O kay, hör zu.« Ember drehte sich zu ihr um und senkte ihre Stimme. »Wenn du denkst, dass ich nicht unbedingt herausfinden will, wie ich die Mistkerle aufhalten kann, die diese Spionage-Käfer auf mich gehetzt haben, bist du verrückt.«
»Er lacht nur darüber.«
»Und du musst dich beruhigen.« Ember beugte sich vor und versuchte, um die Ecke zu spähen. Das Geräusch von Fingern, die auf Laptoptasten tippten, kam von der anderen Seite der seltsamen Wand, die das Wohnzimmer vom Rest von Matthews Wohnung trennte. »Er ist viel mehr daran interessiert herauszufinden, wie du seine Abwehr überwunden hast.«
»Seine Abwehr?«
Die Fae seufzte. »Oder was auch immer ihr für einen blöden Hacker-Jargon benutzt. Ich glaube wirklich nicht, dass Matthew eine Ahnung hat, was hier vor sich geht, zumindest nicht, wer seine Kunden sind.« Ember deutete mit einem Nicken zur Metallkugel auf der Couch.
»Oder vielleicht ist er einfach ein guter Lügner.«
»Ja, okay. Vielleicht. Aber anstatt die ganze Sache so vage zu formulieren und ihm mit körperlicher Gewalt zu drohen , wäre es vielleicht eine gute Idee, zuerst einen Mittelweg zu finden.«
Cheyenne begegnete dem Blick ihrer Freundin und schürzte ihre Lippen. »Wer ist jetzt vage?«
Ember stöhnte frustriert auf. »Dafür, dass du so klug bist, bist du manchmal lächerlich dickköpfig.«
»Klar. Versuch du mal, einen Tag lang in meinem Kopf zu leben.«
»Das kann ich mir nicht vorstellen, Cheyenne.« Ember senkte ihre Stimme noch mehr und legte den Kopf schief. »Wir haben nichts darüber gesagt, woher die Kriegsmaschine kommt. Nichts über Magie, die Portale, die andere Seite, nichts davon.«
Die Halbdrow kniff die Augen zusammen und schaute in Richtung Küche, halb in der Erwartung, dass Matthew sie von der Ecke aus beobachtete. »Glaubst du, er weiß von all dem?«
»Hey, ich berücksichtige deine Meinung hier. Wenn er alles über seine Firmen weiß und was sie vorhaben, dann weiß er doch auch über diesen Teil Bescheid, oder?«
Cheyenne rieb sich den Mund. »Wahrscheinlich. Er ist ständig damit beschäftigt, die Sicherheitslücken zu schließen, die er nicht finden kann. Wenn er so sehr in die Arbeit von Combined Reality, Inc. verwickelt ist, müsste er zumindest über die Technik Bescheid wissen, für die er Programme schreibt.«
»Endlich.« Ember blickte an die Decke.
