Eine Schule besonderer Art

Da Sloane ihren freien Tag hatte, begleitete sie ihren Vater zur Überprüfung der Fortschritte beim Bau der Schule für Zauberer. Sie war mehrere Tage nicht mehr dort gewesen und beeindruckt vom regen Treiben, das sie vorfanden. Dutzende Handwerker schafften fleißig, und es sah so aus, als hätten sie die Unterkünfte schon fast fertig.

Jared kam ihnen auf dem Hof entgegen. Er war seit einigen Wochen aus der Elfenstadt zurück. »Gute Neuigkeiten«, verkündete er. »Der Vorarbeiter sagt, dass sie dem Zeitplan voraus sind. Bis Ryan und Aaron zurückkommen, sollte die Schule so gut wie fertig sein.«

Sloane schaltete sich ein. »Und äh ... wann wird das sein?«

Es widerstrebte ihr, zuzugeben, wie sehr sie Aaron vermisste. Sie hatte sich kaum die Möglichkeit gehabt, sich mit ihm zu verständigen, weil die Elfen den Gebrauch ihrer Ringe einschränkten. Offenbar galt es als Ablenkung von der Ausbildung, mit seiner Verlobten in Verbindung zu bleiben.

Jared lächelte mitfühlend. »Noch einen Monat.«

Ihr Vater zog sie mit einem Arm an sich. »Ich weiß, dass du die beiden vermisst. Ich bin sicher, es geht ihnen gut.« Zu Jared fügte er hinzu: »Ich habe meinen Schüler ungern gehen lassen. Aber es war eine gute Entscheidung, sie eine völlig andere Umgebung erleben zu lassen. Und dass die Elfen ihre Ausbildung vorantreiben werden, steht außer Frage. Nur ihre Mutter tut mir leid. Es lässt sich nicht übersehen, dass sie Aubrey fehlen.«

Jared nickte. »Sie war noch nie so lange von den Jungs getrennt. Ist wahrscheinlich gut, dass Rebecca so viel Aufmerksamkeit beansprucht.«

»Und du?«, fragte Sloanes Vater. »Hast du genug zu tun?«

Jared lachte und deutete auf die Bauarbeiten. »Soll das ein Scherz sein? Ich komme keinen Moment zur Ruhe! Außerdem sind erst heute Morgen die ersten Schüler eingetroffen. Vier. Sieht so aus, als müsste die Ausbildung beginnen, ob wir bereit sind oder nicht.«

»Können wir die neuen Rammler kennenlernen?«, fragte Sloane.

»Rammler?«

Sloane lächelte. »Oh, hast du es noch nicht gehört? So werden sie von einigen Bürgern genannt. Die Schule heißt Riverton Akademie für Magie, kurz R-A-M. Also sind die Schüler die Rammler. Ich habe mir überlegt, dass wir vielleicht ein Hasenmännchen auf dem Schulgelände halten könnten. Du weißt schon, als Maskottchen.«

Jared lachte. »Gefällt mir, die Idee. Und ja, ich wollte die neuen ›Rammler‹ gerade selbst kennenlernen, also bitte, schließt euch mir ruhig an. Ehrlich gesagt bin ich schon froh, dass wir überhaupt jemanden finden, nachdem sich Azazel solche Mühe gegeben hat, alle mit dem kleinsten Hauch von Magie zu vernichten.«

»Tja, wie es aussieht, zeigt mein Erlass Wirkung«, meinte Throll. »Alle müssen sich in den Brunnen testen, und wenn die Kugel aufleuchtet, müssen sie zur Ausbildung hierher. Wir haben ja erst vor einer Woche begonnen, also sind das wohl die Ersten – wahrscheinlich aus der näheren Umgebung. Wer weiß, wie viele wir noch finden, wenn es sich erst in ganz Trimoria herumgesprochen hat?«

»Ich hoffe nur, es sind nicht alles Kleinkinder. Oder alte Männer, die mit einem Bein bereits im Grab stehen.«

Sie schlenderten über das Feld zu dem Bau, der in fertigem Zustand als Hauptgebäude der Schulde dienen würde. Überrascht stellte Sloane fest, dass jemand einen roten Hasen auf die Tür gemalt hatte – oder es eher versucht hatte.

