Außenposten der Weltraumforschung der Föderation
A ls Tinesha das Schulgebäude verließ, war ihr leicht ums Herz und sie lief beschwingten Schrittes neben ihren Freunden her.
Zwei ganze Zyklen der Freiheit!
Sie blickte in den klaren Himmel über der Kuppel, als sie mit ihren Freunden Brad, einem Menschen, und Kinbel, einer Baka, nach Hause ging.
Kinbel stupste Tinesha sanft an, um sie aus ihrem Tagtraum zu reißen. »Hat dein Vater gesagt, ob deine Mutter zu Hause sein wird, ehe wir zu den Wasserfällen aufbrechen?«
Die Torcellanerin zuckte mit den Schultern. »Er war sich nicht sicher, aber das ist mir egal. Wir gehen, ob sie es erlaubt oder nicht. Ich bin schließlich schon fast erwachsen. Sie kann mir nicht ständig vorschreiben, was ich tun soll!«
Brad schnaubte. »Vielleicht würde sie uns nicht so sehr hassen, wenn wir so ein la-di-da Schickimicki-Adel wären wie du.«
Tinesha verdrehte ihre Augen. »Nö. Sie würde euch sowieso hassen, weil sie eine hochnäsige Spezies-Elitaristin ist. Du kennst sie doch. ›Eine Torcellanerin deines Standes sollte sich nicht mit Menschen oder Bakas abgeben, Tinesha!‹ Igitt.«
Ein tiefes, gequältes Stöhnen kam aus Kinbels Kehle.
Tinesha legte einen Arm um ihre Freundin, um sie zu trösten. »Ich weiß. Du musst dir diesen Mist von allen anhören.«
»Aber nicht von uns«, mischte sich Brad ein und nahm Kinbels anderen Arm. »Wir sind ein Dreiergespann, zumindest bis Tineshas Mutter durchdreht und sie zu einem Prinzen schickt, um sie von ihren unpassenden Freunden wegzuholen.«
Tinesha und Kinbel brachen in Gelächter aus. »Könnt ihr euch das vorstellen?« Sie hoffte inständig, ihre Mutter würde nie auf die Idee kommen, hinter ihrem Rücken einen Ehevertrag für sie abzuschließen.
Nicht einmal ihr Vater könnte sie retten, wenn das passierte.
Das torcellanische Mädchen seufzte. Sie wusste, dass es noch viele andere Möglichkeiten gab, wie ihr Leben noch schwieriger werden konnte. Eine übermäßig ambitionierte Mutter war nicht einmal das Schlimmste.
»Als ob ich einen Fremden heiraten würde.« Tinesha konnte es kaum erwarten, volljährig zu werden und sich von den spießigen Traditionen zu befreien, die besagten, dass sie nicht mit jemandem befreundet sein durfte, weil dessen Art minderwertig war. »Meine Volljährigkeit kann für mich keinen Tag zu früh kommen.«
Brad runzelte die Stirn. »Du weißt, dass du jederzeit zu uns kommen und bei uns bleiben kannst. Meine Mütter haben dir schon tausendmal gesagt, dass du jederzeit willkommen bist.«
»Ich weiß.« Tinesha war nicht ganz glücklich darüber, dass Brads Eltern Mitleid mit ihr hatten. Sie waren immer besonders nett zu ihr, wenn sie bei ihm zu Hause Lernabende hatten. Aber sie wünschte sich kein Mitleid. Sie wollte ihre Volljährigkeit erreichen und in die Föderation reisen.
Sie wollte rosa tragen. Schockierendes Pink, heißes Pink, flammendes Magenta … fröhlich leuchtende Farben, die sie glücklich machten, statt der seelenverzehrenden Palette neutraler Töne, auf die ihre Mutter aus Traditionsgründen bestand.
Eines Tages würde sie es tun.
Eines Tages.
Tinesha strich sich das blasse Haar aus den Augen und beschleunigte ihr Tempo, um mit den anderen Schritt zu halten.
Die letzte Etappe ihres Weges war dann immer etwas einsam, wenn Brad und Kinbel zu ihrem eigenen Zuhause abgebogen waren.
