Kapitel 21

C heyenne beugte sich über Persh’als Schreibtisch, um den O’gúleesh-Code zu beäugen, der über den mittleren Monitor lief.

»Du hast den Aktivator mitgebracht, oder?«

»Ja.«

»Gut. Leg ihn ganz schnell an.« Persh’al schnaubte. »Dann muss ich gar nicht viel erklären und wir sparen uns einen Haufen Zeit.«

Cheyenne zog die silberne Spule aus ihrer Tasche, wechselte in ihre Drowgestalt und steckte sie hinter ihr Ohr. Beim Zwicken der Synchronisation flatterten ihre Augenlider, dann öffnete sie sie und konzentrierte sich auf den Bildschirm.

Der blaue Troll lachte. »So sehr ich diese Technik auch liebe, ich vermisse das Zwicken ganz sicher nicht.«

»Man gewöhnt sich daran.«

»Ha, hör dir an, wie du mir sagst, woran ich mich gewöhnen soll. Pshh.« Er drehte seinen Schreibtischstuhl zu seiner Tastatur und tippte ein paar Befehle ein. »Okay, das ist, was du sehen sollst. Ein brandneues Programm, mehr oder weniger. Gut, es sind die neu zusammengesetzten Teile des Systems, das der CEO wie ein dummer Mensch verkauft hat, aber ich habe ein paar zusätzliche Bits für dieses spezielle Programm hinzugefügt. Ich gehe davon aus, dass sich das Ding auch auf der Erde für dich übersetzen lässt, richtig?«

»Oh, ja.« Cheyenne betrachtete die scrollenden Teile des O’gúleesh-Codes, die sich in die Sprache umwandelten, die sie erkannte. Der Aktivator verschaffte ihr einen Überblick über die Zeilen, denen sie allein nicht ganz folgen konnte. »Sicherheitssystem?«

»Eher ein Notruf. Es benötigt nur einen Endpunkt.« Persh’al zeigte auf ihr Ohr. »Das wäre dann dein schickes, neues Spielzeug. Meinst du, du kannst es dazu bringen, dieses kleine Ding hochzuladen und zu synchronisieren?«

Sie lächelte ihn an. »Ein Kinderspiel.«

»Weißt du was? Ich liebe Spiele. Ich bin mir aber nicht so sicher, ob ich den selbstgefälligen Blick in deinem menschlichen Gesicht mag. Das übrigens genauso rosa aussieht wie das deiner Fae-Freundin. Hast du dir einen Sonnenbrand geholt?«

Cheyenne wandte sich schnell wieder dem Monitor zu und zwang sich, sich zu konzentrieren. »Ich habe zu lange unter der Dusche gestanden. Das geht schon wieder weg.«

»Aha.« Der Troll zuckte mit den Schultern und lehnte sich in seinem Stuhl zurück. »Na dann los. Mach deinen technischen Zauber.«

»Ich hab’s.« Sie richtete sich auf und schenkte ihm ein breites Lächeln. »Hochgeladen, synchronisiert und bereit zum Senden, wie es aussieht.«

»Was ?« Persh’al schüttelte energisch den Kopf und starrte auf den Bildschirm. »Du kannst doch nicht einfach … Verdammt. Schon wieder kann ich mich nicht entscheiden, ob ich dich umbringen oder anbeten soll. Wie hast du das alles in dreißig Sekunden geschafft?«

»Nur der Aktivator.« Sie breitete ihre Arme aus und trat vom Tisch weg. »Du hast mich gesehen. Ich habe nichts angefasst.«

»Ich weiß. Ich hasse es.«

»Hey, ich habe diesen O’gúl-Mensch-Code-Mix auch nicht wieder zusammengesetzt. Das war Handarbeit von dir.«

Persh’al schob seinen Stuhl vom Tisch weg und schüttelte den Kopf. »Ich brauche dich nicht, um mir zu sagen, was ich getan habe.«

»Ich zolle nur Anerkennung, wenn sie fällig ist, das ist alles.«

»Aha.« Die orangefarbenen Augen des Trolls blickten sie an und sein finsterer Blick verwandelte sich in ein Grinsen. »Ja, ich weiß, Kleine. Du bekommst alles, was Spaß macht und ich bekomme die ganze Anerkennung. Damit kann ich gut umgehen. Das sollte auch so sein, oder? Ich sitze hier fest, während der Rest von euch dort drüben in voller Anarchie gegen die Krone wüten kann.«

