18. Kapitel
Jackson
 
Die Erde rieselt leise auf den Sarg nieder. Mit versteinerter Miene sieht Madison zu, wie die Holzkiste nach und nach in der Grube verschwindet. Ihr Gesicht ist so unglaublich blass unter dem schwarzen Schleier, dass man sie für durchscheinend halten könnte. Ihre Hände zittern, obwohl sie diese vor sich gefaltet hat. Der abwesende Blick ihrer Augen jagt mir Angst ein. Seit dem Moment, der alles verändert hat, hat sie nicht mehr aufgehört zu weinen. Trotz der Schminke sieht man ihr die Qual an. Doch für das Begräbnis hat sie eine Maske aufgesetzt, die niemand durchschauen können soll.
Ich möchte zu ihr gehen, nach ihrer Hand greifen, einen Arm um sie legen, irgendetwas tun, damit sie bemerkt, nicht allein zu sein. In den letzten Tagen habe ich sie allerdings nicht berühren dürfen. Sie hat sich geweigert, auch nur ein Wort zu viel an mich zu richten. Das FBI hat uns in einem heruntergekommenen Hotel untergebracht. Zwei Zimmer mit einer Verbindungstür. Doch die hat Madison abgeschlossen. Sie hat sich vor mir verbarrikadiert, während sie das Begräbnis ihres Vaters vorbereitet hat.
Natürlich gibt sie mir die Schuld an seinem Tod. Für sie hat er meinen Schuss nicht provoziert. In ihren Augen gibt es keine Rechtfertigung für mein Tun. Ich habe sie beschützt und dadurch anscheinend verloren.
Madison tritt von der Grube fort, in die der Sarg hinabgelassen worden ist. Sie bleibt an der gleichen Stelle neben mir stehen, an der sie zuvor ausgeharrt hat. Und trotzdem habe ich das Gefühl, sie hätte sich noch weiter von mir entfernt.
Der Pfarrer sieht auffordernd in die Runde, doch niemand hat das Bedürfnis, Erde auf die Kiste zu werfen. Niemand will die Gelegenheit für eine letzte kurze Zwiesprache mit Ares nutzen. Niemand will sich von ihm verabschieden.
Das stellt keine Überraschung für mich dar. Keiner der Anwesenden trauert auch nur ansatzweise so sehr über seinen Verlust wie Madison.
Es haben nicht viele Menschen den Weg zum Friedhof gefunden. Die Zeit und der Ort mussten geheim gehalten werden. Das FBI befürchtet Racheaktionen von Dark Ghosts , und ich stimme zur Abwechslung mit ihnen überein. Ob Madison bemerkt, wie wenige ihrem Vater die letzte Ehre erweisen? Macht es ihr etwas aus? Sie hat keine Familie, die sie unterstützt. Mit Ares‘ Geschäftspartnern hatte sie zum Glück nicht viel zu tun.
Special Agent Foster ist in Begleitung von einigen FBI-Beamten erschienen. Er möchte wohl Solidarität zeigen, damit er seine neue Lieblingszeugin nicht vor den Kopf stößt. In den letzten Tagen ist es mir gelungen, ihn von Madison fernzuhalten. Sie hat den Raum für ihre Trauer gebraucht. Die Wutanfälle, die Zusammenbrüche, das wütende Schweigen. All das ist ihr Recht, doch ich fürchte, Foster wird dafür kein Verständnis zeigen. Im Augenblick wäre sie nicht in der Lage, einen Gerichtssaal zu betreten, ohne die Jury davon zu überzeugen, dass sie ihre Gefühle nicht unter Kontrolle hat. Foster könnte sie in diesem Zustand nicht in den Zeugenstand rufen und das wäre eine Katastrophe. Ich bin froh, dass er bisher von ihrem selbstzerstörerischen Zustand nichts gemerkt hat.
Madisons Aussage wird immer noch benötigt, um die Dark Ghosts zu zerschlagen. Sie wird dafür sorgen, dass die Beweise anerkannt werden, die sie von der Ranch mitgenommen hat. Weder Littlefinger noch einer der anderen Männer darf Ares‘ Nachfolge antreten. Solange sich mehr als eine Handvoll Ghosts außerhalb der Gefängnismauern zusammenrotten können, besteht Gefahr für Madison.
