Kapitel 1

Vid-Doc-Räume, Michaels Büros,
Stützpunkt der Raumflotte, High Tortuga

Das Erste, was Peter hörte, als er den Raum betrat, war Bethany Anne, die mit ihrer Tochter in gedämpftem Ton über den seitlichen Monitor sprach. »Was meinst du damit, sie hat Wehen? «

»Tabitha hat Wehen?« Seine Hände sanken kraftlos an seine Seiten und er ließ die Tüte mit seinem aus Fast Food bestehendem Abendessen zu Boden fallen, ohne einen weiteren Gedanken daran zu verschwenden.

Eve seufzte missmutig angesichts der Pfütze aus verschütteter Coca-Cola, die aus der geplatzten Tüte zu seinen Füßen quoll. »Ja, Peter. Wir können die Geburt nicht länger hinauszögern und das Baby ist auf dem Weg. Aber nur keine Sorge, sie befinden sich beide in guten Händen.« Sie hob ihre Hände und wackelte vielsagend mit den Fingern, ehe sie sich erneut der Konsole für Tabithas Vid-Doc zuwandte und weitere Anweisungen eintippte.

Einen Augenblick später erschien ein Reinigungsroboter und stupste Peters Fuß auffordernd sanft an. Er starrte den Bot ausdruckslos an, als dieser ihn ein zweites Mal anstieß, was Peter als ein wenig aufdringlich empfand.

Bethany Anne verließ ihre Konsole und ging zu Peter hinüber, um ihn fürsorglich zur Couch zu führen. »Ich weiß, wir hatten gehofft, ihnen allen noch ein oder zwei Monate Zeit zu lassen, aber das Baby lässt uns keine andere Wahl. Wir werden uns erst um Tabitha kümmern und danach um Alexis und Gabriel.«

Der angehende Vater schien dem Reinigungsroboter mehr Aufmerksamkeit zu schenken als dem, was Bethany Anne ihm erklärte. Sie sah ihn voller Sorge an und wedelte mit einer Hand vor seinem Gesicht, was ihn schließlich doch aus seiner Benommenheit aufschreckte.

»Peter, bist du in Ordnung?«

Er fuhr sich mit einer Hand über den Kopf. »Es kommt nur so plötzlich, das ist alles. Wirklich, es geht mir gut.«

»Bist du sicher? Du warst einen Augenblick lang richtig weggetreten.« Bethany Annes Blick ruhte einen Moment lang auf seinen zitternden Händen. »Aber lass dir nur ein Weilchen Zeit. Eve holt Tabitha gerade aus dem Spiel und das geht nicht so rasch.« Sie streckte die Hand aus und klopfte Peter aufmunternd auf die Schulter. »Es wird alles noch besser laufen als nur gut. Warte es nur ab.«

Eve schob geschickt eine Trage an die Seite von Tabithas Vid-Doc. »Sie befindet sich jetzt im Verjüngungszyklus. Noch drei Minuten.«

Peter straffte die Schultern. »Dafür haben wir keine Zeit. Wir sind dabei, Eltern zu werden.«

Korridor vor der medizinischen Abteilung,
Stützpunkt der Raumflotte, High Tortuga

»Meine Nanozyten sollten das hier«, sie deutete mit einer Hand auf ihren aufgeblähten Bauch, »besser schnellstens in Ordnung bringen!« Sie biss die Zähne zusammen, als sie eine weitere Wehe durchfuhr. »Scheeiiiße! «

Bethany Anne konnte ein Zusammenzucken nicht unterdrücken, als Tabitha nach ihrer Hand griff und sie fest zusammendrückte.

Die werdende Mutter knurrte sie empört an, als die Wehe ihren Höhepunkt erreichte. »Geschieht dir recht, weil du mir nicht gesagt hast, wie verdammt weh …«, japste sie auf, » … dassssss tut!«

Bethany Anne ertrug den Schmerz ihrer gequetschten Finger klaglos. »Ähm, was das angeht … Ich habe TOM und ADAM dazu veranlasst, den größten Teil meiner Wehenschmerzen zu dämpfen.«

Tabitha funkelte sie giftig an und drückte extra noch ein wenig fester zu.