Sie hob eine Augenbraue, als sie den Aktivator herausnahm und zurück in ihre Tasche steckte, dann nahm sie wieder ihre menschliche Gestalt an. »Ich dachte, du wolltest nicht gehen?«

»Was? Oh, richtig. Ich meine, ja, ich will gehen. Es ist nur eine schlechte Idee.«

»Es war eine ziemlich gute Idee, dass du vor zwei Tagen mit mir gekommen bist.«

»Ja, aber damals waren wir nur zu zweit und ich hatte keinen halbverrückten Chef, der mir über die Schulter schaute.« Persh’al deutete mit einem Nicken in Richtung des Büros im hinteren Bereich. Es dauerte nur fünf weitere Sekunden, in denen Cheyenne ihn schweigend anstarrte, bevor er zusammenbrach und den Rest erzählte. »Gut, du hast mich wieder erwischt. Ja, da ist noch mehr.«

Er schaute sich um, aber die anderen magischen Wesen waren in ein Gespräch an den Maschinen verwickelt, bei dem Ember und Maleshi lachten, Corian den Kopf schüttelte und Byrd und Lumil kurz vor einer Schlägerei standen.

»Kann ich ehrlich zu dir sein, Kleine?«

Cheyenne unterdrückte ein Lachen. »Es ist irgendwie unmöglich, dass du es nicht bist, nicht wahr?«

»Okay, vergessen wir mal, dass du diese seltsame Drowhypnose nutzen kannst und ich dich nicht anlügen kann.«

»Ich habe nichts getan.«

»Das tut nichts zur Sache.« Er trat auf sie zu und lehnte sich zu ihr, während er seine Stimme senkte. »Ich will an deiner Seite stehen, wenn die Krone fällt, Kleine. Ich möchte, dass du das weißt. Versuch bitte nicht, mich davon zu überzeugen, dass ich trotzdem kommen sollte, denn der Grund, warum ich bleibe, ist nicht wegen mir.«

Als er langsam seinen Blick hob und sie ansah, nickte Cheyenne. Er redet von Elarit. »Glaubst du, sie wird verstehen, warum du dich entschieden hast, zurückzubleiben?«

»Ich habe keine Ahnung. Ich hoffe, sie wird es. Ich hoffe, sie kann es. Aber ich kann es nicht riskieren, es ihr zu erklären und ich kann es nicht riskieren, zu ihr zu gehen. Scheiße, Kleine, es ist schon schwer genug, etwas vor dir zu verbergen. L’zar ist hundertmal schlimmer, wenn du dir das vorstellen kannst.«

»Ja, glaube ich gerne.« Sie steckte die Hände in die Taschen und schaute auf L’zars Büro, das sich in ein privates Zimmer verwandelt hatte. »Aber sie ist auch ein Teil dieser ganzen Sache. Sie steht hinter L’zar und versucht nicht, ihn aufzuhalten.«

»Das spielt keine Rolle. Versteh mich nicht falsch, Kleine. Selbst wenn er es herausfindet, bevor wir diesen Kampf zur Krone führen, würde er mich kämpfen lassen. Er würde sie auch kämpfen lassen und so tun, als wüsste er nicht, was vor sich geht, damit wir uns alle auf das wichtigere Ziel konzentrieren können – das einzige Ziel in seinen Augen zu diesem Zeitpunkt. Dann, wenn er weiß, dass ich ihn angelogen habe, weil ich sie nicht wirklich verlassen habe?« Persh’al zuckte mit den Schultern. »Ich würde gerne glauben, dass er nichts so Schreckliches tun würde, dass ich nicht damit leben könnte. Wir sind schon sehr lange befreundet. Wir haben uns gegenseitig öfter das Leben gerettet, als ich zählen kann. L’zar würde keinem von uns wehtun, wenn er wüsste, dass sie und ich immer noch auf den Tag warten, an dem nicht zwei ganze Welten zwischen uns liegen, aber er würde einen Weg finden, uns dafür zu beschämen. Das meiste davon würde wahrscheinlich auf sie fallen. Das kann ich nicht zulassen.«

