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So kalt wie nie
O
bwohl ich ganz in der Nähe geboren worden war, kannte ich mich in Schottland nicht aus. Bereits nach der Landung auf dem Privatflugplatz bei Inverness war mir der Unterschied zwischen Texas und der hiesigen Region aufgefallen. Man spürte die Nässe auf der Haut oder ging es nur mir so?
Schließlich trug nur ich ein sommerliches Outfit, während mein Begleiter und seine Bodyguards immerhin in Hosen und Mantel gewandet waren. Es brauchte mich daher nicht zu wundern, dass ich augenblicklich fror, sobald ich den Zeh aus der Privatmaschine gestreckt hatte. Der Wind zerrte an meinem Kleid, drohte es in die Höhe zu reißen, während ich die klapprige Gangway hinunterstakste. Der große Hut, der mich vor der direkten Sonneneinstrahlung schützen sollte, versperrte mir die Sicht und durch die Sonnenbrille wirkte alles düster. Also blieb ich stehen, um beides abzunehmen. Im Anschluss hob ich das Gesicht, um in den Himmel zu blinzeln. Obwohl kein Wölkchen die Sonne verdeckte, spürte ich ihre Strahlen nicht auf der Haut.
»Habibati, die Limousine wartet.« Hafidh war bereits an mir vorbei und winkte mir ungeduldig zu. Er wurde dabei von meinen ewigen Schatten halb verdeckt, die mein Innehalten genutzt hatten, um mich von vorn aufnehmen zu können.
»Habibati«, rief Hafidh erneut. Er war stets in Eile, was mich erheblich an ihm störte. Er gab eine Order auf Arabisch und Hassan eilte zu mir zurück, um meinen Koffer an sich zu reißen.
»Danke, aber ich behalte meinen Trolley lieber.« Natürlich bekam ich ihn nicht zurück, stattdessen griff der Leibwächter nach meinem Arm und wollte mich mit sich ziehen, aber damit ging er zu weit. Ich löste seine Finger absichtlich rüde von meinem Oberarm, wobei ich der Kamera den Rücken zukehrte und leise, aber umso giftiger spie: »Finger weg!«
Die Zeit hatte Hassans Gefühle für mich nicht geändert und ich hatte auch keine positiven für ihn entwickelt, wodurch wir hin und wieder aneinandergerieten.
Hafidh rief erneut eine Order. Ich konnte nur schätzen, dass es sich um eine weitere Aufforderung zur Eile handelte, denn Hassan fasste wieder nach mir.
»Lᾱ!« Ich hatte mir einige Worte arabisch angeeignet. Es genügte nicht für eine Verständigung, aber zumindest konnte ich mich vorstellen und Ja und Nein sagen. Hassan blieb unbeeindruckt, machte gar den Eindruck, mich nicht gehört zu haben, denn er haschte weiterhin nach mir. Ich wich ihm aus und schlug mit meinem Hut nach ihm.
»Habibati!«
»Sag deinem Affen, er soll die Hände bei sich lassen!« Ich beschleunigte meinen Schritt, um dem Bodyguard auszuweichen, was mich erst recht verärgerte. Schließlich sollte es nicht nötig sein, überhaupt eine Aufforderung, mich nicht anzufassen, laut aussprechen zu müssen und eine Wiederholung war indiskutabel.
Ich fror, aber um meine Jacke aus dem Koffer zu holen, müsste ich zum einen stehen bleiben und zum anderen den Trolley zurückbekommen. Fröstelnd schlang ich die Arme um mich, verwünschte Hassan ausgiebig, auch wenn kein Wort meine Lippen verließ, und folgte meinem Verlobten über die Rollbahn. Bei unserem letzten Stopp hatte ein Wagen direkt am Flugzeug auf uns gewartet. Allerdings hatte es sich da um den internationalen Flughafen Charles de Gaulle gehandelt und nicht um ein heruntergekommenes Pendant mitten im Nirgendwo.
Der Boden war uneben, womit sich auch meine Highheels als Fehlplanung erwiesen. Irritiert blieb ich doch wieder stehen, um mich umzuschauen. Es war bei weitem der schäbigste Flughafen, den ich je zu Gesicht bekommen hatte. Es gab nur diese eine Rollbahn, die vielleicht 3,5 Kilometer maß. Der Tower überragte das einstöckige Nebengebäude zwar, aber nicht die umliegenden Berge.
Irgendwie hatte ich mir den Ort meiner Geburt anders vorgestellt. Verwunschener.
»Habibati, wo bleibst du?«, rief Hafidh mir mit deutlichem Ärger in der Stimme zu. »Wir werden abgeholt und es ist unhöflich, jemanden warten zu lassen!«
War mit jemand
er gemeint oder der Fahrer?
Der Gedanke war schon fast lächerlich, da er gewöhnlich kein Problem damit hatte, seinen Fahrer warten zu lassen. Oder mich. Dennoch rätselte ich, warum ihm dieser Punkt plötzlich so wichtig war. Während des Fluges hatte er unentwegt SMS verschickt, was mich nicht weiter gewundert hatte, schließlich war mein Mobiltelefon auch mein bester Freund. Nun jedoch fragte ich mich im Nachhinein, mit wem er wohl geschrieben hatte und ob es etwas mit seinem Gedrängel zu tun hatte.
