Ermittlungszeitraum: November 1959
An diesem Tag passt einfach alles zusammen: Endlich Wochenende, die Sonne scheint vom nahezu wolkenlosen Himmel herab, bei außergewöhnlich milden 15 Grad, es geht ein leichter Wind, der Herbst zeigt sich von seiner schönsten Seite. Das Paar schlendert eng umschlungen durch ein weitläufiges Waldgebiet, nur wenige Kilometer von Buchholz entfernt, der größten Stadt im Landkreis Harburg. Die frisch Verliebten sind auf der Suche nach einer abgelegenen Stelle. Sie möchten allein sein und möglichst nicht gesehen werden, wenn sie sich miteinander vergnügen.
»Ich muss mal. Warte hier.« Der junge Mann schlägt sich in die Büsche. Als seine Freundin sich ein wenig umschaut, fällt ihr keine zwei Meter entfernt am Wegrand etwas auf, das wie eine kleine ausgetrocknete Pfütze aussieht, allerdings von rötlich brauner Farbe ist. Sie macht zwei Schritte nach vorn. Die Frau kennt Blutlachen zwar nur aus dem Fernsehen, doch das, was da vor ihr auf dem Boden deutlich zu erkennen ist, kann eigentlich nichts anderes sein. »Jürgen, komm mal!«
Auch ihr Freund ist davon überzeugt, dass es sich um Blut handelt. Und zu dieser Annahme scheint eine Schleifspur zu passen, die einige Meter weiter in den Wald hineinführt. Die jungen Leute folgen der Spur und stoßen auf ein Dornengebüsch, unter dem eine länglich ausgestreckte Gestalt zu liegen scheint, teilweise verdeckt von Sandsteinen und hohem Gras. »Hallo?« Keine Antwort. »Hallo?«
Vorsichtig nähern sie sich dem Busch und erstarren förmlich, als ihnen vollends bewusst wird, was sie da gefunden haben – vor ihnen werden Teile eines menschlichen Körpers sichtbar: ein ausgestreckter Arm, ein beschuhter Fuß. Dazu steigt ihnen ein unangenehm strenger Fäulnisgeruch in die Nase. Das junge Paar verständigt sofort die Polizei.
Die Kripo nimmt die Ermittlungen auf. Nachdem der Leichnam sorgsam freigelegt worden ist, erfolgt die äußere Besichtigung. Der Tote ist etwa 25 bis 28 Jahre alt und bis auf Jacke und Mantel, die zur Abdeckung verwendet worden sind, vollständig bekleidet. Das Gesicht ist blutüberströmt. Wertsachen und Ausweispapiere fehlen. Augenscheinlich ist von einem Raubmord auszugehen, auch wenn von dem äußeren Befund nicht auf die Todesursache geschlossen werden kann.
Einen ersten Hinweis auf die Tötungsart erhalten die Ermittler, als sie etwa 170 Meter von der Fundstelle entfernt auf zwei tellergroße Blutlachen stoßen und unweit davon eine Patronenhülse finden, Kaliber 6,35 Millimeter. Die Fahnder nehmen an, dass der Mann an dieser Stelle erschossen worden ist. Eigenartigerweise können jedoch weder der Amtsarzt noch die Kripobeamten eine Schussverletzung an der Leiche feststellen. Als Ursache für die beträchtlichen Blutverschmierungen im Gesicht wird ein starkes Nasenbluten und eine Blutung in der rechten Ohrmuschel diskutiert. Spuren äußerer Gewalt sind neben Hautabschürfungen am Rücken – hervorgerufen durch das Schleifen des Opfers – nicht zu erkennen.
Bei der weiteren Absuche des Tatorts entlang der Schleifspur stoßen die Kripobeamten auf beigefarbene Stofffasern und auf mehrere Schuhabdrücke mit spitzen Absätzen, die von Damenschuhen stammen dürften. Eine Frau als alleinige Täterin halten die Ermittler jedoch für unwahrscheinlich, da das Opfer schwer übergewichtig gewesen ist und von einer Frau ohne Hilfe wohl kaum über den Waldweg hätte gezogen werden können. Es sieht vielmehr danach aus, als hätte die Frau mit den spitzen Absätzen dem Täter assistiert oder ihn gegen unliebsame Zeugen abgesichert.
