A uf der Fahrt zum VCU-Campus aß sie einen Frühstücksburrito an einer Tankstelle. Als sie auf den Studentenparkplatz fuhr und den Weg zum Gebäude der Computerwissenschaften einschlug, war Cheyenne immer noch nicht davon überzeugt, dass es eine gute Idee war, hier zu sein. Wir sollten jetzt mit Matthew reden. Wir sollten uns beeilen, die Kontrollzentren zu zerstören. Das wird außer Kontrolle geraten. Ich kann es spüren.
Sie hielt den Kopf gesenkt und ging zügig, wobei sie gelegentlich aufblickte, wenn eine Studentin oder ein Student etwas rief, zu laut lachte oder zu dicht vor ihr auf dem Gehweg lief. Irgendetwas stimmt nicht. Warum kann ich nicht herausfinden, was es ist?
Als sie die Eingangstür des Gebäudes der Computerwissenschaften erreichte und die Türklinke ergriff, juckte es in ihrem Nacken. Cheyenne drehte sich um und beäugte das Gras und die benachbarten Gebäude, dann riss sie die Tür auf und schlüpfte hinein. Pass einfach weiter auf. Das Jucken hat etwas zu bedeuten .
Als sie zehn Minuten zu früh in den leeren Seminarraum kam, in dem sie ihren Programmierkurs für Fortgeschrittene unterrichtete, wurde das Gefühl der drohenden Katastrophe nicht besser. Cheyenne holte ihren Laptop heraus und sah in ihren E-Mails nach, aber die einzigen E-Mails, die sie hatte, waren von den Studierenden, die ihre Aufgaben für diese Woche früher abgegeben hatten. Sie schmunzelte und klappte ihren Laptop zu. »Streber.«
Die kribbelnde Energie raste wieder über ihren Nacken und ihre Schultern und pulsierte. Sie griff nach ihrem Rucksack, zog den Aktivator aus der Vordertasche, wechselte in den Drowmodus und steckte ihn hinter ihr Ohr. Das scharfe Zwicken ließ ihre Augenlider flattern, dann blickte sie sich in dem leeren Raum um und lehnte sich auf dem Stuhl hinter ihrem Schreibtisch zurück. Mit diesem Ding leuchtet nichts auf, das ist schon mal gut . Ich hoffe, dass ich sehen kann, wenn etwas passiert. Falls es das überhaupt tut .
»Morgen.«
Cheyenne warf einen schnellen Blick zur Tür und wechselte zurück in ihre menschliche Gestalt, als die ersten beiden Studierenden eintraten. »Hey.«
»Gott sei Dank ist Freitag, richtig?« Das erste Mädchen, das gesprochen hatte, stieß ein leises Kichern aus. Ihr Lächeln erstarb, als Cheyenne sich wieder in dem leeren Raum umsah. »Okay.«
Die Studierenden, die an Maleshis Programmierkurs für Fortgeschrittene teilnahmen, strömten schnell in den Raum und um 10:31 Uhr stand Cheyenne vom Stuhl hinter dem Schreibtisch auf und nickte dem letzten Studenten zu, der den Raum betrat. »Kannst du die Tür schließen?«
»Oh. Ja.« Der Junge mit dem zotteligen, straßenköterblonden Haar drehte sich schnell um und tat, was sie sagte, bevor er sich setzte.
Für mich wirken sie alle wie Kinder. Dabei sind sie nur ein Jahr jünger als ich, wenn überhaupt.
»Okay. Das ist es. Ein ganz normales Seminar an einem Freitagmorgen.« Cheyennes Blick huschte zur Tür, als der Schatten von jemandem auf dem Flur durch das schmale Fenster flackerte. »Einige von euch arbeiten noch an der letzten kleinen Aufgabe vom Mittwoch, oder?«
Ihre Studentinnen und Studenten nickten langsam, fragten sich, was mit ihrer seltsamen neuen Professorin los war und warfen sich verwirrte Blicke zu.
»Das verstehe ich als ein Ja.« Sie schob ihren Laptop auf dem Schreibtisch zur Seite und setzte sich wieder. »Wer noch nicht fertig ist, kann den Rest der Stunde dafür nutzen. Wenn ihr noch Fragen habt, bin ich für euch da.«
»Was ist, wenn wir es bereits fertiggestellt und abgegeben haben?« Das Mädchen, das über ihren eigenen blöden Witz gelacht hatte, lehnte sich in ihrem Stuhl vor. »Sie haben doch meine E-Mail bekommen, oder?«
»Wahrscheinlich, wenn du sie geschickt hast. Ich werde am Wochenende alles durchgehen. Alle anderen sollten sie bis heute um Mitternacht abgegeben haben.« Klar, als ob ich heute Nacht noch Aufgaben durchgehen würde.
