10. Flug nach EDEN II
Perry Rhodan verfolgte konzentriert die Debatte. Es ging um die Position von EDEN II. Geoffry Waringer und der Kommandant der BASIS, Waylon Javier, sowie der Nexialist Les Zeron redeten sich über die richtige Deutung aller Hinweise sozusagen die Köpfe heiß. Rhodan nahm deshalb die flüsternde Stimme erst wahr, als sie schon wieder schwieg.
Voller gespannter Aufmerksamkeit richtete sich der Terraner in seinem Sessel auf. Er wurde den Eindruck nicht los, dass die Stimme versucht hatte, ihm Wichtiges mitzuteilen. Aber nun schwieg sie.
Rhodan runzelte die Stirn. Wer immer eben versucht hatte, mit ihm zu reden, musste eigentlich erkennen, dass er aufmerksam geworden war und auf eine Wiederholung wartete.
Aus dem Augenwinkel sah der Aktivatorträger, dass Gucky auf ihn zukam. Der Mausbiber schien ebenfalls aufmerksam geworden zu sein, sein halb entblößter Nagezahn verriet es.
Perry Rhodan reagierte mit einer knappen, um Distanz bittenden Geste. Gucky blieb prompt stehen und sah ihn fragend an. Rhodan deutete auf sein Ohr, spreizte die Finger über die Schläfe und zuckte mit den Schultern.
»Hier stimmt einiges nicht«, raunte die Stimme in dem Moment.
»Da war es wieder!«, sagte der Terraner, lauter als beabsichtigt. Javier und die Wissenschaftler schauten ihn irritiert an.
»Perry?«, rief Waringer. »Was ist?«
»Oh, tut mir leid, dass ich euch unterbrochen habe, Geoffry«, entgegnete Rhodan. »Hamiller hat mir etwas zugeflüstert. Lasst euch deshalb nicht unterbrechen.«
Waylon Javier wandte sich den Kontrollen zu, weil dort ein durchdringendes Summen ertönte.
»Es scheint, als könnten wir unsere Debatte sowieso nicht fortsetzen«, bemerkte Les Zeron. »Also heraus mit der Sprache, Perry! Was hat die Positronik dir geflüstert?«
»Etwas, das ich als Warnung auffasse«, antwortete Rhodan. Er hob die Stimme. »Bitte erkläre das näher, Hamiller. Was stimmt hier nicht?«
»Die bordinternen Transmitterverbindungen sind ausgefallen!«, rief Waylon Javier und wischte demonstrativ mit einer Hand durch die Kontrollanzeigen über seiner Konsole.
»Das kommt ergänzend hinzu«, antwortete die Hamiller-Tube auf Rhodans Frage, nun in normaler Lautstärke. »Begonnen hat es mit dem Versagen einiger Schottcodierungen und minimalen Schwankungen im Überlichtfaktor.«
»Schwankungen des Überlichtfaktors?«, schnappte Javier. »Meine Kontrollen haben nichts angezeigt.«
»Weil ich es verhinderte«, erklärte die Positronik. »Ich wollte Ihre Debatte nicht stören. Ohnehin waren die Schwankungen derart geringfügig, dass die Ursache nicht in einer Funktionsstörung des Metagravs liegen kann.«
»Was dann?«, erkundigte sich Waringer.
»Eine zutreffende Aussage ist mir nicht möglich«, antwortete Hamiller.
»Und warum hast du dich an mich gewandt?«, fragte Rhodan. »Noch dazu im Flüsterton.«
»Ich weiß es nicht, Sir.«
»Das ist Unsinn!«, polterte Waringer los. »Erzähl uns nicht, dass eine Positronik nicht wüsste, warum sie etwas tut oder unterlässt.«
»Vielleicht ist das endlich der Beweis dafür, dass Payne Hamillers Bewusstsein in die Tube integriert wurde«, warf Javier ein. »Wenn du dich in dem Kasten versteckst, Payne, gib es endlich zu! Millionen Terraner warten mit mir auf die Entschleierung dieses Geheimnisses.«
»Sollen diese Millionen ruhig warten, Sir«, entgegnete die Positronik. »Sie verraten uns auch nicht alles von sich. Außerdem ist es zwecklos, dieses Thema aufzugreifen.«
»Na, schön«, lenkte der Kommandant ein. »Eines Tages bringe ich dich trotzdem dazu, dass du dich verplapperst.«
Perry Rhodan lächelte, wurde aber sofort wieder ernst. »Welche Ursache außer einer Funktionsstörung des Metagravs könnte den minimalen Schwankungen des Überlichtfaktors zugrunde liegen?«, wandte er sich an Waringer.
»Äußere Einflüsse«, antwortete der Wissenschaftliche Chef der Kosmischen Hanse. »Hamiller hätte das jedoch festgestellt – und ich wüsste nicht, warum er es uns verheimlichen sollte. Was mich ernsthaft beunruhigt, ist der Ausfall der bordinternen Transmitterverbindungen.«
»Am schlimmsten erscheint mir, dass Hamiller keine einzige Ursache feststellen kann, obwohl er seine Sensoren überall hat. Warum ist das so, Hamiller?«
»Ich sehe mich außerstande, diese Frage zu beantworten, Sir«, sagte die Positronik. »Es sei denn, Ihnen wäre mit einer Vermutung gedient.«
»Lass wenigstens die hören!«, verlangte Rhodan.
