Mareis Rückkehr war nur ein kleiner Tropfen auf dem heißen Stein, dennoch war es beruhigend. Die Köchin kannte Clara, seit sie ein kleines Mädchen war, und obwohl es irgendwie absurd war, tat es gut, dass sie ihre Lieblingsgerichte kochte. Auch Peter ließ sich nicht von den Gerüchten beeindrucken. Er gab den Leuten zu verstehen, dass es sie nichts anging, ob jemand zur Gemeinde einer Synagoge oder einer Kirche oder zu keiner von beiden gehörte. Jeden Brauknecht, der nach Claras Gesinnung oder Privatleben fragte, stauchte er zusammen. Von Magdalena hörte Clara nichts, nicht einmal jetzt, als sie ihre Freundin mehr denn je gebraucht hätte.

Tilda sah es gelassen. «Nur ein Skandälchen, Liebes, nichts weiter. Das passiert doch ständig. Augen zu, Pelzmantel anziehen und lassen Sie es an sich abprallen.»

René traf sie in Schwabing, wo niemand so genau hinsah. Wenn er sie doch einmal besuchte, dann diskret, nach Einbruch der Dunkelheit, vom Isarpfad her kommend.

Ein, zwei Zeitungen hatten das Thema aufgegriffen, aber zum Glück forderte irgendein parteiloser Sozialist in Berlin dann wieder einmal, die Abtreibung zu legalisieren, und sofort echauffierten sich alle darüber. Es war ausgerechnet Renés Zeitung, die das Thema groß herausbrachte, den Namen des Sozialisten aber nicht nannte. René tat harmlos und berief sich auf das Pressegeheimnis. Allerdings deutete er an, es gebe in Berlin einen parteilosen Sozialisten, der eine hohe Meinung von ihr

Ob René nun seinem ehemaligen Studienfreund einen Wink gegeben hatte oder nicht, das Thema Clara Bruckner geriet in den Hintergrund, und sie konnte aufatmen. Sie waren nicht aus dem Schlamassel heraus, aber es war ein Hoffnungsschimmer.

***

Als Clara ein paar Tage später die Küche betrat, schlug ihr ein verlockender Kuchenduft entgegen. Marei fuhrwerkte begeistert durch ihr Reich. Eine Schüssel im Spülstein verriet, dass sie die Gugelhupfform für den Nusskuchen in den Ofen gestellt hatte. Jetzt bereiteten sie das Abendessen vor. Am Tisch schnitt Anna Gemüse, während Marei Schweinebraten an der Kruste kreuzweise einritzte. Sie genoss es sichtlich, wieder für ein großes Hauswesen zu kochen und eine Schülerin einzulernen. Vor ihnen stand der Bräter, in den Anna Tomaten, Zwiebeln und Knoblauch und ein Lorbeerblatt legte. Auf dem Schrank saß Dorian Gray und blickte interessiert auf das Fleisch.

«Ich fahre vor dem Essen noch einmal bei Magdalena vorbei», sagte Clara. «Sie drahtete gerade, sie sei zurück.» Sie hatte ein schlechtes Gewissen, weil sie sie beinahe vergessen hatte.

«Kommt der Herr Kurowsky zum Essen?» Marei legte das Messer ab und wischte sich über die feuchte Stirn. Es war warm hier drinnen, und auf ihrem Gesicht und dem voluminösen Busen perlte Schweiß. Anders als Katharina schien sie sich geradezu über Claras skandalöses Privatleben zu freuen. Vermutlich betrachtete sie es als Absolution für sich selbst. Jedenfalls machte sie ihm jedes Mal ihre legendären Apfelkücherl. Und sie wäre nicht Marei gewesen, wenn sie den Anblick eines

«Er recherchiert für einen Artikel und wird es wohl nicht schaffen. Aber ich bin zum Abendessen zurück.»

Alles der gesprächigen Köchin mitzuteilen, war die beste Versicherung. Und aus irgendeinem Grund hatte Clara das Gefühl, dass eine Versicherung nicht schaden konnte.

 

Die nachmittäglichen Straßen atmeten noch die dumpfe Wärme der letzten Tage, als Clara den großen Horch hinauf nach Obergiesing lenkte. Sie hing zwischen den Mietskasernen, schwammig und drückend wie eine dunkle Ahnung. Clara war ein wenig mulmig. Immer wieder hatte sie überlegt, ob sie fahren sollte. Aber der Mord an Katharina veränderte alles. Magdalena musste wissen, was sie wusste. Für alle Fälle ließ sie den Wagen gut sichtbar auf der Straße vor dem Haus stehen.

