Kapitel 15

O kay.« Cheyenne drehte sich zu den Nachtpirschern und breitete ihre Arme aus. »Wir warten also darauf, dass Persh’al uns sagt, wohin wir als Nächstes gehen sollen und dann schlagen wir zu. Wie lange dauert das normalerweise?«

»Persh’al ist schnell, also werden wir am Ende des Tages wissen, wo wir anfangen müssen.« Corian lächelte breit. »Er ist nicht glücklich darüber, dass du die Technik der letzten Maschine in weniger als vierundzwanzig Stunden geknackt hast, aber das wird ihn nicht davon abhalten, die Arbeit auf seiner Seite zu erledigen. Aber du musst auf meinen Anruf warten, verstanden? Wir müssen jetzt vorsichtig sein.«

»Gut. Ich warte auf deinen Anruf und dann gehe ich mit dir rein.«

»Nein. Ich rede von dem Anruf, wenn es wieder Zeit ist, den Übergang zu machen.«

»Was?« Cheyenne runzelte die Stirn. »Wann wird das sein?«

»Keine Ahnung. Ich warte auf L’zar.«

»Also bin ich jetzt bei diesen Kriegsmaschinen aus dem Spiel? Einfach so?«

Der Nachtpirscher zuckte mit den Schultern. »Tut mir leid, Mädel.«

»Nein, nein. So funktioniert das nicht.« Sie schnappte sich die Aktivatorspule hinter ihrem Ohr und steckte sie in ihre Manteltasche. »Ich bin nicht die Drowmarionette, die alles abwehren muss, was hinter mir her ist, nur damit ich darauf warten kann, dass die anderen, die sich für schlauer halten als ich, den Rest der Arbeit erledigen. Ich bin dabei , Corian. Ich habe mich angemeldet. Ich habe den Übergang gemacht und alles.«

»Ja, das hast du.«

»Und du bist derjenige, der mir gesagt hat, ich solle nicht länger an der Seitenlinie sitzen, sondern mich einmischen.«

Er senkte den Kopf. »Das habe ich. Jetzt sage ich dir, dass du auf meinen Anruf warten sollst.«

»Unglaublich.«

»L’zar ist fast bereit, seinen nächsten Zug zu machen. Ich kann dir nicht genau sagen, wann, aber ich weiß, dass es bald so weit ist. Wenn er bereit ist , müssen wir sicherstellen, dass du nicht damit beschäftigt bist, etwas anderes abzuwehren, das hinter dir her ist. Soweit wir wissen, wissen die Loyalisten, die diese Maschinen kontrollieren, noch nicht, dass du und Ember in der gleichen Wohnung leben. Die Mauern, die wir errichtet haben, verhindern, dass ihre Systeme irgendetwas zu dir zurückverfolgen, solange du hier innerhalb der Mauern bist. Du musst die Stellung halten.«

»›Die Stellung halten‹. Was soll das überhaupt bedeuten?«

Corian war zu sehr damit beschäftigt, ein weiteres Portal zu beschwören, um ihr sofort zu antworten. Als er es tat, hob er die Augenbrauen, wobei ein Ohrbüschel zuckte. »Das bedeutet, dass du in deiner Wohnung bleibst, bis du von mir hörst. So wie ich das verstanden habe, hast du bis Montagmorgen keine weiteren Verpflichtungen – vorausgesetzt natürlich, dass deine Uni nach dem kleinen Zwischenfall von heute wieder in Betrieb ist.«

Cheyenne blickte ihn starr an. »Und was passiert, wenn L’zar bis Montag nicht bereit ist, loszulegen?«

»Nun, wenn das so ist, werden wir die Dinge neu bewerten, wenn es dazu kommt. Hier ist im Moment der sicherste Ort für dich. Mach es dir einfach gemütlich.« Ohne ein weiteres Wort schritt Corian durch sein Portal und verschwand.

Maleshi hielt inne und schenkte Cheyenne ein mitfühlendes Lächeln. »Du weißt, dass er recht hat und nein, das heißt nicht, dass du dich darüber freuen musst. Wir sind fast fertig, Mädchen. So kurz vor dem letzten Schritt neigen die Dinge dazu, brenzlig zu werden. Also sei bereit.«

»Ich bin bereit.«

»Ich weiß.« Maleshi nickte Ember zu und verschwand durch das Portal, zwei Sekunden, bevor es sich auflöste.