»Sabotage«, behauptete die Positronik. »Jemand, der ein genialer Hyperphysiker oder Positroniker sein muss, betreibt gezielte Sabotage. Außerdem hat er sich seit Langem gründlich darauf vorbereitet, sonst könnte er das nicht vor meinen Sensoren verbergen.«
»Wer ist der Schuft?«, rief Gucky entrüstet.
»Wie ich schon erwähnte, äußere ich eine reine Vermutung«, gab die Positronik zurück. »Sehen Sie das ein, Mister Guck?«
»Mister Guck!«, echote der Ilt. »Am liebsten würde ich dir dafür das Fliegen beibringen, du alter Blechkasten.«
Perry Rhodan lachte trocken. »Ich gebe zu, dass ich das gerne sehen würde, aber wichtiger ist, dass wir diesen merkwürdigen Zwischenfällen auf den Grund gehen. Schließlich sind wir nicht für einen Spazierflug aufgebrochen, sondern um EDEN II zu finden. Wir müssen das letzte Chronofossil aktivieren und damit den Anker des Frostrubins endgültig lösen.«
Rhodans Stimme war immer leiser geworden; eigentlich hatte er den Satz zu Ende gebracht, ohne überhaupt darauf zu achten, was er sagte. Die »Vision«, die er vor beinahe drei Monaten von ES erhalten hatte, brach wieder in ihm auf.
Da war ein Berg, der hell wie eine goldene Sonne strahlte. Am Fuß des Massivs klaffte eine gewaltige Schlucht, von Myriaden Brücken aus purem Licht überspannt.
Am Rand der Schlucht erhob sich eine Festung, ein titanischer Koloss aus schillernder Energie. Über eine der Brücken, die Festung und Berg verbanden, bewegten sich zwei Männer: Atlan und Jen Salik. Sie trugen Schutzanzüge, die an SERUNS erinnerten, aber dennoch fremdartig waren. Sie flogen schnell über den bodenlosen Abgrund, dem Lauf der Lichtbrücke folgend, dem goldenen Berg entgegen, der weit voraus in den sternenlosen Himmel ragte.
Verzweiflung stand in den aschfahlen Gesichtern der beiden Männer. So konnte nur jemand empfinden, der sich in tödlicher Gefahr befand. Und dann stürzten sie aus schwindelnder Höhe in den klaffenden Schlund, an der leuchtenden Brücke vorbei, hinab ins Nichts – gefallene Engel, ihrer Schwingen beraubt, verurteilt zur ewigen Verdammnis.
Die Vision verwischte, aber ein unsäglicher seelischer Schmerz blieb. Atlan und Jen Salik waren in ihren Bemühungen zum Scheitern verurteilt, wenn es Rhodan nicht gelang, auch das letzte Chronofossil zu aktivieren: EDEN II.
Rhodan hatte sich zum Ziel gesetzt, die exakten Positionsdaten von EDEN II zu erhalten.
Was nutzte es schon, dass ES erklärt hatte, EDEN II wäre dort, wo man es suchte? Was half es zu wissen, dass die Position von EDEN II identisch war mit dem geistigen Zentrum der Mächtigkeitsballung von ES? Was brachte die Aussage, dass letztlich alle Wege nach EDEN II führten?
Nichts.
Deshalb hatte Rhodan mit der BASIS Kurs auf M 3 genommen, 35.000 Lichtjahre von Terra und 22.700 Lichtjahre von Arkon entfernt. Nahe dem Zentrum des Kugelsternhaufens gab es die Fünf-Planeten-Anlage Neu-Moragan-Pordh. Vor drei Jahren hatten sich die überlebenden Porleyter, die Vorläufer der Ritter der Tiefe, dorthin zurückgezogen. Und vorher war zwischen ihnen und den Milchstraßenvölkern vereinbart worden, dass die Ritter der Tiefe bei Bedarf auf porleytisches Wissen zurückgreifen durften.
Rhodan hoffte deshalb auf Informationen über das geistige Zentrum der Mächtigkeitsballung von ES, auch wenn es womöglich nur vage Daten gab. In der aktuellen Situation musste er für jeden Hinweis dankbar sein.
Nach diesen Überlegungen war der potenziell unsterbliche Terraner fast wieder der Alte. Er fühlte sich seelisch gestärkt, zuversichtlich – und ungeduldig. Fordernd blickte er Javier, Les Zeron, Waringer und Gucky an. Da war jedoch ein Ausdruck in ihren Gesichtern, der ihn erschreckte. Die dumpfe Ahnung von etwas Schicksalhaftem stieg in ihm auf.
»Was ist geschehen?«, fragte er.
Erst in dem Moment fiel ihm auf, dass eine weitere Person gekommen war. Herth ten Var, der Chefmediziner der BASIS, stand wenige Schritt seitlich von ihm. Sein Blick war – seltsam.
Rhodan reagierte sofort angespannt. »Gesil?«, fragte er knapp.
»Sie ist vor zehn Minuten in tiefe Bewusstlosigkeit versunken«, sagte der Ara knapp. Zugleich hob er die Hände, wie um eine impulsive Reaktion abzuwehren. »Es besteht keine Lebensgefahr, weder für Gesil noch für euer Kind. Wir konnten sie nur bisher nicht zurückholen.«
Rhodan unterdrückte seine aufkommende Furcht.