»Mein Gott.« Cheyenne schüttelte den Kopf, unfähig, den Blick von der Bürotür abzuwenden, hinter der ihr Drowvater war. »Wir folgen also einem weiteren Diktator über die Grenze.«

»Was? Nein. Das hast du ganz falsch verstanden.«

»Hört sich nicht so an. Er kann keinen von euch dafür bestrafen, dass ihr euch nicht von ihm vorschreiben lasst, mit wem ihr zusammen sein dürft oder was auch immer.«

Persh’al schnaubte. »Du magst diese Art von Beziehung nicht, was?«

»Ich bin kein Fan davon.« Cheyenne zuckte mit den Schultern. »Es ist einfach nicht auf meinem Radar. Überhaupt nicht. Aber wir reden ja auch nicht über mich , Troll.«

»Ha. Ja, ich hab’s versucht.«

»Warum lässt du ihn diese Art von Entscheidungen für dich treffen?«

Persh’al runzelte die Stirn. »Das tue ich nicht. In diesem Fall habe ich mich seinen Anweisungen widersetzt und das ist meine Schuld. Aber warum gebe ich bei allem anderen die Zügel aus der Hand? Weil ich ihn respektiere. Ich bin ihm durch mehr enge Räume gefolgt, als selbst Corian vor langer Zeit bereit war zu gehen und ich glaube wirklich, dass L’zar die Interessen unserer beiden Welten als hohe Priorität ansieht.«

Cheyenne legte den Kopf schief. »Aber nicht als oberste Priorität.«

»Nein. L’zar Verdys ist seine eigene oberste Priorität. Das wissen wir alle.« Der Troll schnaubte. »Das heißt aber nicht, dass er sich nicht auch um andere Dinge kümmert.«

»Klingt, als würden wir eine beschissene Herrscherin durch einen beschissenen Herrscher ersetzen, der ein bisschen besser riecht.«

»Auf keinen Fall, Kleine.« Persh’al trat einen Schritt zurück und klopfte der Halbdrow auf die Schulter. »Das ist der Unterschied zwischen L’zar und der Mutter, die auf diesem Thron sitzt. L’zar würde Elarit und mich trennen, wenn er davon erfährt, vielleicht sogar für immer. Vielleicht würde er noch ein oder zwei Widerhaken mehr einbauen, um uns beide daran zu erinnern, dass wir jetzt nur noch Befehle befolgen können. Das verstehe ich. Wir würden weitermachen und es ginge uns gut und das wäre das Ende. Die Krone würde uns einladen und uns zusehen lassen, wie jedem, den wir kennen, die Magie ausgesaugt und das Fleisch von den Knochen geschält wird.«

»Alter.«

»Dann würde sie uns beide auf eine langsame, beschissene Art und Weise töten, die uns einen winzigen Funken Hoffnung gibt, dass wir es vielleicht schaffen könnten, bis wir merken, dass wir es nicht können. Dann wären wir tot, jeder, der uns etwas bedeutet, wäre tot und es gäbe niemanden mehr, der sich dagegen wehren könnte, wenn die Krone das nächste Mal entscheidet, dass ihr Urteil erforderlich ist. Soll ich dir das noch genauer erklären?

»Nö. Ich verstehe schon.« Cheyenne schluckte und schüttelte den Kopf. »Das ist ein verdammt überzeugendes Argument.«

Persh’al lachte. »Ja, entgegen deiner Aussage, dass der einzige Unterschied zwischen ihnen ist, dass er besser riecht.«

»Trotzdem. Du bist sein Freund und hast ihm lange Zeit den Rücken gestärkt. Es ist nicht in Ordnung, dass er dich für solche Dingen verurteilt.«

»Nun, er hat seine Gründe und es ist nicht das Worst-Case-Szenario. Wer weiß? Wenn ich lange genug meinen Mund darüber halten kann, kommen wir vielleicht nicht an den Punkt, an dem wir zugeben müssen, dass wir gelogen haben.« Der Troll breitete seine Arme aus und erhob seine Stimme. »Vielleicht leben wir dann alle glücklich und zufrieden mit einem Haufen Regenbögen, Einhörnern und glitzerndem Zeug, bis die Todesflamme das Ende bringt.«

Die magischen Wesen, die sich um die toten Kriegsmaschinen versammelt hatten, drehten sich zu Persh’al um und warfen ihm neugierige, verwirrte Blicke zu. Ember schnaubte. »Ich weiß nicht, wovon ihr redet, aber wenn ihr Cheyenne für etwas begeistern wollt, ist das nicht der richtige Weg.«

Cheyenne sah Persh’al mit einem breiten Lächeln an und schlug ihm mit der Faust auf die Schulter. »Ich werde nichts sagen.«

»Ich weiß, dass du das nicht wirst. Deshalb gehst du und ich bleibe hier.« Der Troll setzte sich an seinen Schreibtisch und tippte wieder auf seiner Tastatur.

