W as willst du?«, knurrte Sir in das Telefon.
»Eine normale Begrüßung am Handy wäre ein guter Anfang.« Er hielt am anderen Ende der Leitung so lange inne, dass Cheyenne ihr Handy wegziehen musste, um sicherzugehen, dass sie noch verbunden waren. »Es wird Ihnen nicht gefallen, was ich zu sagen habe.«
»Sag mir etwas, das ich nicht weiß, Halbblut.«
Sie verdrehte die Augen. »Ich habe wieder einen neuen Eingang gefunden.«
»Noch einen?«
Cheyenne machte sich auf eine feurige Explosion von Flüchen und Gegenständen gefasst, die quer durch das Büro des FRoE-Offiziers geworfen wurden, aber dieses Mal passierte es nicht.
»Ich schwöre verdammt noch mal, immer wenn die Scheiße am Dampfen ist, bist du da, bedeckt damit.«
»Wollen Sie damit sagen, Sie denken, dass ich schuld bin?«
»Das ist genau das, was ich denke! Bis jetzt hast du nichts getan, um mich vom Gegenteil zu überzeugen und dazu gehört auch, dass du unglaublich gut lügst.«
»Sie wollen also, dass ich das ganze Ding einfach an jemand anderen übergebe, der es gerne nutzen möchte? Ich kenne da eine nette Familie aus der T-Klasse, die davon profitieren könnte.«
»Verdammt, Cheyenne, du weißt, dass ich das nicht gemeint habe. Wo ist dieses verdammte Ding?«
»Auf dem Campus der VCU, direkt vor dem Gebäude, in dem ich unterrichte.«
»Oh, das Halbdrow-Bullshit-Gebäude. Ja, davon habe ich schon gehört.« Etwas Schweres knallte auf den Boden und Sir grunzte. »Musstest du auch gegen kleine, gruselige Monster kämpfen, die aus dem Ding kamen?«
»Nein.« Sie warf einen Blick auf Maleshi, die einen Meter entfernt auf und ab ging, während sie leise mit Corian sprach, das Handy an ein Ohr gepresst und den Zeigerfinger in das andere gesteckt. Cheyenne schmunzelte. »Ich habe es geschlossen. Das sollte eine Weile keine Monster mehr ausspucken.«
»Du hast es geschlossen.« Sir stieß ein bitteres Lachen aus. »Was soll das überhaupt heißen? Haben die Dinger jetzt einen verdammten Reißverschluss?«
»Das ist alles nur ein Teil von dem, was ich bin. Fürs Erste ist es in Ordnung.« Cheyenne strich sich die Haare aus den Augen und blickte auf den Rasen vor dem Gebäude. »Was diese neue Sache braucht, ist jemand, der auftaucht und die Leute beruhigt, dass es nur ein Erdbeben war. Vielleicht ein Auge darauf werfen und ein bisschen Schadensbegrenzung betreiben. Dazu sind Ihre Leute doch in der Lage, oder?«
»Du hast keine Ahnung, wozu wir fähig sind.«
Das führt nirgendwohin. »Schicken Sie jemanden zur VCU oder nicht?«
»Schon geschehen. Siehst du? Ich kann etwas Nützliches tun und gleichzeitig deine Zeit verschwenden.«
Cheyenne legte auf und steckte ihr Handy in die Seitentasche ihres neuen Mantels. Wenigstens h at er die Information ernst genommen.
»Wie ist es gelaufen?«, fragte Maleshi und beugte sich vor, um ihr Handy wieder in ihre Aktentasche zu stecken.
»Genau so, wie ich es erwartet habe.« Die Halbdrow drehte sich zu ihr um. »Aber jemand ist auf dem Weg.«
»Wie lustig.« Die Generalin schnupperte kurz an der Luft und zeigte dann auf den Boden neben ihr. »Komm, stell dich hierhin.«
»Was?« Cheyenne blickte sich um und suchte nach einem Grund, sich zu bewegen, dann ging sie langsam auf die Nachtpirscherin zu. »Gibt es einen Grund, warum ich bei dir bleiben muss?«
Die Luft hinter ihr flimmerte und ein Portal öffnete sich genau dort, wo sie gestanden hatte. Corian schritt eine Sekunde später hindurch und runzelte die Stirn in seiner Durchschnittsmenschen-Illusion.
Cheyenne blinzelte. »Oh.«
Corian warf ihr einen kurzen Blick zu und nickte kurz, dann wandte er sich an Maleshi. »Dann lasst uns an die Arbeit gehen.«
»Oh, ja, los geht’s.« Die Generalin hob eine Augenbraue, trat von der Rückseite des Gebäudes weg und hob die Hände, um einen weiteren Zauberspruch zu sprechen.