»Es waren Zwillinge, Tabitha«, erinnerte Bethany Anne sie spitz. »Warte mal ab, bis du ein Baby bekommen hast, und sag mir dann, ob du die Erfahrung gleich danach ein zweites Mal machen willst.«

Schmollend wandte sich Tabitha ab. Die Welt um sie herum verschwamm vor ihren Augen, aber trotzdem erkannte sie durch den sie umgebenden Nebel, dass die Person auf der anderen Seite ihrer sich bewegenden Trage Peter war … der Grund für all ihre Schmerzen.

Grimmig löste sie ihren Griff um Bethany Annes Hand und zeigte anklagend mit einem zitternden Finger auf ihn. »Das ist alles deine verdammte Schuld, du … du …!«

Sie würde es ihm später zu Ende erzählen. Denn plötzlich fühlte sie sich wirklich schläfrig, was ein wenig seltsam war, da sie an und für sich ja die letzten acht Monate geschlafen hatte.

Peter wartete auf ihren üblichen Ausrutscher ins Spanische, der ihm sagte, dass seine Allerliebste nicht wirklich sauer auf ihn war. Wenn sie das allerdings tat, weil sie wütend war, bedeutete das natürlich, dass er ihr besser schnellstens aus dem Weg gehen sollte, bevor ihm der brodelnde Mount Tabbie um die Ohren flog.

Aber er bekam keine Gelegenheit, herauszufinden was nun zutraf. Ehe sie dazu kam, ihn richtig zu verfluchen, verdrehte Tabitha plötzlich ihre Augen und sank dann bewusstlos zurück in die Kissen. »Tabbie?« Sie antwortete nicht.

In diesem Augenblick hätte Peter um ein Haar die Fassung verloren. »Tabbie! « Irgendwie gelang es ihm, sich zusammenzureißen. Denn diese Situation gehörte absolut nicht zu der Art, die sich in irgendeiner Weise dadurch verbessern ließ, indem man einen entsetzten Pricolici in der Mitte freisetzte. »Jetzt tu doch etwas!«, herrschte er aufgeschreckt Eve an.

Prompt begann sie, die Tragbahre viel schneller zu schieben. »Festhalten!«

Peter packte seine Seite der Tragbahre und hielt sie mit Bethany Annes Hilfe stabil, während die Androidin sich mit voller Kraft einen Weg zu Tabithas Entbindungszimmer bahnte.

Sie hielten zwei Räume in Bereitschaft. Der erste war mit Kerzenlicht, einem warmen Pool und Walmusik ausgestattet, damit Tabitha sich darüber lustig machen konnte, wie Peter sie mit Bonbons fütterte und ihr Luft zufächelte, während sie ihren Sohn zur Welt brachte.

Aber Eve steuerte sie direkt zum zweiten Raum, in dem das frisch geschrubbte Operationsteam unter viel zu hellem Licht auf Tabitha wartete. Die Tür wurde von zwei OP-Schwestern geöffnet und ein männlicher Pfleger trat vor, um Eve in den OP zu führen.

Daher segelte Eve förmlich mit der Trage durch die Türen, während Peter seinen Weg versperrt fand.

Er versuchte vergeblich, sich an dem Krankenpfleger vorbeizudrängen, der ihm den Zugang verwehrte und runzelte empört die Stirn über den Mann, dessen Namensschild er in seiner Sorge nicht einmal bemerkte. »Was machen Sie da? Lassen Sie mich gefälligst durch.«

Der Krankenpfleger, der offensichtlich an den Umgang mit aufgeregten und nervösen werdenden Vätern gewöhnt war, hob gelassen eine Hand, um Peter aufzuhalten. »Es tut mir leid, Commander. Nur medizinisches Personal ist hier zugelassen, bis wir die Ursache für ihren Zusammenbruch kennen.« Er deutete auf ein Schild an der Wand bei einer Nische ein Stück weiter den Korridor entlang. »Dort gibt es einen Wartebereich, wenn Sie sich dort hinsetzen und ein wenig zur Ruhe kommen möchten. Ansonsten muss ich den Sicherheitsdienst bitten, hierherzukommen, und das will doch wirklich keiner von uns.«

Peter war es völlig egal, ob er sich den Weg zu Tabitha freikämpfen musste. Sie und ihr Baby waren verletzlich und sie brauchten ihn genau jetzt. Ein tiefes Knurren stieg drohend aus seiner Brust auf. »Lasst mich vorbei oder es setzt was. Ich bleibe bei Tabitha.«

Der Krankenpfleger blickte Hilfe suchend zu Bethany Anne hinüber, damit sie den Werwolf dazu brachte, auf die Stimme der Vernunft zu hören.