Magdalena bat sie in den Salon, doch schon vom Flur aus sah Clara, dass nicht zum Tee gedeckt war. Es roch nicht nach Kuchen, nur der übliche Geruch alter Mauern und des Linoleums hing in der Luft. Sie zögerte, überlegte, ob sie wieder gehen sollte. Ein Mann erhob sich vom Kanapee.

«Guten Tag, Clara», sagte Alfred.

Langsam trat Clara in den Salon.

«Ich bin gekommen, weil ich meine Freundin wiederhaben will», sagte sie mit einem Blick zu Magdalena, die in der Tür stehen geblieben war. «Die Freundin, mit der ich meine Kindheit verbracht habe. Die an meiner Seite war, als mein Bruder starb und ich völlig verloren war. Aber vielleicht war das ein Fehler.»

Magdalena blickte mit zusammengepressten Lippen zu Boden.

«Ein Gendarm namens Thalhammer war hier und hat mir

Nichts anmerken lassen!, schrie die Stimme in ihrem Inneren. «Was meinst du?»

Alfred strich sich bedeutungsvoll mit beiden Händen über die Pomadenfrisur. «Um das klarzustellen: Was immer du zu wissen glaubst, du wirst es für dich behalten. Kein Schwatz mehr mit Thalhammer.» Er griff in seine Jackentasche und zog eine Pistole heraus.

Magdalena stieß einen erschrockenen Laut aus. Alfred spielte mit der Waffe. «Weißt du, es ist so eine Sache mit dem Krieg. Er lässt einen verarmen. Er macht einen zu einem Wrack, das sich nur mit Kokain aufrecht hält. Er nimmt einem die Männlichkeit. Kein schönes Gefühl. Ich will meine wiederhaben, und deshalb werde ich nicht zulassen, dass du meinen Aufstieg ruinierst.»

Clara versuchte, sich nichts anmerken zu lassen. «Und du denkst, es hilft, wenn du mich tötest?»

Alfred bemerkte die Doppeldeutigkeit nicht einmal. «Leben sind nicht viel wert. Ich habe es gesehen, glaub mir. So viele Leben. Ein Schuss oder eine Granate, und puff!, es ist vorbei. Aber nein, ich werde dich nicht töten. Im Gegenteil, ich will dich warnen. Du solltest an das Schicksal deiner Köchin denken. Eine Kugel aus der Dunkelheit. Oder ein Fremder, der dir zwischen die Beine greift, die du so freizügig zeigst, und dich in ein Gebüsch zerrt.»

Clara sah Magdalena an, die totenbleich in der Tür stand und sich an den Rahmen klammerte.

«Ich denke nicht, dass meine Frau dir helfen wird», bemerkte Alfred. «Sie weiß, wo sie steht. Deshalb hat sie damals auch dafür gesorgt, dass Toller endlich verhaftet wird.»

Clara fuhr zusammen. Magdalena wich ihrem Blick aus. Es

«Ich sagte doch, ich möchte dich warnen.» Alfred lächelte. «Siehst du, es ist gut, dass du gekommen bist.»

 

Er muss sich seiner Sache sehr sicher sein, dachte Clara, sonst hätte er mich nicht gehen lassen. Sie wusste nicht, wie sie nach Hause gekommen war, und auch beim Abendessen brachte sie kaum etwas herunter. Alfred hatte ihr offen mit Mord und Vergewaltigung gedroht. Es wäre gelogen gewesen zu behaupten, sie hätte keine Angst.

Sie hatte die Türglocke gar nicht gehört, daher fuhr sie zusammen, als Marei hereinkam. Jedes Geräusch erschreckte sie. Hinter der Köchin trat Magdalena in den Salon.

«Ich weiß nicht, was er tun wird, wenn er erfährt, wo ich bin», sagte sie leise. Sie war leichenblass, ihre Hände zitterten, und sie krallte sie ineinander. Ihre Augen irrten ziellos umher. «Ich hätte sehr viel mitgetragen. Viel zu viel. Aber nicht das. Nicht …» Sie schaffte es nicht einmal, das Wort auszusprechen. «Was ich sagen will, es war der beste Moment in den letzten Jahren, als du sagtest, du willst deine Freundin wiederhaben», fuhr sie fort. Bleich und verängstigt, aber fest sah sie Clara an. «Du hast dich nicht getäuscht. Das war kein Fehler.»