Cheyenne ballte ihre Fäuste und lehnte sich gegen die Rückenlehne der Couch.

Ember rieb sich die Stirn. »Ich hätte nicht erwartet, dass sie dich nach dem, was heute Morgen passiert ist, unter Hausarrest stellen. Aber es ist immerhin eine tolle Wohnung mit einem riesigen Fernseher.«

Kopfschüttelnd trat Cheyenne um die Couch herum und ging auf die Treppe zum Miniloft zu. »Ich habe nicht die ersten achtzehn Jahre meines Lebens auf Bianca Summerlins Anwesen eingesperrt verbracht, nur um mich von ein paar zweibeinigen Katzen in meiner eigenen Wohnung einsperren zu lassen.«

»Genau.« Ember schnaubte. »Ich hätte es nicht besser sagen können.«

»Ich verstehe nicht, warum sie mir nicht einfach sagen können, was L’zar vorhat. Wie viel schneller können wir sein? Ich meine, abgesehen davon, dass wir ein Versteck mit aktivierten Kriegsmaschinen besiegen müssen.« Cheyenne ging schnell die Eisentreppe hinauf und setzte sich auf den Stuhl vor ihrem wackeligen Schreibtisch.

»Klingt, als wollten sie dich nur beschützen.«

»Ja, das ist klar.«

»Nun, denk mal darüber nach. Sie kämpfen seit Hunderten von Jahren gegen die Krone und dann kommst du daher und bist halb menschlich. Das allein reicht schon aus, um die Dinge noch komplizierter zu machen.«

Cheyenne lehnte sich zur Seite und begegnete dem Blick ihrer Freundin durch die Eisenstäbe des Geländers des Minilofts. »Du erzählst mir Dinge, die ich schon weiß, Em. Ich bin wohl kaum die komplizierteste Variable in dieser ganzen Sache.«

»Ha.« Ember unterdrückte ein Lächeln und räusperte sich. »Dass du nicht das Komplizierteste hieran bist, macht die Situation nicht weniger kompliziert. Sie wollen dich nicht verlieren, bevor sie die Chance haben, dich zu benutzen.«

»Ja, ich hab’s verstanden.« Die Halbdrow sackte in ihrem Stuhl zusammen und fixierte mit ihrem Blick den Einschaltknopf des Monitors. »Und ich werde nicht lügen und sagen, dass ich nicht jedes Mal in Schwierigkeiten gerate, wenn ich etwas völlig Unbeteiligtes tue. Also, um ganz ehrlich zu sein, werde ich hier sitzen und zehn Minuten lang schmollen. Wenn das vorbei ist, sollten wir jemand anderen unsere Einkäufe erledigen und hierhin bringen lassen.«

»Schon erledigt.« Ember schmunzelte, als Cheyenne sie wieder ansah, dann drehte sie sich um und rollte in Richtung Küche. »Zu deiner Information: Wir haben jetzt viel mehr als nur saure Gurken im Kühlschrank.«

»Danke, Em.«

»Ja. Ich rufe wohl besser auch in der Physio-Klinik an und sage ihnen, dass ich heute meinen Termin nicht wahrnehmen kann. Ehrlich gesagt, mache ich mir viel weniger Sorgen darüber, eine Sitzung zu verpassen als noch vor vier Tagen.«

Trotz ihrer Frustration lächelte Cheyenne und verschränkte die Arme. »Glaubst du, das hat etwas damit zu tun, dass du gestern auf eigenen Füßen gestanden hast?«

»Vielleicht. Oder vielleicht nur die ganze Ember-hat-Magie-Sache. Ich habe kein Problem damit.« Sie öffnete den Kühlschrank und schob den Inhalt mit schnellen, lilafarbenen Lichtstößen beiseite, um nach einem Snack zu suchen. »Vielleicht, weil meine persönliche Fahrerin ihre Wohnung nicht verlassen kann.«

»Wenn du jemanden angestellt hast, der unsere Lebensmittel einkauft und liefert, kannst du sicher auch jemanden finden, der dich zu deinem Termin fährt. Tut mir leid, dass ich es nicht sein kann.«