Erst als Bethany Anne Peter fest am Arm packte und ihn energisch von den Türen zum Operationssaal wegzog, wurde ihm klar, dass er zu sehr darauf bestanden hatte, dass der Krankenpfleger ihn hinein ließ. Außerdem hatte er den armen Mann geradezu mit schmerzhaften Konsequenzen bedroht, falls er nicht nachgab, und das gehörte sich einfach überhaupt nicht.

Peter streckte in Richtung des Krankenpflegers entschuldigend die Hände hoch. »Es tut mir leid. Sie haben ja recht. Es war ein verdammt harter Tag, aber das ist keine Entschuldigung. Ich wollte Ihnen die Arbeit nicht noch schwerer machen.« Er drehte sich um und eilte in den Wartebereich, um zu beweisen, dass er nicht die geringste Absicht hegte, weitere Schwierigkeiten zu bereiten.

Der Pfleger sah Peter durchaus verständnisvoll an. Der Mann war zwar eindeutig besorgt, aber auch entschlossen, seine Pflicht zu erfüllen. »Es ist keine leichte Zeit, aber Ihre Frau befindet sich in den besten Händen.« Er schlüpfte durch die Tür und schloss sie fest hinter sich.

Peter starrte auf den Boden hinunter, während er und Bethany Anne zum Wartebereich hinübergingen und murmelte: »Wenn Sie meine Frau finden, müssen Sie uns unbedingt einander vorstellen.« Er grinste kurz, aber das Grinsen verblasste ebenso schnell wieder. Das war einer von Tabithas weniger bissigen Sprüchen, wenn jemand gleich annahm, sie seien verheiratet.

Der Gedanke, wie er sich fühlen würde, wenn Tabitha niemals mehr ein anderes Arschloch als Reaktion auf die gezeigte Ignoranz verbal niedermachen würde, war undenkbar, und doch versuchte sich dieser Gedanke immer wieder zu formen.

Er könnte es nicht ertragen, wenn Tabitha oder ihrem Kind etwas zustoßen würde.

Jedoch blieb ihm nun nichts anderes übrig, als Eve und den Chirurgen zu vertrauen, dass sie ihr Bestes gaben. Er fragte sich, ob das, was auch immer nicht stimmte, eine weitere negative Reaktion darauf war, wenn man sein Leben so lange Zeit im Schnelldurchlauf gelebt hatte.

Er war davon nicht betroffen, denn in den letzten Monaten hatte Bethany Anne ihn aufgefordert, sich hauptsächlich auf die Zusammenarbeit mit der Frau des Admirals zu konzentrieren, um die Masse der neuen Rekruten so problemlos wie möglich in die Guardian Marines zu integrieren.

Die Koordinierung ihrer Ausbildung und ihres Einsatzes an den verschiedenen Standorten, die Bethany Anne in den Jahren seit der Übernahme von Devon gegründet hatte, stellte ein Vollzeitjob dar, so dass er während Tabithas Schwangerschaft nur kurze Zeitspannen in dem Spiel verbracht hatte.

Für Tabitha und die Zwillinge sah die Lage jedoch ernster aus. Als die Spielzeit sich zu beschleunigen begann, um das schnelle Wachstum der Zwillinge zu kompensieren, bekamen ihre Besucher starke Kopfschmerzen, wenn sie länger als ein paar Stunden Realzeit im Spiel blieben.

Diese Nebenwirkung wurde von TOM entdeckt, nachdem Bethany Anne zwei Monate lang mit den Zwillingen in der Spielzeit verbracht hatte. Ihre Nanos beseitigten die Kopfschmerzen zwar problemlos, aber weitere Untersuchungen ergaben, dass es für jeden, der über einen längeren Zeitraum mit einer anderen Geschwindigkeit lebte, tatsächlich lebensbedrohliche Folgen haben konnte, wenn das Problem nicht behoben wurde.

Alle waren bereit, auszusteigen, auch wenn Tabitha anfangs etwas zu glücklich über die Nachricht zu sein schien, dass sie und die Zwillinge in den Vid-Docs bleiben mussten, während ihre Zeitwahrnehmung langsam wieder an die normale Geschwindigkeit angepasst wurde.