Das Mädchen verließ den Park und ließ sich Zeit, um die letzten Straßen bis zu dem großen, leeren Haus zu gehen, das abseits der anderen Häuser in ihrem Viertel lag und in dem sie meist nur mit dem Personal als einzige Gesellschaft zusammenlebte.
Sie grüßte den Wächter an der Pforte höflich und schlurfte trödelnd die lange Auffahrt hinauf, mehr als widerwillig das Haus zu betreten.
Als der Himmel über ihr unerwartet dunkel wurde, näherte sich Tinesha gerade erst der Vorderseite des Hauses. Überrascht blickte sie nach oben und erwartete, dass sich außerhalb der Kuppel Wolken zusammenbrauten.
Aber es war kein Sturm.
Zu Tode erschreckt fiel Tinesha auf die Knie, als ihre Beine sie im Stich ließen.
In einiger Entfernung von ihrem Haus schwebte der Rumpf eines gigantischen Schiffes über der Kuppel. Es blockierte das Licht und testete offenbar die Stärke der Kuppel mit den riesigen, sich windenden Tentakeln, die aus der Vorderseite des Schiffes kamen.
Tineshas entsetzter Blick wurde von einer Stelle am Bauch des Schiffes angezogen, die jede Sekunde heller glühte.
Ihre Augen huschten hektisch über das Schiff, denn ihr vor Panik erstarrter Körper weigerte sich, viel mehr zu tun, als den Albtraum wahrzunehmen. Ein anderer Teil des Schiffes spuckte eine dicke Wolke von Drohnen in die Atmosphäre. Sie blieben in der Nähe des Schiffes, als ob sie auf etwas warteten.
Der leuchtende Fleck auf dem Schiff der Invasoren war größer geworden und das Glühen wurde langsam unerträglich hell.
Plötzlich erleuchtete ein greller Blitz die Kuppel und hüllte alles in weißes, gleißendes Licht. Tinesha schirmte ihre Augen ab und spähte rechtzeitig durch ihre Finger, um zu sehen, wie ein Lichtstrahl aus dem Schiff explodierte.
Er leckte erneut über die Kuppel und die Welt um sie herum wurde wieder weiß.
Tinesha presste eine Hand an ihren Hals und versuchte zu atmen, als das Licht verblasste und der Riss in der Kuppel deutlich wurde.
Sie steckten in ernsthaften Schwierigkeiten.
Ohne Vorwarnung griffen die Drohnen die Kuppel an, welche die Kolonie vor den Stürmen schützen sollte, die häufig während des Jahres über der Oberfläche des Planeten tobten.
Sie war nicht dafür gedacht, einem anhaltenden Angriff von vielen Seiten standzuhalten.
Doch zu Tineshas Erleichterung hielt die Kuppel … zumindest vorerst .
Dann aber weiteten sich die Risse aus.
Ihr gelang es endlich wieder Luft zu holen, als ein großer Teil der Kuppel brach und sie dem Feind über ihnen ungeschützt ausgesetzt waren. Sie schrie immer und immer wieder auf, als die Drohnen eindrangen und daraufhin kam ihre Mutter aus dem Haus gerannt.
»Was ist hier los? «, schrie ihre Mutter voller Furcht.
Tinesha deutete nach oben, wo die Kuppel unter dem anhaltenden Bombardement des fremden Schiffes noch weiter zu zerbrechen drohte. »Das Ende«, flüsterte sie heiser, denn der Schock raubte ihr alle weiteren Worte. Ihre Meinungsverschiedenheiten mit ihrer Mutter erschienen ihr jetzt so kleinlich. Sie wollte einfach nur von ihr im Arm gehalten werden.
»Nein! « Tineshas Mutter sank neben ihr auf die Knie und zog ihre Tochter in ihre Arme. »Ich habe so viele Träume für dich!« Ihre Tränen durchtränkten das Haar ihrer Tochter.
Das Mädchen klammerte sich an ihre Mutter und sah zu, wie ihre Welt um sie herum in Flammen aufging. »Was können wir tun?«, krächzte sie, während der heiße Rauch ätzend in ihrer Lunge brannte.