Das Mädchen hob ihre Hand und ließ sie langsam wieder sinken. »Wenn wir schon fertig sind, was sollen wir dann tun?«
Cheyenne lachte kurz. »Was immer ihr wollt. Ich glaube nicht, dass ich euch etwas geben …«
Die kribbelnde Energie raste wieder über ihren Rücken und ihre Schultern und sie setzte sich aufrecht in den Stuhl. Das kommt mir bekannt vor.
»Dass Sie was?«
»Was?«
Das Mädchen schüttelte den Kopf und die anderen Studierenden um sie herum rutschten unruhig auf ihren Plätzen umher. »Sie haben gesagt, Sie glauben nicht, dass Sie uns was geben müssen?«
»Eine Schritt-für-Schritt-Anleitung, wie ihr eure Zeit nutzen könnt.« Cheyenne legte den Kopf schief und wollte die kribbelnde Energie auf ihrem Rücken loswerden. »Das gehört dazu, weil wir alle erwachsen sind.«
Jemand in der letzten Reihe kicherte und die eifrige Studentin drehte sich um, um ihn anzusehen. »Ja, richtig erwachsen.«
Cheyenne schluckte. Was ist denn hier los ?
In der nächsten Sekunde erwachte der Aktivator zum Leben und ein Blitzlichtgewitter und eine heulende Sirene schossen ihr durch den Kopf. Sie verzog das Gesicht, kniff die Augen zusammen und lehnte sich über ihren Schoß, weil ihre Sinne plötzlich überlastet waren.
»Geht es Ihnen gut?« Das Mädchen mit dem halb rasierten Kopf, das immer in der ersten Reihe saß, beugte sich vor und versuchte, über das Pult ihrer Professorin zu spähen. »Cheyenne?«
»Was? Ja, mir geht’s gut. Ich habe nur starke Kopfschmerzen.« Sie konnte ihre Stimme kaum hören, weil die Sirene in ihrem Kopf pulsierte. Als sie die Augen wieder öffnete, blitzte eine orangefarbene Nachricht in ihrem Blickfeld auf.
Warnung. Bedrohung im Anflug. Der Standort wurde auf vierzig Meter südöstlich lokalisiert.
Was zur Hölle? Cheyenne stemmte sich auf die Beine und drehte sich nach rechts. In der Mitte der Wand blinkte ein gelber Pfeil, der langsam anstieg und größer wurde, während der Aktivator die Bedrohung verfolgte. Mit einem Gedanken schaltete sie den Alarm aus und trat vom Schreibtisch weg.
»Ich gehe nur mal kurz raus …«
Der Boden schwankte und bebte unter ihnen, sodass Cheyenne zur Seite taumelte. Die Studierenden schrien überrascht auf, umklammerten ihre Rucksäcke und Laptops und sahen sich wild um.
»Was ist das?«, rief jemand.
Cheyenne hielt sich an der Schreibtischkante fest und versucht, das Gleichgewicht zu halten. »Vielleicht ein Erdbeben.«
»Was für ein Erdbeben bebt denn so?«
»Jede Art!«
»Das ist kein Erdbeben.«
»Was ist es dann?«
Die Halbdrow ignorierte die in Panik geratenen Studierenden und drehte sich zur Tür des Vorlesungssaals. »Ich werde mal nachsehen, was los ist.«
Der Boden bebte erneut und der halbe Kurs schrie auf, als die Deckenbeleuchtung aufflammte und einen Funkenregen in den Raum schickte.
Cheyenne streckte ihre Hände aus und ging vorsichtig auf die Tür zu, wobei sie versuchte, auf dem zitternden Boden nicht hinzufallen. »Tut einfach so, als wäre das eine der Hurrikan-Übungen, die ihr in der Grundschule üben musstet, ja?«
»Was ?«
»Duckt euch einfach und bleibt weg von Fenstern und Türen. Ich bin gleich wieder da.« Sie stützte sich an der Wand ab und riss die Tür ruckartig auf. Cheyenne krachte gegen die Wand und hielt sich am Türrahmen fest, um sich aufrecht zu halten.
»Sie sollten da nicht rausgehen!«
Die Halbdrow rannte bereits so schnell sie konnte durch die Flure und versuchte, durch die wild blinkenden Lichter in ihrem Blickfeld zu sehen. Mehrere Türen flogen auf, als sie vorbeikam und ließen Ströme von in Panik geratenen Studierenden und Professoren heraus, die alle versuchten, das Gebäude zu verlassen. Das wird niemandem helfen .
Die Warnung des Aktivators blinkte wild auf und füllte ihre Sicht mit verstreuten Beschreibungen, die sie nicht lesen konnte, während sie sich darauf konzentrierte, nicht auf die Nase zu fallen oder von flüchtenden Studierenden gegen eine Wand gedrückt zu werden. Der gelbe Pfeil wird immer größer .