Peter war sich sehr wohl bewusst, dass ihr bissiges Verhalten nur eine Tarnung für ihre Ängste war, eine schreckliche Mutter zu sein. Ihre Gespräche kehrten immer wieder zu Nickie zurück und auf das, was sie als ihr Versagen ansah, ihre Nichte auf den rechten Weg zu bringen.

Allerdings hatten nach Peters Ansicht alle viel für das Mädchen getan, insbesondere Tabitha, und trotzdem hatte Nickie sich zu dem entwickelt, wie sie jetzt halt war. Nun lag es allein an ihr, entweder unterzugehen oder zu schwimmen.

So war es eben manchmal, wenn einem Kind alles in den Hintern geschoben wurde. Wenn irgendjemand diese Art von Rebellion verstand, dann war er es.

Tabitha wollte es nicht hören, aber Peter war sich sicher, dass Nickie als veränderte Frau zurückkehren würde, wenn ihre Zeit gekommen war. In der Zwischenzeit konnte es ihr nur guttun, im Exil zu erleben, wie die Mehrheit der Leute ihr Leben führte.

Bethany Annes Schatten strich über Peter hinweg und riss ihn aus seinen Grübeleien. »Ich werde dir ein heißes Getränk und etwas zu essen besorgen. Rühr dich bloß nicht von der Stelle.« Sie hob einen Finger, um sicherzugehen, dass er wusste, dass sie keinen Scherz machte. »Ich bin bald wieder zurück. Hast du verstanden?«

Sie wartete bis Peter nickte, ehe sie ging und ihn damit allein ließ, wie er die quälende und unendlich erscheinende Zeitspanne überstehen sollte, die verstrich, während er auf irgendeine Nachricht wartete.

Es dauerte nicht lange, bis seine Gedanken wieder abschweiften. Tabitha brauchte sich keine Sorgen zu machen. Sie würden großartige Eltern sein, ob sie es nun glaubte oder nicht. Er beschloss, sich darauf zu konzentrieren und zu überlegen, was er tun konnte, um Tabitha das Leben leichter zu machen, sobald ihr Sohn geboren war.

Sie hatten in den letzten Monaten – oder Jahren, wenn er es aus Tabithas Perspektive betrachtete – endlos miteinander darüber gesprochen, und er hatte sich ihre Ängste angehört und sie zur Kenntnis genommen, jedoch natürlich ohne ihr zuzustimmen. Dass sie keine gute Erzieherin war. Dass sie ihr Kind unwiderruflich verderben würde, weil sie ein gewisses Maß an Chaos benötigte, um glücklich zu sein.

Aber Tabitha konnte nicht sehen, was Peter eben möglich war: Die Verantwortung für Alexis und Gabriel hatte sie verändert. Während ihrer Zeit in der Spielwelt hatte sie sich mit dem Gedanken angefreundet, dass die Autorität zu haben nicht unbedingt bedeutete, ständig als strenge Autoritätsperson aufzutreten.

Bethany Anne kehrte eine gefühlte Ewigkeit später mit einer sehr vertraut aussehenden Papiertüte in jeder Hand zurück. »Du bist vorhin nicht dazu gekommen, dein Abendessen zu essen. Es ist wirklich erstaunlich, was man mitten in der Nacht alles bekommen kann, wenn man nicht zu wählerisch ist.«

»Du bist ganz ehrlich die Beste«, erwiderte Peter aufrichtig. Er nahm die Tüte, die sie ihn einladend hinhielt, mit einem dankbaren Grinsen entgegen. »Und deine Einschränkung wirst du sofort zurücknehmen, wenn du nur eine dieser Pommes probierst. Sie sind nämlich wunderbar.«

Bethany Anne deutete mit einem Finger auf ihn und setzte sich, um ihre eigene Tüte zu öffnen. »Das werden wir ja sehen. Iss auf, du brauchst deine Kraft.« Sie winkte ihm mit einer Pommes zu, ehe sie hineinbiss und eine Sekunde lang nachdenklich kaute.

»Du hast ja nicht lange gebraucht, um das zu besorgen«, sinnierte Peter, der sich aber in Wirklichkeit mehr für seine zweite Chance auf ein Abendessen interessierte als dafür, wie es zustande gekommen war.