»Ich will zu ihr!«, sagte er. »Geoffry, du kümmerst dich um die Störungen!«
»Gesil!«, flüsterte der Terraner.
Er trat an das Medobett, in dem seine Frau lag, bis zum Hals zugedeckt und durch kaum sichtbare Kontaktplättchen mit hochempfindlichen Sensoren verbunden. Auf einem Wandschirm wurden alle Messwerte angezeigt.
»Gesils Puls ist verlangsamt, die Atmung leicht beschleunigt«, sagte Herth ten Var. »Ein Eingreifen ist nach medizinischem Standpunkt nicht nötig.«
Rhodan betrachtete das blasse Gesicht seiner Frau. Sie schien zu schlafen, aber sie atmete schneller als sonst. Er kannte sie gut genug, um diese leichte Abweichung sofort zu erkennen.
Er legte ihr behutsam eine Hand auf die Stirn. Ihre Haut fühlte sich kühler an als für gewöhnlich, allerdings nicht kalt. Gesil schwitzte auch nicht.
»Ist sie ins Koma gefallen?«
Der Ara schüttelte den Kopf. »Dafür gibt es keine Anhaltspunkte«, antwortete er. »Eigentlich ist Gesils Zustand nicht zu erklären. Keine Organschäden, keine Entgleisung des Stoffwechsels ...«
»Ein Schwächeanfall? Immerhin ist sie schwanger.«
»Das dachte ich zuerst auch«, sagte ten Var. »Der dritte Monat ... Alle Befunde bestätigen ihr eine geradezu ideale körperliche Verfassung. Euer Kind ist gut entwickelt, es gibt nicht die geringsten funktionellen Anomalien. Ich sehe überhaupt keinen Anlass für irgendwelche Befürchtungen.«
»Außer ihrer Bewusstlosigkeit«, konstatierte Rhodan mit mühsam unterdrücktem Unwillen. »Lässt sich da gar nichts machen?«
»Doch«, antwortete ten Var. »Für den Fall, dass Gesils Zustand sich verschlechtern sollte, steht eine Palette von Therapien zur Verfügung. Mit Rücksicht auf das Kind würden wir aber erst darauf zugreifen, sobald eine medizinische Indikation bestünde. Bislang sehe ich keinen Anlass dafür.«
Rhodan atmete tief durch. »Ich weiß Gesil in den besten Händen«, sagte er. »Mehr kann ich nicht wollen.«
Er nickte dem Mediziner dankend zu, dann verließ er das Krankenzimmer.
Draußen, in einem der zahlreichen Korridore der großen Bordklinik, stützte er sich mit beiden Händen an der Wand ab. Er hatte plötzlich das Empfinden, in einen Abgrund zu fallen.
Rhodan fürchtete keineswegs um das Leben seiner Frau und ihres Kindes. Dass Gesil ohne ersichtlichen Grund in tiefer Bewusstlosigkeit lag, machte ihm dennoch zu schaffen. Er wusste nur zu gut, dass es Dinge gab, denen der Mensch hilflos gegenüberstand.
Ein Medoroboter, der den Korridor entlangschwebte, hielt vor ihm an. »Brauchst du medizinische Hilfe?«, fragte die Maschine.
»Danke, ich bin in Ordnung. Ich musste nur nachdenken.« Rhodan stieß sich von der Wand ab.
Er lächelte dem Roboter zu, hatte allerdings für sich den Eindruck, dass dieses Lächeln sehr gezwungen wirkte, und ging weiter.
Er befand sich annähernd auf der Höhe des Kliniktransmitters, da ertönte ein leiser Gongschlag. Rhodan blieb stehen. »Hamiller?«, fragte er.
»Erraten, Sir«, antwortete ihm die Stimme der Bordpositronik aus einem Akustikfeld. »Ich wollte Ihnen mitteilen, dass die bordinternen Transmitter wieder funktionieren. Sie können die Zentrale auf dem kürzesten Weg erreichen.«
»Du garantierst für hundertprozentige Sicherheit?«
»Selbstverständlich, Sir. Nur: Einen gewissen Unsicherheitsfaktor gibt es immer, Sir. Davon sind selbst Kosmokraten nicht verschont.«
»So ist es«, bestätigte Rhodan ironisch. »Wenn ich dennoch gleich die Transportkapsel benutze, dann nur deshalb, weil ich sie angewiesen habe, auf mich zu warten. Ich will zu Geoffry. Hält er sich in der Zentrale auf?«
»Professor Waringer hat die Zentrale verlassen und vor wenigen Minuten Sektion ACA-739 betreten. Wenn Sie es wünschen, programmiere ich Ihre Transportkapsel entsprechend.«
Die genannte Sektion lag über dem unteren Pol des diskusförmigen Grundkörpers der BASIS und enthielt Anlagen für die Produktion von Frischgemüse und Dekorationspflanzen. Was der Hyperphysiker ausgerechnet dort wollte, war Rhodan ein Rätsel. »Ich bitte darum!«, nahm er das Angebot der Positronik an.