Die Pause zwischen ihrer Frage und der Antwort schien sowohl kurz als auch unendlich lang zu sein. »Nichts«, erwiderte ihre Mutter schließlich. »Aber wir werden irgendwann gerächt werden.« Ihre Augen verengten sich. »Baba Yaga wird das nicht so einfach hinnehmen.«
Es war ein kalter Trost, aber die Rache war alles, was sie ihrer Tochter noch anbieten konnte.
Sie blieben wie angewurzelt an ihrem Fleck knien, als das gigantische Schiff die Kuppel vollständig durchbrach und seine Waffe erbarmungslos auf die Häuser der Leute, die sie kannten, abfeuerte.
Bei diesem Anblick zerriss etwas in ihr. »Lauf! « Tinesha zog kräftig am Arm ihrer Mutter, als sie sich wieder konzentrieren konnte. »Wir müssen es wenigstens versuchen!« Sie kam taumelnd auf die Beine und zog ihre Mutter mit sich.
Eine Drohne über ihnen ortete sie und eröffnete umgehend das Feuer, sodass der Boden um die beiden Torcellanerinnen herum aufgerissen wurde, als sie verzweifelt um die Ecke des Hauses zum Garten rannten.
Sie hatten den Rand des Grundstücks schon fast erreicht, als Tinesha einen kurzen, aber intensiven Schmerz spürte. War sie mit etwas zusammengestoßen? Ob sie sich nun verletzt hatte oder nicht, sie rannte weiter und half ihrer Mutter, über die rückwärtige Gartenmauer zu klettern, trotz des brennenden Gefühls, das sich langsam von der Stelle ausbreitete, an der sie den ersten Schmerz gespürt hatte.
Danach hetzten sie in den Schutz der nahen Bäume und versuchten fieberhaft, den Drohnen einen Schritt voraus zu bleiben. Der Schmerz in Tineshas Seite ließ nach und sie drängte ihre Mutter in Richtung der Höhlen, die es in der Ferne gab. »Dort werden wir in Sicherheit sein«, keuchte sie kurzatmig.
Tineshas Mutter hielt ihre Tochter mit einer Hand auf der Schulter auf. »Tinesha, du hörst dich nicht gut an.«
Das Mädchen blickte verwirrt auf ihre Seite hinunter, die erneut begonnen hatte schmerzhaft zu pochen. »Ich glaube, ich bin im Garten gegen irgendetwas gestoßen.« Sie wollte ihre Kleidung anheben, um nach einer Prellung zu suchen und zog dann schockiert ihre blutige Hand weg. »Mutter …«
Tineshas Mutter stürzte vor, um sie aufzufangen, als ihre Beine nachgaben.
»Es ist alles in Ordnung.« Tineshas Stimme brach, als der letzte Rest ihrer Energie verpuffte. Sie sah auf und erlaubte sich den Anflug eines Lächelns. Wenigstens ihre Mutter würde es bis zu den Höhlen schaffen. »Lass dich nur nicht von ihnen erwischen. Erzähl der Hexe von mir.«
Tineshas Mutter weinte und nahm ihre Tochter in die Arme, die verblutend auf dem Boden lag. Sie zitterte am ganzen Körper und ihr Verstand weigerte sich, irgendetwas zu begreifen, während in der Ferne die Alarmsirenen heulten.
Schließlich schloss Tinesha langsam die Augen und stieß ein letztes ersticktes Flüstern aus, als die Dunkelheit sie einholte. »Ich durfte nie … rosa tragen.«
SSE ADAM, im Transit auf dem Weg zur Siebten Welt
ADAM nahm das Signal auf und leitete es an die ArchAngel II weiter. »Kael-ven, empfängst du das?«
Die kratzige Antwort kam über die Langstreckenverbindung. »Ich weiß nicht, ADAM. Es sieht wie ein Notsignal aus.«
»Genau das habe ich mir auch gedacht. Wir werden einen kleinen Umweg machen, um es zu untersuchen.«
In Kael-Vens Stimme schwang tiefe Besorgnis mit. »Aber was ist mit dem Zeitplan? Ihr könntet doch auch eine Drohne schicken.«
ADAM hatte diese Möglichkeit bereits in Betracht gezogen. »Eine Drohne wird nicht viel nützen, wenn die Leute dort Hilfe benötigen. Kannst du uns einholen, falls es Verletzte gibt?«
Am anderen Ende der Leitung trat eine kurze Pause ein, ehe Kael-ven sich wieder meldete. »Wir sind auf dem Weg, aber es wird eine Weile dauern, bis wir zu eurer Position kommen«, bestätigte er knapp.