Mit einer leicht schuldbewussten Miene grinste Bethany Anne ihn an. »Na schön«, gab sie zu. »Sie sind gut. Ich habe vorher angerufen und unsere Bestellung zum Abholen bereitlegen lassen. Da ich nicht wusste, welche der Spezialitäten du bevorzugst, habe ich dir einfach je eine von allen besorgt.«

Peter packte den ersten Hamburger aus. »Du hast es ziemlich genau getroffen.«

Sie kramte in ihrer eigenen Tüte und holte eine Portion Hash Brown Fries für ihn und je eine Flasche Coca-Cola für sie beide heraus.

Begeistert verbeugte sich Peter vor Bethany Anne, ehe er ihr alles abnahm. »Du hast einen absoluten Volltreffer gelandet«, ergänzte er genießerisch. »Kerrys Pommes sind die besten. Ich kann nicht glauben, dass noch niemand schon früher auf die Idee gekommen ist, auf diese Weise Reibekuchen in Pommesform zuzubereiten.«

Während ihrer ausgedehnten Mahlzeit plauderten sie müßig. Bethany Anne hielt das Gespräch absichtlich oberflächlich, um ihn abzulenken, denn sie erkannte, dass er dies im Augenblick dringend nötig hatte. Sie erzählte von den neuen Sorten Kartoffeln, die sie anbauten und die den irdischen sehr ähnlich waren, einschließlich des Geschmacks, wenn sie frittiert wurden.

In der Zwischenzeit machte Peter kurzen Prozess mit den diversen Hamburgern, die in seiner Tüte gestapelt waren.

Nachdem sie gegessen hatten, zog er los, um einen Mülleimer für die leeren Verpackungen zu finden, da er sich ein wenig die Beine vertreten musste, weil er die letzten Stunden stillgesessen hatte.

Als er zurückkam, sprach Bethany Anne gerade mit dem Krankenpfleger von vorhin.

Der Mann entdeckte Peter. »Da ist er ja. Commander Silvers, wenn Sie bitte hier entlang kommen möchten.« Er lächelte ihn strahlend an. »Es ist an der Zeit, dass Sie Ihren Sohn kennenlernen.«

Peters Knie gaben zum gefühlt millionsten Mal an diesem langen Tag förmlich nach, als er ein schwaches, ersticktes Weinen und Tabithas leises Murmeln hörte.

»Geht es ihnen gut?«, erkundigte er sich zögernd.

Der Krankenpfleger nickte lächelnd. »Ja, absolut. Mutter und Kind sind bei bester Gesundheit. Wir haben nur auf Ihre Rückkehr gewartet, damit wir den Papierkram für die Registrierung des Babys vervollständigen können.«

Peter runzelte kurz die Stirn, bis er endlich begriff, wo das Problem lag. »Sie wollte Ihnen seinen Namen nicht sagen? Darüber würde ich mir keine Sorgen machen. Sie hat es keinem von uns verraten.«

Bethany Anne stöhnte auf. »Zum Teufel noch mal! Dieses große Geheimnis nervt mich schon seit Monaten , Peter!« Ungeduldig schubste sie ihn vorwärts. »Geh da rein und finde es endlich heraus.«

Er zwinkerte ihr verschmitzt zu und eilte auf die Tür zu. »Genau das habe ich jetzt vor. Denn jetzt, nachdem er geboren wurde, muss Tabbie uns ja seinen Namen sagen.«

»Die eigentliche Überraschung war, dass Alexis es die ganze Zeit wusste und ihn nicht verraten hat.«

Beim Klang von Michaels Stimme drehten sie sich um.

Bethany Annes strahlendes Lächeln erhellte förmlich den Korridor, als sie ihren Mann auf sie zukommen sah. »Du hast es geschafft!«

»Schön, dass du auch rechtzeitig hier eingetroffen bist«, stimmte auch Peter zu. »Tabitha hat sich deine Anwesenheit sehr gewünscht.«

»Ich hätte es um nichts in der Welt verpassen wollen«, versicherte Michael lächelnd den beiden. »Eve hat mich die ganze Zeit über auf dem neuesten Stand gehalten. Ebenso wie einige andere, die sicherlich in Kürze ebenfalls hier sein werden.«

Mit einer ausholenden Geste scheuchte Bethany Anne den frisch gebackenen Vater in Richtung des geduldig wartenden Pflegers. »Jetzt geh schon zu Tabitha und lerne deinen Sohn kennen. Wir halten alle auf, wenn sie hier eintreffen und verschaffen euch dreien ein Weilchen, damit ihr euch mit ihm vertraut machen könnt, ehe wir alle ihn auf der Welt willkommen heißen.«

»Und natürlich seinen Namen herausfinden«, fügte Michael hinzu, wobei er einen Mundwinkel zu einem schwachen Grinsen verzog.

