13. Kapitel

 

20. September, morgens halb acht in Niederhaibach

 

Mit einem Hämmern in meinem Kopf schlage ich meine Lider auf. So wie es aussieht war das letzte Bier gestern Abend schlecht. Den Wirt sollte ich wohl auf Schmerzensgeld verklagen. Vielleicht liegt es auch einfach daran, dass ich zu viel getrunken habe.

Ich wollte ja schon eine Stunde früher nach Hause gehen, doch der Großbauer hat uns überredet noch ein Bier zu trinken. Aus einem weiteren wurden dann drei und heute habe ich den Salat. So ist es, wenn die armen Männer, die für gewöhnlich unter der kurzen Leine ihrer Frauen leiden, mal rauskommen. Dann wollen sie nicht mehr nach Hause gehen und schlagen über die Stränge. Dabei ziehen sie unsereins dann mit in den Tod.

Ich quäle mich aus dem Bett und hoffe, dass eine Dusche mir den Tag rettet. Schon beim Abtrocknen wird mir klar, dass dem nicht so ist. Meine Kopfschmerzen sind unerbittlich und halten auch noch an, nachdem ich mich abgetrocknet und angezogen habe. Das Anziehen der Socken wird zu einer wahren Herausforderung, denn als ich mich nach unten bücke, jagt ein stechender Schmerz durch meinen Kopf.

Kurz darauf gehe ich nach unten in die Küche, wo Rosi schon mit dem Frühstück fertig ist. Normalerweise verspüre ich um diese Zeit schon ein ausgeprägtes Hungergefühl, doch heute habe ich ein flaues Gefühl im Magen. Ich glaube, heute reicht mir eine Tasse Kaffee und eine trockene Scheibe Brot.

„Na, hast du deinen Rausch endlich ausgeschlafen?“, ruft Rosi, als ich die Küche betrete.

Die Lautstärke ihrer Stimme ist viel zu hoch und ich entlasse einen spitzen Schmerzensschrei.

„Bitte nicht so laut“, murmle ich und setze mich an den Tisch. „Kann ich eine Aspirin haben?“

„Wer Saufen kann, muss es auch aushalten“, erwidert sie gnadenlos.

Ich sehe sie ungläubig an.

Warum lässt sie mich so lange betteln?

Wo ist ihr Mitgefühl geblieben?

Als ich ihr einen flehenden Blick zuwerfe, stößt sie seufzend den Atem aus, bevor sie die Küchenschublade öffnet und eine Aspirin hervorzaubert. Sie füllt ein Glas mit Wasser und versenkt die Tablette darin, bevor sie mir das Glas reicht.

„Danke“, murmle ich und versuche mich an einem Lächeln.

Doch meine Kopfschmerzen sind fast unerträglich.

„Warum trinkst denn so viel, wenn du schon weißt, dass es dir am nächsten Tag immer so schlecht geht?“, fragt sie mich vorwurfsvoll.

„Ich wollte ja schon eher heim, aber die anderen haben mich überredet noch zu bleiben und dann ist es irgendwie aus dem Ruder gelaufen.“

„Natürlich sind die anderen schuld“, seufzt Rosi und schüttelt unverständlich den Kopf.

Jetzt könnte ich mich verteidigen, was letztendlich in einer Grundsatzdiskussion enden würde, für die ich im Moment wirklich keine Kraft habe. Natürlich bin ich letztendlich selbst schuld an meinem Zustand. Dennoch ist es in der Gruppe nicht so einfach zu widerstehen. Aber das jetzt meiner Frau zu erklären, ist einerseits zwecklos, andererseits im Moment auch viel zu anstrengend.

Schweigend reiße ich ein Stück von der Scheibe Vollkornbrot ab. Das Kauen ist auch nicht sonderlich förderlich für meinen Zustand. Nachdem ich den Bissen schon gefühlt eine viertel Stunde im Mund habe und meine Zähne mit den Körnern noch immer schwer beschäftigt sind, nehme ich einen Schluck aus meiner Kaffeetasse und spüle den Inhalt meines Mundes hinunter.