»Hey, ich wäre auch von allein darauf gekommen … irgendwann.«
»Ja, aber erst nachdem du gemerkt hättest, dass es nichts bringt, ihn mit tödlicher Magie zu schlagen.« Die Fae strich sich ihr blondbraunes Haar aus den Augen und griff nach den Armlehnen ihres Stuhls. »Wir werden das auch ansprechen. Erwähne etwas über Magie oder Technologie, die nicht von der Erde stammt, ja? Dann können wir seine Reaktion abwarten.«
»Bevor wir was tun, Em?«
»Bevor wir ihm zeigen, dass wir Teil dieser ganzen Welt sind.«
»Bist du wahnsinnig?« Cheyenne zuckte zusammen, als sie merkte, wie laut sie es gesagt hatte. »Wir können nicht einfach bei unseren Nachbarn auftauchen und sagen: ›Hey, sieh uns an. Wir sind magische Wesen aus einer anderen Welt, von der die meisten Menschen nicht wissen, dass es sie gibt. Willst du uns jetzt all deine Geheimnisse verraten?‹«
»Wenn er mit magischen Wesen Geschäfte gemacht hat, was ist dann daran so eine große Sache?«
»Die große Sache?« Cheyenne rümpfte die Nase. »Scheiße, Em. Ich komme mir gerade ziemlich dumm vor, weil mir keine Antwort darauf einfällt.«
»Du bist nicht dumm, du bist sauer.« Ember zuckte mit den Schultern. »Manchmal macht dich das dumm, aber das ist nur vorübergehend.«
Die Halbdrow lachte überrascht auf und fuhr sich mit der Hand durchs Haar, während sie tief durchatmete. »Okay, wir machen es auf deine Art.«
»Aber dieses Mal wirklich, was? Du hast dich nicht an diesen Plan gehalten.«
Cheyenne ging zurück zur Couch und ließ sich wieder auf das Lederkissen fallen. »Dein Weg hat viel zu lange gedauert. Ich bin kein Fan von Smalltalk und selbstgemachtem Milchkaffee.«
»Kein Scheiß.« Ember folgte ihr und stellte sich mit ihrem Rollstuhl neben das Ende der Couch. »Also, wenn er nicht gerade wegen Magie und anderen Welten ausflippt, zeigen wir ihm, was mit uns los ist.«
»Ja. Okay.«
»Ich werde etwas über dieses Armband sagen, okay?«
Cheyenne warf ihr einen kurzen Blick zu. »Warum?«
»Warum? Damit du weißt, dass ich es dann abziehe.«
»Ich bin mir ziemlich sicher, dass ich in dem Moment, in dem du es tust, wissen werde, was du tust.«
»Du planst nichts im Voraus, oder?«
Die Halbdrow lächelte und verschränkte die Arme. »Nicht so detailliert wie du.«
Ember verdrehte die Augen, lehnte sich in ihrem Stuhl zurück und schüttelte langsam den Kopf. »Du solltest es auch mal versuchen. Vielleicht müsstest du dann nicht so viel von der Heilsalbe benutzen.«
»Und den ganzen Spaß ruinieren? Komm schon.« Als sie einander ansahen, lachten beide Mädchen. »Aber hey, dafür habe ich ja dich, oder? Damit du die ganze Detailplanung für mich übernimmst.«
»Übertreibe es nicht.«
Cheyenne blickte an die Decke und zuckte mit den Schultern. »Ich meine, du hast schließlich einen Privatchauffeur.«
»Ich kann nicht glauben, dass wir dieses Gespräch jetzt führen.« Ember kniff ihre Augen zusammen. »Okay. Wenn du die Drow für den Rest des Gesprächs unter Kontrolle halten kannst, gerne. Dann plane ich für dich.«
»Abgemacht.«
»Ich glaube es erst, wenn ich es sehe.«
Dreißig Sekunden später tauchte Matthew wieder um die Ecke auf, den Stapel Papiere immer noch in der Hand, während er sich am Hinterkopf kratzte. Er blieb im Wohnzimmer stehen und sah seine Gäste an, als hätte er sie vergessen. »Entschuldigung. Braucht ihr noch eine Minute?«
»Nö.« Ember lächelte. »Alles in Ordnung, danke. Perfektes Timing, eigentlich.«
»Mmhmm.« Er setzte sich wieder auf den Sessel. »Also, jetzt, wo du durch die vermeintlich undurchdringliche virtuelle Wand gedrungen bist, willst du mir sagen, wonach du suchst?«
Da ist sie. Eine o ffene Einladung. »Ja. Wie hast du angefangen, Geschäfte mit O’gúleesh-Wesen zu machen?«
Matthew sah endlich von den ausgedruckten Informationen der Arbeit seiner Firma auf und blinzelte. »Mit was?«
»Komm schon. Vielleicht hast du noch nie etwas gesehen, das so aussieht.« Cheyenne zeigte auf die Metallkugel. »Aber du lässt nicht zu, dass andere Leute Dinge für dich erledigen, wenn du es selbst tun kannst, oder?«
»Richtig.« Er biss sich auf die Lippe und runzelte die Stirn.