Die Transportkapsel brachte ihn schnell ans Ziel. Perry Rhodan stieg aus und schritt durch das Schott, das sich vor ihm öffnete. Der Korridor, in dem er nun stand, war transparent. Zur Linken erstreckten sich die Etagenfelder mit Tomaten, Gurken, Salaten, Karotten und einer Fülle anderer Gemüsesorten in allen Entwicklungsstadien. Die Etagenfelder rechter Hand enthielten Schnittblumen und eine Fülle unterschiedlichster Dekogewächse.
Rhodan sah sich aufmerksam um, doch von Waringer war keine Spur. Er schaltete sein Kombiarmband ein: »Perry ruft Geoffry! Ich bin hier in ACA-739. Melde dich!«
Lächelnd wartete er auf Waringers Antwort. Nach einer Minute runzelte er die Stirn und wiederholte den Ruf. Weil die Antwort weiterhin ausblieb, wurde er unruhig.
»Hamiller?«, rief er beklommen.
Die Positronik antwortete ebenfalls nicht – und das war ein Ding der Unmöglichkeit. Sie musste ihn hören und reagieren.
Eine böse Ahnung beschlich Rhodan. Die Hamiller-Tube hatte von Sabotage gesprochen. Zwar nur als Vermutung, aber das konnte sich durchaus als zutreffend erweisen. Verbarg sich dahinter die Absicht, die BASIS mattzusetzen? Der Gedanke schockierte ihn. Rhodan fragte sich, ob jemand verhindern wollte, dass die BASIS Neu-Moragan-Pordh erreichte. Was immer damit erreicht werden sollte – falls es so war –, würde sich auf jeden Fall negativ auf die Menschheit auswirken, sogar auf alle galaktischen Zivilisationen.
Rhodan schaltete das Armbandfunkgerät auf maximale Leistung und rief nach Waylon Javier. Er bekam ebenfalls keine Reaktion. Aufs Äußerste beunruhigt, kehrte er zur Transportkapsel zurück, um sich zur Hauptzentrale bringen zu lassen.
Die Kapsel reagierte nicht. Perry Rhodan zögerte nur kurz, dann betrat er die weitläufige, unüberschaubare Hydrokultur der Zier- und Nutzpflanzen.
Schon nach wenigen Minuten geriet sein Schritt ins Stocken. Eben hatte er in einem wahren Dschungel von Dekoflora gestanden, doch urplötzlich war ihm, als mache sich Wüste ringsum breit. Sie erschien ihm irreal – und in der nächsten Sekunde stand er wieder inmitten einer üppigen Blütenfülle.
Rhodan lauschte in sich hinein, fand aber keine Anzeichen für Benommenheit oder gar Halluzinationen. Er fühlte auch nicht, dass seine Wahrnehmung beeinträchtigt wurde.
Die jähe Veränderung der Umgebung musste also real gewesen sein. Vielleicht war der Effekt durch Einflüsse fünf- oder sechsdimensionaler Energien hervorgerufen worden.
Nebenerscheinungen der Sabotageakte? Der Gedanke war plötzlich da. Rhodan schüttelte kaum merklich den Kopf.
Er ging weiter ...
... und stand unvermittelt auf einer Felsklippe, unter der das Meer toste. Auf einer Seite des Himmels brannte eine grelle, blauweiße Sonne herab, auf der anderen hing eine düstere Wolkenfront, und dort tobte ein heftiges Gewitter.
Rhodan fragte sich, ob Vishna und Taurec, die mit der SYZZEL der BASIS folgten, besondere hyperphysikalische Phänomene bemerkten. Er verbannte die Überlegung sofort, weil ihm bewusst wurde, dass er insgeheim darauf hoffte, die beiden Kosmokraten würden eingreifen.
Er presste die Lippen zusammen und ging weiter, auf den Rand der Klippe zu, zögerte kurz – und schritt darüber hinweg. 50 Meter unter ihm donnerte die Brandung gegen die Klippe. Die ersten Schritte kosteten Rhodan eine unglaubliche Überwindung; das Gefühl, abzustürzen, raubte ihm den Atem.
Eine zwitschernde Stimme ertönte ...
... und brach wieder ab. Rhodan stand da auf einer Ebene aus schwarzem Glas, in dem sich drei Monde spiegelten. Er achtete kaum darauf, weil ihm die Stimme nicht aus dem Kopf ging. Sie hatte Interkosmo gesprochen, so schrill und an der Grenze des Hörbaren, wie es nur Blues möglich war. Aktuell gehörten aber keine Blues zur Besatzung der BASIS. Anscheinend war die Stimme ebenso ein übergeordnetes Phänomen wie die Veränderungen der Umgebung.
»Ich bin sicher, das ist keine gezielte Sabotage«, sagte Rhodan laut. »Niemand würde sich mit solchen Spielereien abgeben, wenn er konkrete Ziele verfolgt.«
»Es sei denn, er wäre ein heimtückischer und verlogener Muurt-Wurm!«, zwitscherte die Stimme, diesmal klar verständlich.