»Ich hinterlasse eine Markierung, damit ArchAngel uns folgen kann«, erklärte ADAM, bevor er die Verbindung beendete.
Lorelei schloss lautlos zu ADAMs Schiff auf und schwebte neben ihm. Gehen wir auf die Nebenquest?
>>Das tun wir. Möchtest du die Führung übernehmen?<<
Mit Vergnügen. Lorelei passte ihren Kurs an, um den Ursprung des Notsignals anzusteuern. So einem bin ich noch nie gefolgt.
>>Einem was? Einem Notruf?<<
Ja. Organische Wesen sind chaotisch, wenn es um Wettbewerb geht.
>>Das kann ich nicht bestreiten.<< ADAM beschleunigte leicht, um zu Loreleis Schiff aufzuschließen.
Was können wir für sie tun?
>>Wir können wen oder was auch immer sie angreift, abwehren. Wir können sie verteidigen, bis Kael-ven hier eintrifft.<<
Das ist nicht viel.
>>Es ist alles, was wir bieten können.<<
Allgemeiner Trainingsraum, QBBS Helena,
QT2-System
Alexis und Gabriel führten K’aia zu den Sitzen an einer Seite des Raumes.
Die Yollin warf einen Blick in die Richtung der Erwachsenen. »Ich dachte, wir wollten trainieren?«
Aber Gabriel schüttelte den Kopf. »Nein, heute sind wir hier, um zu beobachten und zu lernen.«
»Denn heute«, fuhr Alexis schelmisch fort, »unterrichtet Mama, und wir haben nichts angestellt, das eine handfeste Korrektur verdient hätte.«
Ihr Bruder nickte in Richtung der Gruppe der Erwachsenen. »Ich tippe ja darauf, dass Onkel Scott das Lehrbeispiel der heutigen Lektion ist.«
Interessiert schätzte K’aia die Körpersprache des Menschen ab. »Er scheint tatsächlich sehr angespannt zu sein. Was hat er getan?«
Die Zwillinge zuckten gleichzeitig mit den Schultern.
Die Yollin erschauderte demonstrativ. »Es ist gruselig, wenn ihr Sachen zur gleichen Zeit tut. Als ob ihr Klone wärt oder so.«
Daraufhin brachen die Zwillinge in Kichern aus.
»Jetzt mal im Ernst, hört damit auf«, protestierte K’aia. »Wie alt seid ihr eigentlich?«
»Vierzehn«, antwortete Gabriel schlicht.
Alexis zog eine Schulter hoch. »Obwohl, wenn du es genau nehmen willst …«
»Das tut sie wahrscheinlich nicht«, mischte sich Gabriel ein, erfreut darüber, dass er derjenige war, der die Nuance erkannt hatte … ausnahmsweise. »Was ist mit dir, K’aia?«
Sie blickte wieder zu den Erwachsenen hinüber. »Ich weiß es nicht genau. Ich glaube, ich bin körperlich fast eine junge Erwachsene, also vielleicht so um die neunzehn? Aber ich kann es nicht sicher sagen. Ich weiß nicht, wie alt ich war, als ich von meiner Familie entführt wurde.«
Alexis legte K’aia mitfühlend eine Hand auf die Schulter. »Es tut mir so leid, dass du das durchmachen musstest.«
K’aia tätschelte Alexis’ kleine Hand mit ihrer eigenen, viel größeren, und nickte dann in Richtung von Bethany Anne und Michael. »Ist schon gut, es ist ja jetzt vorbei. Aber was ist denn da drüben los?«
Gabriel hob die Hand, um sie zum Schweigen zu bringen. »Sie fangen an«, flüsterte er gespannt.