Ein ohrenbetäubendes Dröhnen ertönte unter dem Laminatboden und brachte noch lautere Schreie und mehr umherwuselnde Menschen in den Flur. Dann krachte und zersprang draußen etwas Lautes. Durch den Spalt der offenen Tür, die sich schnell hinter der letzten Gruppe von Studentinnen und Studenten schloss, die nach draußen rannten, sah sie einen hellen, vielfarbigen Lichtblitz, der von silbernen Schlieren unterbrochen wurde. »Scheiße.«
Der dumpfe Aufprall eines Körpers an der Wand um die Ecke ließ Cheyenne innehalten. Dann kam eine Frau mit dunklen Haaren in einem regenbogenfarbenen Kleid um die Ecke gestürmt und erstarrte, als die Eingangstür des Gebäudes zufiel.
»Maleshi.« Cheyenne rannte auf die Nachtpirscherin zu, die sich als IT-Professorin ausgab, und stolperte, als der Boden erneut bebte und eine weitere Welle von erschrockenen und verängstigten Schreien von Menschen außerhalb und innerhalb des Gebäudes auslöste. Sie stützte sich mit einer Hand an der Wand ab und strich sich die Haare aus dem Gesicht. »Hast du das gespürt?«
»Ja, ich habe es gespürt. Was zum Teufel ist da draußen los?«
»Es kommt etwas auf uns zu.« Cheyenne blinzelte gegen die hellen Blitze der Warnmeldungen an, die in ihrem Blickfeld aufflackerten.
»Ich meinte was genau, Cheyenne.«
»Ich weiß es nicht.« Der schrille Alarm in ihrem Kopf kehrte mit voller Wucht zurück und sie krümmte sich vor dem plötzlichen, ohrenbetäubenden Schmerz, der ihren Kopf durchdrang. »Es reicht jetzt!«
»Hey. Sieh mich an.« Maleshi stürzte fast in die Halbdrow, als sie während eines weiteren donnernden Erdbeben zu ihr taumelte. »Was ist los mit dir?«
Cheyenne zeigte auf ihr Ohr. »Aktivator.«
»Ernsthaft?«
Warnung: Bedrohung an der Oberfläche sechs Meter südöstlich entdeckt.
»Verdammt. Es ist schon da.«
»Cheyenne.«
»Ich sagte, ich weiß es nicht! Komm schon!« Die Halbdrow stieß sich von der Wand ab und stürmte zur Tür, wobei sie im Zickzack durch den Flur rannte, während der Boden hin und her wackelte. Maleshi war ihr dicht auf den Fersen und beide stießen die Gebäudetür auf, bevor sie in das helle Vormittagssonnenlicht stolperten.
Zwei riesige Erdhügel wühlten sechs Meter vor dem Gebäude der Computerwissenschaften, rissen Gras und Erde auf und schickten riesige Klumpen durch die Luft. Die sich drehenden Korkenzieherspitzen der O’gúl-Tunnelbaumaschinen brachen durch die Oberfläche und die Mechanismen dröhnten, als die angetriebenen Kampfpanzer durchbrachen und nach vorn aus ihren Tunneln kippten.
»Das soll wohl ein Scherz sein«, knurrte Maleshi.
Die Studierenden, das Personal und die Professoren schrien noch lauter, als sich die fremden Geräte aus schwarzem, glänzendem Metall ihren Weg über den Rasen bahnten, sich drehten und rumpelnd vorwärtsbewegten, während sie noch mehr Gras und Erde aufwirbelten. Cheyenne bemerkte das ohrenbetäubende Chaos kaum, als in ihrem Kopf ein schriller Alarm nach dem anderen losging.
Außerdem richtete sich der gelbe Pfeil des Aktivators nicht auf eine der O’gúl-Kriegsmaschinen.
»Da ist noch etwas«, murmelte sie und wischte zweimal über ihr Blickfeld, damit der Aktivator reagierte und die verdammten Alarme ausschaltete.
»Außer diesen Dingen?«
»Ja.« Der gelbe Pfeil blinkte heller und heller, bevor ein gewaltiger Spalt die Erde zwischen den beiden Löchern, aus denen die Tunnelbohrmaschinen gekommen waren, aufriss. Der Boden bebte erneut und der Riss zog sich in Richtung des Gebäudes der Computerwissenschaften, wobei ein ohrenbetäubender Knall nach dem anderen wie ein lauteres Gewehrfeuer ertönte. In der Mitte des sich öffnenden Spaltes brach ein weiteres schimmerndes Licht mit violettfarbenen und grünen Streifen hervor. »Scheiße.«
»Sag doch einfach, was es ist!« Maleshi knurrte.
»Es ist ein anderes Portal.«
»Hat der Aktivator dir das gesagt?«
»Nein, aber ich habe das schon mal gesehen. Ich kümmere mich darum. Kannst du dich um die Maschinen kümmern?«
Maleshi warf ihr einen kurzen Blick zu. »Das ist die dümmste Frage, die ich dich je habe stellen hören.«
»Toll.«