»Der Weg ist eine Schande«, gab ich zurück. Abgelenkt durch meine Gedanken übersah ich ein riesiges Loch im Asphalt und trat hinein. Ich strauchelte, verbiss mir den Aufschrei und fing mich wenig graziös wieder. Dabei flog mein Blick zufällig über meine drei Schatten. Paul grinste schadenfroh, während die anderen beiden professionell blieben und keine Miene verzogen. Ich konnte mir dennoch sicher sein, dass dieses Missgeschick in der Sendung landen würde, schließlich kannte ich das Trio mittlerweile gut genug. Paul nutzte jede Gelegenheit, meinen Glitter mit Teer zu beschmieren. Es blieb mir nichts anderes übrig, als gute Miene zum bösen Spiel zu machen und weiterzustaksen. Trotz des schmerzenden Knöchels und unter den scharfen Blicken meiner Gegner.
»Hast du dich verletzt?«, rief Paul mir zu meiner immensen Verblüffung zu und holte mich ein. Seine blauen Augen verengten sich, als er mich musterte. »Das wäre eine Katastrophe!«
Natürlich machte er sich keine Sorgen um mein Wohl, sondern hatte nur die Show im Sinn. Schnaubend wendete ich mich ab, um Hafidh zu folgen, der bereits aus meinem Blickfeld entschwunden war.
»Wer weiß, ob es hier Krankenhäuser gibt …«
Jason lachte auf. »Komm schon, Paul. Wir befinden uns in der Wiege unserer Kultur. Die Krankenpflege wurde hier erfunden, die Elektrizität und das Telefon.«
»Ja«, murrte Paul irgendwo hinter meinem Rücken. »Und dann haben sie den Zug in die Zukunft verpasst.«
Ich mochte nicht einmal widersprechen, schließlich wirkte hier tatsächlich alles wie aus einem anderen Jahrhundert. Auch Jason ließ das Thema fallen. Er hastete, Lex den Tontechniker im Schlepptau, hinter uns her und richtete sein Augenmerk aufs Geschäft.
»Die Lichtverhältnisse sind bescheiden. Wir werden die Reflektoren brauchen.«
Auch das Gespräch fesselte nicht meine Aufmerksamkeit. Das beruhte auf der Tatsache, dass Hafidh und seine Sicherheitsleute nicht umgekehrt waren, um nach mir zu sehen. Erst als ich um die Ecke bog, bekam ich den Grund für seine Abtrünnigkeit zu Gesicht, die wider Erwarten nicht in einer weiblichen Person resultierte. Hafidh umarmte einen rötlich-blonden Anzugträger.
»Padraig, mein Freund!« Er schlug dem anderen Mann auf die Schulter und strahlte über das ganze Gesicht. Irritiert ließ ich meinen Blick über den Fremden wandern, der meinen Verlobten weit überragte. Sein rötlich-blondes Haar wehte in der steifen Brise, die auch an meinen Locken zerrte. »Wie überaus erfreulich, dich endlich wiederzusehen!«
»Hafidh, wie schön, dass du es einrichten konntest, in Schottland haltzumachen.« Sie umklammerten einander die Oberarme, ehe sie sich voneinander lösten.
Hafidh erinnerte sich wohl endlich an mich, denn er sah sich um, entdeckte mich, und machte einen Wink als Aufforderung, mich zu ihm zu gesellen. Auf dem Weg registrierte ich die beiden Limousinen, die bereitstanden und in deren Kofferraum Hassan meinen Trolley stopfte. Ich war in einem luxuriösen Umfeld aufgewachsen, aber das Gepäckstück gehörte zu den teuren Dingen, die ich mir von meinem sauer verdienten Geld geleistet hatte. Damit besaß es einen hohen Wert für mich. Es so rüde behandelt zu sehen, ließ mich zusammenzucken und hadern, ob ich vor dem Fremden eine Szene wegen eines Koffers heraufbeschwören sollte. Letztlich kam ich nicht aus meiner Haut. Ich bog ab, schubste Hassan zur Seite und zog meinen geschundenen Koffer aus dem Fond.
»Das ist kein Boxsack«, belehrte ich ihn dabei. »Und kein x-beliebiges Handgepäck. Behandle es anständig!« Die übrigen Taschen waren ungeordnet einfach in den Kofferraum geworfen worden, sodass es nicht verwunderlich war, dass mein Koffer keinen Platz mehr fand. Ein Umstand, der nicht lang benötigte, um korrigiert zu werden, also stellte ich meinen Trolley ab und begann, den Stauraum aufzuräumen.
»Habibati«, murrte Hafidh plötzlich an meiner Seite. Seine Berührung war fest und hatte den Zweck, mich abzulenken. Er hatte Erfolg, denn mit einem umklammerten Arm war die Bewegungsfreiheit deutlich eingeschränkt. »Komm und begrüße meinen guten Freund Padraig McTiernan.«
»Das kann warten. Ich sortiere kurz …«
»Nein!«
Überrascht sah ich auf, schließlich war ich es von Hafidh nicht gewohnt, so hart angesprochen zu werden und sei es mit einem entschiedenen Nein. Sein Lächeln beruhigte mich nicht, galt es doch dem Mann, den ich unbedingt begrüßen sollte. Hafidh zog mich näher an sich, wodurch ich gegen ihn stolperte und keine Chance mehr hatte, mich um Koffer und Verstauung zu sorgen.