Bethany Anne stand allein, während Scott, Gabrielle, John, Eric und Darryl sich verteilten und vor ihr in einem Halbkreis aufstellten.
»Das ist immer sehr lustig«, erklärte Alexis, als Bethany Anne ihre Schultern rollte und dann offensichtlich ihre Gegner mit einer ›Kommt schon her‹-Geste herausforderte. »Immer, wenn wir beim Training dabei sind, geben sie sich alle große Mühe, nicht zu fluchen.«
K’aia neigte fragend den Kopf zur Seite. »Ich glaube, mein Übersetzer hat eine Fehlfunktion. Wo ist denn da der Humor?«
»Es ist lustig, weil sie gründlich versagen, wenn Mama den Boden mit ihnen aufwischt, und dann mischt sich Papa ein«, versuchte Gabriel zu erläutern.
»Ach.« K’aia hatte sich schon gewundert, warum Michael an der Seite stand. Sie war sich auch nicht sicher, ob Alexis und Gabriel das Konzept des Humors verstanden. »Wie geht es dann weiter?«
Alexis nickte zu Bethany Anne hinüber, die allerdings plötzlich nicht mehr da war, wo sie noch vor einem Wimpernschlag gestanden hatte.
Bethany Annes Stimme hallte durch den Raum, obwohl sie nirgends zu sehen war. »Es ist Zeit, dich um einen Schritt zu verbessern. Deine Fähigkeiten auf die nächste Stufe zu bringen.«
K’aia konnte nicht glauben, was sie da sah oder besser gesagt, nicht sah. Bethany Anne war zwar wieder aufgetaucht, aber ihre Kaiserin bewegte sich zu schnell, als dass K’aias Yollin-Augen ihr hätten folgen können. Sie zuckte zusammen, als sie eine Präsenz an ihrer Schulter spürte.
»Hier gibt es keine Kaiserinnen«, flüsterte Bethany Anne ihr ins Ohr. »Gib mir keinen Grund, dich zusammen mit den anderen flachzulegen.«
Erschreckt riss die Yollin den Kopf herum, aber es war niemand da. In der nächsten Sekunde stand Bethany Anne wieder bei den anderen Erwachsenen und ließ K’aia fassungslos zurück, während sich ihre Mandibeln vor Erstaunen lautlos öffneten und schlossen.
Alexis kicherte, zerrte an Gabriels Ärmel und deutete auf die junge Yollin. »Siehst du? Zum Totlachen!«
K’aia warf dem Mädchen einen mürrischen Blick zu und richtete ihre Aufmerksamkeit dann aber wieder auf das Schauspiel vor ihnen.
Bethany Anne redete über eine Menge Dinge, die sie nicht verstand. Sie nahm an, dass das alles mit den Kräften zu tun hatte, die diese Menschen hatten.
»Es sind keine Kräfte«, flüsterte Alexis tadelnd. »Wir haben nur Zugang zu Technologien, die unsere Fähigkeiten so weit verbessern, dass jeder denkt , wir würden über Kräfte verfügen. Natürlich«, schränkte sie ein, »habe ich versucht, mir die Dinge aus der Sicht von jemandem vorzustellen, der keinen Zugang zum Aetherischen hat.« Sie verzog das Gesicht. »Aber das ist schwierig, wenn man es nicht selbst erlebt hat.«
»Es sieht aber so aus, als hättest du Kräfte«, schnaubte K’aia leicht verärgert. »Hat dir eigentlich nie jemand gesagt, dass es unhöflich ist, die Gedanken anderer zu lesen?«
»Doch. Jeder. Wiederholt.« Gabriel kicherte boshaft. »Aber Alexis lässt sich von so einer Kleinigkeit nicht davon abhalten, bei jeder Gelegenheit herumzuschnüffeln.« Seine Augen waren auf Bethany Annes Demonstration gerichtet. Sie zeigte Gabrielle, wie sie ihre Kontrolle über das Aetherische verbessern konnte, was für K’aia allerdings arg danach aussah, als würde Bethany Anne mit der anderen Frau spielen.