Im Internet kursieren jede Menge Gerüchte. Drohungen wurden in Internetforen ausgestoßen. Es gibt Videos, in denen maskierte Männer ein Kopfgeld auf Madison ausgesetzt haben. Ihr Leben wird von Ares‘ Anhängern bedroht, die seinen Tod rächen wollen. Auch ich stehe angeblich auf ihrer Abschussliste. Ich wünschte, ich könnte diese Nachrichten als Unfug abtun. Aber ich weiß, dass die Ghosts erst Ruhe geben werden, wenn sie Madison und mich aus dem Weg geräumt haben. Wir können nur für die Sicherheit der Frau, die ich liebe, sorgen, wenn wir die Organisation in Einzelteile zerlegen.
Die Worte des Glaubensbekenntnisses und des Vater Unsers kommen mir schwer über die Lippen. Sie erscheinen mir falsch, hier am Grab eines Mannes, der bestimmt direkt in die Hölle fahren wird.
Der Pfarrer spricht den Schlusssegen. Jetzt wäre die Gelegenheit für Beileidsbekundungen. Die meisten Gäste verlassen allerdings mit schnellen Schritten den kleinen Friedhof, den Foster ausfindig gemacht hat. Nur in diesem Rahmen hat Madison persönlich von ihrem Vater Abschied nehmen können. Der schlichte Grabstein, der in den nächsten Tagen geliefert wird, trägt einen falschen Namen. Da das meiste Vermögen der Familie Lavender aus illegalen Geschäften stammt, existiert kein Erbe für Madison. Ob sie überhaupt etwas Geld erhalten wird, ist noch nicht klar. Um die notwendigen Ausgaben für das Begräbnis bezahlen zu können, habe ich ihr Geld geliehen. Sie wollte es nicht annehmen, doch schließlich blieb ihr keine andere Wahl. Das, was ich von Lavender erhalten habe, möchte ich ohnehin nicht behalten. Das, was ich vor meiner Zeit bei ihm gespart habe, wird mir zum Auskommen reichen müssen.
»Sollen wir gehen, Madison?«, frage ich.
Sie ignoriert mich, starrt auf den riesigen Erdhaufen, mit dem die Mitarbeiter des Friedhofs später das Grab bedecken werden. Die beiden Männer warten bereits in einiger Entfernung und wagen sich offensichtlich nicht an uns heran.
»Wir besorgen etwas zu essen für dich«, schlage ich vor. »Du hast nichts gefrühstückt. Wenn du nicht auf dich achtgibst, überstehst du die nächsten Tage nicht.«
»Und wenn schon.«
»Ich verstehe, wie du dich fühlst, aber ein paar Bissen wirst du hinunterwürgen müssen.«
Mehr als ein abfälliges Schnauben hat sie nicht für mich.
Keine Ahnung, wie ich reagieren soll, was ich tun kann, um Madison klar zu machen, dass sie sich nicht ewig quälen kann. Nur weil ich für Ares nichts als Verachtung übrighabe, kann ich nicht von Madison erwarten, dass sie ihn so leicht gehen lässt.
»Miss Lavender. Mein aufrichtiges Beileid.« Special Agent Foster tritt zu uns. Er streckt Madison die Hand entgegen, die sie ergreift.
»Ich danke Ihnen.« Ihr gelingt ein kleines Lächeln, obwohl ihr doch bewusst sein muss, dass Foster seine Worte nicht ernst meint. Bestimmt ist er froh, sich keine Sorgen mehr darüber machen zu müssen, ob er genug Beweise für eine Verurteilung von Ares zusammenkratzen kann.
»Ihr Freund hat Recht«, fährt Foster fort. »Sie müssen bei Kräften bleiben. Ich brauche Sie für das Verfahren gegen die Dark Ghosts
»Er ist nicht mein Freund.«
Ein Messerstich mitten ins Herz. Gott, diese Frau ist mein Leben. Wir haben von einer gemeinsamen Zukunft geträumt. Stattdessen habe ich jetzt anscheinend lediglich die Rolle des Bodyguards über. Wie soll mir das reichen, wenn ich weiß, wie perfekt es sich anfühlt, sie in meinen Armen zu halten?
Foster zuckt mit den Schultern. »Wie auch immer. Wir sind gerade dabei, die Vorkehrungen für Ihre Unterbringung im Zeugenschutzprogramm zu treffen. Vielleicht können wir uns zusammensetzen und die weitere Vorgehensweise besprechen.«
»Eine gute Idee«, stimmt Madison zu. »Jackson und ich müssen nicht zusammen untergebracht werden. Die diesbezüglichen Pläne haben sich geändert.«
»Wie bitte?« Es ist eine Sache, dass sie mich nicht mehr lieben kann. Wenn sie mich allerdings auch nicht mehr als Bodyguard braucht, was bin ich dann noch für sie? Welchen Nutzen habe ich dann überhaupt noch?
