Schiffswerft, QBBS Helena, QT2-System
G iselle lief nervös auf der Rampe hin und her, während sie auf die Ankunft des Schiffes wartete, mit dem ihre Mutter anreiste. Sie war wirklich noch nicht ganz davon überzeugt, ob sie und Helena diesen längeren Aufenthalt überleben würden.
Wenigstens sah die Raumstation nicht mehr aus wie eine Baustelle. Es wurde zwar immer noch an einigen Stellen gearbeitet, wie zum Beispiel im Einkaufszentrum in dem Terminal, aber ansonsten hatte sich die verrückte Hektik der letzten Monate zu einem halbwegs normalen Leben in einer Raumstation beruhigt.
Zumindest sofern sie nicht die Tatsache mitrechnete, dass ihre Raumstation durch die versammelte Flotte fast bis zum Bersten gefüllt war.
Ihr Mann mochte sich wundern, wie sie plötzlich die Fähigkeit zu völliger Gelassenheit erlangt hatte. Aber sie wusste, dass es nur daran lag, dass sie als Zirkusdirektorin für diesen logistischen Albtraum verantwortlich war, fast eine Viertelmillion Leute unterschiedlicher Spezies, Berufe und Umweltbedürfnisse zu ernähren, zu beherbergen und gewinnbringend zu beschäftigen.
Die Umrüstung einer ganzen Etage im unteren Teil der Station, um die im Vakuum lebenden Matrial unterzubringen, denen Bart den Spitznamen ›telepathische Weltraum-Narwale‹ verpasst hatte, war nicht einmal die größte Herausforderung beim Bau gewesen.
Endlich meldete sich CEREBRO und verkündete ihr die plangemäße Ankunft des Shanks’ Express . Aus reiner Gewohnheit hielt sie sich an der Reling fest, als sich die Schotts öffneten und das Schiff hereingeflogen kam.
Der Shanks’ Express schwebte durch die durchsichtige Barriere und kam sanft an der Andockrampe zum Stehen.
Langsam schlenderte Giselle zu der Stelle hinüber, an der die Rampe am Ende des Metallstegs aufsetzte, und wartete darauf, dass sich die Luke des Schiffes öffnete. Sie achtete nicht weiter auf den jungen Torcellaner, der zuerst ausstieg, und ihrer Mutter dienstbeflissen aus dem Schiff half, und grüßte Helena. »Mutter, wie war deine Reise?«
Diese klammerte sich theatralisch weiterhin am Arm des Flugstewards fest, während sie unsicher die Rampe hinunterging. »Sie war absolut furchtbar, Hasilein. Ich habe den ganzen Flug über kein Auge zugetan und die Bordküche hat mir überhaupt nicht geschmeckt.«
»Nun, jetzt bist du ja hier.« Giselle lächelte den Steward freundlich an und wollte gerade nach seinem Namen fragen, damit sie ihm ihre Anerkennung für den gewissenhaften Umgang mit ihrer Mutter auf seinem Gehaltsscheck zeigen konnte.
»Ach«, schaltete sich Helena da ein, »wie unhöflich von mir. Darf ich dir meinen Mann vorstellen? Giselle, das ist Yuane.«
Giselle spürte, wie ihre sorgfältig aufgebaute Fassung ihr für eine Sekunde entglitt. Entschlossen griff sie nach den Resten ihrer Selbstbeherrschung, bevor sie völlig zerbröckelten und lächelte schief. »Natürlich hast du wieder geheiratet. Ohne es mir zu sagen. Schon wieder .«
Helena winkte ihren kritischen Ton nachlässig ab. »Die Bedürfnisse einer Frau verschwinden schließlich nicht mit dem Beginn der Mutterschaft, meine Liebe.« Sie verdrehte ihre Augen über den genervten Ausdruck, den Giselle nicht unterdrücken konnte. »Also, wo sind Yuane und ich untergebracht?« Sie stolzierte den Gang hinunter und hielt am Ausgang inne, um Giselle und dem völlig verdutzten Yuane einen tadelnden Blick zuzuwerfen. »Na, kommt schon! Wir haben nicht den ganzen Tag Zeit, und ich will meine Enkelkinder sehen.«
Wie ein braver, kleiner Trophäenmann trottete Yuane hinter ihrer Mutter her.
Giselle holte einmal tief Luft und beeilte sich dann, Helena einzuholen, ehe sie noch eine Katastrophe verursachte. Sie kam ihrer Mutter im Korridor zuvor, aber nur, weil Helena nicht wusste, in welche Richtung sie gehen musste.