Ihr Vater ging voraus in den großen Raum in der Mitte des Schulgebäudes. Zumindest würde es irgendwann ein großer Raum werden. Vorläufig herrschte darin ein Durcheinander aus Werkzeugen, Holz und Sägespänen ... und einem Streit.

Am anderen Ende des Raums diskutierten zwei Zwerge hitzig miteinander. Einer hatte eine Brille und einen schwarzen, zu dünnen Zöpfchen geflochtenen Bart. Der andere war wie ein Soldat gebaut – breite Brust, muskulöse Arme und Beine – und trug die Aufmachung eines Gardisten mit einem Kurzschwert am Gürtel. Außerdem war er knapp über vier Fuß groß für einen Zwerg.

»Bei den Würfeln geht nicht alles mit rechten Dingen zu!«, tobte der kleinere Zwerg. »Lass sie mich überprüfen! Du kannst nicht sechsmal hintereinander gewonnen haben!«

Der größere Zwerg zeigte sich verärgert. »Nennst du mich einen Schummler?« Bedrohlich näherte er sich dem anderen.

Bevor sie aufeinanderprallen konnten, erschien ein zischendes Netz zwischen ihnen und hüllte sie in eine lähmende Decke aus Energie.

Jared wandte sich an Sloanes Vater. »Ist das zu fassen? Sie haben ihren König nicht mal zur Kenntnis genommen, als er den Raum betreten hat«, sagte er gespielt ungläubig. »Darauf muss doch eine Strafe stehen. Nur welche? Schmerzhafte Folter? Zerstückelung?«

Throll kratzte sich am Kinn und schaute nachdenklich drein. »Ich kann ihnen verzeihen, dass sie ihren neuen König nicht erkannt haben. Aber man sollte meinen, dass sie sich zurückhaltender benehmen, wenn der Schulleiter den Raum betritt.«

»Hervorragende Anmerkung.« Jared wandte sich den Zwergen zu und ließ sie vom Boden abheben. »Sobald ich euch beide loslasse, erwarte ich ein besseres Benehmen.«

Er schnippte mit den Fingern. Das Energienetz löste sich auf, und die beiden Zwerge plumpsten zu Boden, bevor sie sich wieder auf die Beine rappelten und hastig verbeugten.

Der kleinere Zwerg ergriff zuerst das Wort. »Tut mir furchtbar leid, Hoheit und Fürst. Ich hatte gehofft, Euch unter anderen Umständen kennenzulernen. Ich habe schon viel über Magie gelesen, sie aber noch nie mit eigenen Augen gesehen. Es freut mich sehr, dass ich RAM-Schüler werde.«

»Was sagst du, ist dein Name?«, fragte Jared.

»Ja, Herr Schulleiter«, antwortete der Zwerg. Er wirkte verwirrt. »Woher wisst Ihr das?«

Jared schaute noch verwirrter drein. »Was?«

Der Zwerg nickte. »Ja, Herr Schulleiter?«

Jared und Throll sahen sich gegenseitig an und zuckten mit den Schultern.

Der größere Zwerg meldete sich zu Wort. »Herr Schulleiter, er will damit sagen, dass sein Name Wass ist.«

Sloane musste sich ein Kichern verkneifen.

»Ah,« machte Jared. »Freut mich, dich kennenzulernen, Wass. Und wie lautet der Name deines Clans?«

»Ich habe keinen Clan«, murmelte Wass und ließ beschämt den Kopf sinken. »Ich wurde als Kind ausgesetzt und bin in einem Waisenhaus der Menschen in Cammoria aufgewachsen. Dort sind solche Missverständnisse mit meinem Namen auch oft vorgekommen. Deshalb haben mich meine Freunde irgendwann Wat statt Wass genannt. Wat Irrbart. Letzteres aus offensichtlichen Gründen.«

»Sieht aus wie ein Haufen Schlangen in deinem Gesicht, wenn du mich fragst«, murmelte der größere Zwerg.

