich gehört es zu jedem Lernprozess dazu, Dinge falsch zu machen. Und eigentlich ist die ganze Kindheit ein großer Lernprozess. Wahrscheinlich können alle Eltern Hunderte Geschichten davon erzählen, was ihre Kinder mal so für Unfug getrieben haben. Wären unsinnige Kindergeschichten ein Wettbewerb, hätte ein Kind aus den USA diesen wohl gewonnen ... Einem Baby gelang dort das zweifelhafte Kunststück, der eigenen Mutter eine Rechnung über einen fünfstelligen Betrag ans Bein zu binden. Dabei ist es mittlerweile nichts Unübliches, Kinder am eigenen Smartphone spielen zu lassen. Vielleicht habt ihr vor ein paar Jahren auch das Video gesehen, in dem ein Kleinkind völlig verwundert über eine Zeitschrift aus Papier wischt, anstatt umzublättern, und bei ausbleibender Veränderung des Inhalts »kaputt« sagt. Nur, dass das Überlassen eines Smartphones nicht nur zu solchen Lachern führen kann, sondern auch zu ganz anderen ungeahnten Folgen.

Der Nachkömmling der betroffenen Mutter vollbrachte es tatsächlich, über die Tesla-App eine Software zu kaufen, die autonomes Fahren ermöglicht. Dank des Babys kann die Mutter also zukünftig das Auto selbst einparken lassen. Ein Service, auf den die Dame wohl hätte verzichten können. Ihr wäre es lieber gewesen, wenn die 10 000 Dollar auf ihrem Konto geblieben wären. Bemerkt hat sie den teuren Kauf übrigens erst, als die Kontoauszüge kamen.

Kleine Randnotiz: Es kam in der Vergangenheit häufiger zu irrtümlichen Käufen über die App (einmal sogar von einem Mann, der angeblich eine Bestellung auslöste, indem er sich auf sein Smartphone setzte), weshalb in den USA eine weitere Widerrufsoption besteht, die bis 48 Stunden nach Kauf besteht. Das war aber keine Hilfe für die Mutter, sie bemerkte den Kauf nämlich erst gut einen Monat später. Auch nach EU-Recht hätte die Frau rechtlich keine Grundlage mehr gehabt, den Kauf zu widerrufen, denn das EU-weite Widerrufsrecht gilt nur bis 14 Tage nach Kauf - und bei digitalen Produkten kann es sogar ganz erlöschen, wenn man dem Erlöschen vorher zugestimmt hat.

In den USA musste die Frau also auf die Kulanz des Unternehmens hoffen. Vielleicht hätte sie bei Elon Musk über Twitter anfragen sollen? Schauen wir uns mal an, ob die Dame in Deutschland mehr Erfolg gehabt hätte ... Wer das siebte Lebensjahr nicht vollendet hat, ist geschäftsunfähig. Also können Kleinkinder, wie das Wort schon sagt, keine wirksamen Geschäfte abschließen. Wenn jetzt also das Baby eigenhändig zu Tesla marschieren und die Software kaufen sollte, dann dürfte Tesla diesen Vertrag nicht eingehen. Hier hat das Kind den Kauf jedoch über die App im Namen der Mutter getätigt. Davon konnte Tesla nichts ahnen.

Im Zivilrecht könnte hier deshalb die »Rechtsscheinhaftung« gelten. Danach muss jemand, der in zurechenbarer Weise einen Rechtsschein nach außen gesetzt hat, an den der Vertragspartner glauben musste, diesen gegen sich gelten lassen. Da Benutzerkonten im Normalfall auch nur für die Benutzer zugänglich sind, können Unternehmen also davon ausgehen, dass die richtige Person den Kauf getätigt hat. Außerdem hätte die Mutter ein Auge auf ihr Kind werfen und erkennen können, was da gerade so getrieben wird. Auf der anderen Seite kann man sein Kind nicht ständig unter Kontrolle haben. Und wenn so etwas noch nie passiert ist, stellt sich die Frage, ob die Mutter damit wirklich hätte rechnen müssen. Es ist also unklar, wie ein deutsches Gericht in diesem Fall entscheiden würde. Hätte die Mutter Pech, wäre tatsächlich ein Vertrag zwischen ihr und Tesla zustande gekommen. Dann könnte Tesla auch in Deutschland auf der Zahlung bestehen.

Aus dieser Geschichte gibt es einige Take-aways. Das Wichtigste lautet wohl, dass Smartphones nach wie vor nicht für kleine Kinder gemacht sind. Also: Aufpassen, was die Kids so mit dem eigenen Smartphone treiben. Es kann manchmal peinlich und unangenehm oder wie hier sehr teuer werden. Positiv hingegen ist immerhin, dass das Auto jetzt autonom fahren kann. Juhu! Das ist dann wohl die Art von Geschichte, die später mal auf einem Geburtstag erzählt wird. Hoffentlich können bis dahin alle darüber lachen ... Die Dame bat Tesla übrigens, die App so umzustellen, dass zukünftig Passwörter bei Käufen angegeben werden müssen. So haben zumindest andere noch etwas von ihrem Unglück.

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