15. Die V'Aupertir
Endlich war er dem Ziel seiner Bemühungen nahe wie nie zuvor. Er, der Herr der Elemente, hatte sich eingeschlichen und alle überrumpelt: die Raumfahrer aus der Milchstraße ebenso wie den Terraner Perry Rhodan, vor allem aber ES.
Er hatte Kontakt zu den Besatzungen von 20 Virenschiffen aufgenommen und war nicht auf besonderen Widerstand gestoßen, als er die Vironauten dazu gebracht hatte, sich in gemeinsame Trance zu versetzen. Sie waren ohnehin auf der Suche nach EDEN II gewesen. Ihre Bewusstseine hatten ihm die ideale Deckung geboten und ihm geholfen, von ES unbemerkt, sein Ziel zu erreichen.
Kaum angekommen, hatte er die Virenschiffe in Nega-Psis verwandelt. Die von den psionischen Wirbelfeldern ausgehende Schockwirkung lähmte ES und zwang die Superintelligenz, sich mental und materiell zu verausgaben. Deshalb materialisierten die Konzepte in Scharen überall auf EDEN II, weil ES sie freigab.
Die Schlacht war damit schon so gut wie gewonnen. ES brach unaufhaltsam auseinander und schwächte sich selbst mit jedem freigesetzten Bewusstsein. Der Herr der Elemente brauchte nur noch den Kern der Superintelligenz zu finden, und dann ...
Er verstaute die nicht einmal faustgroße grüne Kristallkugel in einer Tasche seines weißen Umhangs. Mithilfe dieser Kugel hatte er die Nega-Psis erzeugt und kontrollierte sie.
Er stand auf dem großen Berg nahe dem Zentrum des halbierten Planeten. Tief unter ihm verdeckte eine dichte Wolkenfront das Land, und nur dieser eine Gipfel ragte daraus hervor.
Der Herr der Elemente lehnte sich an einen Felsen und erinnerte sich.
Das Zeitalter der Barbarei: Vor rund einhundert Millionen Jahren war auf Aupert, dem zweiten von sieben Planeten der Sonne Aupertir in der Galaxis K'aan das humanoide Volk der V'Aupertir entstanden. Ein wildes, kämpferisches Volk, das sich am Beginn seiner Entwicklung eher von seinen Instinkten als von den Kräften des Verstandes leiten ließ. Diese wilden Barbaren errichteten eine primitive Zivilisation, und nach Jahrtausenden erreichten sie einen wissenschaftlich-technischen Stand, der es ihnen erlaubte, die Planeten ihres Sonnensystems anzufliegen und Eingriffe in das eigene Erbgut vorzunehmen. Damit begann eine neue Epoche.
Das Zeitalter der Eroberer: Genetische Veränderungen und Manipulationen veränderten das Volk der V'Aupertir. Sie besiedelten fremde Planeten und passten sich deren Umweltbedingungen an. Ihre Geschichte blieb weiterhin kriegerisch bestimmt, denn viele jener Welten, nach denen sie griffen, waren bewohnt. Sie führten Krieg gegen nicht-humanoide Völker, ebenso gegen andere, die ihnen sehr ähnlich sahen. Als das Zeitalter der Eroberer endete, beherrschten die V'Aupertir die Galaxis K'aan vollständig.
Es folgte das Zeitalter der Wissenschaft: Jahrzehntausende kultureller Blüte, zugleich Kriege mit anderen Sternenreichen. Nachbargalaxien wurden erobert und kolonisiert. Die V'Aupertir steigerten künstlich ihre Intelligenz und bezahlten dafür mit einem Rückgang der Instinkte. Längst gab es gravierende Unterschiede zwischen den »echten« V'Aupertir, die den Planeten Aupert bewohnten, und ihren Abkömmlingen, die sich dem Leben auf fremden Sternen angepasst hatten. Diese Epoche mündete schließlich in Stagnation und Zerfall.
Damit begann das Zeitalter der ersten Stille: Der Ursprungsplanet Aupert war bei den Abkömmlingen des Volkes in Vergessenheit geraten – nicht ohne Zutun der echten V'Aupertir, die sich in freiwillige Isolation begeben hatten. Während ihre Nachkommen unverdrossen im Universum weitere Kolonien gründeten und sich dabei immer neuen Bedingungen anpassen mussten, wandte sich das Interesse der echten V'Aupertir metaphysischen und philosophischen Themen zu. Ihre gesteigerte Intelligenz und die phantastische Technik, über die sie geboten, führten sie nach dem Zeitalter der Stille in das Zeitalter der Wanderung, in dem sie ihren Ursprungsplaneten für immer verließen.
Fortan kreuzten die V'Aupertir in fliegenden Städten durchs All. Sie perfektionierten ihre Technik bis zu einem Level, an dem körperliche Betätigung nicht länger notwendig war. Und sie zogen daraus die Konsequenzen, indem sie durch genetische Eingriffe ihre Intelligenz auf Kosten der körperlichen Entwicklung bis ins Extrem steigerten. Aber nicht nur ihre Intelligenz, auch ihre sonstigen geistigen Fähigkeiten wuchsen, und sie entdeckten eine neue, psionische Welt. Ihre Sucht nach Erkenntnis trieb sie durch die Weite des Universums, und sie fanden Zivilisationen und Sternenreiche, die von ihren eigenen Nachkommen errichtet worden waren. Die V'Aupertir beeinflussten viele dieser Völker und griffen in ihre Entwicklung ein, doch es trieb sie unaufhörlich weiter. Nirgends fanden sie Ruhe.
Es war eine große, Jahrmillionen währende Epoche. Der Herr der Elemente erinnerte sich gern an sie – viel lieber, als an das anfängliche Zeitalter der Barbarei.
Das Problem EDEN II war gelöst. Mit der endgültigen Vernichtung der Superintelligenz ES konnte er durchaus etwas warten. ES würde umso schwächer sein, je länger die Nega-Psis wirken konnten.
Der Herr der Elemente blickte hinab auf die wirbelnden Wolkenmassen und beschwor Bilder aus längst vergangenen Tagen aus seinem Gedächtnis herauf. Erinnerungen an gigantische Städte, die das Universum durchkreuzten, auf der Suche nach Erkenntnissen über den Aufbau und den Sinn des Universums ...