Nach einer Befragung aller Personen, die in der Nähe des Tatorts wohnen oder arbeiten, kann die Tatzeit auf den 10. November, zwischen 20.30 Uhr und 20.40 Uhr, eingegrenzt werden; ein Mann und eine Frau haben nämlich unabhängig voneinander genau zu dieser Zeit einen Knall gehört, den sie zweifelsfrei einer Schusswaffe zugeordnet haben. Allerdings haben sie nicht weiter darauf reagiert, da in den umliegenden Wäldern regelmäßig Jäger unterwegs sind. Das Opfer muss demnach drei Tage im Wald gelegen haben.
Tathergang und -motiv stellen sich den Ermittlern nach Abschluss der Maßnahmen am Tatort so dar: Das Opfer ist den Tätern im Wald begegnet oder von ihnen dorthin begleitet worden. Der Angriff ist – wahrscheinlich nach einem unmittelbar zuvor abgefeuerten Fehlschuss – für das Opfer überraschend erfolgt, da weder Kampfspuren noch Abwehrverletzungen gefunden werden konnten. Nachdem der Mann vermutlich erschlagen oder erwürgt worden ist, haben die Täter ihn bis zum Dornenbusch gezogen. Dort haben sie das Opfer beraubt und den Leichnam versteckt. Es handelt sich also um Raubmord.
Eine Überraschung erleben die Ermittler, als das Ergebnis der Obduktion vorliegt. Die Rechtsmediziner haben nämlich herausgefunden, dass der Mann doch erschossen wurde. Im hinteren Rachenraum wurde eine Schussverletzung entdeckt, die auf das Schädelinnere übergegriffen hatte. Nach der Art der Verletzung zu urteilen, ist das Projektil in den Mund eingedrungen, hat die hintere Rachenwand getroffen und unmittelbar zum Tod geführt. Das Fehlen des Geschosses im Leichnam und die nicht feststellbare Austrittsverletzung am Körper des Toten werden indes dadurch erklärt, dass das Projektil durch den höchstens zwei Zentimeter breiten Schusskanal in die freie Mundhöhle zurückgeschleudert wurde, aus der es beim Wegschleifen der Leiche wieder herausgefallen sein muss. Nur kann man das Geschoss trotz abermaliger Suche am Tatort nicht finden.
Nach der Veröffentlichung eines Fotos und einer Beschreibung der Kleidung des Toten in der örtlichen Tageszeitung meldet sich die Krankenschwester Waltraud Liebknecht bei der Kripo. Die 18-Jährige wohnt in Buchholz und ist die Freundin des Opfers. Der Mann heißt Franz Geiler, ist 26 Jahre alt geworden und wohnte im elterlichen Haus seiner Freundin. Als Montagearbeiter war er häufig unterwegs und hielt sich nur an den Wochenenden in Buchholz auf. Franz Geiler galt als freundlicher, höflicher, hilfsbereiter und gutmütiger Mensch. Der Mann war nach einer kürzlich gemachten Erbschaft durchaus vermögend, und ihm wurde auch der Besitz von wertvollem Schmuck nachgesagt, die Rede war von goldenen Armbanduhren und Ringen.
Waltraud Liebknecht berichtet der Mordkommission, dass sie ihren Freund letztmals am 10. November gegen Mittag gesehen habe. Während sie ins Krankenhaus gefahren sei, habe Franz Geiler in die Stadt gehen wollen, um sich einen neuen Anzug zu kaufen. Man sei am selben Tag für 20 Uhr verabredet gewesen, um ins Kino zu gehen. Ihr Freund sei aber nicht zum vereinbarten Treffpunkt gekommen. Dass sie keine Vermisstenanzeige erstattet habe, erklärt die Frau damit, dass ihr Freund auch in der Vergangenheit des Öfteren für einige Tage unterwegs gewesen sei, ohne sie davon zu unterrichten.
Der Mordkommission gelingt es nach zähen Ermittlungen, die letzten Stunden des Opfers zu rekonstruieren. Demnach ist Franz Geiler tatsächlich in Buchholz gewesen und hat einen blauen Anzug gekauft. Danach muss er kurz zu Hause gewesen sein, da die Ermittler den Anzug in seinem Kleiderschrank gefunden haben. Anschließend ist er wieder mit dem Bus in die Stadt gefahren und hat sich mit zwei Arbeitskollegen zum Billardspielen getroffen. Gegen 18.30 Uhr ist er mit seinen Kollegen noch in einer Frittenbude gewesen und hat sich mit der Bemerkung verabschiedet, er wolle später mit seiner Freundin ins Kino gehen. Hier verliert sich die Spur des Mannes.