Throll runzelte die Stirn. »Keine Beleidigungen bitte. Und du bist?«

Der größere Zwerg kniete nieder. »Mein Name ist Oda Steinfaust. Ich war bei der Karawanengarde von Meister Honfrion. Als Euer Gesetz verkündet wurde, musste ich herkommen, um mich überprüfen zu lassen. Obwohl ich nicht verstehe, was ich getan habe, um es zu verdienen.«

»Du bist zum Brunnen gegangen?«, erkundigte sich Throll.

Oda nickte.

»Und die Kugel hat geleuchtet?«

Oda seufzte. »Ja. Aber ich wollte nicht, dass es passiert. Ich habe nichts falsch gemacht.«

Throll legte dem Zwerg die Hand auf die Schulter. »Du hast nichts falsch gemacht, Oda. Der Brunnen erkennt Menschen mit magischer Begabung. Und die Kugel lügt nicht. Ihr beide, meine Herren, seid mit angeborener Magie gesegnet.«

Oda verzog das Gesicht zu einer Grimasse. »Ich habe keine magische Begabung«, sagte er so, als hinterließen die Worte einen sauren Geschmack in seinem Mund. »Und ich bin mit Sicherheit kein Mensch.«

»Also hast du etwas gegen Menschen?«, fragte Sloanes Vater.

Oda zuckte zusammen, als fiele ihm gerade erst wieder ein, wen er vor sich hatte. »Es ... es tut mir leid, Hoheit. Ich bin wohl nicht an ... vornehme Unterhaltungen gewöhnt. Und um ehrlich zu sein, ich habe das Gefühl, in eine Rolle gedrängt zu werden, für die ich mich nicht eigne. Was erwartet man hier überhaupt von uns? Soll ich auch hübsche Bildchen von Füchsen malen wie das Schlangengesicht da?«

Wat schaute finster drein. »Es ist ein Hasenmännchen, ein Rammler!«

Jared musterte den Zwerg mit dem ungewöhnlichen Bart. »Also hast du den Rammler an die Tür gemalt?«

Wat senkte den Blick auf die eigenen Füße. »I-Ich hoffe, das ist in Ordnung.«

»Mehr als in Ordnung. Ich denke sogar, dein Bild wird dem Schulgeist dienlich sein.«

Stolz warf sich Wat in die Brust.

Jared wandte sich an den größeren Zwerg. »Und Oda, ich kann deine Frustration verstehen und nachvollziehen, dass du nicht hier sein willst. Wir werden uns bemühen, für dich eine Rolle zu finden, mit der du etwas anfangen kannst. Trotzdem werde ich Respektlosigkeit nicht dulden.«

Oda erbleichte. »Ja, Herr.«

Der Schulleiter wandte sich an den frischgebackenen König. »Wie wäre es, wenn Oda bei den Soldaten untergebracht wird, solange die Schule noch auf den Betrieb vorbereitet wird?«

Throll gab die Frage an Oda weiter. »Würde dir das zusagen?«

Zum ersten Mal huschte ein Lächeln über die Züge des Zwergs. »Soll das ein Scherz sein. Selbstverständlich ist Oda, die Ein-Zwerg-Armee, bereit! Führt mich zu den Soldaten! Äh ... ich meine, so es Euch beliebt, Hoheit, wäre ich Euch untertänigst verbunden, wenn Ihr mich zu den Soldaten geleiten könntet, Herr.«

Sloanes Vater schmunzelte und klopfte Oda auf den Rücken. »Dann komm mal mit, Ein-Zwerg-Armee. Ich möchte dir ein paar Leute vorstellen.«

* * *

»Also, Wat«, sagte Jared, »man hat mir gesagt, dass es vier neue Schüler gibt. Wo sind die anderen?«

»Oh. Sie sind draußen. Kommt mit.«

Als Wat ihn durch die Hintertür hinausführte, beobachtete Jared, wie die Zöpfe im Gesicht des Zwergs wie verrückt wippten. Den Namen Irrbart hatte er sich redlich verdient.