»Es wäre gut, wenn wir auf Abstand gehen«, erklärt sie. »Wir benötigen beide Freiraum, um in Ruhe überlegen zu können, was noch zwischen uns ist.«
Wütend stemme ich die Hände in die Hüften. »Du sagt mir also, du willst den Zeugenschutz allein antreten?«
Sie nickt.
»Damit du herausfinden kannst, ob ich dir etwas bedeute? Weil deine Liebe zu mir plötzlich verschwunden ist?«
Sogar durch den Schleier ist deutlich erkennbar, dass Röte über ihr Gesicht kriecht. Sie senkt den Kopf.
Special Agent Foster räuspert sich. »Vielleicht sollte ich irgendwo dort drüben warten, bis Sie alles Notwendige geklärt haben.«
»Das halte ich für eine ausgezeichnete Idee«, blaffe ich und warte, bis der FBI-Beamte sich unter einen nahen Baum zurückgezogen hat. Erst dann wende ich mich der Frau zu, die gerade versucht, mir mein Herz zu brechen. »Sieh mir in die Augen, Madison, und erkläre mir das alles noch einmal genau.«
»Ich kann mich nicht mit dir zusammen in eine Wohnung sperren lassen und rund um die Uhr deine Nähe ertragen«, sagt sie leise. »Im Moment ist das alles zu viel. Ich kann dich nicht … ich darf dich nicht … Diese Folter würde ich nicht ertragen. Dein Anblick schmerzt viel zu sehr.«
Meine Gegenwart empfindet sie als Folter? Es fühlt sich an, als würde sie mein Herz mit einer Kettensäge entzweischneiden. Wenn sie tatsächlich so fühlt, kann ich nichts dagegen tun. Ich darf nicht verlangen, dass sie mir eine Chance gibt. Ich habe kein Recht, etwas von ihr zu fordern, was sie nicht möchte. Sie zu verletzen ist das Letzte, was ich jemals vorgehabt habe. Von Anfang an hat sie einen Beschützer gebraucht. Da ich diese Rolle akzeptiert habe, werde ich jetzt nicht davon abweichen. Dennoch kann ich nicht kampflos einen Schritt in die zweite Reihe machen.
Als ich meine Hand hebe, um ihren Arm zu berühren, weicht sie zurück. Das ist noch schlimmer für mich als jede Beleidigung, die sie mir an den Kopf werfen könnte.
»Mir ist bewusst, dass du eine schwierige Zeit durchlebst. Du hast mit vielen Dingen zu kämpfen, die du nicht beeinflussen kannst. Ich verstehe, dass du deinen Freiraum brauchst, um zu verarbeiten, was passiert ist. Wenn du denkst, meine Anwesenheit würde dich bei deiner Trauer behindern, ziehe ich mich zurück.«
»Das ist auch das Mindeste, nachdem du die Verantwortung für meinen Kummer trägst«, erinnert sie mich mit rauer Stimme.
Diese Worte trägt sie seit dem Tod ihres Dads in sich. Nachdem sie mir direkt danach Vorhaltungen gemacht hat, hat sie sich in den letzten Tagen aufs Schweigen verlegt. Ihr vorwurfsvoller, schmerzgetränkter Blick hat mich nur selten gestreift. Sie hat versucht, mich zu ignorieren. Das hätte mich darauf vorbereiten sollen, dass sie mich endgültig aus ihrem Leben streichen will.
Warum ist mir nicht von Anfang an klar gewesen, worauf es hinauslaufen würde? Weshalb habe ich überhaupt noch Hoffnung auf eine gemeinsame Zukunft gehegt, nachdem sie deutlich gemacht hat, meine Entscheidung für den Schuss nicht zu verstehen? Das ist wohl auch etwas viel verlangt.
Wie verzeiht man jemandem, dass er den eigenen Vater getötet hat?
Vermutlich ist das gar nicht möglich. Vermutlich wird sie mich jetzt für immer als Mörder ihres Dads sehen. Es spielt keine Rolle, welche Art von Mensch er war. Die Umstände, die dazu geführt haben, machen keinen Unterschied. Ich habe ihr den letzten Rest an Familie genommen, den sie noch hatte. Sie hätte niemals eine normale Beziehung zu ihm führen können. Ich habe ihr jedoch die Möglichkeit genommen, sich noch einmal mit ihm zu unterhalten. Und sei es nur durch die Scheibe in einem kahlen Gefängnisraum.