Fraglich erscheint der Kripo, wie Franz Geiler entgegen seiner Ankündigung in das Waldgebiet Brunsberg gelangt ist. Möglicherweise ist er auf dem Weg zu seiner Freundin von den Tätern angesprochen und an den späteren Tatort geführt worden. Wahrscheinlich ist die an der Tat beteiligte Frau als Lockvogel eingesetzt worden, schlussfolgern die Ermittler. Waltraud Liebknecht scheidet aber als Mittäterin aus, sie ist zur Tatzeit nachweislich zu Hause gewesen.
Der Mord an Franz Geiler erinnert an die Verbrechen eines Liebespärchens drei Jahre zuvor im Großraum Hannover. Gerhard Popp und seine Freundin Inge Marchlowitz töteten zwei Männer und gingen dabei sehr raffiniert vor: Die Frau ließ sich auf der Straße oder in einem Café von erkennbar finanziell potenten Männern ansprechen, um anschließend eine »Liebesfahrt« zu unternehmen. Bei der Abfahrt bat sie jeweils, ihre Cousine noch ein Stück mitzunehmen – der als Frau verkleidete Gerhard Popp stieg hinten ins Auto ein. Um keinen verräterischen Kontakt zwischen dem Opfer und ihrem Komplizen aufkommen zu lassen, unterhielt sich Inge Marchlowitz sehr angeregt mit den Männern und schmeichelte ihnen. Später ließ man die Opfer in einer einsamen Gegend anhalten. Dort erschoss sie Gerhard Popp kaltblütig von hinten. Anschließend wurden die Opfer beraubt und die Leichen entsorgt.
Der »Todesengel von Krähenwinkel« und ihr Kumpan scheiden aber als Tatverdächtige aus, da sie Freiheitsstrafen verbüßen und das Gefängnis zur Tatzeit nicht verlassen haben. Möglicherweise hat es die Mordkommission mit Nachahmungstätern zu tun, die als äußerst gefährlich eingestuft werden müssen. Die Gefahr einer weiteren Tat setzt die Ermittler zusätzlich unter erheblichen Erfolgsdruck. Zu den potenziellen Tatverdächtigen zählen die Ermittler insbesondere alle Frauen zwischen 18 und 40 Jahren, die bereits polizeibekannt sind. Als ein anonymer Hinweis auf eine dieser Frauen eingeht, hat man endlich eine Verdächtige. Es ist Petra Kleinheidt, 28 Jahre alt, arbeitslos, wohnhaft in Neu Wulmstorf, einer Nachbargemeinde von Buchholz.
Nachdem die Ermittler nach einer ersten Vernehmung festgestellt haben, dass die Frau kein Alibi aufweisen kann, befassen sie sich näher mit der Verdächtigen. Petra Kleinheidt stammt aus einem Elternhaus, in dem man immer wieder Probleme mit der Polizei hatte – der Vater musste mehrfach langjährige Haftstrafen absitzen. Der gelernte Maschinenbauer und versierte Einbrecher galt als aggressiv, jähzornig und brutal, seine Frau litt unter seinen Gewaltausbrüchen und ertränkte ihre Probleme immer öfter im Alkohol; dennoch kümmerte sie sich um die Tochter, soweit es ihr Gesundheitszustand erlaubte. Die Eltern starben schließlich bei einem Verkehrsunfall, Petra Kleinheidt war gerade 16 Jahre alt geworden.
Kurz darauf verließ die junge Frau die Hauptschule ohne Abschluss, begann eine Friseurlehre, schmiss nach fünf Monaten hin und schloss sich einer Sippe der Sinti und Roma an, zu der auch ihr damaliger Freund gehörte. Mit 18 heiratete sie den Mann, der wie ihr Vater auf Einbrüche spezialisiert war, später aber auch Raubüberfälle beging. Nach vier Jahren wurde die Ehe geschieden. Einige Monate später wurde Petra Kleinheidt wegen Körperverletzung verurteilt, weil sie einer ehemaligen Freundin, mit der sie wegen eines gemeinsamen Bekannten aneinandergeraten war, eine brennende Zigarette auf dem Arm ausgedrückt hatte. Es folgten einige Ladendiebstähle und schließlich ein Raubüberfall auf ein Rentnerehepaar, bei dem sie Schmiere gestanden hatte. Bisher ist die Frau mit Bewährungsstrafen glimpflich davongekommen.
Petra Kleinheidt zeigt sich während der Vernehmungen durchaus zugänglich und kooperativ. Sie räumt auch ein, für die Tatzeit kein Alibi zu haben – sie will allein zu Hause gewesen sein –, doch eine Tatbeteiligung bestreitet sie vehement. Im Zuge der Durchsuchung ihrer Wohnung können keine Beweismittel gefunden werden, insbesondere keine zu den Tatortspuren passenden Schuhe. Da zwischen dem Opfer und der Verdächtigen keine Beziehung hergestellt werden kann und die Frau auch keinen Partner oder Freund hat, der als Mittäter hätte fungieren können, muss Petra Kleinheidt freigelassen werden.