Als er sich Cheyennes Seite näherte, beugte sich Corian zu ihr und wartete darauf, dass Maleshi ihren Zauber wirken würde. »Geht es dir gut?«
»Mir geht’s gut. Ich wurde angegriffen, habe einige Kriegsmaschinen in Stücke gerissen und ein neues Portal geschlossen, bevor es die VCU in ein weiteres Reservat verwandelt hat.« Die Halbdrow verschränkte ihre Arme. »Ein ganz normaler Tag, oder?«
Er brummte nachdenklich. »Maleshi meinte, dass der Spalt und die Bagger zur gleichen Zeit aufgetaucht sind.«
»Ja. Das sollte doch nicht passieren dürfen, oder?«
»Das sollte alles nicht passieren.« Corian strich sich über sein haarloses Kinn. »Das wirft einige ernste Fragen auf. Vor allem, ob dieses Portal beabsichtigt war oder nur ein weiterer großer Zufall.«
»Das fühlt sich nicht mehr wie ein Zufall an.« Cheyenne betrachtete die Kuppel aus silbernem Licht, die um sie herum aufblitzte, als Maleshi ihren Zauber beendete. Durch die schimmernde Magie konnte sie die Umrisse der Gebäude um sie herum erkennen, Autos, die auf dem hinteren Parkplatz geparkt waren und eine Handvoll Menschen, die sich schnell auf dem Campus bewegten, um entweder die seltsamen neuen Schäden auf dem Rasen zu untersuchen oder nach jemandem zu suchen, der Hilfe und Unterstützung brauchte, um das Gelände zu verlassen. »Ich nehme an, dass dies nur eine weitere Illusion ist.«
Maleshi deutete auf die scheinbar leere Luft direkt hinter der Rückwand des Gebäudes und der Kriegsmaschinenschrotthaufen tauchte wieder auf. »Eine ziemlich gute, wenn ich das mal so sagen darf. Solange sich niemand in den Kopf setzt, dass dort, wo wir stehen, der perfekte Ort für sie ist, um eine Weile abzuhängen, ist alles in Ordnung.«
»Was ist mit dir?«, fragte Cheyenne sie. »Glaubst du, dass das Portal und diese Maschinen absichtlich zusammen aufgetaucht sind?«
»Nein.« Maleshi ging auf den Schrotthaufen zu, während Corian ein weiteres Portal in der Illusionskuppel öffnete, die sie unsichtbar machte. »Das würde bedeuten, dass sie beide aus derselben Quelle stammen und das ist nicht möglich. Das haben wir ja schon besprochen.«
Corians Portal öffnete sich neben dem Haufen leblosen O’gúl-Metalls. »Ganz zu schweigen davon, dass diese Maschinen erst durch die Hände von jemandem auf der Erde gehen müssen, bevor sie aktiviert werden. Es fühlt sich wie ein Zufall an, wenn man es so betrachtet und gleichzeitig fühlt es sich überhaupt nicht wie ein Zufall an.«
Maleshi schnaubte, als sie die Seitenwand eines Baggerpanzers aufhob. »Wenn das passiert, ist meist eine andere versteckte Macht im Spiel.«
Cheyenne runzelte die Stirn. »Du meinst, jemand anderes manipuliert das Timing? Nicht die Loyalisten, die die Maschinen kontrollieren oder die Krone auf der anderen Seite?«
Die Generalin warf die Metallplatte durch das Portal, wo sie mit einem Klirren auf dem Beton aufschlug. »Jemand anderes, klar. Vielleicht. Es ist nicht immer eine Person, die sich einmischt, wenn die Einmischung nicht erwünscht ist.«
Als er das Ende einer Maschine in Richtung des Portals zog, hielt Corian inne, sah die Halbdrow an und kicherte. »Guck nicht so verwirrt, Mädel. Du verstehst das Konzept.«
Die Halbdrow legte den Kopf schief und hob eine Augenbraue. »Willst du das ernsthaft als Schicksal abtun? Oder als eine andere universelle Macht, die ohne jede Erklärung tut, was sie will?«
»Das Schicksal ist eine Möglichkeit, es zu betrachten.« Maleshi warf zwei weitere Handvoll kaputter Maschinen durch das Portal. »Und ja, es gibt andere universelle Mächte , die tun, was sie wollen, wie du es so treffend ausgedrückt hast.«
Corian kicherte wieder und schleppte die verstümmelte Kriegsmaschine weiter in Richtung des schimmernden Ovals aus dunklem Licht.