Bethany Anne deutete auf ihren Mann. »Ja, genau! Das auch.«

Medizinische Abteilung, Stützpunkt der Raumflotte, High Tortuga

Peter zögerte unschlüssig vor der Tür zu Tabithas Aufwachraum und hörte fasziniert zu, wie sie ihrem Baby vorsang.

Eine Sekunde später hörte das Wiegenlied auf und sie schnaubte abfällig. »Wirst du jetzt endlich hereinkommen und hallo sagen, oder hast du vor, dort stehenzubleiben, bis du Wurzeln geschlagen hast?«

Er stieß die Tür auf und achtete darauf, dass der schwach beleuchtete Raum nicht mit dem grellen Licht des Korridors überflutet wurde. »Hey, Schönheit. Was macht ein hübsches Mädel wie du an einem Ort wie diesem?«

Tabitha saß fast aufrecht auf dem Bett und lehnte sich mit dem Baby im Arm an die Unmenge der Kissen hinter ihr. Sie kniff die Augen gespielt ärgerlich zusammen, denn ihr Temperament war von den Strapazen der Geburt durchaus nicht gebrochen. »Irgendein billiger Charmeur hat mich irgendwie ins Bett gekriegt. Es ist traurig, wirklich tragisch. Auf dem Höhepunkt meiner Attraktivität so aus dem Spiel gekickt zu werden.«

Peter grinste, als er die Tür mit einem kaum hörbaren Klicken schloss und zum Bett hinüberging. »Der Höhepunkt deiner Anziehungskraft begann, als das Jahr noch mit einer Zwei anfing und es gibt überhaupt keine Anzeichen dafür, dass er in nächster Zeit enden wird.«

Zu seiner Überraschung erblühten Tabithas Wangen in einem schwachen Rosa. »Du bist ein zu großer Süßholzraspler, als es gut für dich ist, Pete. Ich sehe wirklich fürchterlich aus, aber das ist mir egal. Komm und sieh dir den kleinen Menschen an, den wir zusammen geschaffen haben!«

Für Peter sah sie einfach perfekt aus, von ihrem Krankenhauskittel über die überall abstehenden Haare bis hin zu den dunklen Ringen unter ihren Augen. Er beugte sich vor und küsste sie. »Ich würde nicht das Geringste an dir ändern wollen. Wie geht es dir nach dem Kaiserschnitt?«

Sie klopfte mit dem freien Arm auffordernd auf ihr Bett. »Ich fühle mich wirklich gut. Es schmerzt nur ein bisschen, wo die Nanos noch in den tiefen Gewebeschichten arbeiten. Setz dich doch zu uns.«

Er ließ sich vorsichtig auf die Kante von Tabithas Bett nieder und streckte bittend seine Hände nach dem in eine Decke eingewickelten, kleinen Bündel aus. »Bist du bereit, ihn mir einen Moment zu überlassen?«

Tabitha lächelte, als sie das Baby sanft in Peters Arme legte und er seinen Sohn zum ersten Mal sehen konnte. Er war fasziniert von seinen winzigen Fingern und Zehen und dem dunklen, flaumigen Haar auf seinem Kopf. Die Art und Weise, wie sein winziges Gesichtchen sich in einer perfekten Kopie des bockigsten Schmollmundes seiner Mutter verzog. »Er ist so wunderschön.«

Das Baby begann sich zu winden und lief rot an, als es Luft holte, um dagegen zu protestieren, von seiner Mutter getrennt zu werden. Peter strich mit einem Finger sanft über die Stirn seines Sohnes, um ihn zu beruhigen. »Hey, kleiner Mann. Es gibt überhaupt keinen Grund, so einen Aufstand zu machen. Du und ich werden die besten Freunde sein, warte es nur ab.«

Tabithas Augen leuchteten voller Vorfreude. Dann beugte sie sich vorsichtig vor und flüsterte dem Baby zu: »Sag Hallo zu deinem Papi, Todd.«

Bei diesen Worten spürte Peter, wie sich sein Herz zusammenzog. Er sah fragend zu Tabitha hinüber. »Todd? Im Ernst?«

Sie nickte nur und lächelte ihren Sohn selig an. »Jawohl. Todd Michael Nacht-Silvers. Irgendwelche Einwände?«

