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M aggie betritt die Wohnung und knallt unwillkürlich die Tür hinter sich zu. Natürlich ist nicht die Tür für ihren beschissenen Tag verantwortlich – die Toten können so verdammt nervig sein. Sie zieht die weißen Handschuhe an und weiß, dass auch die nicht schuld sind, aber ihre Hässlichkeit erinnert sie daran, wer sie ist und wer sie nicht ist. Maggie hat in jungen Jahren gelernt, hart zu sein, aber sie ist Schmerz gegenüber nicht unempfindlich. Auch ein dickes Fell kann sich abnutzen.
Ihr fällt ein, dass sie den ganzen Tag noch nichts gegessen hat, daher schiebt sie die Füße in die Hausschuhe und schlurft in die Küche, um einen Blick in den Kühlschrank zu werfen. Der Inhalt ist enttäuschend gesund, nicht das, was sie im Moment will oder braucht. Sie geht zum Telefon und wählt eine Nummer. Während sie darauf wartet, dass jemand abnimmt, starrt das gerahmte Foto der kindlichen Aimee sie an. Maggie bedenkt das Mädchen mit einem bösen Blick, wickelt sich das Spiralkabel um die Hand und wird immer ungeduldiger.
«Fick dich», sagt sie zu dem Foto und dreht es mit dem Gesicht nach unten, um Aimee nicht mehr sehen zu müssen. «Nicht Sie», fügt sie schnell hinzu, als sie merkt, dass inzwischen jemand am Apparat ist.
Sie legt die exakte Summe für die Pizza in einem weißen Umschlag aus Recyclingpapier vor die Tür, darauf einen Klebezettel mit den Worten: ESSEN HIER ABSTELLEN . Sie hat sich abgeschminkt und will heute niemandem mehr begegnen müssen. Sie schließt die müden Augen und umfasst drei Finger der linken Hand mit der rechten, bildet sich ein, sie würde Aimee trösten, wie damals als Kind, wenn sie Angst hatte. Maggie wünscht sich zurück in jene Zeit. Einige Minuten lang sitzt sie so hinter der Haustür im Dunkeln, öffnet sie dann und fügt auf dem Klebezettel das Wort DANKE dazu. Sie will nicht unhöflich sein oder ihre schlechte Laune an einem anderen auslassen.
Nachdem sie fast die ganze Peperonipizza mit extra Käse gegessen hat, geht sie ins Bad und erbricht alles, spült zweimal nach und wischt sich den Mund mit einem Blatt des flauschigen Toilettenpapiers ab. Sie macht sich einen grünen Tee, gibt ein bisschen kaltes Leitungswasser dazu und setzt sich aufs Sofa, um die Nachrichten zu schauen.
Als Aimees Gesicht erscheint, wird ihr gleich wieder schlecht.
Und noch schlechter, als sie den Bericht verfolgt.
Aimee ist entlassen worden.