»Paddy, dies ist meine hinreißende Verlobte, Hailey McGregor.«
In seiner Stimme schwang Stolz mit, dies beruhigte mich dann doch. Er wollte wohl lediglich mit mir angeben. Der Eindruck verstärkte sich, als er mir den Arm umlegte. Er zog mich eng an sich und drückte mir sogar einen Kuss auf das Ohr. Etwas verunsichert, da er seine Zuneigung gewöhnlich nicht so öffentlich demonstrierte, schaute ich zur Seite, als ich die Hand ausstreckte, um die seines Freundes zu schütteln.
»Sehr erfreut«, murmelte ich dabei wackelig.
»Miss McGregor.« Sein Handschlag war bemerkenswert. Fest und zart zugleich. Da es unhöflich wäre, ihn nicht anzusehen, hob ich den Blick. Er hatte strahlend blaue Augen. Ich blinzelte, was sich anfühlte, als dauerte es eine Ewigkeit.
Seine Lippen bogen sich zu einem sinnlichen Grinsen. Gott konnte der lächeln! Es zog mich direkt in den Bann.
»Nun, wo hast du uns untergebracht?«, riss Hafidh mich aus meiner Selbstvergessenheit. Er drehte mich, wodurch der Handschlag unterbrochen wurde, und schob mich an Mr McTiernan vorbei. Der beeilte sich, mir die Tür der Limousine aufzuhalten. Mein Einstieg wurde zu einem verkappten Sturz und ich rutschte schnell tiefer, um meine Tollpatschigkeit zu verschleiern. Meinen Trolley hatte ich völlig vergessen, aber einmal im Wagen, wollte ich mit meinem Kleid auch nicht wieder hinauskriechen. So bequem, wie man sich eine Fahrt in einer Limousine vorstellte, war sie nämlich nicht. Die eine Tür wurde von Beinen schnell verstopft, das Luxusgefährt lag niedrig, wodurch man sich bücken musste und der Boden war nicht einmal eben.
Hafidh folgte mir und auch Mr McTiernan stieg ein. Damit war mein Schmuckstück auf sich allein gestellt und ich musste hoffen, genügend Platz freigeräumt zu haben, sodass Hassan den Trolley, ohne Schäden zu verursachen, hineinstellen konnte.
Innerhalb der schummrigen Limousine ging das Leben unaufhaltsam weiter. Mr McTiernan griff nach der Flasche, die vor ihm im Kübel lag, und hielt sie Hafidh entgegen, der mit einem Wink seine Zustimmung gab. Niemand fragte mich, also verweigerte ich die Annahme des Champagnerglases.
»Farquhar«, meinte Mr McTiernan, als er es sich in seinem Teil der Sitzbank bequem machte. Ich spürte seinen Blick auf mir, denn ich stellte das Glas unberührt ab, nachdem Hafidh es von seinem Freund übernommen und es mir in die Hand gedrückt hatte.
»Es ist ein kleines Jagdschloss in malerischer Umgebung, etwas außerhalb von Inverness. Es steht inmitten eines riesigen Privatgeländes, das bis vor wenigen Jahren zu den Liegenschaften des Duke of Skye gehörte. Es besitzt lediglich fünfzig Schlafzimmer, die aber zum größten Teil sehr luxuriös sind.«
Was mein Interesse einfing, war sicherlich nicht die Hintergrundgeschichte unserer Unterkunft. Was mich hellhörig machte, konnte ich aber auch nicht sagen. Die Sprachbarriere womöglich? Sein Akzent war, vom amerikanischen Standpunkt aus gesehen, fürchterlich. Hin und wieder bezweifelte ich auch, dass es tatsächlich englische Ausdrücke waren.
»Klingt … spartanisch«, wertete Hafidh. Er drehte sein Champagnerglas in der Hand und sah mit leicht verengten Augen zu seinem Freund hinüber. Seine unfassbar langen Wimpern weckten, wie jedes Mal, wenn ich sie bemerkte, puren Neid. Meine Wimpern waren, wie meine Brauen und all mein Haar rot, womit zumindest die zuerst genannten kaum sichtbar waren.
»Keine Sorge, all deine Erwartungen werden erfüllt werden und Miss McGregor wird das heimatliche Flair sicherlich zu schätzen wissen.« Ein Schauer huschte über mein Rückgrat, als er meinen Namen aussprach und mich dabei wieder in Augenschein nahm.
»Das Hotel ist erst in dieser Saison eröffnet worden und hat bereits erstklassige Bewertungen. Die Prinzen haben mit ihren Gattinnen und den Kindern einige Tage hier verbracht und sind gerade erst abgereist.«
Hafidh stoppte die Drehung seines Kelches. Für einen langen Moment starrte er in das prickelnde Getränk, dann hob er den Blick. Er hatte wahnsinnig volle Lippen, aber auch einen Hang, sie zu verziehen. Manchen Leuten konnte man die Gefühle von den Augen ablesen, ihm von der Haltung seines Mundes.
»Die königliche Familie, hm, und ihnen hat der Aufenthalt zugesagt? Nun, dann werden wir uns sicherlich auch wohlfühlen, nicht wahr, Habibati?«
»Es hat einen Spa-Bereich?«, fragte ich, um weniger versnobt zu wirken. »Und große Betten? Dann wird es mir sicherlich gefallen.«
»Tatsächlich ist das Hotel auf seinen Spa-Bereich ausgelegt. Die Betten habe ich allerdings nicht gesondert ausprobiert.« Mr McTiernan zwinkerte mir zu.