Ember holte tief Luft. »Du weißt also, dass die Teile, mit denen Combined Reality Inc. arbeitet, nicht von hier sind.«
»Wenn du von fremden Materialien sprichst, dann ja.« Matthews Stirnrunzeln verstärkte sich. »Du weißt, dass der Außenhandel Teil der Technologiebranche ist.«
Cheyenne seufzte ungeduldig. »Wir reden hier über etwas sehr Fremdes. Also fremd im Sinne von nicht-irdisc h .«
Ihr Nachbar blinzelte schnell und rutschte auf dem Sofa hin und her. »Ich weiß nicht, worauf du hinauswillst.«
»Doch, das tust du.« Die Halbdrow verengte ihre Augen. »Weißt du, es war mir schon immer unheimlich, dass du nie ein Problem damit hattest, mir in die Augen zu sehen, aber dass du es jetzt nicht tust, ist ein ziemlich eindeutiges Zeichen dafür, dass du etwas verheimlichst.«
»Das verrät auch, dass er vorher nichts verheimlicht hat«, fügte Ember hinzu und warf ihrer Freundin noch einmal einen strengen Blick zu.
Cheyenne ignorierte sie und konzentrierte sich auf Matthew. »Du kennst dich mit diesen Leuten aus, Matthew. Oder etwa nicht? Die O’gúleesh-Flüchtlinge, die aus dieser anderen Welt durch das Portal kommen. Die seltsame Technik, die sie mitbringen. Du hast ihnen dabei geholfen, herauszufinden, wie man diese Technik hier zum Laufen bringt, obwohl sie nicht funktionieren sollte.«
Er lachte und legte den Kopf schief, öffnete den Mund, fand aber keine Worte.
Cheyenne drehte sich zu Ember um und zuckte mit den Schultern. »Ich würde sagen, das sieht wie ein Schuldeingeständnis aus, oder?«
»Es ist auf jeden Fall ein Eingeständnis irgendeiner Art.«
»Okay, geh mal kurz einen Schritt zurück und hör dir an, was du da sagst.« Matthew lehnte sich auf der Couch vor, stützte die Unterarme auf die Oberschenkel und klatschte die Hände zusammen. »Du willst mir weismachen, dass es magische Menschen aus einer anderen Welt gibt. Dass Magie sogar real ist. Ich weiß, dass du schlau genug bist, um an meine Akten heranzukommen, aber das alles lässt dich wie eine Verrückte klingen.«
»Oder verrückt schlau.« Cheyenne kicherte. »Ich habe nie explizit etwas über Magie gesagt.«
»Was?«
»O’gúleesh-Wesen, Mann. Weiter bin ich nicht gegangen. Du hast die ›Magie ist echt‹-Sache ganz allein durchgezogen, also können wir uns endlich darauf einigen, zwei Minuten lang auf derselben Seite zu stehen? Mehr Geduld habe ich nicht mehr.«
Ember räusperte sich und fummelte an dem silbernen Armband an ihrem Handgelenk herum. »Was haltet ihr von meinem Armband?«
Cheyenne seufzte. »Echt jetzt?«
»Was ?« Matthew verzog das Gesicht und schüttelte den Kopf. »Habt ihr Drogen genommen?«
Er hielt inne, als Ember den Illusionszauber von ihrem Handgelenk abnahm und ihn vor sich hielt. Ihr menschliches Aussehen verblasste und offenbarte ihre zartrosafarbene Haut, ihr violett gesträhntes Haar und ihre leuchtenden, violettfarbenen Augen, während die Luft um sie herum von einer schwachen, rosafarbenen Aura erhellt wurde. Die kleinen, spitzen Ohren lugten unter ihrem glatten Haar hervor und sie hob die Augenbrauen, während sie Cheyenne ansah.