 

«Er hat dich in die Nervenheilanstalt gesteckt?», wiederholte Clara zehn Minuten später. Frauen für hysterisch, für verrückt zu erklären, sobald sie nicht taten, was man wollte – das war das letzte und wirkungsvollste Mittel, das diese Männer noch hatten.

«Dabei ist er selbst Kriegszitterer. Er hat schon öfter Wutanfälle bekommen, sogar auf offener Straße, und Leute angegriffen. Es ist beängstigend. Ich glaube, du hast recht. Xaver

Clara schüttelte fassungslos den Kopf. Sie war sich nicht sicher, ob sie diesen Verrat verzeihen konnte.

«Es war ungerecht, Toller für das verantwortlich zu machen, was … mir passiert ist. Ich habe mir eingeredet, dass sie ihn anständig behandeln werden und er einen Prozess bekommt, aber damit habe ich nur mein Gewissen beruhigt. Ich war so voller Hass und Angst, und jetzt wünsche ich mir nur noch, ich könnte es ungeschehen machen.» Magdalena sah sie an, und zum ersten Mal seit so langer Zeit sah Clara in ihren Augen Tränen. «Und später hat Alfred immer alles so hingedreht, dass es für ihn sprach. Mein Urteilsvermögen ist verlorengegangen, ich weiß nicht wann. Er war sich in allem immer so sicher, und ich wurde immer unsicherer. Ich hätte eine Farbe in einem Moment als Rot bezeichnet und im nächsten als Blau, nur damit er wieder ist wie früher. Aber als er sagte, er würde dir das antun, was mir passiert ist … Es tut mir so leid, Clara! Ich weiß nicht, was mit mir los war. Ich muss völlig verrückt geworden sein!» Sie unterbrach sich, und jetzt begann sie zu weinen.

Clara nahm Magdalena in die Arme und hielt sie fest. Die Erleichterung trieb ihr selbst Tränen in die Augen. Ich habe meine Freundin wieder, dachte sie. Endlich. Ich glaubte schon, es sei ihm gelungen, einen anderen Menschen aus ihr zu machen. Ihr Leben lang war Magdalena das unerwünschte Mädchen gewesen. Dann war Alfred gekommen und hatte ihr das Gefühl gegeben, dass sie ihm etwas bedeutete. Und als er ihr seine Zuneigung wieder entzog, hätte sie alles dafür getan, sie

«Er wird nie eine Trennung akzeptieren», sagte Magdalena. «Er hat so viel Macht über mich. Aber Gewalt – das kann ich nicht.»

«Es ist gut», sagte Clara und hielt sie weiter fest. Sie war sich nicht mehr sicher gewesen, ob es für Magdalena noch eine Grenze geben würde, und es tat gut zu wissen, dass es so war. Es blieb Verrat, aber irgendjemand musste diesen Kreislauf aus Hass und Brutalität durchbrechen. Dieser erbärmliche Tanzgigolo!, dachte sie. Und weil er ein angesehener Patriot ist und wohlhabend, wird er davonkommen. Alles wird an ihm abperlen, dieser Pomadenhengst ist glitschig wie ein Schleimfisch. Er kann doch nicht mit einem Mord davonkommen! Die Vorstellung machte sie verrückt.

Auf einmal hob sie den Kopf und dachte nach.

«Erinnerst du dich an Das Cabinet des Dr. Caligari?», fragte sie.

***

Sie hatte Magdalena nach Hause gefahren, damit Alfred nichts von ihrem Besuch im Brucknerschlössl merkte. Den nächsten Vormittag verbrachte Clara auf dem Telegraphenamt: Ihre Eltern hatten sich noch immer nicht gemeldet, also drahtete sie noch einmal nach London und danach auch den Geschwistern ihres Vaters, Vinzenz und Resi. Vielleicht konnten sie etwas in Erfahrung bringen. Zu Hause schrieb sie noch eine kurze Notiz

Du hast recht: Manchmal muss man ein Risiko eingehen. Ich werde vorsichtig sein.

Sie würde es morgen losschicken, ehe sie aufbrach.