Hafidhs Hand legte sich schwer auf mein Knie und fing damit meine Aufmerksamkeit ein. Sein Griff wurde fester und lockerte sich wieder. Ebenso wie sein Kuss zuvor, war auch diese Berührung ungewöhnlich. Sie trug eine besitzergreifende Note, die mir Unbehagen bereitete. Warum musste Hafidh vor diesem Mann so dringlich sein Gesicht wahren?
»Du bist wie immer an den falschen Dingen interessiert, Habibati. Es wundert mich, dass du dennoch so erfolgreich bist.« Hafidh nahm die Hand von meinem Knie und schlang den Arm um meine Schulter, um mich an sich zu ziehen. Ich war verdammt froh, dass meine Crew in der anderen Limousine saß. Das war nicht ich und schon gar nicht das Bild, das ich in der Öffentlichkeit abgeben wollte. Warum also ließ ich zu, dass er mich dermaßen abwertend behandelte?
Nein, sogar herabsetzend, denn genau so verstand ich seine Worte. Als hätte ich nicht hart gearbeitet, hätte nicht Jahre investiert, um meinen Blog aufzubauen. Es mochte leicht aussehen, war es aber nicht. Manchmal machte ich ein Dutzend Takes für ein Video, ich testete Dinge, die schon mal schmerzten oder mich mit versengten Augenbrauen zurückließen. Ich hatte auch unglaublich viel Geld investieren müssen, bevor die Werbepakete endlich ins Haus flatterten.
»Ich finde die Erholungsmöglichkeiten wesentlich wichtiger, als dass irgendwelche Prinzen mal in dem Bett gelegen haben, in dem ich in der Nacht schlafen soll.« Ich zuckte die Achseln, wodurch Hafidhs Arm abrutschte. Genau das hatte ich auch bewirken wollen. »Unsere Prioritäten liegen in der Tat anders.«
Da ich nicht weiter diskutieren wollte, lächelte ich ihn an. »Was treibt uns eigentlich in dieses ungemütliche Klima?« Die Limousine war klimatisiert, was es aber nicht besser machte. Ich fröstelte und suchte doch wieder seine Nähe, um mich an seiner Wärme zu laben. Leider blieb er nicht ruhig. Hafidh reckte sich, damit Mr McTiernan sein Glas auffüllen konnte, streckte sich dann, und legte den Arm auf die Rückenlehne, damit konnte ich näherrutschen und mich an seine Brust kauern konnte, so wie er es mochte. Zu bestimmten Gelegenheiten hatte ich nichts dagegen einzuwenden, mich an meinen Partner oder sonst wen zu kuscheln. Beim Fernsehen zum Beispiel liebte ich es und auch beim Quatschen fand ich es häufig angenehmer, jemanden nicht von Angesicht zu Angesicht gegenüberzusitzen. Allerdings war ich sonst eher der freiheitsliebende Typ. Nicht das Heimchen, das sich an die Seite eines Mannes flüchten musste, um sich wohlzufühlen. Mein Widerwille kämpfte mit meinem Bedürfnis nach Wärme und trug den Sieg davon. Ich rutschte über die Bank zum Fenster, lehnte mich an das kühle Leder und richtete den Blick hinaus.
Grüne Wiesen huschten an uns vorbei, das allein fand ich bereits faszinierend, schließlich war ein sattes Grün in Austin die Ausnahme. Dazu die Hügel, die sich nah und fern auftürmten und wieder abfielen. Holzzäune rahmten die Weideflächen ein, auf denen hier und dort ein Schaf graste. Ein recht malerisches Bild, auch wenn mir noch immer die strahlende Sonne fehlte.
»Was hat Schottland noch zu bieten?«
Meine Ohren spitzen sich automatisch. Da ich vom Beauty-Blog über Challenges bereits so einiges gemacht hatte, wollte ich mein Portfolio erweitern und da hatte ich an die Vorstellung von Reisezielen gedacht.
»Natur, Geschichte, Abenteuer«, zählte der Einheimische auf und tippte sich dabei bei jedem Punkt auf einen weiteren Finger. »Entspannung, Vergnügen …«
»Ist es das?« An meinem Fenster waren die Hügel abgefallen und einer Küstenlinie gewichen und in einiger Entfernung stand eine Burg auf hellgrünem Untergrund. Ich setzte mich auf, um besser sehen zu können, aber die Szenerie verschwand hinter der nächsten Wand aus Grün und Grau.
»Wir sollten in der nächsten halben Stunde ankommen, ich bin mir sicher, Miss McGregor, dass Ihnen Farquhar gefallen wird. Es ist ein sehr romantischer Ort.« Er fing meinen Blick auf. Seine blauen Augen hatten so einen Schimmer, der, gepaart mit seinem schiefen Grinsen, schelmisch wirkte.
»Romantisch«, wisperte ich, wobei ich mich von seinen Augen losreißen musste.
Draußen flog die schottische Landschaft nur so an mir vorbei. Mit Romantik verband ich einen abgeschiedenen Ort am Strand, Champagner, Rosenduft und leise Musik. Vielleicht noch ein Meer von Kissen und wallenden Vorhängen, die sich in der sanften Brise bewegten.
»Aye. Verträumt, abgeschieden und sinnlich.« Er klang belustig.
Ich prustete, ohne es zu wollen.
»Yeah! Bei den Witterungsverhältnissen ist Sinnlichkeit sicher der einzige Weg, um sich warmzuhalten.« Mein Spott traf auf wohlwollende Gelassenheit.