Staunend stand Helena vor dem interaktiven Plan der Raumstation, wo eine der vielen Facetten von CEREBRO sie virtuell durch die meistbesuchten Teile der Raumstation führte. »Wie groß ist dieser Standort eigentlich?«, fragte sie Giselle ungläubig.
Natürlich kannte CEREBRO die Antwort und beeilte sich, sie zu informieren. »Die QBBS Helena ist groß genug, um über vierhunderttausend Bewohner zu beherbergen, obwohl die tatsächliche Zahl augenblicklich niedriger liegt, da wir für eine Reihe von Spezies, die etwas anderes als die Standardatmosphäre auf Sauerstoff-Stickstoff-Basis zum Überleben benötigen, spezielle Umgebungen geschaffen haben.«
»Ich finde, sie sieht aus wie eine Hand, die eine Axt hält«, ließ sich Yuane schüchtern vernehmen.
Helena ignorierte ihren Mann und wandte sich mit gegen die Brust gepressten Händen an Giselle. »Und du hast die Station wirklich nach mir benannt?«
Ihre Tochter nickte und lächelte. »Ja, natürlich. Ich wollte, dass sie sich wie ein Zuhause anfühlt.«
Sie wurden durch eine von CEREBROs eher beruhigenden, aber trotzdem autoritär klingenden Stimmen unterbrochen, die eine allgemeine Durchsage für die gesamte Raumstation machte. »Aufruf an alle Besatzungsmitglieder der Flotte. Dies ist keine Übung. Melden Sie sich in der Werft. Ich wiederhole. Alle Besatzungsmitglieder der Flotte. Melden Sie sich in der Werft. Dies ist keine Übung.«
Giselle riss ihren Kopf in Richtung des Lautsprechers herum und fluchte hemmungslos. »Oh, verdammte Scheiße .«
»Aber Giselle!«, rief ihre Mutter entsetzt aus. »Es besteht doch sicher kein Grund, diese Art Ausdrücke zu verwenden, oder?«
Giselle zuckte über ihren Ausrutscher zusammen. Dieser Ort fing an, auf sie abzufärben. »Das war der Aufruf zum Krieg, auf den wir gewartet haben. Ich werde keine Gelegenheit mehr haben, mich von Bart zu verabschieden, ehe er abreist.«
Hektisch fuchtelte Helena mit den Händen vor ihrer Tochter herum. »Warum bist du dann noch hier? Lauf schon los und verabschiede dich endlich von deinem Mann.«
Giselle fühlte sich hin- und hergerissen. »Ich kann doch nicht einfach dich und ähm …«
»Yuane, Liebes.« half ihr ihre Mutter weiter.
»Ich kann dich und Yuane doch nicht einfach hier allein stehen lassen. Du bist doch gerade erst angekommen. Was für eine Tochter tut ihrer Mutter denn so etwas an?«
Yuane drehte sich um, als sein Name erklang. »Hm?«
Mit weit ausholenden Handbewegungen scheuchte Helena sie weg. »Jetzt lauf endlich! Wir werden den Weg mit der Hilfe der EI schon finden.«
Ehrlich erleichtert winkte Giselle ihr über die Schulter zu, während sie zum Ausgang sprintete. »Danke, Mutter!«
Immersives Freizeit- und Trainingsszenario:
Der Meteoriten-Wahnsinn
Bethany Anne beendete die Verbindung und Michael berührte sofort seine Kommunikationstaste, um mit Alexis, Gabriel und K’aia zu sprechen. »Bringt es rein, Kinder. Es ist Zeit zu gehen.«
Das Szenario löste sich auf und ließ die vier im Startbereich zur Ausrüstung für den Beginn der verschiedenen Szenarios stehen. Sie hatten die Einstellungen für die Privatsphäre aktiviert, sodass niemand sonst zu sehen war.
»Aber ich dachte, ich könnte den Vid-Doc nicht verlassen, ehe Eve nicht die Nano-Dinger alle in meinen Körper implantiert hat?«, erkundigte sich K’aia verblüfft.
Michael nickte. »Das ist immer noch der Fall. Du wirst mit dem Vid-Doc zu dem Schiff gebracht, mit dem wir reisen werden.«
»Was ist mit uns?« Alexis schaute Michael besorgt an. »Können wir hier bei K’aia bleiben?«
»Sie wird zu uns stoßen, sobald wir an Bord der Izanami sind«, erklärte Michael ihr beschwichtigend. »Es wird noch genügend Zeit zum Spielen geben. Für euer Training haben wir schließlich Vid-Docs an Bord des Schiffes installiert.«
Gabriel wandte sich an die Yollin. »Kommst du hier allein zurecht?«
K’aia kicherte über die Besorgnis ihrer jungen menschlichen Gefährten. »Ich schaffe das schon. Ich habe in der Liste der Szenarien eine Bibliothek gesehen und ich wollte schon lange wissen, was dort vor sich geht.« Sie probierte verschiedene Handgesten aus, bis sie diejenige erwischte, die das Menü aufrief, und im nächsten Augenblick verschwand ihr Avatar auch schon.