»Okay, ich habe es satt, dass sich alle bei mir entschuldigen. Was aber noch wichtiger ist: Ich werde auf keinen Fall einen beliebigen Fahrer anrufen, der mich abholt und zu meinem Termin und zurückfährt, nicht nachdem ich in diesem Panamera herumgefahren bin. Machst du Witze?«

Cheyenne lachte. »Ja, danach ist es ziemlich schwer, wieder zum Alten zurückzukehren.«

»Du hast ja keine Ahnung. Ich finde, der Beifahrersitz ist viel besser. Ich muss mich auf nichts anderes konzentrieren als auf die Fahrt.« Das Fae-Mädchen zückte ihr Handy, um die Physio-Klinik anzurufen und ihren Termin abzusagen.

Als Ember den Anruf zur Klinik durchgestellt hatte, knurrte Cheyennes Magen lauthals und hörte auch nicht auf, als sie sich auf ihrem Stuhl bewegte. »Na gut.«

Sie stand auf, ging vom Loft hinunter und warf ihren schicken neuen Trenchcoat über die Lehne der Couch.

»Oh, ja. Ich werde am Montag da sein. Nichts Schlimmes, ich hatte heute nur ein paar Probleme mit dem Transport. Sie können Doktor Boseley sagen, dass ich mich immer noch gut fühle. Jawohl. Danke.« Ember ließ ihr Handy auf den Schoß fallen und schaute zum Miniloft. »Ich weiß nicht, warum.«

Sie zuckte zusammen, als Cheyenne die Kühlschranktür hinter ihr öffnete, drehte ihren Rollstuhl schnell herum und runzelte die Stirn. »Okay, lass uns eine Regel aufstellen, die besagt, dass man drinnen nicht mit Drowgeschwindigkeit herumflitzen darf. Das ist super gruselig.«

Grinsend holte Cheyenne einen Becher Joghurt heraus und schloss die Tür. »Ich bin nur gelaufen.«

»Na, dann bist du eben still und es ist trotzdem unheimlich.« Ember betrachtete den Joghurt und rümpfte die Nase. »Kannst du mir auch einen davon holen?«

»Ja.«

»Wie ich schon sagte, hatte ich erwartet, dass sich die Klinik mehr dagegen wehren würde, dass ich es nicht zur dritten Sitzung schaffe.«

»Nun, Doktor Boseley weiß, was du bist. Hey, vielleicht hat sie sogar gesehen, wie du aus dem Stuhl aufgestanden bist und diesen gruseligen Kerl gestern durch das Portal zurückgeschleudert hast.« Cheyenne warf ihr den Joghurtbecher zu und schloss den Kühlschrank. »Wahrscheinlich macht sie sich keine Gedanken darüber.«

»Genau.« Ember zog zwei Löffel aus der Schublade und schickte einen in einem violettfarbenen Licht quer durch die Küche zu Cheyenne. »Ich auch nicht.«

Cheyenne riss den Löffel aus der Luft, sah ihn mit einem Lächeln an und richtete das Utensil auf ihre Freundin. »Bei solchen netten, kleinen Tricks musst du das auch echt nicht. Jetzt hält dich nichts mehr auf.«

»Ja, ich werde ziemlich gut in dieser Magie-Sache, viel schneller als ich dachte.«

»Hm. Stell dir das mal vor.« Die Halbdrow steckte sich einen großen Löffel Joghurt in den Mund. »Fast so, als wärst du damit geboren worden oder so.«

»Okay, Klugscheißerin.«

Cheyenne drehte sich mit ihrem Joghurt in Richtung Wohnzimmer. »Also, da wir beide nirgendwo hingehen, was jetzt?«

»Filme. Viele Filme.« Ember gesellte sich zu ihrer Mitbewohnerin ins Wohnzimmer und stellte ihren Stuhl am Ende des Couchtisches ab. »Wir sollten einen Marathon machen, irgendeine Filmreihe, die aus mehr als vier Teilen besteht. Wir sollten einfach alles durchgehen.«

Der Tisch surrte, als sich der Fernseher aus seinem versteckten Fach erhob. Cheyenne streckte ihre Hand aus und zeigte auf die Fernbedienung. »Wenn wir das machen, wähle ich die Reihe aus.«

