14. Am Ziel
Er hatte es geschafft. Ihm war es gelungen, gemeinsam mit den Galaktikern an Bord von zwanzig Virenschiffen nach EDEN II zu gelangen, ohne dass ES ihn bemerkte.
Die Superintelligenz schien völlig arglos zu sein. Sie amüsierte sich darüber, wie lange Perry Rhodan mit der BASIS brauchte, um den Weg zu finden.
Die BASIS kam zur gleichen Zeit an wie er, der Herr der Elemente, mit seinen Vironauten. Das allerdings war tatsächlich nur Zufall. Der Herr der Elemente kümmerte sich nicht um die BASIS, denn die Terraner konnten ihn nicht stören.
Das galt auch für Taurec und Vishna, die sich mit ihrer SYZZEL an Bord der BASIS nach EDEN II geschlichen hatten. Deshalb in einem Hangar des terranischen Fernraumschiffs, weil sie wussten, dass sie im geistigen Zentrum der Mächtigkeitsballung von ES nicht erwünscht waren. Vielleicht fürchtete die Superintelligenz, von ihnen manipuliert zu werden. ES hatte hinreichend Mittel, sich dagegen zu schützen – und die beiden Kosmokraten waren in ihrer aktuellen Daseinsform den wirksamsten dieser Mittel hilflos ausgeliefert. Sie wurden neutralisiert.
Die Aufmerksamkeit und Konzentration, die ES für die beiden Kosmokraten aufwandte, waren dem Herrn der Elemente nur recht. ES hatte deshalb nicht bemerkt, dass der echte Feind sein Zentrum erreichte.
Und nun war es zu spät ...
Schallendes mentales Lachen schien die Hauptzentrale der BASIS sogar akustisch auszufüllen. Perry Rhodan musterte die Panoramagalerie, aber nicht, weil er hoffte, die Superintelligenz dort zu sehen, in welcher Erscheinungsform auch immer, sondern weil ihn der urplötzlich optisch erkennbare Halbplanet EDEN II wie magisch anzog.
Die BASIS schwebte gerade noch 60 Kilometer über dem Mittelpunkt der Schnittfläche, genau über dem Gipfel des dort
aufragenden riesigen Berges.
Das Gelächter der Superintelligenz brach ab.
»Sie sind weg!«, sagte Gesil. Sie hatte erst kurz vorher die Klinik verlassen und war in die Zentrale gekommen.
»Weg?«, echote Rhodan und blickte seine Frau fragend an.
»Vishna und Taurec«, antwortete sie.
Perry Rhodan sah sich suchend um. Die beiden Kosmokraten waren tatsächlich nirgends zu sehen.
»Sie können sich unmöglich in Luft aufgelöst haben«, meinte Tschubai.
»Ich denke, sie sind in die SYZZEL zurück«, vermutete Lloyd.
»Hamiller!«, rief Rhodan. »Sind Vishna und Taurec in der SYZZEL?«
»Das weiß ich nicht, Sir.«
»Aber die SYZZEL steht in einem unserer Hangars«, warf der Kommandant ein. »Du kannst es erkennen.«
»Das Schiff des Kosmokraten befindet sich nicht an Bord der BASIS«, widersprach die Hamiller-Tube.
Erneut brandete das mentale Gelächter auf. ES schien sich köstlich zu amüsieren.
»Alter Mann von Wanderer, hast du die beiden Kosmokraten verschwinden lassen?«, rief Rhodan – und spielte damit auf das schallende Lachen von ES an.
Das Gelächter verhallte. Hast du geglaubt, Kosmokraten seien allmächtig, Terraner?,
erklang es stattdessen in Rhodans Gedanken. Sie sind es nicht. Schon gar nicht in der niederen Daseinsform, in der sie unter euch weilen. Taurec wusste, warum ich Ernst Ellert auserwählt hatte, EDEN II als Chronofossil zu präparieren. Er hat trotzdem versucht, sich in das geistige Zentrum meiner Mächtigkeitsballung zu schleichen. Ich lasse nicht zu, dass er sich an Manipulationen übt.
»Hast du Vishna und Taurec getötet?«, fragte Rhodan entsetzt.
Sie sind nicht meine Feinde!,
hallte es in seinem Geist – und an den Gesichtern der Zentralebesatzung erkannte Rhodan, dass alle die mentale Stimme hörten. Ich habe nur dafür gesorgt, dass ihre Anwesenheit negiert wird. Sie werden wieder da sein, sobald ihr EDEN II verlasst. Doch genug geredet. Fang an, Perry Rhodan! Es
ist höchste Zeit, das letzte Chronofossil zu aktivieren und den Anker des Frostrubins endgültig zu lösen.
»Achtung!«, meldete sich die Hamiller-Tube. »Die Ortung erfasst einen Pulk von zwanzig Virenschiffen, die soeben von einer Woge psionischer Energie in dieses Kontinuum geschwemmt wurden.«
»Hast du gehört, ES?«, fragte Rhodan.
Ich habe es ebenfalls bemerkt!,
antwortete die Superintelligenz. Zwanzig Schiffe mit Galaktikern, die dem Sternweh verfallen sind und überraschend hierher verschlagen wurden. Sie brauchen meine Aufmerksamkeit nicht und können warten. Fang an!
»Ich bin bereit«, bestätigte Perry Rhodan.
Er hatte es kaum ausgesprochen, da wurde die Zentrale der BASIS von strahlender Helligkeit durchflutet. Alles rundum schien sich in transparente Formenergie zu verwandeln. Alle konnten die hell leuchtende Aura sehen, die plötzlich EDEN II umspannte.