Michael, der zufrieden war, dass die junge Yollin ehrlich geantwortet hatte, nickte. »Eve, beginne bitte mit dem Verjüngungszyklus.«
Die Androidin war bereits eifrig damit beschäftigt, K’aias Gerät für den Transport vorzubereiten, als sich Michaels Vid-Doc öffnete.
Sie sah nur kurz von ihrer Aufgabe auf, als Michael auftauchte. »Euch bleiben eine Stunde und fünfzehn Minuten, bis Bethany Anne abfliegt und ihr werdet jede einzelne Minute davon brauchen.« Sie wies durch die Tür auf den Korridor. »In der Ladenische draußen wartet ein Streuner, der euch zur Werft bringt.«
»Danke, Eve.« Er half Alexis und Gabriel, ihre Vid-Docs zu öffnen, und die drei verließen eilig den Vid-Doc Raum auf der Suche nach dem Streuner.
Auf dem Korridor, der aus dem Trainings- und Freizeitbereich herausführte, herrschte Hochbetrieb. Die Befehle befolgend leerte sich praktisch die gesamte Ebene, während CEREBRO die Durchsage von Bethany Anne unaufhörlich wiederholte.
Gabriel bog nach dem Verlassen des Vid-Doc-Raums nach links ab. »Die Streuner sind hier drüben, Papa.«
Als sie ihren Buggy erreichten, hielt Michael einen Augenblick mit der Hand an der Tür ihres Streuners inne. »Die Fahrt wird uns die Gelegenheit geben, ein paar Sachen zu besprechen.«
Alexis und Gabriel tauschten einen verblüfften Blick aus.
»Was für Sachen denn?«, erkundigte sich Alexis mit einem gesunden Maß an Misstrauen.
Michael öffnete die Tür und kletterte in den Streuner. »Wir können mit euren Pflichten an Bord des Schiffes beginnen.«
Die Zwillinge ließen sich mit identischem bestürzten Gesichtsausdruck in die Sitze des Streuners fallen. »Hausarbeiten?«, riefen sie im Chor.
Ungerührt zuckte Michael mit den Schultern und lehnte sich mit hinter dem Kopf verschränkten Händen zurück, als der Streuner rückwärts aus der Ladenische fuhr. »Ihr könnt es natürlich als solche ansehen, wenn ihr wollt.«
Seine Augen blitzten, denn der alte Michael war immer noch da. »Ich schlage allerdings vor, ihr wendet stattdessen das Konzept der Pflicht an.«
Raumhafenterminal, QBBS Helena, QT2-System
In dem Terminal des Raumhafens war es laut, hunderttausend verschiedene Stimmen mischten sich.
Alle waren gekommen, die Angestellten der Raumstation, das nichtmilitärische Personal, die Familien von Bethany Annes tapferen Truppen. Jung und Alt versammelten sich vor dem riesigen Vorhang in der Mitte der Halle, um auf die Rede ihrer Königin zu warten.
Bethany Anne stand hinter dem Vorhang, starrte auf die in den Fels gemeißelten Namen und zählte die Sekunden bis der Streuner, dessen Kurs sie verfolgte, mit Michael, Alexis und Gabriel eintraf.
Sie registrierte ein Kräuseln des Vorhangs in ihrem peripheren Blickfeld und blickte nach links. »Sag mir, dass meine Flotte bereit ist, Admiral.«
Admiral Thomas nickte. »Deine Flotte ist bereit, meine Königin.«
Bethany Anne legte eine Hand auf den glatten Stein des Monolithen. »Es bringt mich verdammt noch mal förmlich um, dass es noch mehr Namen auf diesem Denkmal geben wird, bevor das hier alles vorbei ist.«
»Namen von Helden, die sich geopfert haben, damit andere ohne Angst leben können«, sagte Michael mit fester Stimme, der durch den Vorhang trat, während er sprach. Ich glaube, du schuldest mi r eine Strafe für dieses Fluchen.
Bethany Anne lachte in Michaels Gedanken. Dafür zahle ich keine Strafe, du hinterhältiger Huren…
Wir können dich hören, Mama , kicherte Gabriel schadenfroh, als er sich durch die schweren Vorhänge schob.