»Ich weiß nicht, was daran lustig sein soll.«
»Es ist einfach eine interessante Sichtweise, Mädchen. Hast du jemals darüber nachgedacht, was diese universellen Kräfte sein könnten?«
»Nicht wirklich, nein.« Cheyenne trat aus dem Weg, als Maleshi die größeren Fragmente aus schwarzem Metall schweben ließ und sie zu ihrem nächsten Zielort warf. »Das ist ja das erste Mal, dass ich diese Frage stellen muss.«
»Man könnte es Schicksal nennen«, fuhr die Generalin fort. »Oder Magie. Oder welche Kraft auch immer den Ort für jedes einzelne Grenzportal auf der Welt ausgewählt hat, das seit Jahrhunderten am selben Ort steht.«
»Komm schon. Magie ist nicht bewusstseinsfähig.« Cheyenne schnaubte. »Und die Portale sind es auch nicht.«
»Vielleicht. Oder vielleicht sind sie es auf eine Weise, die wir einfach nicht verstehen.« Maleshi zuckte mit den Schultern und blickte die Halbdrow mit ihren grünen Augen an. »Aber wenn wir nicht schon vorher davon überzeugt waren, dass du im Zentrum einer Menge empfindsamer Aufmerksamkeit stehst, ob wir es nun verstehen oder nicht, dann sollten wir es jetzt auf jeden Fall wissen.«
Cheyenne betrachtete die Nachtpirscherin blinzelnd und ignorierte das rhythmische Knirschen der riesigen, ramponierten Kriegsmaschine, als Corian sie durch das Portal zog. »Ich bekomme schon genügend Scheiße von der FRoE zu hören, dass das alles meine Schuld ist. Ich muss mir das nicht auch noch von dir anhören.«
»Ich gebe dir für nichts die Schuld, Kleine.« Maleshi lehnte sich gegen den zweiten Panzer und verschränkte die Arme. »Hier geht es nicht um Verantwortung oder darum, wer schuld ist. Ich meine, abgesehen von dem Arschloch auf dem O’gúl-Thron. Die hat eine Menge zu verantworten. Ich spreche nur von dem größeren Plan. Nicht unbedingt vom Schicksal. L’zar hat ziemlich eindeutig bewiesen, dass das Unmögliche möglich gemacht werden kann oder zumindest, dass es Schlupflöcher in dem gibt, was alle anderen für einen festen Kurs halten wollen. Eine unausweichliche Eventualität, nicht wahr?«
Die Halbdrow rümpfte die Nase. »L’zar hat seine Prophezeiung nur durchbrochen, weil er nichts getan hat.«
»Ah, aber es war trotzdem seine Entscheidung.« Maleshi lehnte sich gegen die Kriegsmaschine, als Corian auf der anderen Seite des Portals wieder auftauchte und auf sie zuging. »Wir haben alle unsere eigenen Entscheidungen getroffen, ob sie nun das gebracht haben, was wir wollten oder nicht.«
»Ich habe es mir nicht ausgesucht , ein Teil davon zu sein«, murmelte Cheyenne.
Corian beugte sich nach unten und griff nach der Unterseite des zweiten Baggers. »Du entscheidest dich jeden Tag dafür, weiterhin ein Teil davon zu sein.«
»Nun, ja. Aber ihr wollt mir weismachen, dass das Schicksal oder die Magie oder was auch immer einen großen Plan für all das hat. Wie kann meine Entscheidung, etwas zu tun, unter Schicksal fallen?«
Die Generalin schnaubte. »Nun, wie würdest du es dann nennen?«
»Freier Wille.« Cheyenne breitete ihre Arme aus und beugte sich zu den Nachtpirschern. »Nachdem andere Leute ihre Fehler gemacht und mich gezwungen haben, ein Teil von ihnen zu sein.«
Corians Lippen zuckten und er ließ die Kriegsmaschine wieder los, bevor er sich aufrichtete und Cheyenne mit einem intensiven Blick fixierte, selbst hinter seinem menschlichen Charme. »Du glaubst, du reagierst auf Fehler, was? Weißt du, warum deine Eltern so sind, wie sie sind?«
»Meine Mutter hat nichts damit zu tun.«
»Oh, doch, das hat sie.« Maleshi strich ihr lockeres, schwarzes Haar aus dem Gesicht und band es zurück. »Sie hat dich schließlich auf die Welt gebracht.«
»Nur zu.« Corian verschränkte die Hände hinter dem Rücken und musterte die Halbdrow. »Ich warte auf deine Antwort.«
»Meine Antwort?« Cheyenne blickte von einem menschlich aussehenden rebellischen Nachtpirscher zum anderen und schaute finster drein. Sie haben den Verstand verloren. »Meine Eltern sind so, wie sie sind, weil L’zar es nicht in der Hose behalten konnte und weiterhin Gott über Menschen und Prophezeiungen spielen wollte. Sein Fehler und Bianca ist darauf reingefallen. Ihr Fehler . Sie hat mich gezwungen, hier zu sein und ich tue, was ich kann, mit dem, was ich habe.«
»Nun, das ist zumindest eine genaue Einschätzung von dir.« Corian hob sein Kinn und zog die Augenbrauen hoch. »Aber keiner von ihnen hat in der Nacht, in der sie sich kennengelernt haben, einen Fehler gemacht.«
»Warum? Weil ich ein Kind der Prophezeiung von L’zar bin?« Cheyenne lachte spöttisch. »Nein. Ich bin nur diejenige, hinter der er nicht her war, bevor ich die Prüfungen bestanden habe. Es hätte auch jeder andere sein können.«
»L’zar Verdys hat Bianca Summerlin nicht zufällig ausgewählt, Mädchen«, fügte Maleshi hinzu. »Ich würde sogar so weit gehen zu sagen, dass er sie gar nicht ausgewählt hat.«
»Das ist genau mein Punkt .« Cheyenne seufzte. »Ich habe keine Ahnung, worauf ihr beide hinauswollt.«
»Sicher. Es muss ziemlich frustrierend sein, wenn man nicht alles wie eine Codezeile oder ein elegantes Programm vor sich liegen hat.«
Die Halbdrow warf Corian einen wütenden Blick zu.