»Si'it?«, rief der Terraner. »Das ist unverwechselbar Si'it, der ehemalige Flotten-Kommandant der Jülziish.«
Es blubberte dumpf, dann zwitscherte der Blue: »Höre und sehe ich Perry Rhodan? Nein, das glaube ich nicht. Ausgeschlossen so etwas ...«
Rhodan stand in dem Moment wieder inmitten der hohen Dekoflora. Und wenige Schritte vor ihm, auf dem schmalen Pfad durch das üppige Grün, neigte ihm ein ungewöhnlich beleibter Blue den Tellerkopf leicht entgegen. Der Blue trug eine verwaschene Bordkombination der Gatasischen Raumflotte. In der rechten Hand hielt er eine Konservierungsdose.
Kein Zweifel, das war Si'it, wie er leibte und lebte.
»Das ist nicht Hajo Kleimanns Virenschiff«, schrillte er entrüstet. »Klar, Perry, du hast dich bestimmt keiner Gruppe von Vironauten angeschlossen.«
»Das hier ist die BASIS«, sagte Rhodan. »Das heißt: Ich befinde mich an Bord unseres Fernraumschiffs. Ob du real hier bist, darüber muss ich mir erst klar werden.«
Die Dose in Si'its Hand wackelte heftig, dann sagte eine dumpf blecherne Stimme: »Endlich kannst du dir einen Dosenöffner leihen, Si'it. Du darfst mich nicht länger warten lassen: Iss mich!«
»Was war das?«, fragte Rhodan verblüfft.
»Der Wurm in dieser Dose«, schimpfte der Blue. »Die blaue Kreatur der Heimtücke hat ihn mir geschickt, damit er mich verdirbt.«
»Ich bin perfekt gezüchtet, knackig und zart zugleich und suhle mich in der schmackhaftesten Rahmsoße, die du je genießen konntest!«, rief die dumpfe Stimme.
Rhodan deutete auf die Dose. »Kommt das wirklich von dort? Oder bist du unter die Bauchredner gegangen, Si'it?«
»Bauchredner?«, kreischte der Blue. »Bei der gelben Kreatur der Lüge, mein Bauch wäre mir zu schade, um damit zu reden. Der Muurt-Wurm steckt in der Dose, er spricht.«
Der Terraner stöhnte. »Ein konservierter Wurm, der akzentfreies Interkosmo spricht?«
»Es ist so«, versicherte die tatsächlich leicht blechern hallende Stimme. »Ich versichere dir, alles geht mit rechten Dingen zu. ES hat Si'it als Entschädigung für einen schlimmen Scherz einen echten, unnachahmlich schmackhaften und vor allem bereitwilligen Muurt-Wurm vermacht – nämlich mich. Kannst du Si'it dazu bewegen, dass er endlich die Dose öffnet und mich verspeist, Perry Rhodan? Ich werde auf seiner Zunge dahinschmelzen.«
»Ha«, zwitscherte der Blue und schüttelte wütend die Dose. »Halt dich zurück, du Giftwurm! Ausgerechnet Perry für deinen Anschlag auf mich zu gewinnen, wird dir niemals gelingen.«
»Schluss mit der Komödie!« Rhodan zog mit beiden Händen demonstrativ einen Schlussstrich. »Ich will wissen, woran ich bin. Was läuft hier für ein miserables Spiel?«
»Richtig beobachtet, Perry«, zirpte Si'it. »An den heimtückischen Muurt-Wurm könnte ich mich vielleicht sogar gewöhnen. Aber mir ist es ein Rätsel, wie ich auf die BASIS geraten sein soll. Vor wenigen Minuten befand ich mich auf Hajo Kleimanns Virenschiff. Ich bin Vironaut, ja, sicher. Der Muurt-Wurm muss mich auf dein Schiff versetzt haben. Wer sonst?«
Si'it drehte die Dose zwischen den sieben Fingern seiner Hand, im nächsten Moment schleuderte er sie von sich. Sie landete in einer Wasserpfütze, die von der letzten Beregnung geblieben war.
Einer der dünnen Sensodrähte, die quer durch die Plantage führten, vibrierte. Augenblicke später tauchte ein dunkelgrüner, etwa eine Handspanne messender Quader auf. Er glitt Millimeter unter dem Draht entlang, streckte einen dünnen Tentakelarm aus, ergriff die Dose und summte wieder davon.
»Si'it!«, schrie die Grabesstimme. »Ich bin ein Geschenk von ES für dich! Du wirst hoffentlich nicht so vermessen sein, das Geschenk einer Superintelligenz zurückzuweisen. Rette mich vor dem Abfallkonverter!«
»Nun hilf ihm schon!«, verlangte Rhodan, weil der Blue keine Anstalten machte, dem Ruf nachzukommen.
Si'it krümmte den langen, muskulösen Hals. »Ich werde ihn retten«, verkündete er. »Aber nur , um ihn in seiner Soße versauern zu lassen. Als ich ihn verspeisen wollte, da wollte er nicht. Und jetzt, da ich es satthabe ...«
Die Stimme überschlug sich in den Ultraschallbereich. Si'it stürzte hinter dem quaderförmigen Robotgärtner her, der bereits im Dickicht verschwunden war. Der Blue wusste sich allerdings zu helfen. Er packte den Draht und zog sich daran vorwärts. Eine Weile hörte Rhodan ihn noch rascheln, dann wurde es still.
Sekunden später erklang das Rascheln plötzlich hinter ihm. Rhodan fuhr herum. Er erwartete eine neue skurrile Überraschung, doch stattdessen kam Geoffry Abel Waringer auf ihn zu – zwar verschwitzt, verschmutzt und ziemlich mitgenommen, aber offensichtlich unverletzt.
