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A ls Delores an diesem Dienstagmorgen ins Paradise Café trat, saßen Murielle und Sadie schon ganz ungeduldig da und warteten auf sie.

«Guten Morgen, Murielle und Sadie», sagte sie. «Huhu, Nolan und Rhonda!» Sie winkte den beiden zu, die hinter der Theke standen.

Nolan gab gerade eine telefonische Bestellung auf, Rhonda belegte Bagels. Beide winkten zurück.

«Da bist du ja!», rief Murielle. «Komm, setz dich! Es gibt so viel Neues zu berichten, und ich muss um neun in der Bücherei sein.»

«Was gibt es denn Neues?», erkundigte sich Delores. «Etwas über unseren Countrysänger?»

«Das ist ja eben die Frage», entgegnete Murielle.

Verwirrt blickte Delores ihre Freundinnen an, und da begann Sadie auch schon zu erzählen. «Savannah ist gestern endgültig ausgezogen. Hat sich von Gene getrennt …»

«Es ist aus und vorbei, und diesmal so richtig», unterbrach Murielle sie.

Sadie sah ihre Freundin ein wenig missmutig an. «Ich erzähle, sie ist immerhin meine Nichte, okay?»

«Nur zu!» Murielle gab sich ziemlich schnell geschlagen. Es war keine Zeit zum Diskutieren, gab es doch so viel zu berichten.

«Also, Savannah hat zusammen mit Helena all ihre Sachen gepackt und ins Paradise Inn gebracht. Und Gene war darüber gar nicht glücklich, wie du dir denken kannst.»

«Wie hat er reagiert?», wollte Delores wissen. Sie war nun auch sehr neugierig, da sie von alldem überhaupt nichts mitbekommen hatte. Gestern hatte sie ein wenig mit ihren Knien zu kämpfen gehabt und war nach ihrem Cafébesuch am Morgen nicht mehr aus dem Haus gegangen.

«Gene war völlig durch den Wind. Zuerst wollte er Savannah nicht einmal gehen lassen. Er hat ihr sogar den Weg zum Schlafzimmer versperrt.»

«Woher weißt du das denn so genau? Von Savannah?», fragte Delores.

Sadie schüttelte den Kopf. «Von Donna. Helena war doch dabei und hat ihr alles haargenau erzählt.»

«Ach so. Und dann? Als sie zum Hotel gefahren ist, was hat Gene da gemacht?»

«Darf ich?», bat Murielle, und Sadie nickte.

«Gene hat schon vormittags alles Bier ausgetrunken, das er noch im Haus hatte, dann hat er vor Wut mit Stühlen um sich geworfen. Dabei sind sogar die hübschen Hochzeitsbilder zu Bruch gegangen.»

«Herrje.»

«Ja, und dann hat er sich bei Howie gleich noch mehr Bier gekauft.»

«Armer Gene», sagte Delores, woraufhin ihre Freundinnen sie schockiert ansahen.

«Armer Gene?» , fragten beide gleichzeitig, weil sie dachten, sich verhört zu haben.

«Na, er hat es ja auch nicht leicht. Seine Frau hat ihn immerhin verlassen, und jetzt steht er ganz allein da.»

«Aber daran ist er doch selbst schuld!», fand Murielle.

«Da bin ich derselben Meinung», sagte Sadie. «Und wenn ihr es genau wissen wollt, bin ich froh, dass Savannah endlich den Mut aufgebracht hat, einen Schlussstrich zu ziehen.»

«Das musst du uns nicht sagen, das wissen wir doch längst», erinnerte sie Murielle.

«Aber … was hat das denn jetzt alles mit dem Countrysänger zu tun?», wollte Delores wissen, denn sie war nach wie vor ganz schön durcheinander.

«Na, ist es nicht seltsam, dass Savannah ihren Mann gerade jetzt verlässt?», fragte Murielle. «Eine Woche nachdem der Fremde hier aufgetaucht ist?»

«So fremd ist er ja gar nicht mehr, wir wissen doch inzwischen, wer er ist», sagte Delores, die mal wieder schwer von Kapee war und den Zusammenhang nicht verstand. Dann ging aber auch ihr ein Licht auf. «Oooh! Meint ihr etwa …»

«Genau das meinen wir», sagte Sadie und nickte. «Ich hatte da ja von Anfang an so ein Gefühl … als wenn zwischen den beiden etwas wäre. Savannah hat immer so verträumt dreingeschaut, wenn von ihm die Rede war.»

«Das hattest du aber bisher nicht erwähnt», entgegnete Murielle.

«Ich habe es aber gedacht.»

Nolan trat an den Tisch. «Na, Ladys, was gibt es Neues?» Natürlich hatte auch er schon von der Trennung gehört, und er wusste ja sogar mehr als die Tratschtanten, nämlich dass Savannah und Dylan am Sonntag ein Date gehabt hatten. Allerdings hatte er das den dreien nicht erzählt, und er hatte es auch nicht vor. Denn er wünschte sich für seine Freundin nur das Beste. Er hatte viel zu lange mit angesehen, wie unglücklich sie gewesen war, und er würde sich freuen, wenn sie ihr Glück mit Dylan finden würde. Zumal er den Kerl inzwischen auch schon richtig gernhatte. Gestern war er zu ihm gekommen und hatte sich für sein abweisendes Verhalten am Sonntag in der Tavern entschuldigt, doch das war schnell vergeben und vergessen gewesen.

Der Grund, aus dem Nolan die drei Damen jetzt nach Neuigkeiten fragte, war eigentlich auch nur der, dass er hören wollte, was sie bereits wussten.

Murielle brachte sich in Position. «Savannah und Gene haben sich getrennt, diesmal endgültig.»

«Ja, das hab ich gehört. Ich bin froh, dass sie diese Entscheidung getroffen hat.»

«Ja, das bin ich auch», schloss Sadie sich ihm an.

«Und sonst so?», fragte er.

«Hmmm …», überlegte Murielle. «Es ist zwar nicht halb so spannend, aber ich habe da ein Vögelchen zwitschern hören, dass Lindsay eventuell den alten Corn Shop übernimmt.»

«Ach ja?» Delores blickte auf und überlegte, was die ehemalige Maisprinzessin aus den Ladenräumen wohl machen könnte. «Will sie dann ebenfalls Mais-Souvenirs anbieten?»

Murielle schüttelte den Kopf. «Nein, sie will den Laden in ein Nagelstudio umwandeln. Sie hat doch letztes Jahr diesen Kurs belegt, und ich lasse mir seitdem auch die Nägel bei ihr machen.»

«Ja, deine Nägel sehen wirklich immer toll aus», sagte Delores, die selbst nie auf die Idee kommen würde, sich ihre Nägel bunt lackieren und mit Glitzersteinchen bekleben zu lassen. Sie ging allenfalls mal zur Pediküre bei Chen Lu, die einen Salon für Fußpflege, Massagen und asiatische Heilkunst betrieb.

«Und ob! Lindsay versteht ihr Handwerk.» Murielle hoffte sehr, dass die junge Frau den Zuschlag bekam. Sie würde sich auf jeden Fall bei der Gemeindeversammlung morgen dafür einsetzen.

Nolan war froh, dass offenbar noch nichts über das zarte Band durchgesickert war, das sich zwischen Savannah und Dylan entwickelte. Er ging zurück hinter die Theke, rückte eine Fondantblume zurecht, die drohte, vom Cupcake zu rutschen, und lächelte vor sich hin.

Weil er selbst mindestens genauso verliebt war wie Savannah und Dylan.