L’zar ist also nicht nur ein bisschen besser als die Krone. Das klingt wie Tag und Nacht. Vielleicht ist die Prophezeiung nicht das, wofür ich sie gehalten habe .

Die Tür an der Rückseite des Lagerhauses knarrte, als sie aufschwang und L’zar von Kopf bis Fuß in Hellgrau gekleidet in der Öffnung stand. Er breitete die Arme aus und schenkte allen sein verschlagenes, wildes Grinsen. »Lasst uns Chaos anrichten, ja?«

»Wow.« Lumil legte den Kopf schief und versuchte, eine neutrale Miene zu bewahren, während Byrd kicherte. »Das habe ich nicht erwartet.« Beide Kobolde brachen in zischendes Gelächter aus. »Ist es das, was du die ganze Zeit tust? Hast du die ganze Zeit versucht, dir die perfekte Ansprache auszudenken?«

L’zar trat aus dem Türrahmen und grinste immer noch. »Das würde euch gefallen, oder?«

»Oh, ja. Ich würde gerne noch mehr Beweise dafür haben, dass du offiziell deinen Verstand verloren hast. Hast du noch andere erhellende Erkenntnisse für uns?«

»Ich erwarte nur, dass du deinen Worten auch Taten folgen lässt, Lumil.«

»Ha!«

L’zar gesellte sich zu den anderen magischen Wesen neben den kaputten Kriegsmaschinen. Er sah zu Ember hinunter und neigte den Kopf. »Entschuldige, dass ich dich heute Morgen beim Packen gestört habe.«

»Nun, ich habe dich nicht gesehen, also ist es wohl in Ordnung.« Sie sah Cheyenne an, als die Halbdrow und Persh’al seinen Tisch verließen, um sich zu den anderen zu gesellen.

Corian verschränkte seine Arme und beobachtete L’zar aufmerksam. »Du bist fertig.«

»Ja, ich bin fertig.« Der Drow warf seinem Nós Aní einen flüchtigen Blick zu und verwarf das Ganze dann, als dieser wegschaute. »Das bedeutet, dass der Rest von uns offiziell anfangen kann. Ich gehe davon aus, dass alle bereit sind.«

»Wir waren die ganze Zeit schon bereit«, murmelte Byrd.

»Ja, ich glaube, das ist uns allen bewusst.«

Corian räusperte sich und warf L’zar ab und zu einen misstrauischen Blick zu. »Wir kehren zu dem Portalrücken im Norden zurück, wo wir die geschmuggelten Maschinenteile gefunden haben. Diesmal gehen wir durch das Portal, denn die Maschinenteile und ihre ehemaligen loyalen Handlanger befinden sich jetzt in unserem Gewahrsam.«

»Der Bullenkopf kann mich mal.« Lumil stemmte eine Faust in die Luft.

»Und wenn sie es tun, dann in einer Zelle.« Corian hob eine Augenbraue und betrachtete die Koboldfrau, die nickte und den Boden fixierte. »Nach dem, was beim letzten Mal passiert ist, als Cheyenne und Persh’al die Grenze überquert haben, wissen wir, dass es keine Möglichkeit gibt, vorherzusagen, was dieses Mal passieren wird. Vielleicht werden wir getrennt. Hoffentlich nicht. Vielleicht treffen wir auf etwas, das wir noch nie zuvor gesehen haben, während wir das Dazwischen durchqueren, also seid auf der Hut und werdet nicht selbstgefällig. Es kann immer noch eine Menge schief gehen.«

»Kurze Frage.« Ember hob ihre Hand und fuhr sich damit durch die Haare. »Ich verstehe, dass wir zusammenbleiben müssen, schnell sein müssen, auf Zack sein müssen und so weiter. Macht sich denn niemand Sorgen darüber, dass ich in diesem Stuhl sitze? Denn das wird ein paar Probleme mit Steinen, Wasser, Treppen, engen Räumen und dem Laufen geben. Ihr wisst schon, das Übliche.«