Es vergehen anderthalb Wochen, bis die Aussage eines Zeugen die Ermittlungen in eine andere Richtung lenken. Ein 48-jähriger Kneipenwirt berichtet, dass er das Opfer vor einigen Wochen in Begleitung eines Mannes gesehen habe, der sich ihm gegenüber als Horst Schwertfeger ausgegeben habe. Der Zeuge hat sich erst jetzt gemeldet, da er im Urlaub gewesen ist und erst vor Kurzem von dem Verbrechen erfahren hat.
Diese eher lapidare Mitteilung gewinnt jedoch an Bedeutung, als sich herausstellt, dass Horst Schwertfeger am Tattag gegen 19 Uhr vom späteren Opfer besucht wurde und die beiden Männer eine halbe Stunde später gemeinsam das Haus verlassen haben. Horst Schwertfeger erscheint auch deshalb verdächtig, weil er sich nicht als Zeuge bei der Kripo gemeldet hat, obwohl mehrfach öffentlich dazu aufgefordert wurde. Durch die Befragung der Nachbarn erfahren die Ermittler außerdem, dass Horst Schwertfeger in der Tatnacht gegen 22.30 Uhr allein in seine Wohnung zurückgekehrt ist und entgegen seinen sonstigen Gewohnheiten kurz darauf ausgiebig geduscht haben soll.
Aus kriminalpolizeilicher Sicht gilt Horst Schwertfeger als unbescholtener Bürger. Der 34-Jährige ist verwitwet, arbeitet als Treuhänder und wohnt mit seinem 8-jährigen Sohn in bescheidenen Verhältnissen. Niemand kennt diesen Mann näher, der eher zurückgezogen lebt und erst vor anderthalb Jahren nach Buchholz gezogen ist – ein komischer Kauz, der den Nachbarn undurchsichtig erscheint, der auch mal sehr abweisend sein kann, wenn man ihn anspricht.
In seiner Vernehmung gibt Horst Schwertfeger zu, das Opfer gekannt zu haben – allerdings nicht besonders gut. Am Tatabend sei er mit Franz Geiler gegen 20 Uhr in der Stadt gewesen, um ein Radio zu kaufen. Doch sein Begleiter, der einen kleinen Koffer bei sich gehabt habe, habe sich nicht für ein bestimmtes Produkt entscheiden können. Deshalb sei man unverrichteter Dinge zurückgefahren. Franz Geiler habe vor ihm den Bus verlassen und sei in Richtung Bahnhof gelaufen, um dort noch etwas zu erledigen.
Was Horst Schwertfeger nicht schlüssig erklären kann, ist der Zeitunterschied, der sich aus seinen Angaben und den Hinweisen der Zeugen, die den Schuss gehört haben, ergibt. Denn der Verdächtige hätte eigentlich gegen 21 Uhr zu Hause eintreffen müssen. Auf nochmaliges Befragen erklärt der Mann schließlich, er sei einen Umweg gelaufen, habe sich noch ein wenig die Beine vertreten wollen.
Die Ermittler sind überzeugt, dass hier etwas nicht stimmt. Unverzüglich durchgeführte Nachprüfungen bestätigen diese Zweifel. Franz Geiler hat keinen kleinen Koffer besessen und ist auch zu keiner Zeit damit gesehen worden. Zudem bleibt unverständlich, warum der Mann zum Bahnhof gelaufen sein sollte, anstatt die Verabredung mit seiner Freundin einzuhalten. Die Aussagen des Verdächtigen können zwar nicht widerlegt werden, doch rechtfertigen die sich hieraus ergebenden Verdachtsmomente die Durchsuchung seiner Wohnung.
Und dabei finden die Fahnder in einer Kommode eine goldene Armbanduhr, die wenig später von Waltraud Liebknecht als Eigentum ihres Freundes identifiziert wird. Außerdem entdecken die Ermittler einen zum Trocknen aufgehängten beigefarbenen Mantel, der kurz zuvor gewaschen wurde und am Kragen und an den Ärmeln rötliche Flecken erkennen lässt. Blut? Blut des Opfers? Während diese Fragen zunächst unbeantwortet bleiben, kann die Mordkommission schon bald nachweisen, dass dieser Mantel von Horst Schwertfeger zur Tatzeit getragen worden ist. Nachdenklich stimmt die Fahnder jedoch, dass sie nicht den geringsten Hinweis auf die Frau finden, die den Lockvogel gespielt haben oder sonst an der Tat beteiligt gewesen sein könnte.