Draußen stießen sie auf Ohaobbok, der auf einem Holzstapel saß und müßig Kieselsteine in einen Eimer warf.

»Ohaobbok!«, entfuhr es Jared. »Was machst du denn hier? Ich dachte, du wärst beim Üben mit den Soldaten.«

»Das ist einer der anderen Schüler«, erklärte Wat. »Außerdem ist da noch eine junge Frau. Ich hoffe, er hat sie nicht gefressen.«

Jared konnte es kaum fassen. Ohaobbok war der Letzte, mit dem er als Schüler gerechnet hätte. Ein Oger als Zauberer? Andererseits: Warum nicht?

Ohaobbok wirkte gelangweilt. »Ich habe erst heute Morgen im Brunnen gebadet. Und die Kugel hat geleuchtet. Also ... hier bin ich. Hoffentlich kann ich weiterhin mit Aaron üben, wenn er zurückkommt. Es macht einfach zu viel Spaß, ihn zu kloppen.«

»Ich bin sicher, ihr findet noch genug Zeit, euch gegenseitig zu kloppen«, erwiderte Jared trocken. »Und wo steckt unsere andere Schülerin?«

Ohaobbok zuckte mit den Schultern. »Oh, Arabelle ist hier irgendwo in der Näher.«

»Warte – hast du Arabelle gesagt?«

In dem Moment bog sie um die Ecke des Gebäudes, begleitet von mehreren Soldaten der Karawane. Und sie weinte. Als sie Jared erblickte, rannte sie zu ihm und vergrub das Gesicht an seiner Brust.

»Ich musste im Brunnen baden«, schilderte sie schluchzend. »Die Kugel hat geleuchtet.«

Jared tätschelte ihr unbeholfen den Rücken.

Einer der Soldaten trat vor, verneigte sich respektvoll und reichte Jared ein gefaltetes Stück Pergament. »Fürst Riverton, der Scheich hat mich gebeten, dir das zu geben.«

Das Pergament trug das Siegelzeichen von Honfrion, dem Händlerkönig. Jared brach das Siegel und las.

Jared,

du wirst es verstehen, wenn ich dir sage, dass ich meine Rolle als Arabelles Beschützer sehr ernst nehme. Als die Kugel im Brunnen bei ihr geleuchtet und sie für einen Platz an deiner Akademie bestimmt hat, musste ich eine Entscheidung treffen, die mir nicht leichtgefallen ist.

Es ist meine Pflicht, über meine Tochter zu wachen. Aber es ist auch meine Pflicht, das Wohl meines Volks zu schützen. Für Ersteres würde ich gern bei meiner Tochter bleiben, wohin sie auch muss. Für Letzteres jedoch muss ich bei meiner Karawane bleiben, während sie weiter ihre Handelsrouten befährt.

Und so übergebe ich Arabelle mit großem Zögern, aber ebenso großem Vertrauen in deine Obhut, mein lieber Freund. Bitte kümmern dich so um meine Tochter, wie ich es würde, während ich tue, was ich muss. Ich übernehme alle Kosten, die damit verbunden sind, und ich werde eine solche Gefälligkeit in so schwierigen Zeiten nie vergessen.

Du musst wissen, dass Arabelle eine wichtige Rolle in dieser Welt zufällt. Das wusste meine liebe verstorbene Frau schon vor Arabelles Geburt. Sie hat in unserer Tochter die Zukunft meines Volks gesehen.

Diese Zukunft weilt nun bei dir.