»Ja Mama, dafür ist definitiv eine Strafe fällig«, stimmte Alexis grinsend zu, die sich hinter ihrem Bruder durch den Vorhang drängte.
Admiral Thomas sah die vier verwirrt an. »Wofür denn eine Strafe?«
Bethany Anne bedeckte ihr Gesicht mit einer Hand. »Nichts, gar nichts.«
Belustigt schnaubte Alexis. »Wenn wir Mama fluchen hören, muss sie eine Strafe zahlen.«
Ihr Bruder nickte selbstgefällig. »Wir haben es herausgefunden, als wir elf waren, während wir uns noch in der Spielwelt befanden.«
Ihre Mutter stiefelte grollend zu der schmalen Lücke im Vorhang, die die Zwillinge hinterlassen hatten. »Ja, und habt ihr beide seitdem nicht einen Riesenspaß bei euren Versuchen gehabt, mich dabei erwischen?« Sie öffnete den Spalt mit ihrem Finger ein wenig weiter und spähte hinaus.
Michael kicherte ebenso wie die Zwillinge. »Irgendetwas in meinen Knochen sagt mir, dass du gerade deine Augen über uns verdrehst, meine Liebe.«
»Und wie «, bestätigte Bethany Anne trocken. Sie zog ihren Finger zurück und wandte sich an Gabriel und Alexis. »Ich muss nur noch ein paar Worte an alle richten und dann fliegen wir ab. Zuvor möchte eure Tante Jean euch allerdings beide in der Waffenkammer an Bord der Izanami treffen. Macht schnell, damit Tante Jean genügend Zeit hat, das Schiff zu verlassen. Und wenn ihr euch wirklich beeilt, könnt ihr dabei sein, wenn K’aia aus ihrem Vid-Doc kommt.«
Michael blieb an Bethany Annes Seite, während Alexis und Gabriel gespannt losrannten, um Jean zu suchen. Hast du etwas vorbereitet?
Bethany Annes Augenbraue zuckte. Ich habe erst vor einer knappen Stunde beschlossen, die Enthüllung vorzuverlegen. Sie schlängelte sich durch den Vorhang und ging auf die provisorische Bühne hinaus. Aber irgendetwas wird mir schon einfallen.
Der Lärm der Menge verdoppelte sich, als sie erschien.
Lange bevor er sich in sie verliebt hatte, war Michael bereits klargewesen, dass Bethany Anne eher ihr Leben geben würde, bevor sie das Streben nach Gerechtigkeit aufgab.
Ihrer Gerechtigkeit.
Die Gerechtigkeit, bei der jeder genau das bekam, was er verdiente, ohne Rücksicht auf die verdammte Ehre. Andererseits war Bethany Anne schon immer gern bereit gewesen, jeden mit einem Riesenhaufen ›Oh, Scheiße‹ zu bestrafen, der glaubte, sie würde zulassen, dass die Dinge anders liefen, als sie es angeordnet hatte.
Genauso stand sie nun vor diesen Leuten – ihren Leuten – um Trost und Hoffnung zu spenden, trotz der Qualen, von denen Michael verdammt genau wusste, unter denen sie wegen ADAM litt.
Ich kann spüren, wie du meinen Arsch bewunderst. Bethany Anne hob ihre Hände, um die Menge zu beruhigen.
Michael suchte das Terminal aus reiner Gewohnheit ab und entdeckte Eric, Scott und Darryl anhand der Energie, die sie ausstrahlten. Dann muss dich wohl unversehens Tabithas Geist überkommen haben, denn ich habe deine Stärke als Anführerin › bewundert ‹ . Er nickte grüßend, als er John entdeckte, der von der Sicherheitskabine über ihnen hinunterblickte.
Schleimer.
In ihrem Kopf hallte Michaels tiefes Lachen gedämpft wider.