»Ich sagte bereits, ein sehr sinnlicher Ort.« Er zwinkerte. Meine Lippen bebten, aber ich verkniff mir das Grinsen. Es hatte so bereits eine zu tiefe Bedeutung, wenn man bedachte, dass dies hier gut und gern als Flirt betrachtet werden konnte. Und dafür war es bei weitem zu spät, woran mich Hafidhs Hand erinnerte, die sich wieder besitzergreifend auf mein Knie legte. Ein schneller Blick verriet, dass seine Laune sank.
Obwohl ich es albern fand, wollte ich seine Eifersucht auch nicht für nichts und wieder nichts anregen. Ich hatte eine hervorragende Position: Verlobte eines angesehenen Scheichs, ganz sicher eine zweite Saison meiner TV-Show und wenn alles gut lief, bald einen Agenten, der mich einen weiteren Schritt in Richtung meines Berufswunsches brachte. Ich wollte ins Showbiz und alles deutete darauf hin, dass ich auf dem richtigen Weg war. Ich ließ sicherlich nicht zu, dass ein unnötiger Flirt all meine sehnsüchtigen Ziele zerschmetterte!
Eine halbe Stunde später hielt die Limousine vor einem kleinen Schloss.
Hafidh stieg als Erster aus. Mr McTiernan bedeutete mir zu folgen. Zu gerne wäre ich auf meiner Seite ausgestiegen, nur leider war diese Tür ein Fake. Also rutschte ich mit sich hochschiebendem Kleid über die Bank und stieg ungelenk aus. Starrte er mir etwa auf den Hintern?
Ich versicherte mich dessen nicht, sondern huschte schnell um die Limousine herum, als könne Abstand meine merkwürdigen Empfindungen dämpfen. Die Umgebung nahm ich eher unbewusst auf. Eine breite Freitreppe führte zu einem zweiflügeligen Tor, über dem ein altertümliches Holzschild hing. Farquhar
.
Es hatte tatsächlich ein gewisses Flair, das musste ich Mr McTiernan lassen. Der sah über das Dach der Limousine zu mir herüber. Wollte er meine Reaktion prüfen?
Diesbezüglich wurde er enttäuscht. Jahre vor der Kamera hatten mich gelehrt, meine innersten Ansichten zu verbergen. Ich ließ den Blick abschweifen, drehte mich um und gönnte mir ein Grinsen. Vor dem Haus gab es eine breite, gekieste Auffahrt, Rasen soweit man sah, und zur Rechten, ein Stück entfernt eine Hecke, die etwas einfasste. Da Chrom im schwachen Sonnenlicht glänzte, hielt ich es für eine Art Parkplatz.
Mein Kamerateam sortierte sich hinter dem zweiten Wagen. Paul redete mit den anderen beiden Männern, wobei er sich seiner großen Gesten bediente. Mit beiden Armen machte er einen allumfassenden Wink, deutete zur Tür, zum Turm und quer hinüber zum anderen Turm.
Mein Seufzen blieb ungehört, ganz so, wie es gedacht war. Die Heckklappe der Limousine versperrte mir den Blick, als sie geöffnet wurde.
»Habibati, kommst du?«, rief Hafidh mir ungeduldig zu. Er machte einen Wink, der mich heranbeordern sollte und den ich ignorierte. Zwar waren meine Schuhe auch für diesen Untergrund ungeeignet, aber zickig wie ich war, stakste ich dennoch zunächst in Richtung der Rasenfläche.
Es war Paul, der mich aufhielt.
»Hailey, wir machen ein Interview vor dem Haus. Zeig uns deine Begeisterung, okay? Bist du vorbereitet? Weißt du irgendetwas über das Hotel?«
Lässig winkte ich ab. Mr McTiernan hatte sich genügend über Farquhar ausgelassen, sodass ich sicherlich ein paar Details nennen konnte. »Klar.«
Lex und Jason traten zu mir, ohne mir Beachtung zu schenken. Sie beratschlagten, welches Equipment nötig wäre, um im Freien sowohl einen guten Ton einzufangen, als auch das Sonnenlicht sinnvoll zu nutzen. Derweil betrachtete ich das Schloss. Das, was ich als Türme bezeichnet hatte, waren eher vorgestellte Ecken von drei Metern Breite. Die Vorderfront erstreckte sich beidseitig auf gute zehn Meter und fasste drei Stockwerke plus Dach.
Lex zog seinem Mikrofon einen Windschutz über, der den Wind aus der Aufnahme halten sollte. Jason schraubte eine Linse vor seine Kamera und schulterte das schwere Gerät, um sich ein Bild von dem Ergebnis zu machen. Sobald die Linse in meine Richtung zeigte, lächelte ich übertrieben euphorisch.
»Wie sehe ich aus?« Geziert fuhr ich durch mein Haar, das zwar zu einem fluffigen Pferdeschwanz hochgesteckt war, aber durch seine Länge über meine Schulter fiel.
Jason schnaubte, schließlich hatte ich eben diese Frage im letzten Jahr tausendmal gestellt. »Ich bin nicht dein Spiegel, Hailey, wann merkst du dir das endlich?«
»Jason, Jason hinter den Linsen, sag, kann man mich ansehen?« Ich klimperte übertrieben mit den Wimpern, wobei ich die Augen so weit aufriss, wie es möglich war. Ein leichtes Absenken des Kinns intensivierte den Effekt. Ich wirkte wie die Unschuld vom Lande und sicherlich verdammt verführerisch.