Dein zukünftiger Schwager

Honfrion

Jared verstärkte den Griff der Arme um die völlig aufgelöste junge Frau. »Arabelle, du musst dir keine Sorgen machen. Dein Vater kommt zurück, sobald er kann. Bitte ... betrachte das als neues Kapitel in deinem Leben. Manche Dinge geschehen, weil es so sein soll.«

Dann wandte er sich an den Soldaten. »Gardist ...«

»Tabor.«

»Tabor. Bitte richte Honfrion aus, dass ich die volle Verantwortung für Arabelle übernehme. Sie wird bei mir sicher sein.«

Tabor klopfte sich als Salut mit der Faust auf die Faust auf die Brust. »Danke, Fürst Riverton.« Dann drehte er sich Arabelle zu und verneigte sich vor ihr. »Lebt wohl, Prinzessin. Wir sehen uns am Ende der Jahreszeit wieder, wenn die Karawane zurückkehrt.«

Damit wandten sich Tabor und seine Männer ab und gingen.

Arabelle schaute zu Jared auf. Sie schniefte zwar noch, trocknete ihre Tränen aber bereits. »Wann kommt Ryan zurück?«

Jared lächelte. »Er kehrt in einem Monat aus Eluanethra zurück. Und ich kann dir versichern, dass er außer sich vor Freude sein wird, wenn er feststellt, dass du hier bist.«

Das hellte ihre Stimmung ein wenig auf, wie Jared es geahnt hatte.

»Nun denn, dann reden wir über die Unterbringung. Die meisten Schüler werden hier bei der Akademie wohnen. Nur bei Ohaobbok sehe ich dafür keine Notwendigkeit. Es ist ja nur ein kurzer Spaziergang von Throlls Haus hierher. Und Arabelle, für dich treffe ich Vorkehrungen, dass du bei Sloane unterkommst. Und du, Wat ...«

»Ich ziehe in die Schülerunterkunft, wie es vorgesehen ist, Herr Schulleiter. Aber ... darf ich um etwas zum Lesen bitten? Mir fehlt die Bibliothek in Cammoria jetzt schon.«

»Das lässt sich einrichten«, erwiderte Jared schmunzelnd.

* * *

Es war spät, und alle im Haus schliefen, Jared jedoch fand keine Ruhe. Ihn beschäftigten zu viele unerledigte Dinge. Er stand vom Bett auf und ging zur Krippe in der Ecke, wo Rebecca schlief und wie so oft an ihrem Fäustchen nuckelte.

Jared lächelte über ihren friedlichen Gesichtsausdruck, obwohl er sich auch um sie sorgte. Ihn hatte nicht überrascht, dass der Brunnen auch sie als magiebegabt angezeigt hatte. Er hoffte, sie würde sich als Heilerin wie ihre Mutter entpuppen, nicht als Kampfzauberer wie er.

Widerwillig legte er sich wieder hin, obwohl er wusste, dass er keinen Schlaf finden würde. Aubrey hatte damit nie ein Problem. Sie schlief immer tief und fest, ganz gleich, wie viel Arbeit sie sich aufhalste – in letzter Zeit ziemlich viel. Seine Frau kümmerte sich nicht nur um das Baby, sondern brachte auch einigen der einheimischen Kinder das Lesen bei, für die Menschen in diesem Land eine ungewöhnliche Fähigkeit. Angefangen hatte sie nur mit Gwen und Sloane, aber letztlich war ihre Klasse auf über ein Dutzend angewachsen, darunter auch einige Erwachsene.

Trotz der späten Stunde beschloss Jared, eine Nachricht auf seinem Ring zu tippen.

Jared hier. Gute Nacht, Jungs. Ihr fehlt mir.

Nur wenige Augenblicke später kam eine Antwort.

Aaron hier. Ryan schläft. Alles läuft großartig. Ryan lernt Tricks. Ich bin schon viel stärker. Vielleicht kann ich Throll jetzt besiegen. Gehe jetzt schlafen. Hab dich lieb. Gute Nacht.

Dann folgte eine weitere Nachricht.

Throll hier. Habe Tricks auf Lager, die du noch nicht kennst. Viel Glück beim Versuch, mich zu schlagen. Ihr fehlt uns allen. Kommt bald zurück.