Peter schaute in Todds Augen, die bereits seine Bewegungen zu verfolgen schienen. »Das ist perfekt. Er ist perfekt.« Er rutschte auf der Bettkante weiter nach oben, damit er seinen freien Arm um Tabitha legen konnte. »Und du bist es auch. Gut gemacht, Mama. Ich bin so stolz auf dich.«

Ein leises Klopfen ertönte und Bethany Anne schlüpfte durch die Tür. »Ihr habt Besuch.« Sie erblickte Todd und durchquerte blitzschnell das Zimmer. »Aber ich darf zuerst. Als Tante ist das mein Vorrecht.«

Peter blickte unschlüssig zu Tabitha hinüber.

Sie winkte seine Besorgnis ab und unterdrückte ein Gähnen. »Ich komme schon klar, solange es nur ein kurzer Besuch ist. Aber danach müssen Todd und ich etwas schlafen.«

»Wenn du das sagst.« Er stand auf und bereitete sich darauf vor, seinen Sohn an seine Tante Bethany Anne weiterzureichen, die dringend mit ihm kuscheln wollte.

Sie drückte den kleinen Todd vorsichtig an sich und gurrte ihn begeistert an. Dann grinste sie beide Eltern an. »Er ist wunderschön.« Sie flüsterte Todd Unverständliches zu, ehe sie wieder aufblickte. »Herzlichen Glückwunsch an euch drei. Wir werden morgen über Todds Geburtsgeschenk sprechen. Sagt mir einfach, wenn ihr gleich genug von den Besuchern habt, dann schaffe ich sie alle raus.«

Die Tür öffnete sich wieder und es herrschte kurzzeitig Chaos, als alle versuchten, sich gleichzeitig hindurch zu drängen. Sie hörten, wie eine Schwester mit jemandem schimpfte. Der polternden Antwort nach zu urteilen, war es wahrscheinlich John.

Bethany Anne verdrehte zu Tabithas Belustigung stöhnend ihre Augen. »Hier, nimm den Kleinen zurück, während ich diesen angeblich erwachsenen Männern und Frauen beibringe, wie man eine Tür benutzt.«

Tabitha kicherte und nahm Todd in ihre Arme. Sie starrte ihn so fasziniert an, wie sie es von der Sekunde an getan hatte, als das Operationsteam ihn in ihre Arme gelegt hatte. Sie konnte es immer noch nicht fassen. Er war eine perfekte Mischung aus Pete und ihr.

Derweilen hatte Bethany Anne ihre Besucher in überschaubare Zweier- und Dreiergruppen eingeteilt. Tabitha nickte, lächelte und bedankte sich für ihre Glückwünsche, wobei ihre Augenlider in den Pausen zwischen den Gratulanten immer schwerer wurden.

Schließlich schlief Todd ein und Peter nahm ihn Tabitha ab, um ihn sanft in seine Wiege zu legen, die auf der anderen Seite ihres Bettes stand.

Ohne das Baby, das sie wach hielt, fielen Tabitha die Augenlider in wenigen Minuten zu, obwohl sie sich redlich bemühte, nicht einzuschlafen. Peter deckte sie liebevoll zu, während Bethany Anne das Zimmer ohne große Umschweife leerräumte, wie sie es versprochen hatte.

Peter seufzte erleichtert auf, als sich die Tür hinter John und Jean schloss, die als letzte gingen.

Bethany Anne sprach leise, da sie weder Tabitha noch Todd in ihrem Schlaf stören wollte. »Interessanter Tag, nicht wahr?«

Als er sich in den Sessel neben Tabithas Bett fallen ließ, nickte Peter dazu feierlich. Danach atmete er zweimal tief durch, bevor er antwortete. »So etwas habe ich in meinem ganzen Leben noch nie erlebt.«

Sein Stoßseufzer brachte Bethany Anne zum Lachen, allerdings nur ganz leise. »Das ist wirklich erst der Anfang, Peter. Schlaf jetzt ein wenig. Ich werde bis morgen früh nirgendwo hingehen.«

Er räkelte sich, um es sich zum Schlafen bequem genug zu machen. Erschöpft öffnete er noch einmal ein Auge, ehe er einschlummerte. »Danke, BA«, murmelte er undeutlich.

Bethany Anne, die alle Willkommensgeschenke arrangierte, hielt inne. »Dafür sind Familien doch da«, erwiderte sie sanft, als er zu schnarchen begann.