Bethany Anne ging zum Rednerpult hinüber und stützte ihre Hände zu beiden Seiten des Mikrofons flach auf. Sie beugte sich vor und blickte auf das Meer von Farben, das die meisten der Leute repräsentierte, die sie im Laufe der Jahre unter ihrer Schirmherrschaft versammelt hatte. »Ich danke euch allen, dass ihr hier seid, um unsere Gefallenen zu ehren. Ich weiß es zu schätzen, dass ihr so kurzfristig gekommen seid.«
Ihre Stimme drang bis in die hintersten Ecken des Terminals, ohne dass sie ein Mikrofon brauchte, und der Kontrast zwischen ihrem sanften Ton und dem grimmigen Gewicht ihrer Worte erreichte alle Anwesenden. »Diese Zeremonie war für ein paar Tage später angesetzt, aber wie ihr wahrscheinlich bemerkt habt, ist etwa die Hälfte der Leute auf dieser Raumstation gerade dabei abzureisen. Bevor das passiert, wollte ich alle, die wir zurücklassen, daran erinnern, warum wir das alles tun.«
Sie winkte mit der Hand und der Vorhang fiel und gab den Blick auf den glänzenden Monolithen hinter ihr frei. »Ohne weitere Theatralik, denn wir werden das Leben feiern, sobald die Toten gerächt sind, übergebe ich euch das Robinson Denkmal. Für Tessa und Calvin und für jedes Leben, das wir in Ehren halten und bisher in diesem Krieg verloren ging.«
Bethany Anne hielt einen Moment inne, um ihre Worte wirken zu lassen, dann wies sie mit einer Handbewegung auf die beiden langen Säulen mit goldener Schrift auf dem schwarzen Felsen hin. »Bis jetzt. Aber täuscht euch nicht, diese Namen sind leider nicht die letzten, die wir in diese Steinwand meißeln werden. Immer und immer wieder haben die Ooken uns Schmerz zugefügt. Wir haben es ihnen in gleichem Maße zurückgezahlt, aber es ist uns teuer zu stehen gekommen.«
Mit ernster Miene trat Bethany Anne hinter dem Rednerpult hervor und streckte ihre Hände weit ausholend vor sich aus. »Die Verluste haben uns geschmerzt, aber sie haben uns nicht gebrochen . Dank der harten Arbeit und der Unterstützung aller an Bord dieser Raumstation in den letzten Monaten – und ihr dürft mir glauben, wenn ich sage, dass ich genau weiß, wie schwer es war – sind wir nun bereit, den Ooken diesen Schmerz zehnfach zurückzuzahlen.«
Bewegt hörte Bethany Anne das Gemurmel des Trostes und spürte die gemeinsamen Gefühle und den Schmerz in der Menge. Sie hob ihr Kinn und ließ ungehindert ihre Tränen laufen, sodass alle sie sehen konnten und mit ihr weinten. Das Band zwischen ihr und ihrem Volk würde niemals schwanken, niemals versagen. Nicht, wenn sie wussten, dass ihre Königin für jeden von ihnen Tränen vergießen würde. Dass sie bis ans Ende ihrer Tage kämpfen würde, wenn ihre Leute dadurch vor Schaden bewahrt könnte.
Sie trat einen Schritt zur Seite, damit sie sich an einer Ecke des Rednerpults abstützen konnte, als die Verbindung, die sie mit dem Meer von Gesichtern fühlte, sie für einen Augenblick mit sich riss.
Soll ich deine Gefühle etwas dämpfen, damit du dich besser konzentrieren kannst? , erkundigte sich TOM vorsichtig.
Nein , erklärte sie abwehrend. Ich will alles mitempfinden. Sie beruhigte sich etwas und fuhr fort. Ihre Augen begannen zu glühen, ihr Haar schwebte um ihren Kopf herum, als sie von der Bühne trat und durch die Luft ging. » Dieser Krieg, diese Todesfälle … das alles geht auf mein Konto. Ich dachte, ich hätte dem ganzen verdammten Universum mehr als klargemacht, was passiert, wenn man sich mit dem anlegt, was mir gehört, aber ich werde mein Versagen bei der Kommunikation umgehend korrigieren.«
Die Spannung in der Halle nahm zu, als Bethany Annes Augen in glühender Wut aufblitzten. Haare, Nackenhaare, Nervenimpulse und alle möglichen anderen biologischen Reaktionen stiegen an, als sich ihnen die Wut der Queen Bitch offenbarte.
»Die Ooken kamen hierher, um zu kämpfen, und wir haben ihre jämmerlichen Ärsche nach Hause geschickt, damit sie ihre Wunden lecken können.« Bethany Anne lachte ohne den leisesten Hauch eines Mitgefühls. »Wenn wir vor ihrer Tür auftauchen, um unseren Groll zu befriedigen, wird es ihnen noch mehr leidtun.« Sie sah sich um. »Bereitet euch auf den Kampf vor, denn wir kennen nur eine einzige Antwort auf den Mord an unseren eigenen Leuten …«
Bethany Anne erhob sich höher in die Luft und blitzte die versammelte Menge mit ihren rot glühenden Augen an, während sie ihre Hände zu Fäusten ballte. Dann stieß sie zwei letzte Worte aus, ehe sie verschwand.
»Totale Vernichtung.«