Der jetzt dringend Mordverdächtige weist die Beschuldigungen weit von sich und erklärt, dass er die Armbanduhr wenige Tage vor der Tat vom Opfer erhalten habe, im Tausch gegen einen Brillantring, der früher seiner Mutter gehörte und Franz Geiler besonders gefallen habe. Und die blutähnlichen Flecken seien auf den Mantel gekommen, als er seinen Wagen repariert habe und mit Öl in Berührung gekommen sei. Horst Schwertfeger bleibt auch bei härterer Gangart der Vernehmungsbeamten bei seinen teils widersprüchlichen, teils unglaubwürdigen Aussagen. Die Ermittler kapitulieren schließlich, brechen das Verhör ab und führen den Verdächtigen dem Ermittlungsrichter vor, der einen Haftbefehl erlässt.
In den folgenden Tagen setzen die Fahnder ihre Ermittlungen fort. Dabei stellt sich heraus, dass die am Tatort gefundenen Stofffasern der Struktur nach zum Mantel des Verdächtigen passen. Außerdem ergeben rechtsmedizinische Untersuchungen den Nachweis von Menschenblut am Mantel. Der als Tauschobjekt bezeichnete Brillantring ist seit Monaten nicht mehr bei Horst Schwertfeger gesehen worden. Und glaubwürdige Zeugen bekunden, der Mann sei noch zwei Monate vor dem Mord an Franz Geiler im Besitz einer kleinkalibrigen Pistole gewesen – eine passende Geschosshülse wurde am Tatort gefunden. Als belastend wird auch gewertet, dass Horst Schwertfeger jüngst einen Teil seiner Schulden beglichen hat, ausgerechnet einen Tag nach dem Verbrechen. Und schließlich zeigt der Verdächtige noch während seiner Untersuchungshaft schwere Entzugserscheinungen; der Mann ist morphinsüchtig. Hat er das Opfer bestohlen und getötet, um seinen Drogenkonsum zu finanzieren und den Raub zu vertuschen? Diese Version erscheint der Kripo durchaus plausibel, nur die Schuhabdrücke entlang der Schleifspur im Wald bereiten nach wie vor Kopfzerbrechen. Sie passen einfach nicht ins Bild.
Als die Mordkommission Horst Schwertfeger mit dem Ergebnis ihrer Ermittlungen konfrontiert, gibt er seinen Widerstand auf und legt ein Geständnis ab. Er sei mit Franz Geiler tatsächlich in der Stadt gewesen, erzählt er. Auf dem Heimweg habe er seinen Bekannten gebeten, ihm wieder einmal Drogen zu verkaufen. Aus diesem Grund sei man in den Wald gegangen, dort hätte Franz Geiler sein Depot gehabt. Als der aber einen zu hohen Preis verlangt habe, sei es zum Streit gekommen, erst verbal, dann körperlich. Schließlich habe sein Bekannter ihn mit einer Pistole bedroht, woraufhin sich Horst Schwertfeger wutentbrannt auf ihn gestürzt habe. Während des anschließenden Handgemenges habe sich wohl versehentlich ein Schuss gelöst und Franz Geiler sei zu Boden gestürzt. Dann habe er den Toten über den Waldweg bis zu dem Dornengebüsch gezogen, alle Wertgegenstände an sich genommen und den Leichnam unter Steinen und Gras versteckt. Die Pistole habe er auf dem Heimweg in einen Bach geworfen, wo genau, könne er nicht mehr sagen, es sei zu dunkel gewesen.
Auch wenn das Geständnis in Teilen angezweifelt wird und die Notwehrhandlungen als Schutzbehauptung einzuschätzen sind, darf die Tat doch als aufgeklärt gelten. Und es kann wenig später ein weiteres Rätsel gelöst werden, nachdem untersucht worden ist, welche Schuhe der Täter zur Tatzeit getragen hat. Es handelt sich nämlich um hohe Knöpfschuhe, wie sie um die Jahrhundertwende modern waren. Charakteristisch für dieses Schuhwerk sind eine spitze Form und spitze Absätze, eben typische Merkmale eines Damenschuhs, dessen Spuren die Ermittler am Tatort erkannt zu haben glaubten. Da man mit einer Frau als Mittäterin gerechnet hat, sind die Knöpfschuhe bei der ersten Durchsuchung der Wohnung des Verdächtigen als Beweismittel nicht in Betracht gezogen worden.