Seine Lippen verzogen sich zu einem Schmunzeln, aber eine Antwort bekam ich wie üblich nicht. Stattdessen zählte er mich an. Dafür hob er die Hand, zeigte mir drei Finger, dann zwei … »Willkommen in Alba!«, rief ich, als sich seine Faust schloss, und machte eine Tada-Geste. »Jetzt seid ihr irritiert und fragt euch: Alba, was ist das?«
Ich zwinkerte übermütig in die Kamera. »Keine Sorge, es ist lediglich die gälische Bezeichnung für Schottland.«
Ich unterbrach mich, um den Infodump erträglicher zu gestalten. »Ich befinde mich vor meiner Residenz, dem Szene-Hotel Farquhar nahe Inverness, um mich von der Hektik der letzten Tage zu erholen.« Ich drehte mich, um auf das majestätische Gebäude in meinem Rücken zu deuten. »Dieses Jagdschlösschen soll bis vor kurzem dem Duke of Skye gehört haben, wer auch immer das ist.« Mein Schulterzucken wischte den Titel beiseite. »Es bietet Luxus auf dem neuesten Stand, da die Umbauarbeiten erst in diesem Jahr beendet worden sind. Dennoch haben bereits Prinzen dieses Resort besucht und sollen angetan gewesen sein.« Ich zwinkerte auffällig. »Fünfzig Zimmer, hauptsächlich Suiten, fasst dieses wundervolle Gebäude, das von außen eher Zweifel weckt, tatsächlich über Strom und fließend Wasser zu verfügen.« Ich lachte perlend auf. »Aber wir wollen unvoreingenommen wie stets diesem Halt unserer Reise begegnen.« Erneut wandte ich mich ab, wobei ich einen auffordernden Wink machte. »Kommt mit!«
Nach wenigen Schritten holte mich Jasons Ruf ein. »Cut!«
»Habibati, hat das nicht bis später Zeit?« Hafidh hatte ungeduldig vor dem Tor gewartet, Hassan und Mr McTiernan an seiner Seite, und schüttelte angespannt den Kopf. »Die Reise war anstrengend und ich möchte noch etwas Zeit mit dir genießen.«
Am Fuß der Treppe stockte ich, irritiert über seine Formulierung. »Wir werden nicht morgen schon wieder abreisen, oder? Dann haben wir doch genügend Zeit für uns.«
Natürlich war ich auch abgespannt. Wir hatten die Maschine schließlich am frühen Morgen bestiegen und hatten nach dreistündigem Flug weitere zwei Stunden in der Limousine zugebracht. Es war Zeit für etwas Entspannung. Eine Badewanne oder doch besser direkt der Whirlpool?
»Die eine Einstellung noch.«
Was ich für einen hervorragenden Kompromiss hielt, sah Hafidh als Konfrontation.
»Es reicht!«, beschied er fest. Seine dunklen Augen funkelten selbst in der Distanz verärgert. »Komm!«
Er gab Hassan einen Wink, der direkt die Stufen herabkam und nach meinem Arm griff.
»Finger weg«, spie ich leise, schließlich war nicht auszuschließen, dass Jason die Kamera bereits auf mich gerichtet hielt. Es wäre nur ein weiteres gefundenes Fressen für Paul und schlechte PR für mich, ließe ich es zu einer öffentlichen Auseinandersetzung kommen.
»Hafidh, du weißt, wie wichtig die Aufnahmen sind«, setzte ich auf die Vernunft meines Verlobten. Der gab aber nicht nach und befahl seinem Handlanger nicht, mich in Frieden zu lassen wie ich es erhofft hatte. Hassan abzuschütteln war nicht so einfach, wenn man kein großes Trara machen wollte, also gab ich widerstrebend nach und folgte seiner bestimmenden Führung die Stufen hinauf.
Es kochte in mir. Einerseits empfand ich es als demütigend, von diesem Hanswurst durch die Gegend gezerrt zu werden, dann jedoch richtete sich mein Zorn auch gegen mich selbst. Warum ließ ich es nur zu? Warum entriss ich mich seinen groben Händen nicht einfach, scheuerte ihm eine und machte deutlich, dass er mich nie wieder anzurühren hatte?
»Was soll das?«, knirschte ich, bei Hafidh angelangt.
»Darüber sprechen wir ein anderes Mal.« Er übernahm meinen Ellbogen und schob mich über die Schwelle, bevor ich auch nur ein weiteres Wort hervorbringen konnte.
Der Eingangsbereich war mit klug arrangierten, indirekten Lichtquellen hell ausgeleuchtet. Zur Rechten befand sich die Rezeption, zur Linken einige Sitzgelegenheiten. Auf beiden Seiten führte eine doppelflügelige Tür in einen Korridor, aber nur die auf der linken Seite war geöffnet.
»Willkommen auf Farquhar!«, wurden wir von einer Frau in den Dreißigern begrüßt, die um die Rezeption herumkam, um uns entgegenzutreten. Sie hielt mir die Hand hin, lächelte mich dabei herzlich an, bevor sie sich an Hafidh wandte. »Scheich Alabdil, es ist uns eine außerordentliche Ehre, Sie hier bei uns zu haben. Ich bin Caroline McDermitt, die Inhaberin. Darf ich Ihnen Ihre Suite zeigen?« Ihre Hand vollführte einen Bogen in Richtung des offenen Flurs, bevor sie selbst losging. In ihrem gediegenen Kostüm machte sie einen recht professionellen Eindruck, aber Hafidh verzog das Gesicht. Seine Nasenflügel bebten, als er tief den Atem einsog. Sein Griff um meinen Ellbogen verstärkte sich, dass es schon schmerzhaft wurde.