»Wieso konnten die Vironauten EDEN II hierher finden?«
Gesils Frage schnitt durch Rhodans Konzentration. Im ersten Moment ärgerte er sich über die Störung, dann durchfuhr es ihn siedend heiß, als er verstand, was seine Frau mit der Frage wirklich meinte.
Wer hat es den Vironauten ermöglicht, EDEN II zu finden?
Das strahlende Licht um EDEN II und in der Zentrale der BASIS erlosch. Es wurde dunkel und kalt, und aus der Tiefe der Finsternis stieg ein triumphierender Schrei empor.
Perry Rhodan konnte nicht erkennen, was außerhalb der BASIS geschah. Doch ihm war schlagartig klar, dass EDEN II angegriffen wurde. ES hatte zu spät Verdacht geschöpft, weil ihm nur die Aktivierung des Chronofossils wichtig gewesen war.
Ein Moment der Unachtsamkeit, und aus dem Triumph wird ein tiefer Fall ...
Rhodan wollte eingreifen, irgendetwas unternehmen, aber eine Welle eisiger Kälte schlug über ihm zusammen. Eine Lähmung, der er nichts entgegenzusetzen hatte, breitete sich in seinem Körper und seinem Geist aus.
Alles ist verloren!,
war sein letzter klarer Gedanke.
Gesil blickte entsetzt auf ihren Mann und alle anderen in der Zentrale. Wie leblos hingen sie in ihren Sesseln oder waren zu Boden
gesunken. Nur langsam dämmerte ihr, was geschehen war und weiterhin geschah.
Während sie Perry gefragt hatte, wieso die Vironauten EDEN II finden konnten, da hatte sie noch nicht an den Herrn der Elemente gedacht. Obwohl sein Angriff vorhergesehen worden war. Erst als die Aktivierung des Chronofossils so jäh unterbrochen wurde, als die optischen Begleitphänomene erloschen und alle paralysiert zusammenbrachen, da wusste sie, was geschah.
Gesil erkannte, dass ES dem Herrn der Elemente keinen nennenswerten Widerstand mehr leisten konnte, weil die Superintelligenz total überrumpelt worden war.
ES würde vergehen.
EDEN II würde sich auflösen.
Das Chaos würde triumphieren.
Nein!,
raunte etwas in ihr. Du bist übrig. Der V'Aupertir hat sich in menschlicher Gestalt eingeschlichen und die zwanzig Raumschiffe zu Nega-Psis werden lassen, negativen psionischen Wirbelfeldern. Die von ihnen ausgehenden Psi-Schocks können dir nichts anhaben. Du musst kämpfen!
Gesil lauschte bestürzt und zugleich mit einem Funken Hoffnung in sich hinein. Bestürzt, weil die innere Stimme ihrem Kind gehörte und weil eine derartig perfekte Artikulation niemals von einem ungeborenen Kind stammen konnte. Hoffnungsvoll, weil richtig war, was die Stimme ihr sagte: Die Psi-Schocks konnten ihr nichts anhaben.
Sie musste den Kampf aufnehmen. Sie hatte sogar eine gewisse Wahrscheinlichkeit für einen Erfolg auf ihrer Seite. Zum einen konnte der Herr der Elemente nicht ahnen, dass jemand an Bord der BASIS immun gegen seinen Angriff war. Zum anderen lag wenige Schritt von ihr entfernt genau die Waffe, die eigens zur Bekämpfung des Herrn der Elemente konstruiert worden war: der Devolator!
Gesil ging auf das speerförmige Gerät zu, das zwischen den beiden paralysierten Porleytern am Boden lag. Behutsam hob sie es auf. Sie wusste alles über den Devolator, denn sie hatte in der Klinik sämtliche Informationen mehrmals abgerufen.
Als ob ich geahnt hätte, dass ich den Speer brauchen würde!
Gesil taumelte, fing sich aber sofort wieder. Die Sorge um mein Kind wird mich zermürben, bevor ich es geschafft habe,
fürchtete sie. Ein ungeborenes Kind, das sich so verständlich artikulieren kann, ist niemals normal.
Es ist nicht das Kind!,
raunte es wieder in ihr. Es könnte sich niemals derart bemerkbar machen, denn es ist trotz seiner außergewöhnlichen Begabungen ein ungeborenes Kind. Keine Sorge, für mich ist es nur ein Medium, damit ich dir zeigen kann, was ich träume.
Gesil atmete auf. Die Erleichterung über das Gehörte schnürte ihr sekundenlang die Kehle zu, dann siegte ihre Neugierde.
»Wer bist du?«, fragte sie.
Eine Träumerin! Ich konnte den Flug der Virenschiffe teilweise mitverfolgen. Mehr sage ich nicht, damit du mich nicht für eine Feindin hältst, denn vielleicht begegnen wir uns eines Tages wieder. Lebewohl bis dahin! Ich habe getan, was ich zu tun vermochte.
»Lebewohl!«, flüsterte Gesil und straffte sich.
Erleichtert lächelte sie in sich hinein. Du wirst also ein Kind wie andere sein!,
dachte sie. Selbst wenn du außergewöhnliche Begabungen hast.
Sie packte den Devolator fester und ging entschlossen auf das Hauptschott zu. Ich habe etwas für dich, Herr der Elemente und der Negasphäre!,
rief sie in Gedanken.
Ihr stand ein harter Kampf bevor, und ein Wettlauf gegen die Zeit. Dennoch war Gesil nicht nur entschlossen, den Kampf aufzunehmen, sie war geradezu versessen darauf. Weil sie wusste, wofür sie kämpfte. Und für wen.