Alexis winkte den Einwand mit einer nachlässigen Geste ab. »Wie soll ich denn sonst all die Dinge herausfinden, die uns die Erwachsenen nicht erzählen? Ich habe jedenfalls nicht gesehen, dass du dich beschwert hättest, als ich herausgefunden habe, wie man das Schloss umgeht, mit dem sie das Aetherische abgeriegelt haben, damit du den Kühlschrank plündern konntest.«
Nachdenklich runzelte ihr Bruder die Stirn, als er auf das einging, was sie früher gesagt hatte. »Du könntest die Erfahrung machen, wenn du es schaffst Mama dazu zu überreden, deine Nanos für eine kurze Zeit deaktivieren zu lassen.«
Ungläubig zog Alexis ihre Augenbrauen hoch. »Du willst mich wohl verarschen. Das ist zu lustig. Du weißt genau, dass Mama dem nie zustimmen würde.«
Gabriel zuckte mit den Schultern. »War nur so eine Idee. Du willst bestimmt nicht wirklich so hilflos sein. Was, wenn du verletzt wirst?«
K’aia überließ Alexis und Gabriel ihrer verwirrenden Diskussion und kehrte zur Beobachtung der stattfindenden Meisterklasse zurück.
Bethany Anne bewegte sich so, wie sie es in ihrem Leben noch nicht gesehen hatte. Es war unmöglich, dass irgendein Lebewesen derart anmutig sein konnte, und doch war sie das, Schönheit in Bewegung.
Die Königin floss regelrecht.
Gabrielle wurde trotz aller ihrer Bemühungen immer wieder zurückgeschleudert, ohne auch nur mit einer einzigen Energiekugel einen Treffer erzielen zu können. Deutlich erschöpft von der Arbeit mit so viel aetherischer Energie, hielt sie schließlich inne, um sich die Haare aus den Augen zu streichen.
Dagegen atmete Bethany Anne nicht einmal schwer. Sie neigte den Kopf zur Seite. »Das ist eine Verbesserung. Gute Arbeit. Denk vor unserer nächsten Sitzung daran, worüber wir gesprochen haben. Du bist die Leitung, nicht die Quelle.« Dann deutete sie nacheinander auf John, Scott und Darryl. »Nächste Lektion. Zu spät bei der Besprechung. Große Klappe. Und du hast unsere Kinder gemieden.«
Eric schnaubte. »Was habe ich denn verbrochen?«
Schelmisch grinste Bethany Anne ihn an. »Nichts, aber du bist hier und du weißt, dass ich es hasse, jemanden auszulassen.«
Die Musik aus den Lautsprechern verstummte, ehe Eric antworten konnte und CEREBRO meldete sich. »Meine Königin, du wirst in der Kommandozentrale gebraucht.«
Bei der Unterbrechung kniff Bethany Anne genervt die Augen zusammen. »Danke, CEREBRO. Sag Admiral Thomas Bescheid, dass ich gleich bei ihm sein werde.«
»Ach, was für eine Schande, dass wir diese Sitzung abkürzen müssen.« Scott zuckte zusammen, als er hörte, wie unaufrichtig seine Stimme klang.
Prompt neigte Bethany Anne nachdenklich den Kopf zur Seite und presste die Lippen aufeinander. »Hmmm. Ja, ich glaube nicht, dass es nötig ist.« Sie drehte sich zur Seite und winkte die Zwillinge und K’aia mit einem Finger heran, ehe sie sich gutgelaunt an Michael wandte. »Fortgeschrittenes Kampftraining bis … ach, sagen wir mal, bis Alexis genug hat. Es wird unseren Kindern guttun, ihre Vid-Doc-Ausbildung unter realen Bedingungen zu testen. Und K’aia kann sehen, welches Niveau sie anstrebt.«
Ein Chor entsetzten Stöhnens ertönte in Bethany Annes Kopf.
Nicht Alexis, Boss , bettelte John dann.
Wir flehen dich an , schaltete sich Scott ein. Sie ist unerbittlich!
Überlege es dir noch mal , jammerte Eric. Wir werden noch hier sein, wenn die Flotte abfliegt …
Bethany Anne blendete ihre Beschwerden aus und hauchte ihren Kindern eine Kusshand zu. »Viel Spaß, meine Lieben.«