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Karriereaus

Jetzt ist es raus

Er kam hierher

Sein Herz war schwer

Verloren viel

Ganz ohne Ziel

Doch unser Ort

Schob alle Sorgen fort

Unser schöner See

Nashville ade

Er kann wieder singen

Und anderen Freude bringen

«G laubt ihr, es handelt von ihm ?», fragte Sadie aufgeregt.

Delores betrachtete das Gedicht, das Buddy soeben im Café verteilt hatte. «Es kann schon sein, oder?»

Murielle sah ihre Freundinnen eine nach der anderen an und konnte nicht glauben, wie einfältig die beiden waren. Das war doch wohl offensichtlich, oder?

«Natürlich handelt es von ihm! Von wem soll es denn sonst handeln?»

Sadie nickte langsam. «Ja, Savannah hat mir erzählt, dass er aus Tennessee kommt.»

«Was? Und das hast du uns nicht gesagt?» Murielle war empört.

«Ich habe es nicht für wichtig gehalten», erwiderte Sadie, obwohl der eigentliche Grund war, dass sie es schlicht vergessen hatte. Die Sorge um Savannah hatte sie in den letzten Tagen voll eingenommen.

«Aber natürlich ist es das! Nashville, Tennessee! Sadie! Das steht für Countrymusik. Das weiß doch jeder!»

«Ja, und?» Sadie fühlte sich ein wenig angegriffen. «Woher sollte ich denn wissen, dass er Sänger ist? Klar, er hatte bei seiner Ankunft eine Gitarre dabei, aber er ist ja nicht gerade singend durch die Straßen gelaufen.»

«Er hat gestern Abend gesungen», meldete sich Nolan zu Wort, der ihnen soeben die Muffins brachte. Schon seit er vor einer Stunde Buddys Gedicht gelesen hatte, versuchte er, sich zu erinnern, ob Dylan je seinen Nachnamen erwähnt hatte. Denn dann könnte er ihn googeln. Doch es wollte ihm partout nicht einfallen. Und Savannah danach zu fragen, war keine Option, vor allem da Nolan sie zurzeit lieber mied.

«Wo hat er gesungen?», wollte Murielle wissen.

«In der Tavern . Gestern war Karaoke-Abend.» Nolan holte sein Smartphone hervor und gab nun einfach ein paar Suchbegriffe ein. Vielleicht würde er es ja auch so herausbekommen.

«Und da hat er tatsächlich ein Lied zum Besten gegeben?», fragte Delores, die das alles mehr als spannend fand.

«Ja. Eins von den Goo Goo Dolls, und Dylan war fantastisch.» Nolan hatte sich schon gestern Abend darüber gewundert, wie gut Dylan war, hatte aber angenommen, er wäre einfach ein Typ, der gut singen konnte. Extrem gut. Dass jedoch mehr dahinterstecken könnte, war ihm erst in den Sinn gekommen, nachdem er Buddys Zeilen gelesen hatte.

Die Goo Goo Dolls kannte keine der drei Damen, doch das war gerade auch nicht von Bedeutung.

«Na? Hast du was herausgefunden?», fragte Sadie neugierig und versuchte, einen Blick auf Nolans Handy zu erhaschen.

Nolan, der inzwischen alle Suchbegriffe eingegeben hatte, die ihm eingefallen waren – Dylan, Nashville, Karriereaus, Countrysänger  –, war endlich fündig geworden. Das glaubte er zumindest. Denn er war auf einen Artikel gestoßen, der von einem aufstrebenden Countrysänger namens Dylan Heard berichtete. Dieser habe vor knapp einem Jahr von heute auf morgen seine angehende Karriere hingeschmissen. Wohl wegen persönlicher Probleme. Vom Tod eines Familienmitglieds war die Rede, in weiteren Berichten aber auch von einer Frau, die ihm das Herz gebrochen hatte, und sogar von Drogenexzessen. Nirgendwo war ein Foto des Sängers abgebildet, deshalb gab Nolan nun schlicht Dylan Heard ein. Und da erschien er tatsächlich auf dem Display – jedoch war es ein komplett anderer Dylan als der, den Nolan kannte.

Er drehte das Handy in Richtung der drei Damen und zeigte ihnen das Bild.

«Ja, das ist er!», rief Sadie aus. «Eindeutig!»

«Er sieht aber so … ganz anders aus», meinte Delores, die ihn fast nicht erkannt hätte in seiner braunen Wildlederjacke, mit den kurzen Haaren und dem strahlenden Lächeln im Gesicht. Der Mann, den sie kannte, sah immer traurig aus.

«Ja, Ladys, ich würde mal sagen, er ist es wirklich.» Nolan betrachtete Dylan Heard eingehend. Und auch auf ihn wirkte er tatsächlich wie ein vollkommen anderer Mensch. Er dachte an den gestrigen Nachmittag zurück, den er mit diesem stillen, zurückhaltenden und bescheidenen Typen verbracht hatte. Nicht in einer Million Jahre hätte er ihn für einen Musikstar gehalten.

«Hier steht, er hatte sogar ein paar kleinere Hits», erzählte er den Frauen, die ihn noch immer wie gebannt ansahen. «Sogar einen auf Platz 38 der Charts!»

«Wow!», rief Murielle aus.

«Aber wie hat Buddy denn davon erfahren?», fragte Delores verwundert.

Darauf wussten die anderen leider auch keine Antwort.