Die Halbdrow breitete die Arme aus und schlüpfte in ihre Drowgestalt. »Entweder sind wir alle verrückt oder du hast irgendwelche Drogen genommen oder wir hören auf, herumzualbern und reden wie Erwachsene miteinander. Es ist deine Entscheidung.«
Matthews Kinnlade fiel herunter, als er die enthüllten magischen Wesen in seinem Wohnzimmer sah. »Ihr?« Dann warf er den Kopf zurück und lachte laut.
Cheyenne und Ember tauschten einen Blick aus und die Fae legte das dünne, silberne Armband in ihren Schoß. »Nicht die Reaktion, die ich erwartet habe.«
»Ja, ziemlich schwer einzuschätzen.« Die Halbdrow verschränkte die Arme und musterte ihren Nachbarn, der auf der Couch nach Luft rang.
»Ich kann es nicht glauben!« Matthew zeigte auf sie und lachte erneut. »Ihr. Ihr beide!« Sein Lachen wurde zu einem ununterbrochenen Kichern und er neigte den Kopf, um sich die Tränen aus den Augenwinkeln zu wischen und schniefte, als er versuchte, sich wieder unter Kontrolle zu bringen.
»Weißt du, es gibt noch eine vierte Möglichkeit, die ich nicht zu erwähnen brauchte«, murmelte Cheyenne und ihre goldenen Augen verengten sich. »Willst du raten, welche das ist?«
»Cheyenne.« Ember sah sie stirnrunzelnd an und schüttelte den Kopf. »Letzter Ausweg.«
Die Nasenlöcher der Halbdrow blähten sich auf. Auch ein guter erster Ausweg. Aber sie hat recht.
»Wow. Es tut mir leid.« Matthew räusperte sich und blinzelte den letzten Rest seiner Tränen zurück. »Das war das Letzte, was ich erwartet habe. Ich lache nicht über euch, um das klarzustellen.«
»Klär uns auf«, verlangte Cheyenne und hob eine Augenbraue.
»Das ist ironisch.« Er nahm einen schnellen Schluck von seinem Milchkaffee. »Das ist alles, was es ist.«
»Das ist nicht einmal annähernd eine gute Antwort.«
»Okay, okay.« Matthew hob eine Hand, um ihnen zu signalisieren, dass sie warten sollten und fuhr sich mit der anderen Hand durch die Haare, während er wieder kicherte. »Ehrlich gesagt, dachte ich die ganze Woche, meine Nachbarn wären VCU Studentinnen, die einfach ihr Ding machen. Ich meine, ihr seid doch keine normalen Studenten .«
»Offensichtlich.« Embers Gesichtsausdruck zeigte jetzt eine überraschende Kopie von Cheyennes finsterem Blick.
»Nein, ich versuche zu erklären, wie seltsam das ist.« Matthew blinzelte schnell und zuckte mit den Schultern. »Ich habe nicht darüber nachgedacht, was außerhalb von dem liegt, was ihr dem Rest der Welt zeigt. Die ganze Zeit über wohnen zwei magische Wesen neben mir. Verdammt, ich habe viel Zeit mit Cheyenne im Aufzug verbracht.«
»Was?« Embers Augen weiteten sich.
Cheyenne verzog das Gesicht und schüttelte den Kopf. »Ich habe nur … im Aufzug gestanden.«
»Und ich hatte keine Ahnung, dass eine von euch so ist.« Er lachte sie an und nahm einen weiteren langen Schluck von seinem Kaffee.
Die Halbdrow funkelte ihn an und kämpfte darum, ihre Verärgerung auf ein erträgliches Maß zu reduzieren. Entweder hat er vor, uns gleich anzugreifen oder wir haben gerade unseren Nachbarn kaputt gemacht.
»Em.«
»Ja?«
»Was hältst du davon, das Gespräch jetzt auf meine Art fortzusetzen?«
Ember verschränkte die Arme und war überhaupt nicht amüsiert, als Matthew in einen weiteren Anfall von überfordertem Lachen verfiel. »Nun, ich werde dich nicht aufhalten.«