»Ich meine das nicht als Beleidigung, Mädchen.« Er zuckte mit den Schultern. »So bist du nun mal. L’zar ist auch so, nur dass er alles so sieht, wie es ist . Versteh mich nicht falsch, dieser Drow kann nicht viel mehr als einen Computer bedienen, aber wenn es um Magie und die Fäden geht, die alles zusammenhalten, schreibt er das ganze Programm um. Wenn du so lange lebst wie wir, fängst du an, die Muster zu erkennen, Cheyenne. Mit deiner Mutter hat L’zar ein neues gefunden, aber er hat sie nicht ausgesucht .«
Maleshi nahm einen tiefen Atemzug. »Die Entscheidung war für sie beide bereits getroffen. Er fand sie, indem er einfach der Spur folgte, die eine universelle Macht für ihn hinterlassen hatte. Genauso wie du der Spur gefolgt bist, um herauszufinden, was zum Teufel du tust und wie du weiterhin deine Entscheidungen treffen kannst.«
»In Ordnung.« Cheyenne winkte ab. »Ich werde das nicht weiter zerpflücken. Was auch immer L’zar getan hat, es ist erledigt. Wir blicken nach vorn, richtig?«
Corian kicherte und beugte sich vor, um die Kante der Kriegsmaschine wieder aufzuheben. »Das habe ich immer.«
»Aha. Ich glaube, wenn man so lange lebt wie ihr, wird man verrückt.« Die Halbdrow steckte ihre Hände in die Taschen ihres Trenchcoats und wandte sich dem Rasen auf der anderen Seite des Informatikgebäudes zu. »Verdammt. Sie sind da.«
»Hmm?« Maleshi ging auf sie zu und lehnte sich zur Seite, bis ihr Haar die silberne Kuppel streifte, die sie verbarg, um um die Ecke zu schauen. »Bewegen sich deine FRoE-Freunde normalerweise so schnell?«
»Sie tun es, wenn sie denken, dass es wichtig ist.«
Corian stieß ein Lachen aus. »Klingt, als hätten sie ihre Lektion gelernt, nachdem sie dich wegen der entführten Kinder ignoriert haben.«
»Der klügste Zug, den sie bisher gemacht haben.« Cheyenne nickte Maleshi zu. »Ich sollte mich wenigstens kurz zeigen und sie daran erinnern, dass sie es nicht vermasseln dürfen.«
»Cheyenne und ihre Beherrschung der subtilen Kunst des Verhandelns.« Die Generalin stieß Cheyenne sanft mit dem Ellbogen in die Seite und schmunzelte. »Das wird bestimmt ein fruchtbares Gespräch.«
Die Halbdrow ignorierte den Kommentar und schaute Corian von der Seite an. »Das wird nicht lange dauern, also verschwindet nicht. Wir sind noch nicht fertig.«
»Nein, sind wir nicht.«
Cheyenne überprüfte die Welt außerhalb der silbernen Kuppel von Maleshis Illusion auf Passanten und als die Luft rein war, trat sie hindurch und ging auf die Narbe des Portalkamms zu, den sie vor der Öffnung bewahrt hatte. Danach müssen Matthew Thomas und ich ein weiteres ernsthaftes Gespräch führen. Mich anzugreifen ist eine Sache. In einer Uni aufzutauchen, überschreitet eine ganz andere Grenze.