»Perry«, brachte der Hyperphysiker atemlos hervor. »Auf alles war ich gefasst, nur nicht darauf, dich hier zu sehen. Wie kommst du hierher?«
»Ich habe nach dir gesucht«, antwortete Rhodan. »Stattdessen fand ich Si'it und einen sprechenden Muurt-Wurm in Rahmsoße. Aber jetzt ...«
»Si'it?«, unterbrach Waringer verständnislos. »Der Blues-Kommandant, der auf der explodierten MASCHINE ZWÖLF ums Leben kam?«
»Wenn es so wäre, dann hätte er kaum hier auftauchen können«, widersprach Rhodan.
»Hm«, brummte Waringer. »Und was sagtest du von einem sprechenden Regenwurm?«
»Muurt-Wurm«, korrigierte Rhodan.
»Trotzdem sprechend«, ergänzte der Hyperphysiker. »Na, ja, in Zeiten wie diesen ist alles möglich.«
»Jedenfalls bei ES«, stellte Rhodan richtig. »Angeblich hat ES dem Blue den Wurm als eine Art Wiedergutmachung geschenkt.«
Er stutzte, dann schlug er sich mit der flachen Hand an die Stirn. »ES! Warum bin ich nicht sofort darauf gekommen? Schließlich kenne ich unsere Superintelligenz längst gut genug, um zu wissen, wie gern sie ihre makabren Späße mit uns treibt. ES hat den Blue angeblich von einem Virenschiff auf die BASIS versetzt. Aber, ich entsinne mich, Si'it galt als spurlos verschwunden.«
»Ums Leben gekommen auf der MASCHINE des Dekalogs der Elemente«, bekräftigte Waringer. »Das ist mein Wissensstand.«
»Dann wüsste ich zu gern, wo er die ganze Zeit über gesteckt hat«, meinte Rhodan.
»Das kann ich dir sagen, Perry«, zwitscherte es.
Si'it kämpfte sich soeben durch ein Gewirr ineinander verschlungener Philodendren. In der rechten Hand hielt er die Konservierungsdose.
»Wo?«, fragte Rhodan.
»Auf EDEN II«, antwortete der Blue. »Das war ein Albtraum. Ich wurde monatelang von einer Riesenausgabe des Muurt-Wurms verfolgt, der Heißhunger auf ›rohen Blue‹ verspürte, bis ich Anfang Februar auf Terra materialisierte.«
Rhodan nickte, seine Miene war verschlossen und ungläubig zugleich. Doch jäh schrak er auf.
»Was sagtest du?«, fuhr er Si'it an. »Du warst auf EDEN II?«
»Ohne mein Zutun«, verteidigte sich der Blue erschrocken.
»Oh«, machte Rhodan. »Entschuldige mein Aufbrausen. Mir ist plötzlich einiges klar geworden. Das gehört zu den Späßen von ES – und es soll uns bestimmt bei der Suche nach EDEN II helfen. Du warst dort, Si'it. Denk bitte darüber nach, wie wir diese Welt endlich finden können! Es hängt sehr viel davon ab.«
»Ich habe keine Ahnung«, entgegnete Si'it.
Rhodans Kombiarmband summte. Er winkelte den Arm an.
»Waylon hier«, meldete sich der Kommandant der BASIS. »Perry, es gibt keine technischen Störungen mehr. Außerdem kehren wir in drei Minuten zu einem Orientierungsmanöver dicht vor M 3 in den Normalraum zurück.«
»Danke!«, sagte Rhodan erleichtert.
»Bislang ist es uns leider nicht gelungen, der Ursache unserer Probleme auf die Spur zu kommen«, ergänzte der Kommandant. »Falls es Saboteure ...«
»Vergiss die Sache!«, sagte Rhodan erleichtert. »Alles war das Werk von ES. ES hat uns auch den Blue Si'it geschickt, der sich monatelang auf EDEN II befand. Das ist wohl der beste Hinweis, dass wir uns auf dem richtigen Weg befinden.« Er kniff die Brauen zusammen. »Wenn sich nur Gesils Zustand ebenfalls in Wohlgefallen auflösen würde.«
»Gesil?«, echote Javier. »Du weißt es gar nicht?«
»Was?«, fragte Rhodan erschrocken. »Was weiß ich nicht?«
»Gesil ist wieder bei Bewusstsein, und sie fühlt sich wohl«, sagte Waylon Javier. »Ich habe es selbst erst vor zwei Minuten von Herth erfahren. Seltsam, dass er dich nicht zuerst informiert hat.«
Rhodan sah, dass ein Rufsignal an seinem Armband blinkte. »Er versucht es anscheinend schon eine Weile, aber erst hatte ich keine Verbindung und nun ... Waylon, ich werfe dich aus der Leitung!«
Er unterbrach die Verbindung und sah gleich darauf den erleichtert wirkenden Ara in dem kleinen Holo über seinem Handrücken ...
Sie spürte, dass etwas mit ihr geschah, nur schaffte sie es nicht, die Augen zu öffnen. Sie lag weich und bequem, doch viele winzige Berührungen an ihrem Körper irritierten sie. In ihr ebenso ...