»Madison, es tut mir leid …«
»Was nutzt es mir zu wissen, dass du deine Tat bereust?«, fragt sie bitter.
Ich überlege, sie darauf hinzuweisen, dass sie sich diesbezüglich irrt. Zwar würde ich ihr gerne den Schmerz ersparen. Ihrer Behauptung würde ich trotzdem nicht zustimmen. Als Ares seine Waffe auf seine eigene Tochter gerichtet hat, musste ich handeln.
»Wir müssen darüber reden«, bitte ich sie. »Lass mich dir erklären …«
Sie schüttelt den Kopf. »Deine Worte machen alles nur noch viel schlimmer. Gib mir Raum, um mich in Ruhe von meinem Vater zu verabschieden. Dann soll Special Agent Foster mich sofort in eine neue Unterkunft bringen. Allein.«
In meinem Magen entsteht ein harter Knoten. »Ist dir bewusst, dass das vermutlich einen Abschied für immer bedeutet?«
»Dann soll es so sein.« Sie wendet sich ab.
»Wenn wir erst einmal getrennt Teil des Zeugenschutzprogramms sind, wenn wir erst eigene Leben aufgebaut haben, wird es nicht mehr so einfach, einen Weg zurück zu finden. Zurück zu uns. Zurück zu den Träumen, die wir immer noch realisieren können.«
»Dieser Weg ist uns schon jetzt versperrt«, erklärt sie über ihre Schulter hinweg. Ihre Stimme klingt tränenerstickt. Sie starrt in das Grab.
Darin wird so viel mehr begraben als ihr Vater, der ihr niemals genug Liebe entgegengebracht hat. Sieht sie denn nicht, dass sie auch unsere Verbindung mitsamt dem Sarg unter Erde begräbt?
Ich will es nicht so weit kommen lassen. »Möglicherweise müssen wir unsere Pläne nur anpassen, nur leicht verändern.«
»Nein, dazu bin ich nicht in der Lage.«
»Dann stoß mich weg, wenn du dir im Moment nicht anders zu helfen weißt. Ich werde es vorübergehend akzeptieren. Bevor du eine endgültige Entscheidung für deine Zukunft triffst, nimm dir einen Augenblick Zeit, um über uns nachzudenken. Diese Trennung muss nicht für immer sein. Ich werde mich gedulden. Wenn du zu lange wartest, gibt es jedoch keine Möglichkeit mehr für uns.«
Sie schlingt ihre Arme um sich. »Vielleicht wäre es besser, du würdest dir keine zu großen Hoffnungen machen.«
Gott, diese Frau frustriert mich. Egal was sie quält und was sie braucht, um darüber hinwegzukommen, ich glaube nicht, dass es ihr hilft, wenn sie mich aus ihrem Leben ausschließt. Ich will nicht glauben, ihre Gefühle für mich könnten tatsächlich ausradiert worden sein. Vielleicht leide ich unter ähnlichen Wahnvorstellungen über das, was richtig ist, wie Madison?
»Ich hoffe, du findest deinen Frieden«, gestehe ich ihrem Rücken. »Ich hoffe, du kannst glücklich werden. Ich wünsche dir alles Gute für die Zukunft, Madison.«
»Wie soll ich jemals wieder glücklich sein?«, fragt sie.
Darauf habe ich keine Antwort für sie, die sie jetzt hören will. Wenn sie mir die Gelegenheit geben würde, eine echte Chance einräumen würde … Genug jetzt. Ich würde es mir selbst nicht schwieriger machen, als es ohnehin war.
»Irgendwann wird der Schmerz vergehen«, behaupte ich. »Die Zeit wird kommen, in der die Erinnerung an deinen Vater nicht mehr weh tun wird. Und dann kannst du erkennen, was dir wirklich wichtig ist, wer du sein willst, welche Träume du verfolgen willst.« Zu schade, dass du mich nicht Teil davon sein lassen möchtest, wie du zu einer Person wirst, die etwas verändern kann.
Sie antwortet mir nicht.
Ich warte ein paar Sekunden, dann wende ich mich ab und stapfe zu Special Agent Foster, der mir neugierig entgegensieht. »Können Sie sie noch heute in eine neue Unterkunft bringen?«, frage ich knapp.