 

Am Vormittag des elften Juni entfernte sich eine Fronleichnamsprozession langsam von der Kirche St. Helena in Obergiesing. Überall an den Fenstern hingen rote Tücher, standen Fahnen entlang der Straße. Vorneweg schritt eine Abordnung Ministranten in ihren Festtagsgewändern in Rot und Weiß. Ihnen folgten vier Männer in Schwarz, die den goldenen Stoffbaldachin trugen, unter dem der Pfarrer die Hostie in der goldenen Monstranz den Gläubigen präsentierte. Wie ein Bajonett hielt er das sternförmig strahlende Gefäß für das Allerheiligste vor sich. Er hatte die weiße Tracht der hohen Feiertage angelegt, mit der goldfarbenen, aufwendig bestickten Kasel. Dahinter folgten einige Nonnen, Studenten in den Farben ihrer Verbindungen und schließlich die Gemeindemitglieder. Die Kinder sprangen immer wieder hoch, um einen Blick auf die Monstranz zu erhaschen, meistens jedoch vergeblich.

Der schwere Horch hatte angehalten, um die Prozession vorbeizulassen. Als die letzten alten Weiblein, die mit scheppernder Stimme die Lieder mitsangen, vorbeigezogen waren, fuhr Clara wieder an. Sie warf einen kurzen Seitenblick nach dem Herrn auf dem Beifahrersitz: ein etwa fünfzigjähriger Mann mit vollem grauem Haar im schwarzen Rock und mit Melone auf dem Kopf, der sich sichtlich um ein eindrucksvolles Auftreten bemühte. Clara fand das scharf geschnittene Gesicht

***

Zur selben Zeit hielt Renés Hanomag so abrupt vor dem Tor des Brucknerschlössl an, dass die Bremsen quietschten. Der Fahrer sprang heraus, ohne abzuschließen, kümmerte sich nicht mehr darum, dass jeder ihn sehen konnte. Wie ein Verrückter war er hergefahren, hatte das Äußerste aus dem kleinen Wagen herausgeholt. Er rannte durchs Tor, nahm die Stufen mit wenigen Sätzen und hämmerte dann keuchend, wie von Sinnen, gegen die Türe. «Clara! Clara!»

Die Tür öffnete sich, und er taumelte zurück. «Cla…» Er starrte Marei an. «Wo ist Clara?»

«Zu Magdalena Bauer. Sie wollte Ihnen doch eine Nachricht schicken.»

«Verdammt!»

Mit einem Fluch stürzte er zurück auf die Straße und in sein Automobil.

***

«Das Essen ist im Ofen», sagte Magdalena zu Alfred. Sie sah auf die Uhr, dann schloss sie die Küchentür hinter sich und trat in die Stube. Der Köchin hatte sie heute freigegeben. «Du siehst müde aus», meinte sie. «Nimm doch etwas Kokain, dann wirst du dich besser fühlen.»

«Sonst bist du immer dagegen», erwiderte er misstrauisch.

«Wir hatten eine schwere Zeit.» Sie lächelte, ganz die ergebene Hausfrau, die er sich immer gewünscht hatte. «Ich will, dass es dir gutgeht.»

Alfred holte die Dose aus der Tasche, streute etwas von dem weißen Pulver auf die Hand und schnupfte es. Er atmete tief durch. Dann nahm er tatsächlich noch eine zweite Prise.

Die Wirkung würde gleich einsetzen und etwa eine halbe Stunde anhalten. Magdalena wartete ein paar Minuten, dann ging sie zurück in die Küche und öffnete das Fenster. Soeben kam die Fronleichnamsprozession um die Ecke. Die Gesänge hallten zu ihnen herein, und die verzückten Gesichter der Gläubigen waren von weitem zu erkennen. Sie drehte sich um und sah, wie Alfreds Gesicht sich leicht verzerrte und zu einer Maske wurde. Es begann zu wirken.

An der Tür läutete es.

Magdalena beobachtete durch den Türspalt, wie er ungeduldig um sich blickte und dann aufstand, um zu öffnen.

«Guten Tag, Alfred», hörte sie Claras Stimme. Als sie zur Tür sah, erkannte sie auch den Herrn, der sie begleitete. Magdalena atmete auf.

«Was willst du?», fragte Alfred abweisend. In letzter Zeit machte ihn das Kokain zunehmend aggressiv.