Sie war nicht allein. Mit einem Mal erinnerte sie sich. In ihr wuchs seit drei Monaten neues Leben heran, das Kind, das Perry und sie gezeugt hatten. Ein Mädchen. Es war noch so schutzbedürftig.
Gesil glaubte, ihre Tochter lächeln zu sehen.
Sie lächelte zurück – und zuckte zusammen, als etwas ihre Stirn berührte. Immerhin bewirkte ihr Erschrecken, dass sie die Augen wieder aufbrachte. Sie sah den Mann, der bei ihr war, und lächelte glücklich. »Perry ...«, hauchte sie.
»Alles ist gut.« Er klang so sympathisch und vertrauenerweckend wie immer. »Herth hat mir gesagt, dass du wir uns keine Sorgen zu machen brauchen. Es geht dir gut, und unserem Kind ebenfalls.«
»Ich weiß«, hauchte Gesil.
Perry nahm die Hand von ihrer Stirn und sah sie prüfend an. »Du weißt es?« Er lachte ungläubig. »Oh, entschuldige. Ich vergaß, dass eine Mutter fühlt, wie es dem heranwachsenden Leben in ihr geht. In der Hinsicht weiß sie alles besser als der Arzt.«
Gesil lachte ebenfalls, doch es klang unsicher.
Perry runzelte die Stirn. »Die Art, wie du eben gelacht hast ... Was ist los? Sag es mir! Ich gehe hier nicht weg, bevor ich weiß, was dich bedrückt.«
»Vor dir kann man wohl nichts verbergen.« Gesil seufzte. Trotzdem zögerte sie noch einige Sekunden. »Du willst es hören – gut. So richtig weiß ich selbst nicht, was los ist. Irgendwo tief in mir, da steckt eine kribbelnde Unruhe, die mich nicht loslassen will.«
»Und? Weiter!«
Gesil rieb sich die Schläfen. »Es ist, als hätte ich Halluzinationen. Vielleicht bilde ich mir das auch nur ein. Ich glaube, sie will mir etwas mitteilen.«
»Sie?«, echote Perry.
»Unsere Tochter!«
»Oh«, machte er und rieb sich das Kinn. Dann beugte er sich über Gesil und küsste sie. »Ich kann solche Empfindungen nicht nachvollziehen. Leider. Aber es ist die natürlichste Sache der Welt, dass zwischen einer Mutter und ihrem heranwachsenden Kind eine innige Beziehung entsteht. Warum sollte es nicht zu einer Art empathischem Austausch kommen. Ich freue mich jedenfalls, dass meine Frau sich schon jetzt so gut mit meiner Tochter verträgt.«
»Mit unserer Tochter, Perry, nicht nur mit deiner!«, korrigierte ihn Gesil. »Aber ich will dich nicht länger mit meinen kleinen Sorgen behelligen. Habt ihr schon Kontakt mit den Porleytern?«
»Noch nicht.« Perry Rhodan schüttelte den Kopf. »Wir bereiten uns erst auf den Einflug nach M 3 vor. Befürchtest du, die Porleyter könnten uns Schwierigkeiten machen?«
»Nicht direkt«, antwortete Gesil. »Aber trotzdem: Versprich mir, dass ihr mit äußerster Vorsicht die Fünf-Planeten-Anlage anfliegt.«
»Wenn du mir versprichst, dass du hier noch eine Weile liegen bleibst. Nur zur Beobachtung. Bei Herth ten Var bist du in den besten Händen.«
Nachdem Perry gegangen war, lehnte Gesil sich beruhigt und zuversichtlich zurück. Ein Lächeln lag in ihrem Blick und um die Mundwinkel. Für einen Moment lauschte sie in sich hinein.
»Ja, das war er«, flüsterte sie kaum hörbar.
»Mit Gesil ist alles in Ordnung«, berichtete Rhodan, weil ihn die Freunde mit Fragen bestürmten, kaum dass er in die Zentrale kam. »Unserem Kind geht es ebenfalls gut. Mehr kann ich dazu nicht sagen.«
Er warf einen Blick auf den Frontsektor der Panoramagalerie. Die BASIS befand sich wieder im Hyperraum, in der letzten Anflugetappe auf Neu-Moragan-Pordh. Im Mittelpunkt des Rasternetzes aus grünlich schimmernden Linien stand ein blutroter Sonnenball. Das war keine originale Aufnahme, sondern eine Projektion der Hamiller-Tube, eine psychologische Stütze für die Zentralecrew.
»Hamiller!«, rief Rhodan. »Du weißt, dass der Blue Si'it in der BASIS erschienen ist?«
»Ich bin informiert, Sir«, antwortete die Positronik. »Der Jülziish steht elf Meter rechts von Ihnen – mit einer Dose in der Hand.«
»In der sich der schmackhafteste, zarteste und bereitwilligste Muurt-Wurm befindet, der je darum bettelte, verspeist zu werden«, ertönte die Rhodan schon bekannte dumpfe Stimme. »Iss mich, Si'it, und lass mich ein Teil von dir werden!«
»Lieber verhungere ich«, schimpfte der Blue. »Ich falle nicht auf jeden abscheulichen Trick herein, den sich nur die blaue Kreatur der Heimtücke ausgedacht haben kann.«
Rhodan wandte sich dem korpulenten Blue zu. »Bitte, keinen Endlosdisput!«, mahnte er. »Das mag am Anfang witzig sein, ist es aber nicht auf Dauer.« Der nächste Satz galt schon wieder der Bordpositronik: »Hamiller, hältst du es für möglich, dass zwischen dem Auftauchen von Si'it und den technischen Störungen ein ursächlicher Zusammenhang besteht?«
»Meines Wissens, nein. Es sei denn, der Jülziish verfügt über psionische Fähigkeiten. Dafür habe ich keinen Anhaltspunkt.«
»Du schleichst wie die Katze um den heißen Brei«, stellte Rhodan fest.