»Hafidh«, murmelte ich, während ich die Hand auf seine legte, um seine Finger zu lockern. »Lass los.«
Mrs McDermitt sah über die Schulter zurück. »Mr McTiernan hat alle Formalitäten bereits erledigt, damit bleibt mir nur noch, Ihnen das Haus zu zeigen. Im Erdgeschoss finden Sie den Speiseraum und den Spa-Bereich. Im Untergeschoss befindet sich zudem ein Fitnessbereich, der ganz zu Ihrer Verfügung steht. Weitere Informationen über unser Angebot finden Sie in der Broschüre. Wenn Sie Fragen haben, steht Ihnen rund um die Uhr jemand zur Verfügung. Die Rezeption ist mit einem Klick auf das Display zu erreichen.«
Mrs McDermitt stoppte vor einem Fahrstuhl, allerdings waren wir bereits zuvor an einem vorbeigekommen.
»Dies ist der Fahrstuhl, der exklusiv für die Suiten im zweiten und dritten Stock bereitsteht. Er funktioniert lediglich mittels eines Codes. Sie können das Gebäude durch den separaten Eingang betreten.« Sie drehte sich, um uns zur Ecke zu lotsen, von der aus man den rückwärtigen Ausgang sehen konnte. »Sie können Ihre Fahrer anweisen, um das Haus herumzufahren. Parken ist dort jedoch nicht erlaubt.«
Geschäftig kehrte sie um, rief den Aufzug und wandte sich uns wieder zu. »Bitte scheuen Sie sich nicht, Ihre Wünsche kundzutun. Wir sind darauf bedacht, unseren Gästen einen umfassend exquisiten Aufenthalt zu ermöglichen.«
Die Türen glitten geräuschlos auf und sie deutete hinein. »Nach Ihnen.«
Hafidh schob mich vor. Der Lift fasste laut Plakette zehn Menschen. Damit war er ausreichend groß, sorgte bei mir aber dennoch für Beklemmung, obwohl Mr McTiernan sich verabschiedete und damit nur Hassan, Hafidh, Mrs McDermitt und ich einstiegen.
Jeden Atemzug bewusst einziehend, beruhigte ich mich mit Gedanken an die Weite der Natur, die nur wenige Meter neben mir begann – hinter den Mauern von Farquhar, was mein Kopf nicht vergessen wollte. Die Fahrt dauerte nicht lange und als sich die Türen öffneten, drängte ich hinaus. Mein Keuchen unterdrückte ich gerade so, wobei ich mich eilig umsah, um Neugierde vorzutäuschen.
»In dieser Etage befinden sich die drei größten Suiten in unserem Haus. Ihre ist die gleich gegenüber. Damit haben Sie einen wundervollen Ausblick auf das wenige Meilen entfernte Meer und die ausgedehnte Gartenanlage, die selbstredend nur unseren Gästen zur Verfügung steht.«
Sie erreichte eine ebenfalls zweiflügelige Tür und öffnete sie mit einer Karte, die mittels einer Kordel direkt wieder unter ihrem Jackett verschwand. Mrs McDermitt öffnete die Tür mit Schwung und bedeutete uns voranzugehen. Wir betraten einen Raum, der größer war als mein Schlafzimmer daheim in Austin, aber unmögliche Ausmaße waren für mich nichts Neues. Auch das Hotel in Paris hatte uns Zimmer zur Verfügung gestellt, die darauf ausgelegt waren, sich in ihnen zu verlaufen.
In der Mitte standen diverse Couches um einen Tisch aus Eichenholz herum. Ein Breitbildfernseher hing an der Wand und nahm sie fast zur Gänze ein. Zu beiden Seiten schlossen sich Räume und Gänge an.
»Wünschen Sie eine Führung durch die Suite, Scheich Alabdil?«
»Wie viele Schlafzimmer?« Hafidh verschwendete keinen Blick auf die moderne Ausstattung um sich herum.
»Fünf.« Sie deutete in beide Gänge. »Zwei auf der Südseite, drei auf der Nordseite.«
Er ließ uns stehen und stürmte den Gang hinunter.
»Wir sind zu zweit«, wandte ich mich an die Besitzerin des heimeligen Hotels. Das rüde Verhalten meines Verlobten war mir peinlich und ich wollte es ausgleichen. »Ich werde wohl nie verstehen, warum da eine Suite mit fünf Schlafzimmern angemietet wird.« Ich schenkte ihr ein belustigtes Lächeln. »Wie viele weitere Gäste haben Sie derzeit noch?«
»Zurzeit sind sie die einzigen. Die nächsten Buchungen sind um den fünfzehnten herum, damit haben Sie drei Wochen völlige Abgeschiedenheit vor sich.«
»Wie bitte?« Zwar war ihr Akzent nicht schottisch und damit war sie leichter zu verstehen als Mr McTiernan, dennoch glaubte ich, nicht richtig verstanden zu haben. »Das ist ein Irrtum«, griff ich daher auf. »Wir machen nur einen schnellen Zwischenstopp, bevor …«
»Habibati!«, donnerte Hafidh. Einmal mehr bekam ich Zweifel an der Bedeutung des Wortes. »Sicherlich hat Mrs McDermitt Besseres zu tun, als mit dir zu tratschen.« Er nickte der Eignerin zu. »Sie können uns alleinlassen.« Es klang nicht nach einer Bitte, ganz und gar nicht.