«Dich», erwiderte Clara kühl. Sie wedelte mit dem Handschuh, den sie locker in der rechten Hand hielt, und steckte ihn in die Tasche.

Unvermittelt ging Alfred auf sie los.

Claras Begleiter stieß einen erschrockenen Schrei aus. Er trat dazwischen und bekam prompt den Schlag ab, der Clara zugedacht gewesen war.

Er rannte zur Kommode im Flur, mit fahrigen, zitternden Fingern holte er die Waffe heraus. Magdalena kreischte und versuchte, ihm die Pistole aus der Hand zu winden. In diesem Moment drückte er ab.

Clara schrie erschrocken auf und presste die Hand gegen die Schulter. Sie taumelte zurück, stieß an den Türrahmen. Alfred wollte noch einmal feuern, da endlich hatte der fremde Herr ihn erreicht, entwand ihm die Waffe und riss ihn zu Boden.

«Meinen Koffer!», schrie er. Er stieß die Waffe zu Magdalena herüber, die sie mit zitternden Händen aufhob und aus dem Fenster warf.

Clara brachte ihm den Koffer, die Hand noch immer auf die Schulter gepresst. Zwischen ihren Fingern quoll Blut hervor.

«O mein Gott, bist du verletzt?», rief Magdalena.

Clara schüttelte den Kopf. «Es ist nichts. Halt ihn fest!»

Gemeinsam gelang es ihnen, Alfred auf den Boden zu drücken. Der Mann öffnete den Koffer, zog eine Spritze auf und verabreichte sie ihm.

Clara zog den Handschuh von ihrer rechten Hand.

«Ein Handschuh?», stieß Alfred hervor. «Nur ein Handschuh.» Sein zuckendes Gesicht verzerrte sich zur Grimasse. Aber seine Glieder erschlafften.

Langsam kam Clara hoch. «Professor Ernst Rüdin», stellte sie ihren Begleiter vor. «Leiter der Genealogisch-Demographischen Abteilung der psychiatrischen Klinik in der Nußbaumstraße und Lehrstuhlinhaber für Psychiatrie in Basel. Er hat viel Sympathie für die Abstinenzbewegung.»

Ein Lächeln zuckte über ihr Gesicht, und auf einmal erinnerte sie Magdalena an ihren Vater, Melchior. Vielleicht habe ich

«Haben Sie genug gesehen, Professor?», fragte Clara und presste weiter die Hand auf die Verletzung. Ihre Lippen waren schmal und bleich, sie musste starke Schmerzen haben.

Rüdin bejahte. «So schlimm habe ich es selten gesehen. Da werden wir nicht viel machen können, außer ihn dauerhaft mit Medikamenten ruhigzustellen.» Er wandte sich an Magdalena. «Es tut mir sehr leid, Frau Bauer, aber ich fürchte, das Kriegszittern und der Kokainismus sind bei Ihrem Mann sehr stark ausgeprägt. Der bloße Anblick eines Handschuhs hat gereicht, um ein gemeingefährliches Verhalten zu provozieren.» Er sah sie an. «Wussten Sie, wie er auf einen Handschuh reagiert?»

Magdalena war in die Küche gerannt, um ein Tuch für Claras Verletzung zu holen. Jetzt schlug sie die Hände vor den Mund. «Nein», log sie. «Es ist jedes Mal etwas anderes.»

Er rief einen Befehl, und die Männer, die ihnen im anderen Wagen gefolgt waren und draußen gewartet hatten, kamen herein. «Nehmt ihn mit», befahl er. «Und gut festbinden.»

Dann wandte er sich wieder an Magdalena. «Ich muss Ihnen sagen, dass die Heilungschancen schlecht stehen. Es ist möglich, dass Ihr Mann lebenslang in der Anstalt bleiben muss.»

Magdalena lächelte ergeben. «Nun, dann muss es wohl so sein.»

Er küsste ihr die Hand. «Es ist schmerzhaft, aber überlegen Sie sich, ob Sie unter diesen Umständen nicht die Scheidung einreichen wollen. Solche Männer können keinen erbgesunden Nachwuchs zeugen, es wäre daher im Interesse des Volkskörpers. Sie können sich gern an mich wenden, wenn Sie eine Expertise benötigen.»

Der erbgesunde Nachwuchs war Magdalena so egal wie nur