»Ich lege Wert darauf, mich eindeutig zu äußern«, gab die Positronik den Ball zurück. »Ein zweites Mal: Zwischen dem Erscheinen von Si'it und den erkannten technischen Störungen besteht kein ursächlicher Zusammenhang. Allerdings gab es einen zeitlichen Zusammenhang. Da wir als sicher annehmen können, dass ES die Versetzung Si'its auf die BASIS initiiert hat, lässt sich mit einiger Berechtigung aus dem zeitlichen Zusammenhang schließen, dass die technischen Störungen ebenfalls von ES verursacht wurden.«
»Warum?«, warf Sandra Bougeaklis ein, die Stellvertretende Kommandantin.
»Um Si'its Erscheinen größeres Gewicht zu verleihen, Mylady. Ein psychologischer Kunstgriff.«
»Achtung!«, hallte es aus den Lautsprecherfeldern. »Der Rücksturz in den Normalraum vor Neu-Moragan-Pordh erfolgt in dreißig Sekunden!«
»Soll ich die Schutzschirme aktivieren, Sir?«, erkundigte sich die Positronik.
»Nein«, entschied Rhodan. »Das wäre ein falsches Signal – und würde außerdem wenig nutzen, falls die Porleyter uns schaden wollten. Wir zeigen besser Vertrauen und Selbstvertrauen.«
»Sehr gut, Sir!«, bestätigte Hamiller.
Die BASIS fiel in den Normalraum zurück, die Grigoroff-Schicht um das Fernraumschiff erlosch und im Frontsektor der Panoramagalerie löste ein reales Bild die Gedächtnisprojektion ab.
Rein optisch änderte sich nichts. Die Rote Riesensonne Aerthan erschien wie zuvor als blutrot flammender Ball.
Binnen Sekunden löste die Hamiller-Tube Bereitschaftsalarm aus. Sie projizierte die fünf Planeten von Moragan-Pordh auf den Panoramaschirm, dazu in Platzhalter-Symbolen etliche große Objekte.
»Was wird da erfasst?«, drängte Waylon Javier.
»Verschiedenes, Sir«, antwortete die Hamiller-Tube. »Genau hundert große Gebilde stehen im Aerthan-System verteilt. Äußerlich erinnern sie an Radioteleskope, Sie scheinen aus Formenergie und exotischen Werkstoffen wie Howalgonium und Sextagonium zu bestehen.
Die Ortung misst außerdem auf allen fünf Planeten starke energetische Aktivitäten an. Genaues ist nicht zu erkennen. Ich vermute Produktionsanlagen, die mit höchster Kapazität arbeiten.«
»Eine solche Aktivität passt gar nicht zu den Porleytern«, bemerkte Ras Tschubai, der mit Gucky und Oliver Javier in den Reservesesseln saß. »Da muss Ungeheuerliches geschehen sein.«
»Da ist noch etwas, dicht bei der Sonne!«, machte Fellmer Lloyd aufmerksam. Der Telepath stand neben dem Platz von Deneide Horwikow und fixierte den Panoramaschirm. »Was könnte das sein?«
»Ein Transport, Sir«, antwortete Hamiller. »Eine Art gigantischer Möbiusstreifen, zehn Kilometer lang und einen Kilometer breit, wird von schwarzen Kugelraumschiffen in Aerthans Korona bugsiert. Wahrscheinlich soll er dort als Satellit stationiert werden. Das Gebilde besteht aus Formenergie.«
»Welchem Zweck dient es?«, fragte Perry Rhodan.
»Das kann nicht zutreffend beurteilt werden, Sir.«
»Wir sollten die Porleyter anfunken«, sagte Geoffry Waringer.
»Sie haben unsere Ankunft längst bemerkt«, wehrte Rhodan ab. »Wenn sie uns hier nicht haben wollten, hätten wir das sofort zu spüren bekommen. Die Porleyter sind womöglich gespannt darauf, wie wir auf ihre Aktivitäten reagieren.«
»Was befehlen Sie, Sir?«, fragte die Positronik.
Rhodan lächelte. »Bring die BASIS in einen Orbit um Yurgill, Hamiller! Und lass ein Beiboot startklar machen! Ich werde mit einer kleinen Gruppe auf der Hauptwelt landen.«
Er wollte etwas von den Porleytern, da konnte er nicht wie ein geprügelter Hund um sie herumschleichen. Er musste in ihre Fünf-Planeten-Anlage vorstoßen und mit der Sicherheit auftreten, die sie von einem Ritter der Tiefe erwarteten.
Die BASIS nahm Kurs auf den zweiten Planeten ...