Jared schmunzelte. Die Verwendung der Ringe war immer wie eine Konferenzschaltung. Vertrauliche Nachrichten waren damit nicht möglich. Vielleicht hätte er mehr gekoppelte Ringe anfertigen sollen, wie Ryan und Arabelle sie hatten. Dann stellte er sich die ganze Hand voll mit Ringen vor, mit einem für jede Person. Das würde ziemlich schnell kompliziert werden.

Außerdem gab es so viel Wichtigeres zu erledigen. Sein Gespräch mit Seder und die Visionen vom bevorstehenden Krieg legten nah, dass seine Aufgabe nicht darin bestand, selbst zu kämpfen, sondern diejenigen vorzubereiten, die es würden. Und der Aufbau einer neuen Truppe von Zauberern aus ungeschliffenen, unerprobten Rekruten war eine überwältigende Aufgabe. Beinah überwältigend genug, um sich die Tage der Herrschaft Azazels zurückzusehnen. Damals musste er sich wenigstens nur auf einen einzigen bösartigen Gegner konzentrieren.

Nicht auf eine ganze Horde von Dämonen.

* * *

Tiefe Schwärze umgab Ellisandrea, eine von Zenethar geschaffene Falle. Dennoch war sie zufrieden, denn sie hatte den Keim. Den Keim von Trimoria. Und er war weit mehr als eine wunderschöne Kristallkugel.

Der Keim enthielt ein Stück von Sammael selbst.

Er sprach mit ihr, verlieh ihr Kräfte. Und er verstand sie wie noch niemand davor.

Nur gelegentlich dachte Ellisandrea an die Außenwelt. Es waren keine schönen Erinnerungen. Im Gedächtnis waren ihr vor allem die Elfen geblieben, in die sie hineingeboren worden war. Ihr Hass auf sie erstreckte sich auf jede Zelle ihres Wesens. Und eines Tages würde sie sich rächen. Sammael würde darauf bestehen.

Ellisandrea, wir müssen beenden, was wir begonnen haben. Seine Stimme ertönte überall um sie herum. Azazel hat versagt. Zenethar muss vernichtet werden. Nach all der Zeit erhält er die Barriere immer noch aufrecht. Sie muss fallen.

»Ich weiß, mein lieber Sammael«, antwortete die Elfenkönigin. »Dominic wird sich an unseren Plan halten. Er wird die Eindringlinge von außerhalb vernichten, angefangen bei den Kindern.«

Wir haben keine Zeit, um abzuwarten. Eine Veränderung naht. Die Saiten des Schicksals schwingen, und wir müssen dafür sorgen, dass sie es so tun, wie wir wollen. Deshalb habe ich Dominic einen Teil meiner Essenz eingeflößt. Er wird diese Macht brauchen, um es mit den gegnerischen Kräften aufzunehmen.

Ellisandrea verspürte einen Anflug von Eifersucht. Nach all ihrer Arbeit erhielt Dominic etwas von der Essenz des Wesens, das sie liebte?

Aber Dominic allein reicht nicht, fuhr die Stimme fort. Wir brauchen mehrere wie ihn. Du musst sie herlocken, damit ich sie berühren kann. Beeinflusse sie. Nur so können wir die Barriere zu Fall bringen. Und danach herrsche ich mit dir an meiner Seite über das Land.

»Die Leute meiden den Wald, Liebster. Und mein Einfluss reicht nicht unendlich weit.«

Dann lass mich dir etwas Neues zeigen. Eine Möglichkeit, magischen Einfluss durch Klang zu übertragen.

Ellisandrea erschauderte, als ölige Ranken von Sammaels Wesen in ihren Geist eindrangen. Sie verspürte zugleich ein Hochgefühl und blankes Grauen, als er etwas in ihr anpasste . Wie eine angezündete Fackel, die jeden Winkel erhellte, flammte eine neue Wahrnehmung in ihrem Kopf auf.

»Ich verstehe«, sagte sie. »Ich werde tun, was du wünschst. Bald wird die Bevölkerung lernen, was Leiden bedeutet.«