Von Genuss kann da keine Rede sein und nachdem ich noch zwei Bissen runtergezwängt habe, gebe ich schließlich auf. Ich verabschiede mich von meiner Frau und mache mich auf den Weg ins Revier.

„Kannst du überhaupt schon Autofahren?“, fragt sie mich vorwurfsvoll.

„So betrunken war ich jetzt auch wieder nicht“, entgegne ich seufzend.

Ich gebe es ja nur ungern zu, aber mit der schwindenden Jugend verträgt mein Körper Alkohol auch nicht mehr so gut. Früher steckte ich so einen kleinen Rausch mit links weg. Heute muss ich schon den Genuss von ein paar Bier am nächsten Tag büßen.

 

Als ich im Revier ankomme, sitzen Hansi und Simone schon im Büro und arbeiten. Ich betrete den Raum, nachdem ich mir aus der Küche noch eine Tasse Kaffee geholt habe. Vielleicht hilft ja genügend Kaffee, um mich wieder auf Kurs zu bringen und den verhassten Kater zu vertreiben.

Nach einer kurzen morgendlichen Begrüßung setze ich mich auf meinen Schreibtischstuhl. Es dauert nicht lange, bis mich Simone mit gerunzelter Stirn mustert.

„Geht es dir nicht gut?“, fragt sie mich.

„Ich habe schreckliche Kopfschmerzen und die Aspirin hilft auch nicht wirklich“, antworte ich ihr.

„Wirst du etwa krank?“, hakt sie besorgt nach.

Ich schüttle den Kopf und bereue dies sogleich.

„Das sieht mir eher nach einem Kater aus“, wirft Hansi amüsiert ein.

Er mustert mich ausgiebig und natürlich kennt er mich gut genug, um zu wissen, dass mein Zustand keinem Infekt geschuldet ist, sondern ich etwas zu tief ins Glas geschaut habe. Ich zucke mit der rechten Schulter und stimme auf diese Weise mehr oder weniger seiner Aussage zu.

„Musstest du nicht zu einem Konzert in der Kirche?“, fragt Simone irritiert.

„Ja, warum?“

„Gab es da denn was zu trinken?“

„Nein, aber nach dem Konzert sind wir noch ins Wirtshaus gegangen“, gestehe ich ihr. „Da ist es dann etwas ausgeartet.“

„Du bist mit Rosi saufen gegangen?“, hakt Hansi überrascht nach.

„Nein, nicht mit Rosi“, erwidere ich. „Mit ein paar Freunden. Wir waren nach dem langen Konzert natürlich sehr durstig.“

„Natürlich“, schmunzelt Hansi.

„Und jetzt hast du einen Kater“, stellt Simone belustigt fest.

„Einen ausgewachsenen“, brumme ich. „Dabei habe ich gar nicht so viel getrunken.“

„In deinem Alter steckt man das eben nicht mehr so gut weg“, stichelt Hansi natürlich.

„Das habe ich auch schon gemerkt“, knurre ich.

Für gewöhnlich würde ich ihm ja widersprechen und ihn dafür tadeln, dass er mich als alt bezeichnet. Doch im Moment kann ich das einfach nicht abstreiten. Tatsächlich war das früher nicht so schwer wegzustecken. Da bin ich morgens aufgestanden und ich hatte kaum Beschwerden. Zumindest nicht, wenn ich nicht mehr als gestern Abend getrunken hätte.

Da konnte ich schon weit mehr über die Stränge schlagen, bevor ich mich am nächsten Tag so beschissen fühlte. Aber es heißt ja nicht umsonst, im Alter wird nichts besser.

Ich nehme einen Schluck aus meiner Kaffeetasse und versuche die Kopfschmerzen zu ignorieren.

„Gibt es irgendwas Neues zu unserem Mordfall?“, frage ich die beiden.

Immerhin bin ich nicht hier, um mich bemitleiden zu lassen, sondern um zu arbeiten.