Maleshi und Corian sahen einander an und die Generalin kicherte. »Wir haben gehört, dass du schon ziemlich gut zaubern kannst.«

»Nun, danke. Aber wenn du keinen Zauber kennst, der meine Beine wieder zum Laufen bringt, bin ich mir nicht so sicher, ob das, was ich tun kann, hilfreich ist.«

Byrd runzelte die Stirn und sah seine Mitrebellen an. »Meint sie das ernst?«

»Ich habe den Rollstuhl nicht aus Spaß mitgebracht, falls du das meinst.«

Cheyenne presste ihre Lippen aufeinander und wippte auf ihren Absätzen zurück. Das wird interessant werden .

»Nein, so habe ich das nicht gemeint«, antwortete Byrd. »Ich meinte, dass du deine Beine nicht zum Laufen benötigst.«

Embers Augenlider flatterten zu und sie lehnte sich nach vorn und versuchte, die Fassung zu bewahren. »Sag das noch mal.«

»Wir hätten annehmen können, dass du das bereits erkannt hast, Ember. Was Byrd nicht erklärt hat, ist, dass es Zauber gibt, für die man keine funktionierenden Beine benötigt, um sich ohne den Rollstuhl zu bewegen.« Corian gab ihr ein Zeichen, ihm von der Gruppe weg zu folgen, wo mehr Platz war.

L’zar starrte sie an und schüttelte langsam den Kopf. »Ist das jetzt nötig?«

»Es wird nur zwei Minuten dauern.«

»Ich bin hierhergekommen, um direkt loszulegen, Corian. Das ist kein Faemagiekurs für Anfänger.«

»Hey.« Cheyenne sah L’zar stirnrunzelnd an, als der Drow sich zu ihr umdrehte. »Zwei Minuten. Sie ist gut.«

»Da bin ich mir sicher. Das heißt aber nicht, dass ich geduldig warten muss.«

»In Ordnung, dann sag einfach nichts.« Cheyenne nickte Ember zu, während Corian ihr den Zauberspruch beibrachte, den sie lernen musste. »Ohne Ember wäre ich jetzt wahrscheinlich nicht hier. Wir alle wissen, dass ich sie brauche, was bedeutet, dass du sie brauchst. Ich wollte schon vor zwei Tagen gehen, aber du hast mich stattdessen mit Persh’al dorthin geschickt.«

Der Troll rieb sich den Kopf. »Ich nehme es dir nicht übel, Kleine. Mach dir nichts draus.«

L’zar senkte den Kopf und funkelte Cheyenne mit zusammengezogenen Augenbrauen an. »Und was willst du damit sagen?«

»Ich will damit sagen, dass du nicht der Einzige bist, der gewartet hat. Außer Ember und mir haben alle anderen in diesem Raum seit ein paar hundert Jahren auf dich gewartet. Das sind nur zwei weitere Minuten. Finde dich damit ab.«

Die Augen des Drows verengten sich kurz, dann holte er tief Luft und schenkte seiner Tochter ein lakonisches Lächeln. »Das fängt ja gut an, nicht wahr?«

Cheyenne schüttelte den Kopf und drehte sich um, um Ember und Corian bei ihrer Arbeit an der gegenüberliegenden Wand zu beobachten. Persh’al hat nicht gescherzt. L’zar Verdys’ oberste Priorität ist L’zar Verdys. Wehe, wenn der Rest von uns dabei draufgeht.

Eine Minute später blinkte das violettfarbene Licht um Embers Hände und hob sie langsam aus dem Rollstuhl. Corian trat mit einem zustimmenden Nicken zurück. Maleshi klatschte viermal und verschränkte wieder die Arme. »Da haben wir es. Cheyenne hat nicht übertrieben, was ihre Zauberei angeht.«

»Heilige Scheiße.« Ember blickte zu beiden Seiten hinunter und sah, wie ihre Füße einen Zentimeter über dem Boden stoppten. »Ich habe es getan. Absichtlich!«

Byrd schnaubte. »Unabsichtlich solltest du auch nicht zaubern, habe ich recht?«

Lumil stieß ihm mit dem Ellbogen in die Rippen und lächelte das Fae-Mädchen an.

