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S amstag war Markttag in Lake Paradise. Doch bevor Murielle, Sadie und Delores ihre Besorgungen machten, trafen sie sich auch an diesem Morgen im Paradise Café  – denn heute gab es jede Menge neuen Tratsch zu besprechen.

«Ich habe gehört, dass der Corn Shop schließt!», erzählte Sadie ganz aufgeregt und hoffte, ihre Freundinnen wussten noch nichts davon.

«Tatsache?» Murielle sah sie mit großen Augen an. «Wo hast du das gehört?»

«Lydia hat es mir erzählt.» Lydia Doyle war die Frau des Bürgermeisters und arbeitete als Sekretärin und Schatzmeisterin im Rathaus.

«Na, wenn jemand so etwas weiß, dann Lydia», sagte Murielle. «Sie sitzt ja an der Quelle.»

«Wie schade», meinte Delores. «Der Corn Shop war doch immer ein netter Anlaufpunkt für die Touristen.» Sie dachte an all die hübschen Dinge, die man dort kaufen konnte. Von Figuren aus Maiskörnern über Kochbücher mit Mais-Rezepten bis hin zu den verschiedensten Popcornsorten – die alte Lorraine Smith bot alle nur erdenklichen Dinge aus Mais an.

«Welche Touristen?», fragte Sadie.

Auch Murielle war skeptisch. «Von denen wimmelt es bei uns ja nicht gerade, oder?»

«Na, ab und zu verirrt sich aber doch einer her», sagte Delores. «Edda hat erzählt, dass jetzt ein paar mehr Besucher ins Maismuseum kommen. Letzte Woche waren es ganze siebenundzwanzig. Das muss an der Bimmelbahn liegen, die lockt hin und wieder ein paar Touristen her.»

«Na, wenn du meinst. Mich hauen siebenundzwanzig Besucher die Woche nicht unbedingt um», meinte Murielle.

«Und wenn jetzt schon der Corn Shop schließt, dann kann es gut sein, dass demnächst auch das Museum zumacht», überlegte Sadie. «Überlegt mal, im letzten Jahr mussten sie schon Lexi entlassen, weil da immer tote Hose war.»

«Das war aber ein Glück für Lexi. Im Tiersalon macht sie sich nämlich sehr gut», fand Murielle. «Ich habe neulich Tinkerbell dorthin gebracht, weil sich Abigails Kaugummi in ihrem Fell verfangen hat. Und Lexi hat es ohne große Mühe wieder herausbekommen.»

«Welche war doch gleich Tinkerbell?», wollte Sadie wissen, da sie bei Murielles Katzen den Überblick verloren hatte.

Ihre Freundin besaß inzwischen neun davon, die überall im Haus herumliefen, und eine war wieder schwanger. Wyatt hatte seiner Mutter auch schon gesagt, dass sie die neuen Kätzchen auf keinen Fall alle behalten konnte. Denn es war eine Sache, ein kleines Kind mit Katzen aufwachsen zu lassen, aber eine ganz andere, wenn man sie unter all den Tieren irgendwann nicht mehr wiederfinden würde.

«Tinkerbell ist die orangefarbene, die ich mit Abigail aus dem Tierheim geholt habe. Sie hat ihr den Namen gegeben.»

«Na, das hab ich mir fast gedacht.» Sadie lachte und fragte dann: «Was gibt es sonst noch Neues?»

«Oh, ich weiß etwas!», rief Delores. «Ihr habt doch gehört, dass das Rathausdach kaputt ist, oder?»

«Ja, das hat der Bürgermeister uns ja bei der letzten Stadtversammlung erzählt. Und dann direkt gefragt, wer eine Idee für eine Spendensammlung hätte.»

«Eine Spendenaktion ist nicht mehr nötig», wusste Delores zu berichten. «Weil Vincent Highmore nämlich alle Kosten übernimmt.»

«Das tut er?», fragte Sadie, und sie war gar nicht mal erstaunt. Denn natürlich hatte sie, wie auch alle anderen, mitbekommen, dass der Mann dabei war, sich zu ändern. Der früher einst so mürrische und egoistische Vincent Highmore schien wie verwandelt, seit er sich mit seinem lang verschollenen Sohn Aaron versöhnt hatte.

«Ja, ist das nicht wunderbar?» Delores lächelte vor sich hin.

«Da muss ich dir recht geben.» Murielle nickte und biss in ihren Muffin. «Woher hast du diese Information? Von Vera?» Vera war die Haushälterin von Vincent Highmore und gut mit Delores befreundet.

«Genau.»

Nolan kam vorbei und fragte, ob alles in Ordnung sei.

«Bei uns ist alles bestens, und bei dir?», erkundigte sich Murielle und sah Nolan herausfordernd an. Es musste doch möglich sein, irgendwas aus dem Burschen herauszubekommen.

«Bei mir ist alles super», gab er jedoch lediglich zur Antwort.

«Ja? Und hat das auch einen bestimmten Grund?»

«Braucht es einen? Die Sonne scheint, das Leben ist schön.»

Nolan ging nicht darauf ein, und das ärgerte Murielle. Also fragte sie nun freiheraus: «Willst du uns nicht endlich verraten, wer dir dieses Lächeln auf die Lippen zaubert?»

«Na ihr, meine Lieben.» Er schmunzelte und ging zum nächsten Tisch.

«Warum tut er nur so geheimnisvoll?», fragte Sadie.

«Das wüsste ich auch gern.» Murielle sah Nolan hinterher.

«Glaubt ihr immer noch, dass Nolan ein Techtelmechtel mit diesem Dylan hat?», fragte Delores.

«Nein, eigentlich glaube ich das nicht», meinte Murielle. «Er kommt mir eher so vor, als würde er auf Frauen stehen.»

Sadie lachte. «Warum? Hat er etwa mit dir geflirtet?»

«Sehr lustig!», murrte Murielle. «Du weißt schon, wie ich es meine.»

«Jaja …» Sadie zwinkerte ihrer Freundin zu und trank den letzten Schluck aus ihrem Becher. «So, ich bin fertig. Seid ihr bereit für den Wochenmarkt?»

«Ich bin bereit», sagte Delores und griff nach ihrer Handtasche.

«Dann lasst uns gehen.» Murielle stand auf. Sie legte Nolan einen Fünfdollarschein auf den Tisch und ging zur Tür.

Mal sehen, was der Markt heute bereithält, dachte sie. Und dabei hatte sie nicht nur Obst und Gemüse im Kopf, sondern vor allem auch den neuesten Klatsch und Tratsch.