»Toll.« Ember reichte ihr die Fernbedienung. »Und du hast noch gar nicht viel gesehen, was? Die Möglichkeiten sind endlos.«

Die Halbdrow schaute ihre Freundin mit einem überraschten Lächeln an. »Du bist viel zu aufgeregt deswegen.«

»Komm schon. Ich bin dieses Semester von der Uni befreit, ich habe keinen Job und du hast magischen Hausarrest. Es ist nicht so, dass ich viele Möglichkeiten habe.«

»Ja, das hört sich toll an.«

Während Cheyenne sich durch die Filmoptionen auf dem Fernseher klickte, klingelte Embers Handy und sie runzelte die Stirn, bevor sie abnahm. »Hallo?«

»Ember, hallo. Hier ist Marsil. Aus der Klinik.«

»Ja, ich weiß. Hi.«

»Hey. Ich rufe an, weil Doktor Boseley heute in ihrem Terminkalender gesehen hat, dass du deinen Termin abgesagt hast. Sie wollte, dass ich mich melde und sicherstelle, dass alles in Ordnung ist.«

»Oh. Ja, mir geht’s gut. Mir sind nur ein paar Dinge dazwischengekommen. Ich schaffe heute einfach es nicht.«

»Ist mit Cheyenne auch alles in Ordnung?«

Ember kniff die Augen zusammen und versuchte, nicht zu lachen. Cheyenne kicherte. »Ihr geht es gut. Sie ist nur ein bisschen beschäftigt, wenn du weißt, was ich meine.«

»Auf jeden Fall. Hör zu, wenn Doktor Boseley und ich euch mit irgendwelchem Zeug helfen können, zögert nicht, uns zu kontaktieren. Wir sind da.«

»Du redest doch nicht nur von Physio, oder?«

Marsil lachte. »Richtig. Ich meine das im weiteren Sinne von ›Zeug‹. Wenn du weißt, was ich meine.«

Ember kicherte. »Aber sicher doch. Fürs Erste ist alles klar, aber danke für das Angebot.«

»Jederzeit. Bis Montag dann.«

»Okay.« Sie legte auf, runzelte die Stirn und warf ihr Handy auf den Couchtisch. »Das war also Marsil.«

»Ja, ich weiß.« Cheyenne lächelte schief zum Fernseher, während sie durch die Filme blätterte. »Ich habe das Gespräch gehört.«

»Natürlich hast du das.« Ember schüttelte den Kopf und aß weiter ihren Joghurt. »Es ist ein bisschen komisch, dass mich der Assistent meiner Physiotherapeutin wegen dir anruft.«

»Nur so seltsam, wie es für sie war, gestern zu dieser Zeremonie eingeladen zu werden.« Cheyenne zuckte mit den Schultern. »Oder so seltsam wie alles andere, was im Moment passiert.«

»Du hast kein Problem damit, dass sie sich in unser Privatleben einmischen?«

»Nicht wirklich. Marsil und ich sind cool. Je mehr Freunde wir hier haben, desto besser, oder?«

»Hm.« Ember verengte ihre Augen. »Du hörst dich in letzter Zeit wie eine ganz neue Halbdrow an, weißt du das?«

»Warum? Weil ich mich mit einem Kobold namens Marsil, der sich George nennt, gut verstehe?«

»Okay, zugegeben, das ist ein bisschen überraschend, aber hauptsächlich liegt es daran, dass du nicht mehr automatisch jeden zu hassen scheinst.« Ember lachte. »Ich meine, du hast gerade tatsächlich gesagt, dass es besser ist, mehr Freunde zu haben.«

Cheyenne verdrehte die Augen. »Ja, ich versuche nicht, eine Armee zu bilden oder so. Das hat L’zar schon selbst erledigt. Ich weiß nicht, vielleicht entwickle ich mich einfach weiter.«

»So weit würde ich nicht gehen.«

»Und ich bin kein großer Fan davon, jetzt meine psychologische Reife genauer zu analysieren. Ich versuche, einen Film auszuwählen.«

»Aha.« Ember richtete ihren Blick auf den Bildschirm und flüsterte: »Die freundliche Goth-Drow.«

»Halt die Klappe.«