»Natürlich.«
»Schön, dann bekommt sie, was sie will. Passen Sie gut auf sie auf, sonst mache ich Ihnen die Hölle heiß.«
Foster nickt. »Meine Männer und ich geben unser Bestes. Der nächste Schuss zu ihrem Schutz stammt aus unserer Waffe. Eine Schande, dass Sie abgedrückt haben, bevor ich die Gelegenheit dazu erhalten habe. Ich denke, es wäre alles anders gelaufen, wenn jemand vom FBI statt Ihnen Ares zur Strecke gebracht hätte.«
»Ich wünschte, ich wäre da genauso sicher wie Sie. Bestimmt hätte es einiges leichter gemacht. Aber ich befürchte, sie hätte einen anderen Weg gefunden, um mich zu hassen.« Seufzend werfe ich einen Blick zurück zu Madisons schwarz gekleideten, schmalen Gestalt neben dem Grab. Möglicherweise ist es besser, dass sie mich nicht so kennengelernt hat, wie ich tatsächlich bin. Wenn sie mich irgendwann hassen würde, weil ich nicht so bin, wie sie denkt, wäre es noch schlimmer.
»Was haben Sie jetzt vor?«, fragt Foster.
»Wenn ich das wüsste. Ich habe mir niemals Gedanken über ein Leben außerhalb der Organisation gemacht. Nachdem ich Madison kennengelernt habe, entstand der Traum von einer gemeinsamen Zukunft. Ohne sie macht der nicht mehr viel Sinn. Ich brauche neue Ziele. Keine Ahnung, womit ich meinen Lebensunterhalt bestreiten soll.«
»Mit Ihren kräftigen Muskeln werden Sie keine Schwierigkeiten haben, einen Job im Baugewerbe zu finden. Wir werden Sie dabei gerne unterstützen.«
Das, was den Menschen an mir sofort auffällt, ist nicht zwangsläufig das, was ich auf Dauer machen will. Aber ich muss die wenigen Möglichkeiten nutzen, die sich mir bieten. Als Söldner im privaten Sicherheitssektor werde ich mich bestimmt nicht wieder verdingen. Ich werde für niemanden mehr die Drecksarbeit machen. Außerdem wäre das FBI vermutlich nicht erfreut, wenn ich meine zweite Chance damit vergeude, mich wieder in kriminelle Machenschaften zu verstricken.
»Wenn Sie mir etwas organisieren könnten, wäre das super.« Ich lächle Foster dankbar an. »Sie kennen meine finanzielle Situation. Das Taschengeld, das Sie mir zustecken, wird nicht auf Dauer reichen.«
»Damit Sie nicht auf die schiefe Bahn geraten, werde ich meine Verbindungen wohl spielen lassen müssen.« Foster zieht eine Grimasse.
Mein Blick wandert neuerlich zurück zu Madison. Ich werde ab jetzt auf der richtigen Seite des Gesetzes bleiben. Dank ihr will ich ein besserer Mensch werden. Nicht für sie, sondern für mich. Ich möchte jemand sein, an den man sich bei Problemen wenden kann, ohne zu befürchten, in die Dunkelheit gezogen zu werden.
»Tut mir leid, dass Sie beide es nicht geschafft haben, Jackson. Ich habe bereits einige Paare gesehen, die an den Schwierigkeiten zerbrochen sind, die das Zeugenschutzprogramm so mit sich bringen. Als ich Sie zwei kennengelernt habe, dachte ich eigentlich, Sie würden es schaffen.«
Ein seltsames Kompliment. Ich weiß nicht, was ich davon halten soll, nachdem er bestimmt öfter mit irgendwelchen Buchhaltern zu tun hat als mit Töchtern von Drogenbaronen. Aber ich akzeptiere die nette Geste.
»Sie halten mich auf dem Laufenden, wie es ihr geht, nicht wahr? Ich würde gerne erfahren, wo sie lebt, was sie dort tut, ob sie etwas braucht. Und wenn Sie sie übersiedeln, informieren Sie mich bitte ebenfalls. Können Sie das für mich tun?«
Foster nickt. »Wenn es mir möglich ist, erhalten Sie alle Details, die Sie interessieren.«
Viel mehr darf ich erst einmal nicht verlangen. Ich werde mich zurückhalten. Doch Madison gebe ich noch nicht auf. Es wird der Moment kommen, an dem ich meine Chance nutzen kann.