»Selbstverständlich. Ich wünsche einen angenehmen Aufenthalt.« Sie neigte den Kopf, lächelte, aber in ihren Augen meinte ich ein gewisses Ressentiment ausmachen zu können. Sie verließ die Suite und schloss lautlos die Doppeltür.
»Du beziehst eines der Zimmer im Norden, welches, ist mir gleich.« Hafidh löste seine Manschettenknöpfe und steckte sie sich in die Jacketttaschen. »Gestalte deinen Tag, wie du es möchtest, ich werde am Abend ausgehen.«
Da sein Blick unverwandt auf mich gerichtet war, sparte ich mir die Frage, ich schüttelte lediglich den Kopf.
»Padraig hat mich eingeladen. Wir haben uns seit unserer Studienzeit nicht mehr gesehen.« Seine strenge Miene lockerte sich und selbst seine Lippen verloren ihren steifen Zug. Hafidhs Charme trat zutage, sein dunkler Sex-Appeal, der mich seit unserem ersten Treffen so eigentümlich anzog. Ich mochte seine samtigen, dunklen Augen, seine wahnwitzig langen Wimpern, die stolze Nase, auch wenn sie eine Spur zu gebogen war oder vielleicht gerade deswegen?
»Wir sind hier allein. Hassan wird auf dich aufpassen.« Damit ließ er mich stehen. Er hatte tatsächlich eine unangenehme Art, Gespräche zu beenden, bevor sie eigentlich recht begannen. Er wollte sich in sein Zimmer zurückziehen, aber so einfach entkam man mir nicht.
»Hafidh.« Ich folgte ihm. »Warum kann ich dich nicht begleiten?« Auch wenn ich keine Männerabende crashen musste, um mich gut zu fühlen, war es die angenehmere Variante. »Was werdet ihr machen?«
»Habibati, ich werde allein gehen.« Er riss die Tür zu seinem Schlafzimmer auf. Von dem Gang, in dem ich mich noch befand, gingen vier weitere Türen ab, womit er den vom Eingang aus gesehen entferntesten Raum nutzte.
»Du lässt mich am ersten Abend nach unserer Verlobung allein? In einem fremden Land, an einem abgeschiedenen …«
Die Tür knallte hinter ihm zu. Es stoppte mich. Nicht nur meine Verfolgung oder die Tirade, nein, sein Verhalten brachte mich dazu nachzudenken. So wollte ich nicht sein und es machte mich wütend, dass er mich dazu brachte, ihm hinterherzulaufen und ihn mit Beschwerden zu überhäufen. Ich brauchte ihn sicherlich nicht, um mich zu amüsieren. Hassan auch nicht, also setzte ich meinen Weg fort. Noch in der Tür blieb ich stehen. Auch sein Schlafzimmer trotze vor Moderne. Irgendwie war ich enttäuscht. Das Flair eines Jagdschlosses ging deutlich verloren, wenn das Interieur durch Glas und Stahl glänzte und nicht mit Holz, edlen Stoffen und altertümlichen Gemälden daherkam.
»Fein.«
Hafidh drehte sich zu mir um. Er hatte sein Jackett abgelegt und knöpfte sich ungehalten das Hemd auf. »Kannst du anklopfen, bevor du mein Schlafzimmer stürmst?«
Den Atem ganz langsam auszustoßen und mich dabei zu beruhigen, war eine Mammutaufgabe.
»Entschuldige, aber du tendierst dazu, jeder Diskussion auszuweichen.«
»Nein, ich weiche nichts aus.«
Ein ersticktes Lachen entwich mir. »Hafidh, du bist soeben davongestürmt und hast die Tür vor meiner Nase zugeschlagen!«
»Padraig erwartet mich. Du wirst erlauben, dass ich pünktlich zu meinen Verabredungen erscheine«, gab mein Verlobter schnippisch zurück, was mich einen Moment lang sprachlos machte.
»Natürlich.« Ich räusperte mich, was er zum Anlass nahm, zu mir zu kommen und mich hinauszudrängen.
»Ich bin in Eile. Wir können morgen diskutieren.«
Mein Mund klappte zu, als sich die Tür erneut vor mir schloss.
Warum es mich immer noch verwunderte? Keine Ahnung, aber von diesem Urlaub hatte ich mir etwas ganz anderes versprochen: mehr Nähe, deutlich mehr Zweisamkeit und zwar besonders zwischen den Federn.
Kopfschüttelnd trat ich zurück. Um mich zu sammeln, schloss ich die Augen, zählte rückwärts bis null, wobei ich absichtlich bei fünfzig anfing, und atmete betont tief durch.
Hinter der Tür rumorte es. Hafidh sprach in seiner Muttersprache, wobei es nicht nach Fluchen klang. Also tippte ich innerlich auf ein Telefon. Mit wem hatte er so dringlich zu reden, nachdem er mich vor die Tür gesetzt hatte? Bei dreißig gab ich auf und trat den Rückweg an.
Im Wohnbereich begegnete mir Hassan. Seine dunklen Augen legten sich gleich mit üblicher Ablehnung auf mich. Mein Trolley stand an der Tür und ich schnappte ihn mir, um mein Zimmer auszusuchen. Das Entfernteste im Südtrakt.