»Okay. So ähnlich wie Stehen, denke ich.« Ember sah Cheyenne an und öffnete erstaunt ihren Mund. »Das ist echt. Was kommt als Nächstes?«

»Genau wie beim Laufen.« Corian nickte. »Du denkst nur daran, es zu tun.«

»Einfach daran denken.« Ember schwebte vorwärts und blieb stehen, dann brach sie in Gelächter aus. »Oh, mein Gott. Das funktioniert!«

»Ausgezeichnet.« L’zar schloss seine Augen. »Lasst uns alle feiern, indem wir uns auf den Weg machen, bitte und danke.«

»Ha!« Ember bewegte sich durch den Raum, drehte sich, um Corian anzuschauen, und schwebte dann in einem kleinen Kreis, bis sie an Cheyennes Seite stehen blieb. »Verdammt. Ich hatte schon fast vergessen, wie es ist, wenn man nicht ständig zu allen hochschauen muss. Aus diesem Blickwinkel siehst du wie eine ganz andere Person aus.«

Cheyenne schmunzelte. »Du auch.«

»Ja!« Ember sah Corian mit einem eifrigen Lächeln an und Tränen schimmerten in ihren leuchtenden, violettfarbenen Augen, bevor sie sie schnell wegblinzelte. »Danke. Das ist besser als … na ja, das ist das Beste, was mir gerade einfällt, also danke.«

»Gern geschehen.« Corian hob ihren Rucksack vom Sitz des Rollstuhls auf und gesellte sich wieder zur Gruppe. »Konzentriere dich erst einmal darauf, okay? Wir werden sehen, was passiert, wenn du deine andere Magie einsetzen musst, sobald wir den Übergang geschafft haben. Aber Cheyenne wird dich brauchen, also versuch, es nicht zu übertreiben.«

Sie nahm ihm ihren Rucksack ab und lachte, als sie ihn aufsetzte. »Nicht möglich. Niemand muss mich tragen und der Rollstuhl kann mich am Arsch lecken.«

Lumil stieß ein erschrockenes Lachen aus und krümmte sich, dann richtete sie sich schnell auf und unterdrückte ein weiteres Lachen mit solcher Kraft, dass sich ihr grünes Gesicht verdunkelte.

L’zar rieb sich die Schläfen. »Jemand muss ein Portal öffnen, damit ich aus diesem verdammten Lagerhaus raus kann.«

»Brauchst du etwas frische Luft?« Cheyenne verengte ihre Augen, als sein Blick auf sie fiel.

Ihr Drowvater blinzelte langsam und sah weg. »So ähnlich.«

Corian beäugte die beiden, bevor er ein Portal beschwor.

L’zar sieht im Moment ziemlich beschissen aus. Ich weiß nicht, vielleicht würde ich das auch, wenn ich seit ein paar hundert Jahren nicht mehr zu Hause gewesen wäre.

Das Portal öffnete sich und Corian gab den anderen ein Zeichen, hindurchzugehen. L’zar stürmte als Erster hindurch, weil er endlich die Enge eines weiteren Gebäudes verlassen wollte, das ihn einschloss. Byrd und Lumil gingen als Nächstes, gefolgt von einer strahlenden, schwebenden Ember. Maleshi nickte Persh’al zu, bevor sie verschwand.

»Zeig’s ihnen, Kleine.« Persh’al hob seine Hand in Richtung Cheyenne mit einer Geste, die sie nicht kannte: Der Mittelfinger war mit dem Daumen zu einer Schlaufe verschränkt und der Ringfinger über dem kleinen Finger gekreuzt.

Trotz der seltsamen Geste nickte sie. »Das ist der Plan.«

Corian nickte dem blauen Troll noch einmal zu, bevor er der Halbdrow durch das Portal folgte und es hinter ihnen verschwand.

Persh’al wirbelte herum und versetzte einer der kaputten Kriegsmaschinen einen schnellen Tritt in die Seite. Zwei blaue Funken sprühten in der größtenteils leeren Hülle und er sprang zischend zurück. »Fang gar nicht erst an. Glaubst du, ich will hier mit einem Haufen altem Schrott sein? Zum Glück habe ich noch etwas, auf das ich mich konzentrieren kann.«